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Taktmäßig fuhren die Werkleute mit ihren Schaufeln in den Boden der großen Halle, hoben das Erdreich aus und warfen es mit kräftigem Schwung beiseite. Es gab wieder viel Staub und Schmutz dabei, aber die Arbeit näherte sich schnell ihrem Ende. Handelte es sich diesmal doch nur darum, eine schmale Grube etwa fünf Meter tief bis zum Oberteil des Autoklavs auszuschachten. Lange bevor es Mittag schlug, trafen die Spaten der Arbeitenden bereits klirrend auf das stählerne Verschlußstück, und in kurzer Zeit war es vollständig freigelegt.
Tom White ließ es sich nicht nehmen, mit einem mächtigen Schraubenschlüssel bewaffnet, als erster hinunterzusteigen, und Wilkin überließ ihm neidlos den Vortritt, weil er dem Frieden noch nicht völlig traute. Dessen Vorsicht – bei sich nannte White es Feigheit – war nicht einmal ganz unberechtigt, denn der Autoklav war noch reichlich warm. So schnell, wie Professor Melton sich das gedacht hatte, gab die mächtige Stahlmasse von hundert Tonnen in der Tiefe der Dammgrube ihre Wärme doch nicht ab. Öfter als einmal mußte White sich den Schweiß von der Stirn wischen, während er die schweren Schrauben mit dem Schlüssel löste.
Doch endlich war auch das geschafft. Ein Kran rollte heran, faßte den schweren Deckel mit seinem Haken und hob ihn aus der Grube heraus. Schleunigst kletterte auch White wieder nach oben, denn um keinen Preis wollte er sich etwas von dem Schauspiel entgehen lassen, über das er sich im stillen köstlich amüsierte.
Da hing etwa in Augenhöhe der Heizwiderstand unter dem Deckel, jener Widerstand, der sein Dasein dem Erfindungsgeist Wilkins verdankte und über den sich Dr. Wandel so schwer geärgert hatte. Professor Melton und Wilkin standen dicht davor. Durch mächtige Lupen beäugten sie die Metalldrähte, aus denen der Widerstand zusammengebaut war, und suchten sie sorgsam Zoll um Zoll ab.
Ein unbeteiligter Beobachter hätte meinen können, daß es etwas ungeheuer Interessantes an diesem Drahtgewirr zu sehen gab, so sehr waren die beiden in ihre Untersuchung vertieft. Doch je weiter die Zeit verstrich, desto länger wurden ihre Gesichter; und dann ließ Melton seine Lupe sinken.
»Merkwürdig, Wilkin!« sagte er zu seinem Assistenten. »Ich hatte mit Bestimmtheit eine Kristallbildung auf den Drähten erwartet. Wir hatten eine Hitze von zweitausend Grad in dem Drahtmetall um die Drähte herum und das Heliumgas unter hohem Druck. Nach meiner Meinung waren eigentlich alle Vorbedingungen für die Entstehung einer neuen, schwereren Verbindung gegeben.«
Aber uneigentlich nicht, ihr Dummköpfe! dachte White, der die Worte hörte. Der Klang der Werksirenen, welche die Mittagspause anzeigten, machte seinen respektlosen Betrachtungen über Melton und Wilkin ein Ende. Zusammen mit den andern Angestellten verließ er die Halle. Nur der Professor und Wilkin blieben entgegen ihren sonstigen Gewohnheiten zurück.
»So, wie wir's uns dachten, Herr Professor, ist es leider nicht gegangen«, sagte Wilkin, als sie unter sich waren. Melton machte eine unmutige Bewegung.
»Das habe ich schon selber gesehen, Mr. Wilkin. Wenn Sie nichts Besseres wissen, dann wollen wir den Autoklav wieder schließen und einen neuen Versuch ansetzen.«
Er wollte sich zum Gehen wenden, als Wilkin ihn zurückhielt.
»Noch einen Augenblick, Herr Professor. Es wäre vielleicht möglich, daß sich Verbindungen in der Nähe der Drähte gebildet haben und zu Boden gefallen sind. Man müßte die Autoklavkugel daraufhin einmal untersuchen.«
Melton schüttelte unwillig den Kopf.
