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»Hallo, Jimmy! Du sollst in die Office kommen, der Boß will dich sprechen«, sagte im Kraftwerk der Dupont Company Kesselwärter Bullet zum Kesselwärter Miller und gab ihm einen freundlichen Rippenstoß.
»Zu Mr. Fletcher, Dicky?« fragte Miller. »Was will der Alte von mir?«
Bullet zuckte die Achseln. »Mußt selber wissen, Jimmy, was du ausgefressen hast. Mach man fix, brauchst dich nicht erst schönzumachen. Sollst so kommen, wie du bist.«
Trotz der Ermahnung Bullets nahm sich Miller Zeit, erst seine rußigen Hände zu waschen, und überlegte dabei, was er tun solle. Entweder zu Mr. Fletcher gehen oder sofort spurlos aus dem Werk und aus Salisbury verschwinden? Während er sich die Hände abtrocknete, kam er zu dem Entschluß, es zu riskieren und beim Boß anzutreten.
Fletcher war nicht allein in seiner Office. Ein älterer Herr war noch zugegen und musterte den eintretenden Kesselwärter durch die scharfen Gläser seiner Brille in einer Weise, die diesem ganz und gar nicht gefiel.
»Nehmen Sie Platz, Miller, Mr. Spinner hat ein paar Fragen an Sie zu stellen«, sagte Fletcher.
Spinner . . . Spinner? . . . Miller glaubte den Namen schon einmal gehört zu haben, aber er wußte nicht, wo er den Namen unterbringen sollte, unter dessen forschenden Blicken ihm von Sekunde zu Sekunde unbehaglicher wurde.
»Ja, Mr. Miller oder . . . Mr. Rider, oder wie Sie sonst heißen mögen . . .«
Als der Kesselwärter sich bei seinem richtigen Namen Rider nennen hörte, wäre er am liebsten aus der Office gestürmt, aber fatalerweise hatte sich Spinner so gesetzt, daß er ihm den Weg zur Tür versperrte.
». . . wenn Sie damit kein Geschäftsgeheimnis preisgeben«, fuhr Spinner fort, »bitte ich Sie, mir zu sagen, wieviel Ihnen Herr Direktor Clayton für Ihre Berichte bezahlt?«
Der Schlag kam unvermutet und hatte volle Wirkung. Miller schnappte nach Luft und starrte den Nachrichtenchef fassungslos an.
»Ich . . . ich weiß nicht, was Sie meinen, Sir«, brachte er schließlich stockend heraus.
»Stellen Sie sich nicht dümmer, als Sie sind«, schnitt ihm Spinner scharf das Wort ab. »Beantworten Sie lieber meine Frage. Es interessiert mich, wie die Konkurrenz Leute Ihres Schlages honoriert.«
Der Nachrichtenchef blätterte in seinem Notizbuch und sprach weiter. »Sie sind ja ganz tüchtig gewesen, Rider. Am vierzehnten haben Sie einen Bericht geschickt. Den nächsten am sechzehnten . . .« Er las noch ein paar weitere Daten vor. »Alles in allem sieben lange Berichte über einen alten Dampfkessel. Hat sich das Geschäft wenigstens gelohnt?«
Miller wußte nicht, was er antworten sollte. Er wollte weiterleugnen und fand unter den kühlen Blicken Spinners nicht die Kraft dazu.
»Na lassen Sie es gut sein, Rider«, sagte der Nachrichtenchef nach einer drückenden Pause. »Wenn Sie Ihre Geheimnisse nicht verraten wollen, kann ich Sie auch nicht dazu zwingen. Aber eins merken Sie sich bitte. Ihre Geschäfte hier im Werk sind zu Ende. Der nächste Zug nach dem Westen geht um elf Uhr zwanzig. Wenn Sie um elf Uhr einundzwanzig noch in Salisbury sind, lasse ich Sie verhaften. Was Ihnen dann blüht, wissen Sie wohl selber. Glückliche Reise, Mr. Rider! Grüßen Sie Direktor Clayton von mir.«
Mr. Miller alias Mr. Rider wußte später selber nicht, wie er aus der Office herausgekommen war. Er war noch benommen, als er das Werk verließ. Auch auf der Straße glaubte er immer noch den halb verschleierten und doch so zwingenden Blick Spinners zu spüren. Wie unter einem Zwang schlug er den nächsten Weg zum Bahnhof ein und kam rechtzeitig zu dem Zuge, der um elf Uhr zwanzig die Halle verließ. – –
»Warum haben Sie den Kerl laufen lassen?« fragte Fletcher, als der Kesselwärter draußen war. Spinner wischte mit der Hand über den Tisch.
