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Achtzigstes Kapitel.

Denselbigen Nachmittag, als der Schlosser seine Ermüdung weggeschlafen, sich rasirt, gewaschen, angekleidet und vom Scheitel bis zur Zehe erfrischt, nachdem er zu Mittag gespeist, sich mit einer Pfeife, einem Extra Toby, einem Schläfchen in dem großen Armstuhl und einem friedlichen Geplauder mit Frau Varden über Alles, was sich in dem Bereiche ihrer häuslichen Angelegenheiten zugetragen, zutrug oder zutragen konnte, getröstet hatte – setzte er sich an dem Theetisch des heiteren Wohnstübchens nieder, der strahlendste, gemüthlichste, lustigste, herzigste, zufriedenste alte Knabe in oder außerhalb der Großbritannischen Lande.

Da saß er, das strahlende Auge auf Frau Varden gerichtet, und sein glänzendes Angesicht überströmte von Freude; sogar seine umfangreiche Weste schien aus jeder Runzel zu lächeln und seine fidele Stimmung ließ sich selbst in der Art erkennen, wie seine plumpen Füße unter dem Tisch vorguckten: ein Anblick, der den Essig der Misanthropie in die reinste Milch der Menschenliebe hätte umwandeln können. Da saß er, zusehend, wie seine Gattin das Zimmer mit Blumen schmückte. Dieß geschah Dolly und Joseph Willet zu Ehren, welche mit einander spazieren gegangen waren, und für welche der Theekessel auf dem Schalke volle zwanzig Minuten so luftig sang und zirpte, wie nie ein Kessel gezirpt hat – für welche das beste Service von ächtem, unbezweifelten chinesischen Porzellän, mit unterschiedlichen rundgesichtigen Mandarinen bemalt, die große Schirme in der Hand trugen, in seiner ganzen Glorie entfaltet war – deren Appetit zu reizen ein heller, durchsichtiger, saftiger Schinken, mit kühlem Salat und würzigen Gurken garnirt, auf einem im Schatten stehenden und mit schneeweißem Tuche gedeckten Tische ruhte – die zu erfreuen eingemachte Früchte und Dicksäfte, mürbe Kuchen und kleines Backwerk mit kleinen Tabakrollen und Hausbrodlaiben, weißen und braunen Semmeln in üppiger Fülle aufgestellt waren – bei deren Jugend Frau Varden, die in roth und weißem Kleide da stand, selbst wieder ganz jung geworden, symmetrisch von Gestalt, hübsch, rundlich, mit rothen Wangen und Lippen, zierlichen Füßen, lachendem Gesichte und rosiger Laune, überhaupt in jeder Hinsicht köstlich anzusehen – da saß denn der Schlosser inmitten dieser Welten von Entzücken, die Sonne, welche sie alle beleuchtete: der Mittelpunkt des Systems, der Quell des Lichts, der Wärme, des Lebens und der frohherzigen Heiterkeit in dem behaglichen Haushaltsplanetarium.

Und wann war Dolly je diese Dolly gewesen, welche sie diesen Nachmittag war? Zu sehen, wie sie Arm in Arm mit Joe hereinkam; wie sie sich Mühe gab, nicht zu erröthen oder überhaupt verwirrt zu erscheinen; wie sie dergleichen that, als machte sie sich gar nichts daraus, als ob sie an seiner Seite sitze oder nicht; wie sie den Schlosser mit schmeichelnden Flüsterworten bat, seine Späße zu unterlassen; wie sie in der unruhigen Verwirrung ihres Glücks bald erröthete, bald erblaßte, dabei alles unrecht angriff und es dabei doch so gar hinreißend machte, daß es sich weit besser ausnahm, als wenn es recht gewesen wäre! – Ei der Schlosser hätte all' diesem (wie er auch gegen Frau Varden bemerkte, als sie sich zur Ruhe begaben) vier und zwanzig Stunden in einem Zuge fort zuschauen können, ohne auch nur ein einzigesmal zu wünschen, daß es vorbei seyn möchte.

Dann auch die Erinnerungen, in welchen sie sich während dieses sehr in die Länge gezogenen Thee's ergingen. Die Seligkeit, womit der Schlosser Joe fragte, ob er auch noch der Sturmnacht gedenke, in welcher er vor dem Maibaum zum Erstenmal nach Dolly gefragt – das Lachen der sämmtlichen Anwesenden über jenen Abend, als Dolly in der Sänfte die Soirée besuchte – die unbarmherzige Weise, in welcher sie Frau Varden neckten, weil sie damals die Blumen vor das Fenster hinausgelegt – die Schwierigkeit, womit sich Frau Varden anfangs darein fand, über sich selbst mitzulachen, und wie gut ihr später der Spaß vorkam – Joe's vertrauliche Mittheilungen hinsichtlich des Tages und der Stunde, wo er sich zuerst seiner Liebe zu Dolly bewußt geworden, und Dolly's halb freiwillige, halb erpreßte erröthende Zugeständnisse über die Zeit, von der an sie die Entdeckung datirte, daß sie sich aus Joe »nichts mache« – all' dieß war ein unerschöpflicher Stoff für Heiterkeit und Unterhaltung!

