Alexander Dumas
Königin Margot. Zweiter Band
Alexander Dumas

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Das Horoskop

Nachdem Katharina in ihrem Betzimmer Heinrich von Anjou den Vorfall mitgeteilt hatte, begab sie sich in Ihre Wohnung und fand René in ihrem Zimmer.

Seit dem Besuch in dem Haus auf der Brücke Saint-Michel hatten sich die Königin und der Astrolog nicht wiedergesehen. Die Königin hatte ihm nur tags vorher geschrieben, und die Antwort auf den Brief überbrachte nun René persönlich.

»Nun,« fragte die Königin, »haben Sie ihn gesehen?«

»Ja!«

»Wie geht es ihm?«

»Eher besser als schlechter.«

»Und kann er schon sprechen?«

»Nein, denn der Degen hat ihm den Kehlkopf durchbohrt.«

»Ich sagte Ihnen, daß Sie in diesem Falle zu Tinte und Feder greifen sollten!«

»Das habe ich versucht, und er hat sich möglichst zusammengenommen. Seine Hand konnte jedoch nur zwei fast unleserliche Buchstaben auf das Papier bringen und gleich darauf ist er wieder bewußtlos geworden. Seine Halsader ist offen, und zugleich mit dem vielen Blut hat er auch seine ganzen Kräfte verloren!«

»Haben Sie diese Buchstaben gesehen?«

René zog ein Papier aus der Tasche und übergab es Katharina. Sie entfaltete rasch das Blatt.

»Ein M und ein O,« meinte sie, ». . . sollte es doch dieser La Mole gewesen sein? Sollte das Theater Margaretes nur den Zweck gehabt haben, den Verdacht von ihm abzuwälzen?«

»Madame,« warf René bescheiden ein, »wenn ich über diese Angelegenheit, in der Eure Majestät Zweifel zu hegen scheinen, meine Meinung abgeben dürfte, würde ich behaupten, daß Herr von La Mole viel zu sehr verliebt ist, um sich ernstlich mit politischen Dingen zu beschäftigen.«

»Das glauben Sie?«

»Ja, namentlich aber zu sehr verliebt in die Königin von Navarra, um dem König von Navarra ergebene Dienste leisten zu können; denn es gibt keine wahre Liebe ohne Eifersucht!«

»Und Sie halten ihn für bis über beide Ohren verliebt?«

»Des bin ich gewiß!«

»Hätte er am Ende deswegen bei Ihnen vorgesprochen? Wahrscheinlich hat er Sie um irgendwelche Mittel oder Liebestränke gebeten?«

»Nein, wir haben uns mit der bekannten Wachsfigur beschäftigt.«

»Der man ins Herz sticht?«

»So ist es!«

»Und besteht diese Wachsfigur noch?«

»Ja, Madame.«

»Haben Sie sie bei sich?«

»Sie ist bei mir im Hause.«

»Es wäre wissenswert,« meinte Katharina, »ob diese Hilfsmittel der Geheimlehre tatsächlich den ihnen zugeschriebenen Erfolg zeitigen?«

»Eure Majestät können dies besser als ich selbst beurteilen.«

»Liebt aber auch die Königin von Navarra Herrn von La Mole?«

»Sie liebt ihn bis zur Selbstaufopferung. Gestern hat sie ihn um den Preis Ihrer Ehre und Ihres Lebens vom Tode errettet. Das wissen Sie, Madame, und können noch immer zweifeln?«

»An was denn?«

»An die Wissenschaft.«

»Auch diese Wissenschaft hat mich betrogen!« sagte Katharina und sah René scharf in die Augen. Er ertrug den Blick aber mit bewunderungswürdiger Ruhe.

»Bei welcher Gelegenheit, Madame?«

»Oh! Sie wissen schon, was ich sagen will, und zum mindesten geschah das jedesmal, wenn es sich mehr um den Gelehrten als um die Wissenschaft handelte.«

»Ich weiß nicht, was Sie damit meinen, Madame,« antwortete der Florentiner.

»Haben Ihre Duftmittel allen Geruch verloren, René?«

»Nein, Madame, sicherlich dann nicht, wenn sie von mir angewendet werden. Immerhin ist es möglich, daß sie, wenn sie durch andere Hände gehen . . .«

Katharina lächelte und schüttelte den Kopf.