»Es hätte wenig Zweck, den Menschen einzusperren, Fletcher, wesentlichen Schaden konnte er noch nicht anrichten. Ein paar andere Herrschaften von der Zunft machen mir größere Sorgen. Achten Sie bei etwaigen Neueinstellungen auf die Namen Jefferson und Brown.«
»Hübsche Sammelnamen, Mr. Spinner«, lachte Fletcher. »Im Telephonbuch von Salisbury nimmt der Name Brown ungefähr zehn Seiten in Anspruch, und Jefferson ist auch nicht gerade selten.«
»Hilft nichts, Fletcher! Gott sei Dank wissen wir, daß die Kerle unter diesen Namen segeln, und wollen uns danach richten. Stellen Sie keinen ein, der sich so nennt. Es ist der einfachste Weg, sich die Gesellschaft vom Halse zu halten.«
Fletcher nickte. »Gut, Mr. Spinner! Ich werde mich danach richten.«
Spinner griff nach dem Tischtelephon. »Gestatten Sie, Fletcher?«
Er nahm den Hörer ab und ließ sich mit Dr. Wandel verbinden. »Sie sind's, Slawter«, hörte ihn Fletcher in den Apparat sprechen. »Ist der Doktor nicht da?« und dann nach einer längeren Pause: »Gut, gut! Ich komme gleich zu Ihnen . . . Großer Gott, was regt sich der gute Slawter so auf!« sagte er zu Fletcher, als er den Hörer wieder auflegte. »Dessen Sorgen möchte ich haben und das Einkommen von Mr. Dowd. Auf Wiedersehen, Fletcher! Vergessen Sie die Namen Brown und Jefferson nicht.«
Im Schein der hellen Vormittagssonne wanderte der Nachrichtenchef über verschiedene Werkhöfe bis zur Abteilung Slawters und betrat das Zimmer Dr. Wandels.
Der Doktor saß mit Slawter zusammen über allerlei Papieren. Er war dabei, ihm eine langwierige Formel zu erklären, und gegen seine sonstige Gewohnheit hörte Slawter aufmerksam zu.
Spinner stutzte, als er die erregten Mienen der beiden bemerkte. Etwas Derartiges war er bisher weder von dem meist etwas phlegmatischen Slawter noch von Dr. Wandel gewöhnt.
»Sie suchten nach mir«, sagte er nach einer kurzen Begrüßung. »Ich wäre sowieso zu Ihnen gekommen, Herr Doktor. Es sind Nachrichten aus Detroit da, die Sie stark angehen.«
»Wir haben Neuigkeiten, die Detroit noch viel stärker angehen«, platzte Slawter dazwischen. »Ein schönes Basiliskenei hat der Esel von einem Laboratoriumsdiener der United ins Nest gelegt. Wenn nicht schleunigst etwas dagegen geschieht, kann ganz Detroit in die Luft fliegen.«
»Na, na, lieber Slawter!« versuchte Spinner den Aufgeregten zu beschwichtigen. »Sie übertreiben wohl ein bißchen. Eine Stadt von zwei Millionen Einwohnern geht nicht so ohne weiteres in die Luft. Was meinen Sie dazu, Herr Doktor?«
»Es ist leider so, Mr. Spinner«, bestätigte der Doktor die Worte Slawters. »Der unerwartete Zwischenfall . . . Ihr Gewährsmann deutete die Möglichkeit einer Sabotage an – hat die physikalischen Bedingungen bei dem Versuch von MacGan auf eine unglückselige Weise verändert. Es hat sich infolgedessen in dem Autoklav ein Stoff gebildet, der . . .« Dr. Wandel zögerte, suchte nach Worten, um treffend auszudrücken, was er sagen wollte, und fuhr dann fort: »Ein atomarer Explosivstoff, Mr. Spinner, der ebenso heimtückisch wie gefrorenes Dynamit, aber billionenfach stärker ist.«
Mr. Spinner war in der Lage, die Bedeutung dieser Worte voll zu erfassen, denn aus einer früheren Tätigkeit her, die nun schon viele Jahre zurücklag, wußte er, was es mit gefrorenem Dynamit auf sich hat. Er wußte, daß es aus den geringfügigsten Ursachen, oft überhaupt ohne jede erkennbare Ursache, plötzlich detoniert, daß es gleichbedeutend mit lauerndem Tod ist.
»Um's Himmels willen, Herr Doktor, wie ist das möglich?« fragte er, als er den Eindruck der Mitteilung etwas verwunden hatte.
»Ich weiß nicht, wie ich's Ihnen erklären soll, Mr. Spinner«, erwiderte der Doktor. »Es hängt natürlich mit dem Aufbau der Atome zusammen. Stellen Sie sich vor, daß Sie etwa neben einem mächtigen Turm stehen, der jeden Augenblick zusammenstürzen und Sie unter seinen Trümmern begraben kann, dann haben Sie eine ungefähre Vorstellung von den Verhältnissen. Sie können sich wohl denken, wie es Slawter und mir zumute war, als wir diese Gefahr erkannten.«
Blässe und Röte wechselten in den Zügen Spinners. Erst jetzt kam ihm zum Bewußtsein, daß eine nicht unbeträchtliche Menge des verderbenschwangeren Stoffes sich auch im Laboratorium des Doktors befand. Er blickte sich scheu um, als erwarte er jeden Augenblick eine Explosionskatastrophe. Slawter sah es und kam ihm zu Hilfe.