Dann gab es auch noch viel zu reden über Frau Varden's Zweifel, mütterliche Besorgnisse und superfeine Bedenklichkeiten; und es erhellte aus Allem, daß Frau Varden's Beobachtungsgabe und außerordentlichem Scharfblick von Anfang an nicht das Mindeste verborgen geblieben war. Sie hatte Alles längst gewußt. Sie hatte es von Anbeginn vorausgesehen und prophezeit. Sie hatte es gemerkt, ehe es sogar die Betheiligten wußten. Sie hatte zu sich selbst gesagt (sie konnte sich sogar noch genau der Worte erinnern) »der junge Willet hat sicherlich ein Auge auf unsere Dolly, weßhalb ich ein Auge auf ihn haben muß.« Demgemäß hatte sie ein Auge auf ihn geworfen und viele kleine Umstände, die sie alle nahmhaft machte, von so ungemein mikroscopischer Natur bemerkt, daß selbst jetzt noch Niemand, als sie, daraus klug zu werden vermochte; dabei hatte sie natürlich von Anfang an bis zu Ende mit dem sichersten Takt, überhaupt wie ein vollendeter Feldherr, operirt.

Begreiflicherweise kam auch die Nacht an die Reihe, in der Joe durchaus neben der Chaise mit fortreiten wollte, was aber Frau Varden nicht zugab, indem sie darauf bestand, daß er wieder umkehre – deßgleichen auch die Nacht, wo Dolly in Ohnmacht sank, als sie seinen Namen nennen hörte – und dann, wie oft und vielmal hatte die kluge und stets wachsame Frau Varden sie nicht in Thränen zerfließend auf ihrem Kämmerchen getroffen. Mit einem Worte, Nichts wurde vergessen; und was man auch vorbringen möchte, Alles führte zu dem Schlusse zurück, daß gerade jene Stunde die glücklichste in ihrem ganzen Leben war, woraus sich denn weiter folgern ließ, daß Alles, was vorgefallen, recht gewesen sein müsse, und nichts sich denken lasse, wodurch es hätte besser werden können.

Während sie am eifrigsten in dieser Unterhaltung begriffen waren, hörte man einen Schlag von der Werkstattthüre her, welche, um alle Störung zu vermeiden, den ganzen Tag über geschlossen war. Joe wollte sich's in seinem Diensteifer nicht nehmen lassen, selbst hinzugehen und die Thüre zu öffnen, weßhalb er auch in dieser Absicht das Zimmer verließ.

Es wäre gewiß seltsam genug gewesen, wenn Joe den Weg zu dieser Thüre vergessen hätte, und selbst wenn es der Fall gewesen, so war sie immerhin groß genug, und lag ihm so ganz vor der Nase, daß er sie nicht leicht verfehlen konnte. Aber Dolly, vielleicht in Folge der oben erwähnten geistigen Verwirrung, vielleicht auch, weil sie glaubte, er würde nicht im Stande seyn, die Thüre mit seinem einzigen Arm zu öffnen – einen andern Grund konnte sie nicht haben – eilte ihm nach; und sie machten so lange in dem Oehrn Halt – ohne Zweifel wegen Joe's Bitten, daß sie sich nicht dem Zug einer Juli-Luft aussehen möchte, die unvermeidlich hereinströmen mußte, sobald man diese Thüre öffnete – daß das Klopfen noch weit lauter als zuvor wiederholt wurde,

»Wird die Thüre endlich einmal aufgemacht werden?« rief der Schlosser; »oder soll ich kommen?«

Darauf eilte Dolly, voll Grübchen und Erröthen in die Wohnstube zurück, und Joe öffnete mit mächtigem Lärm und andern überflüssigen Demonstrationen einer gewaltigen Eile die Thüre.

»Nun,« sagte der Schlosser, als Joe wieder zurückkam. »Was gibt's? He, Joe? Worüber lachst du?«

»Oh über nichts, Sir. Es kömmt herein.«

»Wer kömmt herein? Was kömmt herein?«

Frau Varden, die sich mit ihrem Gatten in gleicher Verlegenheit befand, konnte auf dessen fragenden Blick nur den Kopf schütteln. Der Schlosser drehte daher seinen Stuhl um, damit er eine bessere Aussicht nach der Stubenthüre gewänne, und stierte mit weit offenen Augen und einem gemischten Ausdruck von Neugierde und Verwunderung in seinem heiteren Gesichte nach derselben hin.