»Ihre Salbe hatte vorzüglichen Erfolg, René,« sagte sie, »und Frau von Sauve hat viel frischere und rötere Lippen denn je!«

»Es ist nicht meine Salbe, die gepriesen werden soll, Madame, denn Frau von Sauve, die, wie alle schönen Frauen das Recht hat, launisch zu sein, hat nie wieder von dieser Salbe zu mir gesprochen, während ich meinerseits auf die Empfehlung Eurer Majestät hin die Angelegenheit dahin beurteilt habe, ihr auch keine Salbe zu schicken. Die Dosen befinden sich demnach noch geradeso in meinem Hause, wie Sie sie dort zurückgelassen haben, mit Ausnahme einer einzigen, die mir jemand entwendet haben muß. Ich weiß nicht, wer das gewesen sein kann und zu welchem Zweck er es getan hat.«

»Es ist gut, René!« sagte Katharina. »Wir werden vielleicht später wieder darauf zurückkommen. Mittlerweile haben wir noch etwas anderes zu besprechen.«

»Ich höre, Madame!«

»Was kann man tun, um annähernd die Lebensdauer einer bestimmten Person vorauswissen zu können?«

»Zuvörderst muß man den Geburtstag der Person kennen, dann wissen, wie alt sie ist und unter welchen Himmelszeichen sie das Licht der Welt erblickt hat.«

»Und dann?«

»Dann muß man etwas Blut und auch Haare von der Person haben.«

»Wenn ich Ihnen nun Blut und Haare von ihr verschaffe, wenn ich Ihnen das Himmelszeichen nenne, das Alter und den Geburtstag, können Sie mir den voraussichtlichen Zeitpunkt ihres Todes vorherbestimmen?«

»Ja, sogar annähernd den Tag.«

»Gut, ich besitze Haare von dieser Person und werde mir auch ihr Blut verschaffen.«

»Ist diese Person während des Tages oder während der Nacht geboren?«

»Um fünf Uhr dreiundzwanzig Minuten abends.«

»Wollen Sie die Güte haben, morgen um fünf Uhr abends bei mir zu erscheinen, Madame, der Versuch muß genau zur Stunde der Geburt erfolgen.«

»Gut,« sagte Katharina, »wir werden dort sein.«

René grüßte und zog sich zurück, ohne anscheinend dieses »wir werden dort sein« beachtet zu haben, das zum Ausdruck brachte, daß Katharina ganz gegen ihre sonstige Gewohnheit nicht allein in seinem Hause erscheinen wollte.

Am nächsten Morgen, schon bei Tagesanbruch, besuchte Katharina ihren kranken Sohn. Um Mitternacht hatte sie Erkundigungen über seinen Zustand eingezogen und hatte erfahren, daß Meister Ambrosius Paré bei ihm weile und sich bereit halte, den König zur Ader zu lassen, wenn sich der Nervenzustand wiederholen sollte.

Selbst im Schlafe noch zitternd, totenblaß wegen des großen Blutverlustes, ruhte Karl auf der Schulter seiner treuen Amme. Diese lehnte sich an das Bett an und hatte seit drei Stunden ihre Stellung nicht gewechselt, sich nicht gerührt, um den Schlaf ihres geliebten Kindes nicht zu stören.

Ein leichter Schaum trat von Zeit zu Zeit auf die Lippen des Kranken, und die Amme wischte ihn jedesmal mit einem feinen, gestickten Batisttuche ab. Auf dem Kopfkissen lag ein Taschentuch, das mit breiten Blutflecken gänzlich besprengt war.

Katharina wollte sich vorerst dieses Taschentuches bemächtigen. Doch dann erwog sie, daß dieses Blut, das mit Speichel vermischt und durchsetzt war, nicht die erwünschte Wirksamkeit haben könnte. Sie fragte die Amme, ob der Doktor ihren Sohn nicht zur Ader gelassen habe, wie er es ihr hatte sagen lassen. Die Amme gab eine bejahende Antwort und berichtete, daß der Blutfluß so stark gewesen wäre, daß Karl zweimal das Bewußtsein verloren hätte.

Die Königin-Mutter, die wie alle Prinzessinnen der damaligen Zeit etwas von der Heilkunst verstand, verlangte das dem König entzogene Blut zu sehen. Nichts war leichter als das, denn der Doktor hatte empfohlen, das Blut aufzuheben, um daran etwaige Anzeichen oder Veränderungen beobachten zu können.