»Wie haben Sie sich das gedacht, Wilkin? Dazu müßte man ja den ganzen Apparat wieder aus der Grube herausholen. Man müßte ihn mit dem Kran erst auf den Kopf stellen und sehen, ob etwas herausfällt. Das ist ausgeschlossen, das können wir nicht machen.«
Die Ungeduld des Professors war unverkennbar. Sein Magen meldete sich, und er dachte in diesem Augenblick mehr an ein saftiges Steak als an chemische Verbindungen, die sich vielleicht in der Stahlkugel gebildet haben könnten. Aber Wilkin ließ noch nicht locker.
»Wenn Sie noch eine Minute Zeit hätten, Herr Professor. Ich möchte wenigstens einen Blick in das Innere des Autoklavs werfen. Es wäre doch vielleicht nicht ganz ausgeschlossen, daß . . .«
»Meinetwegen«, unterbrach ihn Melton, »aber machen Sie bitte etwas schnell! Meine Zeit ist bemessen.«
Er zog seine Uhr und blickte wartend auf das Zifferblatt, während Wilkin zu der Grube eilte und die Leiter hinabstieg.
Einmal . . . zweimal schon hatte der Sekundenzeiger, von Meltons Blicken gefolgt, seinen Kreislauf beendet. Ungeduldig trat der Professor von einem Fuß auf den andern. Schließlich hielt es ihn nicht länger. Er ging zu der Grube hin, um Wilkin zu sagen, daß er keine Lust habe, länger zu warten.
Vom Rande des Schachtes aus sah er seinen Assistenten zusammengekauert über den Autoklav hocken, das Gesicht dicht gegen die Öffnung gepreßt.
»Unsinn«, brummte Melton verdrießlich vor sich hin, »wie kann er etwas sehen, wenn er keine Lampe in die Kugel hineinhängt.«
Eben wollte er seinem Unmut Luft machen, als Wilkin sich aufrichtete und ihm lebhaft zuwinkte.
»Ich habe etwas entdeckt, Herr Professor, kommen Sie bitte, sehen Sie selbst!«
Melton schickte sich an, die Leiter hinabzusteigen, doch auf halbem Wege machte er wieder halt und fragte: »Haben Sie sich auch nicht geirrt, Wilkin? In der Finsternis läßt sich doch nichts erkennen.«
»Doch, Herr Professor. An einer Stelle des Kugelbodens liegt etwas Leuchtendes. Man kann es gut unterscheiden, sobald die Augen sich an die Dunkelheit gewöhnt haben.«
Auf diese Mitteilung Wilkins hin kletterte Melton die letzten Leitersprossen hinab und bequemte sich dazu, sich ebenfalls in den Sand und Staub niederzukauern und sein Gesicht dicht an die Autoklavöffnung zu bringen.
»Schirmen Sie alles Seitenlicht mit den Händen ab, Herr Professor«, rief ihm Wilkin zu, »dann werden Sie es bald erkennen.«
Wieder verstrichen Minuten, dann richtete Melton sich auf, Sein Gesicht war gerötet. Vielleicht kam es von der unbequemen Stellung, in der er so lange verharrt hatte, vielleicht auch war es die Erregung, die ihm das Blut in die Wangen trieb.
»Sie haben recht, Wilkin«, sagte er, während er sich den Staub von der Kleidung klopfte. »Dort unten leuchtet etwas. Ein Stückchen irgendeiner stark strahlenden Substanz muß es sein, die sich bei dem letzten Versuch gebildet hat.«
»Ein vielversprechender Anfang. Gestatten Sie mir, Herr Professor, daß ich Ihnen als erster meinen Glückwunsch dazu ausspreche«, sagte Wilkin geschmeidig.
»Sehr schön, mein lieber Wilkin. Ich danke Ihnen«, erwiderte Melton herablassend. »Ich wußte es ja, daß wir auf dem richtigen Wege sind. Aber . . . wie bekommen wir die Substanz aus der Kugel heraus?« Er blickte sich in der menschenleeren Halle um. »Es wäre mir lieb, Mr. Wilkin, wenn wir das jetzt gleich ohne unnötige Zuschauer bewerkstelligen könnten.«
Nach kurzer Überlegung sagte Wilkin: »Einen Augenblick, Herr Professor! Wenn der Stoff nicht an der Kugelwand festgebrannt ist, wird es sich schnell machen lassen.«
Er ging zu einem Regal und kramte zwischen Gläsern und Schachteln. Mit einer Blechbüchse und einer hölzernen Latte kam er zurück. Die Büchse enthielt einen klebrigen Kitt, der von den Laboranten bei ihren Versuchen benutzt wurde, um Rohrleitungen abzudichten.