»Hier haben Sie nichts zu befürchten, Spinner. Der Stoff, den wir hier haben, ist nicht mehr gefährlich.«
»Nicht mehr gefährlich?« kam es wie ein Echo von den Lippen Spinners. »Wie soll ich mir das erklären?«
Slawter machte eine Handbewegung zu dem Doktor hin. »Lassen Sie sich's von dem hier sagen, der hat das Kunststück fertiggebracht.«
Dr. Wandel versuchte theoretische Erklärungen zu vermeiden, die der Nachrichtenchef doch wohl kaum begriffen hätte.
»Gefrorenes Dynamit muß man vorsichtig auftauen, dann wird es wieder friedlich«, antwortete er auf die Frage Spinners. »Und wacklige Atome lötet man im Autoklav wieder zusammen, dann vergeht ihnen die Lust, zu explodieren.«
»Das sagt der Doktor so, als ob's die einfachste Sache von der Welt wäre«, fuhr Slawter dazwischen. »Aber ich kann Ihnen sagen, Spinner, es war verdammt nicht einfach, als wir beide, der Doktor und ich, gestern nach Werkschluß das verdammte Zeug in den Autoklav packten . . . Geben Sie's doch zu, Doktor, die erste Viertelstunde war Ihnen auch nicht wohl dabei.«
»Lassen Sie nur, Slawter«, wehrte Dr. Wandel ab. »Wir mußten es eben wagen. Es gab keine andere Möglichkeit, die Gefahr zu beseitigen. Wir haben genau nach meiner Formel gearbeitet. Da konnte theoretisch überhaupt nichts passieren . . . Na, und praktisch ist ja auch nichts passiert, mein lieber Slawter. Das Schlimme ist nur, daß die United eine viel größere Menge von dem explosiven Zeug liegen hat und im Augenblick gar nicht in der Lage ist, es unschädlich zu machen. MacGan hat den Autoklav in Detroit ja kurz und klein geschmort.
Aber da muß sofort etwas geschehen«, fuhr er, lebhafter werdend, fort. »Wir müssen eingreifen, und wenn ich selber deswegen nach Detroit fahren müßte. Die Leute haben ja keine Ahnung von der Gefahr, in der sie sich befinden.«
»Es handelt sich dabei nicht nur um die United allein, bei einer Explosion würden umfangreiche Teile der Stadt in Mitleidenschaft gezogen werden. Es könnte eine Katastrophe geben, schlimmer noch als das große Erdbeben von Frisco. Mein Gott, Spinner, was soll man tun? Sie werden in Detroit natürlich mit dem Stoff experimentieren. Sie werden versuchen, ihn zu analysieren . . . und dabei wird er ihnen unter den Fingern losgehen. Man muß warnen, Spinner . . . Verhaltungsmaßregeln senden.«
Dr. Wandel fuhr sich mit einer müden Gebärde über die Stirn. »Viel nützen kann das auch nicht, der Stoff ist zu heimtückisch. Während wir hier sitzen und reden, kann das Unglück jeden Augenblick geschehen – kann vielleicht schon geschehen sein.«
»Das ist nicht meine Sache«, sagte Spinner mit unerschütterlicher Ruhe. »Wenn Sie es für angebracht halten, so geben Sie in Gottes Namen eine Warnung nach Detroit, ich habe andere Sorgen.«
»Viel Neues und wenig Gutes dabei«, meinte Slawter, als Spinner fortgegangen war. »Es scheint, Doktor, daß wir nicht zur Ruhe kommen sollen.«
Dr. Wandel hantierte mit seinen Papieren. Während er die beschriebenen Seiten zusammenlegte, blieb sein Blick an einer der langen Formeln haften. Er griff zum Bleistift, verfolgte die einzelnen Glieder der mathematischen Entwicklung und vergaß darüber seine ganze Umgebung. Eine Weile sah ihm Slawter zu, dann rief er ungeduldig:
»Sie schweigen sich in allen Tonarten aus, Doktor. Reden Sie doch auch ein Wort! Was sagen Sie zu den Neuigkeiten, die uns Spinner eben aufgetischt hat?«
Dr. Wandel ließ den Bleistift sinken. »Es ist störend, Slawter, es wirft alle meine Dispositionen über den Haufen. Sehen Sie hier!«
Er schob Slawter das Blatt mit der Formel hin, die er eben nachgeprüft hatte. Mit stillem Schauder betrachtete Slawter die endlose Reihe mathematischer Symbole, während der Doktor fortfuhr:
»Sehen Sie, Slawter, das ist das Richtige, jetzt habe ich's endlich. Noch zwei bis drei Experimente mit dem Autoklav, und wir werden den Stoff haben, nach dem ich so lange suchte. Den idealen Stoff, Slawter, bei dem wir die Abgabe der Energie ebenso einfach und bequem regeln können wie bei einer Kesselfeuerung. Aber Zeit brauche ich dazu. Wenigstens eine Woche ungestörter Arbeit wird dafür noch notwendig sein. Zum Teufel, warum läßt mich die United nicht in Frieden!«
Er schlug erregt mit der Faust auf den Tisch. Erstaunt sah Slawter ihn an. So aufgebracht hatte er den ruhigen Deutschen noch nicht gesehen.