Es befand sich in einem Becken, in einem angrenzenden Nebenzimmer. Katharina ging in dieses Zimmer hinein, überzeugte sich von der Richtigkeit des Gefäßes und seines Inhaltes und füllte ein Fläschchen, das sie schon zu diesem Zwecke mitgebracht hatte, mit der roten Flüssigkeit. Dann kehrte sie in das Krankenzimmer zurück und versteckte ihre Finger in den Taschen, weil deren geröteten Spitzen den verübten Mißbrauch hätten verraten können.

In dem Augenblick, als sie die Schwelle des Raumes betrat, öffnete Karl die Augen und war über den Anblick seiner Mutter sichtlich überrascht. Als ob er einen bösen Traum fortsetzen müßte, so sammelte er jetzt seine von Rachsucht beeinflußten Gedanken.

»Ah! Sie sind es, Madame?« sagte er. »Nun gut, dann sagen Sie nur Ihrem vielgeliebten Sohn, Ihrem Heinrich von Anjou, daß alles für morgen anberaumt ist!«

»Mein lieber Karl, das wird an dem von Ihnen gewünschten Tag stattfinden. Beruhigen Sie sich nur und schlafen Sie.«

Als ob er dies Gebot befolgen wollte, schloß Karl wieder seine Augen, und Katharina, die diese Worte so gesprochen hatte, wie man etwa einen Kranken tröstet oder ein Kind besänftigt, verließ das Zimmer. Als aber Karl gehört hatte, daß die Tür hinter seiner Mutter zugefallen war, richtete er sich plötzlich auf und rief, weil er sich von dem Anfall noch nicht erholt hatte, mit erstickter und leidender Stimme: »Meinen Kanzler, die Siegelbewahrer, den Hof . . . alle sollen zu mir kommen!«

Mit zärtlichem Nachdruck legte die Amme den Kopf des Königs wieder auf ihre Schulter und, damit er wieder einschlafe, begann sie den Körper ganz sachte hin und her zu wiegen, wie man das bei Kindern tut.

»Nein, nein, Amme! Ich werde nicht schlafen . . . rufe mir meine Leute, ich will heute morgen noch arbeiten!«

Wenn Karl so sprach, mußte gehorcht werden. Selbst die Amme durfte, trotz der Vorrechte, die ihr das einstmalige Pflegekind eingeräumt hatte, solchen Befehlen keinen Widerstand entgegensetzen. Man ließ jene Menschen kommen, die der König zu sich gewünscht hatte und die Sitzung wurde, weil das auch unmöglich gewesen wäre, nicht für den kommenden Tag, sondern für fünf Tage später angesetzt.

Mittlerweile hatten sich zur bestimmten Stunde – das war fünf Uhr nachmittags – die Königin und der Herzog von Anjou bei René eingefunden, der in Erwartung dieses Besuches alles für die geheimnisvolle Zusammenkunft vorbereitet hatte.

Im rechts gelegenen Raum, das heißt im Zimmer, wo die Opferungen stattzufinden pflegten, glühte auf einem heißen Kohlenbecken eine Stahlplatte. Diese war dazu bestimmt, mit ihren absonderlichen Verschnörkelungen Schicksalsereignisse darzustellen, aus denen man Vorhersagungen schöpfen wollte. Auf dem Altar lag das Schicksalsbuch vorbereitet. Auch hatte René während der vorhergegangenen besonders klaren Nacht die Stellung und die Bewegung der Gestirne gut beobachten können.

Heinrich von Anjou trat als erster ein. Er hatte falsche Haare, eine Maske bedeckte sein Antlitz und ein großer Nachtmantel verbarg seine Gestalt. Nach ihm kam seine Mutter, und wenn sie nicht im voraus gewußt hätte, daß ihr Sohn sie hier erwarten würde, hätte auch sie ihn nicht erkannt. Katharina nahm ihre Maske ab, der Herzog von Anjou hingegen behielt sie.

»Hast du in dieser Nacht deine Beobachtungen gemacht?« fragte Katharina René.

»Jawohl, Madame,« lautete die Antwort, »und die Antwort der Gestirne hat mir wenigstens schon die Vergangenheit verraten. Derjenige, dessentwillen Sie mich befragen wollen, ist im Zeichen des Krebses geboren. Er besitzt ein feuriges Herz und ist von beispiellosem Stolz. Er ist auch mächtig und hat bis heute ungefähr ein Vierteljahrhundert gelebt. Vom Himmel hat er bisher Ruhm und Reichtum als Gabe erhalten. Stimmt das so, Madame?«

»Vielleicht!« sagte Katharina.