Wilkin bestrich das eine Ende der Latte damit, dann hockte er sich wieder über die Autoklavöffnung nieder und begann mit dem so präparierten Stab in dem Inneren der Kugel zu tasten und zu suchen. Es dauerte nicht allzu lange, bis er ihn wieder herauszog. In der klebrigen Masse haftete ein dunkelgrauer Kristall von der Größe etwa einer Kirsche.
Mit enttäuschter Miene betrachtete Melton den unscheinbaren Fund. Er schien etwas anderes erwartet zu haben, doch Wilkin ließ sich nicht irremachen.
»Das ist der Stoff«, erwiderte er auf alle Einwände Meltons, »wir wollen damit in die Dunkelkammer gehen, und Sie werden sehen, Herr Professor, wie er leuchtet.«
Willig folgte Melton ihm in den Dunkelraum. Über den Ereignissen der letzten zehn Minuten waren ihm die Gedanken an seinen Lunch vergangen. In erregter Erwartung stand er neben Wilkin an dem Tisch, auf den der Assistent den Kristall gelegt hatte. Er brauchte nicht lange zu warten. In dem Maße, in dem sich seine Augen an die Dunkelheit gewöhnten, begann der Kristall zu schimmern und zu leuchten, bis er schließlich in einem tiefgrünen, hin und her wallenden Licht erstrahlte.
Professor Melton konnte nicht länger an sich halten. Er streckte die Hand nach dem leuchtenden Gebilde aus, aber mit einem Aufschrei zog er sie zurück. Im Moment der Berührung hatte er einen elektrischen Schlag bekommen und einen Brandschmerz verspürt, vielmals stärker als Tom White in jener Nacht, da er einen Kristall Dr. Wandels an sich nehmen wollte.
»Machen Sie Licht, Wilkin«, rief Melton, während er die schmerzende Hand hin und her schlenkerte. Die Beleuchtung flammte auf, grau und unscheinbar lag der Kristall auf seinem Platz.
»Haben Sie sich verletzt, Herr Professor?« fragte der Assistent besorgt.
»Der Kristall, Wilkin. Das Zeug ist gefährlich . . . Vorsicht, Wilkin! Fassen Sie es nicht . . .«
Die Warnung kam zu spät. Auch Wilkin war dem strahlenden Stoff mit den Fingern zu nahe gekommen und hatte seinen Schlag weg.
»Verflucht! Das Ding ist geladen. Mit dem Zeug ist nicht zu spaßen.« Wilkin sprang von einem Fuß auf den andern und rieb sich seine Hand. Melton warf ihm einen mißbilligenden Blick zu. Derartige Gefühlsausbrüche seiner Untergebenen waren nicht nach seinem Geschmack.
»Wenn Sie wieder zu sich gekommen sind, Mr. Wilkin«, meinte er ironisch, »haben Sie vielleicht die Güte, eine Bleibüchse zu holen . . . eine starkwandige, Mr. Wilkin!« rief er dem Assistenten nach, der bereits davoneilte, um den Auftrag auszuführen.
»So, lieber Wilkin. Die ist gut«, fuhr er besänftigt fort, als der Assistent ein Büchslein mit zollstarken Wänden auf den Tisch stellte. Vorsichtig faßte Melton den Kristall mit einer gläsernen Pinzette, ließ ihn in die Büchse fallen und setzte den Deckel darauf.
»Tragen Sie es in mein Laboratorium, Wilkin, wir werden heut nachmittag an die Untersuchung gehen.« – –
Als Tom White nach der Mittagspause in die große Halle zurückkam, fand er alles unverändert. Der Autoklav stand noch ebenso da, wie er ihn verlassen hatte, und der schwere Deckel hing nach wie vor an dem Kranhaken. Er fand reichlich Zeit und Gelegenheit, sich den Heizwiderstand ganz genau anzusehen und eine Drahtprobe beiseitezuschaffen, denn Melton und Wilkin waren nirgends zu sehen.