»Es ist eine bodenlose Gemeinheit von Chelmesford und seinen seinen Leuten!« schrie Dr. Wandel mit einem zweiten Faustschlag auf den Tisch. »In Detroit haben Sie mir die Arbeit unmöglich gemacht, und jetzt stören sie mir hier meine Kreise.« Der Doktor sank wieder in sich zusammen. Alle Erregung war von ihm abgefallen.
»Unsinn, Doktor!« unterbrach ihn Slawter, »hier ist der richtige Platz für Sie. Hier bei uns werden Sie Ihre Arbeit zu Ende bringen. Die Company wird schon für die nötige Ruhe sorgen.«
*
MacGan machte sich an die Untersuchung des neuen Stoffes, nachdem Tom White zu seiner Geheimanlage zurückgekehrt war. Die Aufzeichnungen, die White ihm dagelassen hatte, benötigte er dazu kaum, denn von seinen früheren Arbeiten mit Dr. Wandel wußte er recht genau, wie bei solchen Bestimmungen neuer Elemente vorzugehen war.
Erst einmal gewisse maßgebende Verbindungen des neuen Stoffes herstellen, etwa die Chloride, Bromide und Sulfide, und diese Verbindungen hinterher wieder zerlegen, dann war das Atomgewicht bald gefunden. In der Theorie war die Sache reichlich einfach, bei der praktischen Durchführung erforderte sie freilich eine peinlich genaue Feststellung der Gewichtsmengen, die den verschiedenen chemischen Reaktionen unterworfen werden sollten.
Nach kurzem Überlegen entschloß sich MacGan, für alle Untersuchungen ein Zehntelgramm des unbekannten Stoffes als Normalmenge zu nehmen. Er warf zunächst ein paar Kristalle davon in eine Kugelmühle, um sie in feines Pulver zu verwandeln. Nur so hatte er ja die Möglichkeit, die angenommene Normalmenge auf Bruchteile eines Milligramms genau abzuwägen, und außerdem würde der pulverisierte Stoff auch leichter und williger die beabsichtigten chemischen Verbindungen eingehen.
Während die Kugelmühle, von einem Elektromotor getrieben, schnurrend lief, bereitete er schon immer die Gefäße für die Analysen vor und ging daran, die verschiedenen Reaktionsflüssigkeiten in Mensuren abzufüllen. Das alles nahm geraume Zeit in Anspruch. Aber als er damit fertig war, mußte er feststellen, daß die Kugelmühle erst eine geringe Menge Pulver gemacht hatte. Der neue Stoff schien außergewöhnlich hart zu sein und leistete der Zerkleinerung durch die Stahlkugeln der Mühle einen unerwartet starken Widerstand.
Mit irischer Geduld fügte MacGan sich in das Unvermeidliche und stopfte sich eine Pfeife. Nachdenklich blickte er auf die blauen Wolken und begann zu sinnieren.
Was mochte das für ein Stoff sein, der sich bei dem verunglückten Versuch gebildet hatte? Daß es eine andere Substanz war als jene leuchtenden Kristalle, die der deutsche Doktor in Detroit hergestellt hatte, war offensichtlich. Diese Masse, die jetzt in der Kugelmühle zerpulvert wurde, verhielt sich ganz anders. Sie strahlte nicht, sie teilte bei der Berührung keine elektrischen Schläge aus, und so, wie es sich vorläufig anließ, war sie kein radioaktiver Stoff. Vielleicht nur eine einfache Legierung des Wolframmetalls der Elektrodenstifte mit dem Stahl der zerschmolzenen Autoklavwand . . .
War es aber so – und das mußte die Analyse ja schnell ergeben –, dann konnte er alle seine Träume und Hoffnungen auf eine Karriere bei der United begraben. Dann mußte er froh sein, wenn man ihn weiter als Laboratoriumsdiener beschäftigte und nicht glatt auf die Straße setzte.
Auf die Analyse kam es an. Ihr Ergebnis mußte über seine Zukunft entscheiden. Von Minute zu Minute wurde ihm das tatenlose Warten unerträglicher. Mit einer Gebärde der Ungeduld stand er auf und gab stärkeren Strom auf den Elektromotor. Schneller lief danach die Mühle, kräftiger zelmalmten die Kugeln in ihr den neuen Stoff. – –
Eine Viertelstunde nach der Entdeckung des Lauschmikrophons war Mr. Stackpool wieder bei Chelmesford und Clayton.
»Der Kabelmantel führt keinen Strom mehr«, berichtete er dem Präsidenten, »die Stelle, wo das Telephon angeschlossen war, läßt sich deshalb nicht mehr genau ermitteln. Aber das Kabel verläuft von hier direkt zur Abteilung Melton, es ist daher mit Sicherheit anzunehmen, daß die Anschlußstelle sich in einem der Räume dieser Abteilung befunden hat.«
»Gut, Mr. Stackpool, damit ist die Angelegenheit für Sie erledigt«, sagte der Präsident.