»Haben Sie die Haare und das Blut?«

»Hier ist alles!«

Katharina übergab dem Geisterbeschwörer eine Locke fahlgelben Haares und eine mit Blut gefüllte Flasche.

René übernahm das Fläschchen und schüttelte es gut durch, damit sich die Blutkörperchen mit der Lymphe vermischten. Dann ließ er einen breiten Tropfen von diesem flüssigen Teil eines Menschenkörpers auf die glühende Platte fallen. Der Tropfen kochte sofort auf und verbreiterte sich gleich darauf in wunderlicher Form über den Stahl.

»Oh, Madame!« rief René. »Ich sehe, wie sich diese Person in grausamen Schmerzen windet. Hören Sie, wie sie wimmert, wie sie um Hilfe ruft? Sehen Sie, wie alles um sie herum von Blut gerötet wird? Sehen Sie endlich, wie sich um ihr Sterbebett große Kämpfe vorbereiten? Da, blicken Sie hierher, das sind Lanzen und da sind Schwerter!«

»Und wird bis dahin noch viel Zeit vergehen?« fragte Katharina und bebte vor unbeschreiblicher Aufregung. Sie hielt den Herzog von Anjou bei der Hand zurück, weil er sich in unbezähmbarer Neugierde dem Kohlenbecken zu sehr näherte.

René ging zum Altar und sagte ein beschwörendes Gebet auf. Er entwickelte hierbei eine ganz besondere Lebhaftigkeit und sprach in so feuriger Überzeugung, daß allmählich seine Schläfenadern anzuschwellen begannen, daß sich sein Körper in ahnungsvollen Zuckungen zu bewegen begann. Diese Bewegungen glichen den Körperverzerrungen, von denen die altertümlichen Wahrsagerinnen ergriffen worden sein sollen, wenn sie auf ihrem Dreifuß saßen, Eigentümlichkeiten im Ausdruck, die sogar noch auf ihrem Totenbett zur Geltung gekommen sein sollen.

Schließlich aber beruhigte sich René wieder und verkündete nun den Anwesenden, daß alles bereit sei. In einer Hand hielt er das Fläschchen, das noch zu drei Vierteln voll war, in der anderen hielt er die gelbe Haarlocke. Jetzt befahl er Katharina das Buch zu öffnen und auf die erste beliebig aufgeschlagene Seite zu sehen. Dann schüttete er den ganzen Inhalt des Fläschchens auf die Stahlplatte aus und warf die Haare in das glühende Becken. Hierbei murmelte er einen kabbalistischen Spruch, der aus hebräischen Worten zusammengestellt war, die er selbst nicht verstand.

Sofort bemerkten Katharina und Heinrich von Anjou, wie sich auf der Platte eine weißliche Figur abzeichnete, die wie ein in ein Totentuch gehüllter menschlicher Leichnam aussah.

Eine zweite Gestalt, die der eines weiblichen Wesens ähnelte, war über diesen Leichnam gebeugt.

Zu gleicher Zeit entzündeten sich die Haare, eine einzige Flamme schlug aus dem Becken auf, hell und heftig, lang und schmal, wie eine rote Zunge.

»Ein Jahr,« rief René aus, »kaum ein Jahr wird vorübergehen, und der Mann wird tot sein und eine Frau allein wird seinen Tod beweinen! Doch nein! . . . Dort am Ende der Stahlplatte trauert noch eine zweite Frau, und sie hat allem Anschein nach ein Kind auf dem Arm!«

Katharina blickte ihren Sohn an, und mit der Anteilnahme einer wirklichen Mutter schien sie ihn mit diesem Blick zu fragen, wer wohl die zwei Frauen sein könnten.

Kaum hatte René geendigt, als die Stahlplatte auch schon wieder ihre gewöhnliche Farbe bekam, allmählich waren die Umrisse der Gestalten ganz verschwunden.

Nun öffnete Katharina das bereitliegende Buch, und zwar ganz wie zufällig und las mit einer Stimme, die trotz Selbstbeherrschung eine Erregung nicht verheimlichen konnte, auf der ersten aufgeschlagenen Seite folgenden zweizeiligen Vers:

Gäb's Klugheit aber nicht, dann würde wohl vergehen,
Früher, zu früh noch der, den wir gefürchtet sehen.

Tiefe Stille herrschte eine Zeitlang um das glühende Kohlenbecken.