Die beiden steckten in dem Laboratorium des Professors und waren eifrig an der Arbeit, das Atomgewicht des neuen Stoffes festzustellen. In unangenehmer Weise störte sie dabei die starke Wärmeentwicklung des merkwürdigen Kristalls. Ganz ähnlich wie Dr. Wandel und White mußten sie kräftige Kühlungsmittel anwenden, um zu verhindern, daß ihnen die Bleihülle zerschmolz. Trotz dieser Schwierigkeiten gelang es ihnen aber doch, Feststellungen zu machen. –
In der großen Halle steckte Tom White das erbeutete Drahtstückchen sorgsam in seine Brieftasche. Wer weiß, zu was es gut ist, dachte er sich dabei. Vielleicht kann es Slawter nützen. Bei Mr. Spinner wird's mir auf keinen Fall schaden.
Sein Tatendrang regte sich von neuem. Hier in der Halle war für ihn im Augenblick nichts mehr zu holen. Er verließ sie und begann in den Korridoren herumzuschnüffeln.
Geräuschlos näherte er sich der Tür von Meltons Laboratorium. Vorsichtig brachte er sein Auge an das Schlüsselloch. Der Schlüssel steckte von innen so, daß er hineinsehen konnte, und ein Blick ließ ihn erkennen, daß der Professor und sein Assistent sich eifrig mit chemischen Analysen beschäftigten.
Dabei schienen die beiden sich über das Ergebnis ihrer Arbeit nicht recht einig zu sein. Er sah, wie Melton Zahlen, die Wilkin ihm zurief, niederschrieb und dann ärgerlich den Bleistift hinwarf. Und dann vermochte er auch Worte zu verstehen, weil die Stimme des Professors in der Erregung laut aufklang.
»Sie müssen sich geirrt haben, Wilkin. Zweihundertfünfzig? . . . Ich halte das für ausgeschlossen.«
Wie ein elektrischer Schlag durchzuckte es White, als er die Zahl zweihundertfünfzig vernahm. Abwechselnd drückte er Ohr und Auge dicht an die Tür, um weiter zu hören und zu sehen. Er konnte beobachten, wie Wilkin seine eigenen Aufzeichnungen noch einmal mit den Zeigerstellungen verschiedener Meßinstrumente verglich, und hörte ihn danach sagen:
»Die Zahlen, die ich Ihnen angab, Herr Professor, stimmen genau mit unsern Messungen überein. Es liegt kein Grund vor, an ihrer Richtigkeit zu zweifeln.«
»Aber . . . aber, mein lieber Wilkin . . .« Professor Melton überprüfte noch einmal seine eigenen Berechnungen ». . . das ist doch kaum denkbar . . . Atomgewicht zweihundertfünfzig . . . es wäre ja ein großartiger Erfolg für mich . . . auch für Sie, Wilkin, wenn es tatsächlich so ist.«
»Warum soll es nicht so sein, Herr Professor? Nach der Theorie müssen Druck und Hitze . . .« Wilkin stockte, lauschte einen Moment und stürzte auf die Tür zu.
In seiner Erregung hatte Tom White den Kopf immer stärker gegen die Tür gepreßt und dabei ein Geräusch verursacht, das den scharfen Ohren des Assistenten nicht entgangen war. Mit jähem Ruck wollte der die Tür aufreißen und stieß auf Widerstand. Er selbst hatte den Schlüssel ja vor dem Beginn ihrer Untersuchungen zweimal herumgeschlossen. Bis er ihn zurückdrehte, verging eine Sekunde, und Tom White verstand es, sie zu nützen.
Als Wilkin die Tür aufriß, kam White aus einiger Entfernung den Korridor entlanggeschlendert und blieb mit harmloser Miene stehen, als er den Assistenten plötzlich auftauchen sah.
»Was haben Sie hier zu tun, Mr. White?« herrschte Wilkin ihn in gereiztem Ton an.
»Verzeihung, wenn ich störe, Mr. Wilkin. Ich war auf der Suche nach Ihnen.«
»Warum denn? Können Sie ohne mich nicht fertig werden?«
White schien die schlechte Laune des andern nicht zu merken. »Ich wollte Sie um Anweisungen bitten«, sagte er in seiner gewohnten unterwürfigen Weise. »Soll ich den Autoklav schließen lassen? Der Deckel hängt noch am Kran . . .«
Professor Melton war inzwischen herangetreten. Er zog Wilkin zur Seite, sprach leise einige Worte mit ihm und wandte sich dann direkt an White.