». . . aber für uns noch nicht«, fuhr er fort, als Stackpool draußen war. »Der Spion sitzt in der Abteilung Melton. Wir müssen ihn ausfindig machen, Clayton.«
Der Direktor ging in Gedanken die Angestellten der Abteilung der Reihe nach durch und ließ dabei hin und wieder halblaut einen Namen fallen.
»So kommen wir nicht weiter«, unterbrach ihn Chelmesford ungeduldig, »alle Angehörigen der Abteilung sind in gleichem Maße verdächtig oder unverdächtig. Wir müssen systematisch vorgehen. Ich halte es für das Richtigste, daß wir von oben anfangen. Seit der Erkrankung Meltons führt Wilkin die Abteilung . . .«
»Ich bitte Sie, Chelmesford«, unterbrach ihn Clayton, ». . . Wilkin! Einer unserer ältesten Angestellten, die rechte Hand von Melton . . . er kann es unmöglich gewesen sein.«
»Bei solchen Sachen ist nichts unmöglich, merken Sie sich das, mein lieber Clayton. Wir müssen uns davon überzeugen, daß Wilkin wirklich nichts mit der Geschichte zu tun hat. Sobald das festgestellt ist, können wir ihn einweihen und für die weitere Untersuchung zu Hilfe nehmen. Aber erst muß es einmal sicher festgestellt sein.«
»Wie wollen Sie das machen?« fragte Clayton unschlüssig. »Er wird entrüstet sein, wenn wir ihn verdächtigen.«
»Ist richtig, Clayton, doch das läßt sich vermeiden. Er braucht gar nichts davon zu merken. Schicken Sie ihn mit irgendeinem Auftrag zu unserem Tochterwerk am River. Während er fort ist, werden wir beide uns sein Zimmer etwas genauer ansehen.«
So kam es, daß Wilkin zu Direktor Clayton gerufen wurde und Tom White Gelegenheit fand, das leere Zimmer zu betreten und dort unbequeme Dinge abzulegen. Eine kurze Weile später standen Chelmesford und Clayton vor der Tür desselben Zimmers, und was Tom White mit seinem Sperrhaken erzielt hatte, erreichte Direktor Clayton ebenso leicht und glatt mit dem Universalschlüssel, den er als Werkdirektor an seinem Schlüsselbund führte.
»Hm!« sagte Chelmesford, als sie in dem Raum standen, und deutete auf ein Kabel an der Wand. »Gelegenheit hätte er ebensogut wie alle andern gehabt, aber zu sehen ist natürlich nichts mehr. Es war dumm, daß Brookman nicht den Mund halten konnte, als er das Mikrophon fand. Wer auch immer am Telephon saß, er wurde dadurch gewarnt und hatte genügend Zeit, die Spur zu verwischen.«
Chelmesford ließ sich in dem Schreibtischsessel von Wilkin nieder und sprach weiter:
»Versuchen wir, uns die Vorgänge zu rekonstruieren, Clayton, wie sie sich logischerweise zugetragen haben müssen. Der Spion merkt, daß sein Mikrophon entdeckt ist. Erste Folge: er schaltet sofort den Strom aus. Zweite Folge: er trennt seine Anlage von dem Kabel und . . . natürlich auch von der Erdleitung. Das gibt frische Trennstellen, die man bei gehörigem Suchen finden müßte. Dritte Folge: er versteckt die abgeschalteten Teile . . .«
Während Chelmesford wie ein berufener Kriminalist dozierte, trat Clayton an den Kleiderschrank, suchte unter den Schlüsseln an seinem Bund und steckte einen davon ins Schloß.
»Wenn er unvorsichtig ist, behält er seine Teile in seinem Zimmer«, sprach Chelmesford weiter, »ist er schlau, bringt er sie woanders . . .«
Das Knarren der Schranktür übertönte seine letzten Worte. Clayton hatte sie geöffnet und griff zwischen die Sachen auf dem oberen Brett.
»Unglaublich, Chelmesford! Im ganzen Leben hätte ich das nicht geglaubt«, sagte er und stellte der Reihe nach eine Batterie, einen Schalter und ein Kopftelephon vor den Präsidenten auf den Tisch.
»Hm! Clayton, was sagen Sie jetzt?«
»Nichts, Chelmesford, ich weiß nicht, was ich dazu sagen soll.«
Mit einer pedantischen Langsamkeit nahm Chelmesford eins nach dem andern von den Geräten, die Clayton vor ihm aufgebaut hatte, in die Hand, betrachtete es und stellte es wieder auf den Tisch.