»Wie sind für den, den du kennst, die Himmelszeichen des Monats?« fragte Katharina endlich.

»Rosig, rosig, wie immer, Madame. Die nächste Zukunft ist diesem Manne jedenfalls günstig, wofern er ein Verhängnis in einem Kampf besiegen kann, der wie zwischen Göttern ausgekämpft werden muß. Immerhin . . .«

»Was ist immerhin?«

»Einer der Sterne seines Siebengestirnes war in der Zeit meiner Beobachtung von einer schwarzen Wolke verdeckt.«

»Ah, eine schwarze Wolke!« rief Katharina. »Es ist also Hoffnung vorhanden . . .

»Von wem sprechen Sie, Madame?« fragte der Herzog von Anjou.

Die Königin-Mutter führte ihren Sohn aus dem Feuerschein in eine dunkle Ecke und sprach dort mit leiser Stimme auf ihn ein.

Während dieser Zeit kniete sich René nieder und schüttete noch einen letzten übergebliebenen Tropfen aus dem Fläschchen in die helle Feuersflamme.

»O merkwürdiger Widerspruch!« rief er aus. »Er beweist, wie wenig die Behauptungen der in der üblichen Wissenschaft tätigen Männer taugen! Für alle anderen außer mir, für einen Doktor, für einen Gelehrten, selbst für Meister Ambrosius Paré würde dieses Blut von reinster Beschaffenheit, von tadelloser Zusammensetzung, das so lebenskräftig und sauerstoffreich ist, für die Lebensdauer des Körpers, dem es entflossen ist, vielversprechend sein. Und trotzdem muß diese Gesundheit vergehen, vor einem Jahre noch muß diese ganze Lebenskraft erlöschen!«

Katharina und Heinrich hatten sich wieder genähert und hörten René zu.

Die Augen des Prinzen funkelten durch seine Maske.

»Ah!« schloß René, »den gewöhnlichen Gelehrten gehört nur die Gegenwart, uns aber gehört die Vergangenheit und die Zukunft.«

»Sie bestehen also auf Ihrer Meinung, daß er vor Ablauf eines Jahres sterben wird?« fragte Katharina.

»Das wird so sicher geschehen, als wir drei, die wir heute noch leben, eines Tages auch im Sarg ruhen werden.«

»Desungeachtet aber, sagten Sie früher, daß dieses Blut rein und lebenskräftig sei, daß es auf eine lange Lebensdauer schließen lasse.«

»Ja, wenn alles seinen natürlichen Weg ginge. Ist es jedoch nicht möglich, daß ein Unglück . . .«

»Ach ja, hören Sie doch, Heinrich,« sagte Katharina, »ein Unglücksfall . . .«

»Gewiß!« sagte der Herzog, »ein Grund mehr, um zu bleiben.«

»Oh, was das betrifft, mache dir darüber keine Gedanken, denn es ist ein Ding der Unmöglichkeit!«

Dann sagte der Herzog zu René: »Ich danke!« Er verstellte den Ton seiner Stimme. »Nochmals danke, und nimm diese Geldbörse hier!«

»Kommen Sie, Graf!« sagte Katharina, indem sie ihrem Sohn geflissentlich diesen Titel gab, um Renés Vermutungen auf Irrwege zu lenken.

Darauf entfernten sich beide aus dem Hause.

»Oh, liebe Mutter, sehen Sie, ein Unglücksfall!« meinte Heinrich von Anjou. »Und wenn der Unglücksfall eintritt, bin ich gar nicht hier, ich werde vierhundert Meilen von Ihnen entfernt sein . . .«

»Vierhundert Meilen sind in acht Tagen zurückgelegt, mein Sohn!«

»Ja, aber weiß man, ob die Leute dort mich auch fortlassen werden? Daß ich nicht lieber hier warten kann, liebe Mutter!«

»Wer weiß es?« erwiderte Katharina. »Kann dieser Unglücksfall, von dem René spricht, nicht der sein, der den König seit gestern auf ein Schmerzenslager geworfen hat? Hören Sie, mein Kind, kehren Sie für sich in Ihre Wohnung zurück, denn ich werde durch diese kleine Pforte hier in das Augustinerkloster gehen, wo mich mein Gefolge erwartet. Gehen Sie, Heinrich, gehen Sie und hüten Sie sich, Ihren Bruder zu reizen, falls Sie ihn sehen sollten!«

 


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