»Jawohl, hängen Sie den Deckel ein und sorgen Sie dafür, daß die Dammgrube morgen vormittag wieder zugeschaufelt wird.«
»Sehr wohl, Herr Professor. Ich werde sofort alles veranlassen«, sagte White und empfahl sich.
Erst hinter der zweiten Biegung des Korridors machte er halt und ließ sich auf eine Bank fallen. Das Herz schlug ihm bis an den Hals, und er brauchte Zeit, sich zu beruhigen. Das hätte ja um ein Haar schiefgehen können. Nur der Zufall mit dem Schlüssel hatte ihn gerettet . . . aber was faselten die beiden in ihrem Laboratorium von einem Atomgewicht zweihundertfünfzig? . . . Wie sollten sie zu einem solchen Stoff gekommen sein? . . . Durch den lachhaften Versuch vom heutigen Vormittag ganz gewiß nicht . . .
Oder doch? . . . Während White sich noch einmal vergegenwärtigte, was er während der paar Sekunden in Meltons Laboratorium erblickt hatte, kam ihm auch eine Bleibüchse in die Erinnerung. Das Geräusch fließenden Wassers hatte seine Aufmerksamkeit darauf gelenkt, und deutlich stand ihm das Bild jetzt wieder vor Augen. Der Professor oder sein Assistent hatte die Büchse auf zwei Glasstäbe unter einen Hydranten gestellt, der sie kräftig mit kaltem Wasser überbrauste.
Tom White versuchte seine Schlüsse aus dem Erschauten zu ziehen. Die Büchse wurde stark gekühlt, also mußte etwas darin sein, das sie ständig erhitzte. Nach seinem Wissen konnte das nur eine ungemein stark strahlende Substanz sein . . . er schloß die Augen, um schärfer nachdenken zu können . . . derselbe Stoff vielleicht, den Dr. Wandel bei seinem nächtlichen Experiment erzeugte, dann würde es mit dem hohen Atomgewicht seine Richtigkeit haben. Aber . . . White preßte beide Fäuste gegen die Stirn . . . das war ja vollständig ausgeschlossen, daß sie das erreicht hatten . . .
Er ließ die Hände sinken und riß die Augen weit auf. Ein anderer Gedanke zuckte durch sein Hirn. Er entsann sich, wie Dr. Wandel in jener Nacht die Kristallkugel durch einen Schlag in viele Einzelteile auseinandergesprengt hatte. Er selber war ja dadurch in den Besitz eines Kristalls gelangt . . . War es nicht denkbar, daß ein anderes Stück der wunderbaren Substanz bei der Zertrümmerung in den Autoklav gefallen und später Melton und seinem Assistenten in die Hände geraten war?
White sprang auf und atmete tief. Nicht anders konnte es sein. Jetzt glaubte er, die einzig mögliche Lösung dieses auf andere Weise nicht lösbaren Rätsels gefunden zu haben. Wenn es aber so war, wenn er wirklich recht mit seiner Vermutung hatte, dann mußte der alte Widerstreit zwischen Professor Melton und dem deutschen Doktor jetzt in ein neues Stadium treten. Dann würden die nächsten Tage und Wochen sicherlich wichtige Entscheidungen bringen.
Während er gemächlich nach der Halle zurückkehrte, um den Auftrag Meltons zu erledigen, überkam ihn ein übermütiges Gefühl. Wie stand er, der kleine, unbedeutende Angestellte, jetzt da! Dinge von größter Tragweite wußte er von den beiden widerstreitenden Parteien, zwischen denen es nun bald zum Entscheidungskampf kommen mußte, und – der Gedanke bereitete ihm das größte Vergnügen – keine der beiden Gruppen hatte die leiseste Ahnung davon, daß ihm das alles bekannt war.
Unwillkürlich spitzte er die Lippen und schnalzte mit der Zunge. Wie ein Feinschmecker wollte er die spannenden Situationen genießen, welche die kommenden Tage bringen mußten.
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