»In der Tat, Clayton«, sagte er, als er damit fertig war, »das belastet Wilkin schwer . . . aber es überführt ihn noch nicht.«
»Was verlangen Sie noch mehr, Chelmesford? Einen stärkeren Beweis als das Zeug da gibt es nicht.«
»Doch, Clayton! Die Anschlußstellen. Wenn wir die auch noch finden, ist er wirklich überführt. Wir haben Zeit. Vor anderthalb Stunden kann Wilkin nicht zurück sein. Wir wollen nach diesen Stellen suchen.«
Und nun hielt es Präsident Chelmesford nicht für unter seiner Würde, sich der Länge nach auf den nicht ganz staubfreien Fußboden zu legen und das Lichtkabel Zoll für Zoll sorgfältig abzutasten.
»Untersuchen Sie die Wasserleitung«, rief er dabei Clayton zu, »an der müßte die Anschlußstelle sein.«
Wohl oder übel mußte Clayton dieser Aufforderung Folge leisten, und so bot sich das groteske Bild, daß Präsident Chelmesford und Direktor Clayton auf dem Bauch in Wilkins Zimmer umherkrochen. Hätte Tom White es sehen können, er hätte sicher seine Freude daran gehabt.
Leider entsprach der Erfolg nicht der aufgewandten Mühe. Zwar entdeckte Clayton an dem Wasserleitungsrohr einen angelöteten Draht, aber seine Freude darüber war verfrüht, denn es stellte sich schnell heraus, daß es die Erdleitung für einen Rundfunkempfänger war. An dem Kabel aber vermochte Chelmesford auch nicht die geringste Spur einer Anschlußstelle zu finden.
Nach einer Stunde gaben sie das Suchen als zwecklos auf und verließen den Raum, nachdem sie alles wieder in den alten Zustand gebracht hatten.
»Was jetzt?« fragte der Direktor, durch den Mißerfolg enttäuscht.
Chelmesford klopfte sich den Staub vom Rock.
»Stackpool soll mit seinen Leuten weitersuchen, Clayton. Er kann es bei Nacht machen, da ist er ungestört. Die Anschlußstellen müssen wir finden. Wo die Anschlußstellen sind, da sitzt der Spion.«
»Widerlich, Chelmesford!« Clayton schüttelte sich. »Ein scheußlicher Gedanke, so einen Kerl im Werk zu wissen, der uns auf Schritt und Tritt belauscht. Ein ekelhaftes Gefühl . . . der arbeitet doch sicher für die Company.«
»Meinetwegen, Clayton, aber dann jedenfalls sehr geschickt. Ich wollte, die Leute, die wir der Company auf den Hals geschickt haben, wären ebenso tüchtig. Leider lassen die Leistungen der Herren Miller, Brown und Jefferson viel zu wünschen übrig.«
Auf ihrem Wege zum Verwaltungsgebäude kamen sie dicht an der großen Halle vorbei. Chelmesford blieb stehen und sah sich die Verwüstungen an, die der verunglückte Versuch am Vormittag angerichtet hatte.
»Bodenlose Schweinereil« knurrte er ingrimmig vor sich hin. »Na, das wird ja nun auch sein Ende haben, Clayton. Auf die Leute, die wir jetzt nach Salisbury schicken, kann ich mich verlassen. Die schaffen den deutschen Doktor her, und wenn sie ihn aus der Hölle holen müßten.«
Clayton schüttelte den Kopf. »Ich fürchte, Chelmesford, es wird Ihnen nicht viel nützen. Ich habe Ihnen schon einmal gesagt, wenn der Doktor nicht will, können Sie ihn auch nicht zwingen.«
Der Präsident pfiff durch die Zähne. »Das wird sich finden . . . lassen Sie ihn nur erst hier sein.«
Clayton hielt es für zwecklos, noch weiter zu widersprechen. Schweigend gingen sie neben der Halle weiter. –
Tom White war es nicht entgangen, daß Chelmesford und Clayton das Zimmer Wilkins betraten. Was sie dort vorhatten, konnte er zu seinem Bedauern nicht feststellen, aber er dachte sich sein Teil und wünschte im Augenblick eine Begegnung zu vermeiden. Schleunigst verließ er seinen Raum und eilte geräuschlos über den Flur in das Laboratorium zu MacGan. Der Ire war eben im Begriff, die Kugelmühle zu öffnen, als er hineinkam.
»Wie weit sind Sie? Haben Sie schon etwas feststellen können?« fragte White ihn geschäftig.
»Noch nicht, Mr. White. Niederträchtig hart ist das Zeug; ich habe fast zwei Stunden mahlen müssen, jetzt ist endlich Pulver genug da. Ich will gerade die Mengen für die einzelnen Analysen abwiegen.«
Während White sich neben MacGan an der chemischen Waage zu schaffen machte, raunte er ihm zu:
»Der Präsident und Direktor Clayton sind in der Nähe. Eben waren sie im Zimmer von Mr. Wilkin.«
»Aber Mr. Wilkin ist doch gar nicht hier? Ich sah ihn vor kurzem über den Hof zum Portal gehen«, sagte MacGan verblüfft.
Tom White legte den Finger an die Lippen. »Pst! Nicht so laut! Ich habe den Eindruck, die beiden suchen was in unserer Abteilung. Wir wollen machen, daß wir mit unsern Arbeiten vorankommen, sie können auch hier jeden Moment auftauchen.«
Als White diese Vermutung aussprach, krochen Präsident Chelmesford und Direktor Clayton auf dem Fußboden in Wilkins Zimmer herum und dachten vorläufig nicht daran, in das Laboratorium zu kommen. In aller Ruhe konnten White und MacGan Einsätze für die Analysen abwiegen und auf die Reagenzgläser verteilen.
»Ich fürchte, Mr. MacGan«, sagte White, als sie damit fertig waren, »wir werden nicht viel Freude an dem Stoff erleben. Keine Spur von Radioaktivität ist zu merken. Das war doch ein anderes Zeug, das der Professor und Wilkin zusammen hergestellt haben. Na, es hilft nichts. Wir müssen die Untersuchung fortführen, Direktor Clayton will es haben . . .«
Er sah zu, wie MacGan Salpetersäure in eine Mensur abfüllte, und sprach weiter:
»Ach so, Sie wollen zuerst ein Nitrat herstellen. Auch gut! Wäre es nicht besser, das Reagenzglas in ein Eisbad zu setzen? Es könnte doch sein, daß bei der Herstellung der Verbindung größere Wärmemengen frei . . .« Während er es noch sagte, goß MacGan bereits die Säure aus der Mensur auf die geringfügige Menge des schwarzen Pulvers in dem Reagenzglas. Im nächsten Augenblick begann die Säure schon zu wirken. Gelbe Nebel stiegen in dem Glas auf. Mißbilligend schüttelte Tom White den Kopf.
»Es wird zu heiß werden, MacGan. Sie hätten es doch lieber in Eis . . .« Er brachte den Satz nicht mehr zu Ende. Nur den Bruchteil einer Sekunde starrte er auf das Glas, in dem es rot und dann in unerträglich blendendem Glanz weiß aufglühte. Mit einem Ruck packte er den Iren und riß ihn mit sich hinaus in die große Halle. Krachend fiel die eiserne Tür hinter ihnen zu, als würde sie von einer Riesenfaust ins Schloß geschmettert. In jäher Flucht jagten sie quer durch die Halle. – –
»Zum Donnerwetter! Wer schmeißt so unverschämt die Tür zu!« sagte Chelmesford zu Clayton und blieb stehen. Er wollte noch etwas über die zunehmende Verlotterung in der Abteilung Melton hinzufügen, kam aber nicht dazu. Dicht vor ihm sprang mit einem Riesensatz jemand aus einer der Fensteröffnungen der Hallenwand und jagte in rasendem Lauf weiter.
»Das war doch White«, sagte Clayton. »Und der da MacGan«, fuhr er fort, als gleich hinter dem ersten noch ein zweiter aus dem Hallenfenster sprang.
Die Laune des Präsidenten war durch die sich überstürzenden unangenehmen Vorfälle dieses ereignisreichen Tages bereits mehr als schlecht. Zu einer andern Zeit hätte er vielleicht über den grotesken Anblick gelacht, den Tom White und der Ire bei ihrer Flucht durch das Hallenfenster darboten. Bei seiner augenblicklichen Stimmung aber schlug der Vorfall dem Faß sozusagen den Boden aus.
In heller Wut stürmte er den Fliehenden nach. Clayton sah das zornverzerrte Gesicht Chelmesfords, sah, wie er mit geballten Fäusten hinter White und MacGan her drohte, und zweifelte nicht, daß es zu Tätlichkeiten kommen würde, wenn der Präsident sie zu fassen bekam. Um weiteres Unheil zu verhüten, setzte er sich ebenfalls in Bewegung und lief den andern so schnell nach, wie seine Füße ihn trugen.
Quer über den weiten Werkhof ging die wilde Jagd. Etwa zweihundert Meter mochten sie bereits von der Halle entfernt sein, als Tom White der Atem knapp wurde. Er mußte langsamer laufen und blieb endlich stehen, weil die keuchenden Lungen den Dienst versagten.
Da fegte ein Stoß über den Hof. Wie ein Erdbeben war es oder wie eine Explosionswelle. Wie ein flackriges, zerfahrenes Blitzen kam es aus den zerbrochenen Fenstern der Hallenwand, warf im nächsten Augenblick Clayton hin, wirbelte Chelmesford und White umeinander, schleuderte sie zu Boden und packte auch MacGan.
Über die Gestürzten brauste ein heißer Orkan hin, brandete gegen die Werkbauten auf der anderen Seite des Hofes, drückte Fenster ein, nahm die Schindeln der Dachverkleidung mit und wirbelte sie in die Luft, und dann war alles ebenso plötzlich vorbei, wie es gekommen war.
Clayton raffte sich zuerst wieder empor, stand schwankend auf seinen Füßen und schaute sich um. Wie einen Taubenschwarm sah er es hoch am Himmel in der Richtung nach dem River hin über die Stadt ziehen. Das waren die hölzernen Schindeln vom Dach des Verwaltungsgebäudes, die von der jähen Bö mitgenommen und weithin getragen wurden. Er ließ den Blick zur andern Seite nach der Halle hin gehen und sah ein neues Bild der Verwüstung. Eine schwere Explosion mußte im Innern der großen Halle stattgefunden haben. Die lange Wellblechwand war nach außen gewölbt. An mehreren Stellen hatte die Explosionswelle das Blech aufgerissen, verbogen, zerfetzt und zerknüllt. Was bei dem Unfall am Vormittag dem Verderben noch entgangen war, hatte die zweite Katastrophe gründlich zerstört. Nur noch Schrott und Abfall, reif für den Schmelzofen, war die ganze große Halle jetzt. Noch etwas anderes sah Clayton, das ihn erschrecken ließ. Eigenartig dunstig, wie ein leichter weißlicher Nebel fast, lag die Luft über den Ruinen der Halle und flimmerte im Sonnenschein, wie man sie wohl auch über einem Kessel mit heißem Teer oder einem offenen Feuer erzittern sieht.
Noch hingen seine Blicke wie gebannt an dem fremdartigen Schauspiel, als er Chelmesfords Stimme hörte. Heiser, rauh, wie zerhackt kamen die Worte aus dem Munde des Präsidenten.
»Was haben Sie gemacht, White?«
Tom Whites Atem ging noch in wilden Stößen. Mit Gewalt riß er sich zusammen, rief sich die letzten Augenblicke vor der Katastrophe ins Gedächtnis und versuchte zu antworten.
»Eine Analyse, Mr. Chelmesford . . . mit MacGan zusammen . . . der neue Stoff . . . nur ein Zehntelgramm. Wir wollten Nitrat machen. MacGan goß Salpetersäure auf den Stoff . . . da glühte es . . . wir sind geflohen . . .«
»War das so?« Die Frage Chelmesford galt dem Iren. Der war noch benommener als White. Er vermochte nur zu nicken, ein kurzes Ja herauszubringen.
»Ein Zehntelgramm des Stoffes hatten Sie im Glas?« wandte sich Chelmesford wieder an White.
»Ein Zehntelgramm, Mr. Chelmesford.«
»Aber das übrige? Es war doch viel mehr von dem Stoff da. Wo war das?«
»Im Nebenraum, Herr Präsident«, antwortete MacGan, der sich inzwischen ein wenig gesammelt hatte. »In dem Raum, in dem die Kugelmühlen stehen. Im Laboratorium hatte ich nur das Reagenzglas mit dem Zehntelgramm . . .«
»Ich habe ihn gewarnt«, fiel Tom White dazwischen, »ich habe ihm gesagt, daß er kühlen soll.«
»Ich habe nicht gedacht, daß das bißchen Stoff so gefährlich wäre«, versuchte MacGan sich zu entschuldigen.
Chelmesford winkte ab. »Genug, MacGan! Gehen Sie nach Hause und Sie auch, White. Erholen Sie sich mal erst von Ihrem Schrecken. Morgen wollen wir weitersehen.«
Schweigend ging der Präsident zusammen mit Clayton nach seinem Zimmer im Verwaltungsgebäude. Erst dort fand er die Sprache wieder.
»Haben Sie es gehört, Clayton? Ein Zehntelgramm richtet solche Verwüstungen an! Halten Sie das für möglich? Überhaupt für denkbar?« Der Direktor griff nach einem Block, warf eine Formel hin und rechnete ein wenig.
»Ist es denn überhaupt denkbar, Clayton?« wiederholte Chelmesford seine Frage.
»Nach dem energetischen Äquivalent ist es möglich, Chelmesford«, sagte Clayton und schob ihm das Blatt mit der Berechnung darauf hin. Chelmesford blickte auf die Zahl unter dem Schlußstrich.
»Zweihundertfünfunddreißig Tonnen Steinkohle? Was soll das bedeuten, Clayton?«
»Es soll heißen, Chelmesford, daß die Masse eines Zehntelgramms Materie bei ihrem plötzlichen Zerfall dieselbe Wärme entwickelt wie zweihundertfünfunddreißig Tonnen Steinkohle bei ihrer Verbrennung.«
»Sie halten es also für denkbar, Clayton? Sie halten es wirklich für möglich, daß eine winzige Prise dieses neuen Stoffes die Verwüstungen angerichtet hat?«
Clayton nickte. »Ich sage es Ihnen ja. Es ist möglich.«
Chelmesford stützte den Kopf in die Hand und schloß die Augen. Eine geraume Weile ließ Clayton ihn gewähren. Auch er fühlte sich elend und zerschlagen.
»Ich fürchte, Clayton«, sagte der Präsident nach langem Schweigen, »die United hat sich mit diesen Arbeiten an ein Problem gewagt, an dem sie vielleicht zugrunde gehen kann.«
»Lassen Sie es für heute genug sein«, wehrte Clayton ab. »Morgen werden die Dinge wieder anders aussehen. Wir wollen nach Hause gehen und uns von dem Schreck erholen.«
*