Statt daß aber eine Person oder Personen geradezu erschienen, ließen sich unterschiedliche merkwürdige Töne zuerst in der Werkstatt und dann in dem kleinen dunkeln Gang vor der Wohnstube vernehmen, als ob irgend eine ungeschlachte Kiste oder ein schweres Möbelstück hereingebracht würde, und zwar durch eine menschliche Kraftanstrengung, die der Aufgabe nicht gewachsen war. Endlich nach vielem Kämpfen, Poltern und Anschlagen an beiden Wänden wurde die Thüre wie durch einen Rennblock aufgestoßen, worauf der Schlosser, der mit festem Blicke Acht hatte, was jenseits vorging, auf sein Bein schlug, die Augenbrauen in die Höhe zog, den Mund öffnete, und mit lauter, die größte Bestürzung bekundender Stimme ausrief:

»Ich will des Henker's seyn, wenn da nicht die Migg's zurückkömmt.«

Das junge Frauenzimmer hatte kaum diese Worte gehört, als sie plötzlich einen sehr kleinen Jungen und einen sehr großen Koffer, in deren Geleite sie gekommen war, verließ, und mit solcher Eile, daß ihr die Haube von dem Kopfe flog, in das Zimmer eilte; dabei schlug sie ihre Hände, in deren jeder sie einen Ueberschuh hatte, zusammen, erhob die Augen andächtig zur Decke und brach in einen Thränenstrom aus.

»Wieder die alte Geschichte!« rief der Schlosser in unaussprechlicher Verzweiflung nach ihr hinsehend. »Diese junge Weibsperson ist dazu geboren, allenthalben eine Freudenstörerin zu seyn! Da hilft nichts!«

»Ho Meister, ho Ma'am!« rief Miggs, »kann ich meine Gefühle niederkämpfen in diesem hier wieder einmal vereinigten Augenblicke? Ho, Herr Varden, da ist Segen unter Verwandten, Sir. Da ist Vergebung von Beleidigungen, da sind Freundlichkeiten!«

Der Schlosser blickte mit noch immer erhobenem und offenem Munde von seinem Weib auf Dolly, von Dolly auf Joe und von Joe auf Miggs, wo sie indeß wie gebannt haften blieben.

»Zu denken,« rief Miggs mit hysterischer Freude, »daß Herr Joe und die liebe Miß Dolly wirklich zusammengekommen sind, nach Allem, was man dagegen gesagt oder gethan hat! Zu sehen, wie die Beiden mit ihm und ihr so vergnügt und in jeder Hinsicht so gesprächig und mild beisammen sitzen, ohne daß ich etwas davon weiß und um den Weg bin, um die Vorbereitungen zu ihrem Thee zu machen! Ho, wie Einem das nicht in's Herz schneidet, und doch, welche süße Gefühle es in mir erweckt!«

Als Miß Miggs so weit gekommen, schlug sie ihre Ueberschuhe in der Weise von einem Paar Cymbeln zusammen – vielleicht weil sie die Hände dankend falten wollte, vielleicht aber auch in der Verzückung ihrer frommen Freude – und nahm dann in den weichsten Tönen wieder auf:

»Und hat meine Missis denken können – ho, du meine Güte, hat sie denken können – von ihrer Miggs, die sie unter so vielen Prüfungen unterstützt und ihre Natur verstanden hat, wenn diejenigen, die es wohl gemeint, aber rauh angegangen haben, ihr die tiefsten Gefühle verletzten – hat sie glauben können, daß ihre Miggs sie je verlassen würde? Hat sie gemeint, Miggs, obgleich sie nur eine Magd ist und weiß, daß Dienste keine Erbschaften sind, werde vergessen, daß sie das demüthige Werkzeug war, das alles zwischen ihnen wieder in's Gleiche brachte, wenn sie sich entzweiten, und immer dem Meister vorhielt, wie demüthig und versöhnlich ihr gesegneter Charakter sey? Glaubt sie, Miggs habe keine Anhänglichkeit? Hat sie meinen können, der Lohn sey ihr einziger Zweck?«

Frau Varden erwiederte auf keine dieser Fragen auch nur ein Wort, obgleich jede derselben mit sich steigernden Pathos vorgetragen wurde. Miggs jedoch, die sich durch diesen Umstand nicht im Geringsten einschüchtern ließ, wandte sich an den kleinen Knaben, der mit ihr gekommen – ihren ältesten Neffen, den Sohn ihrer verheiratheten Schwester, geboren im goldenen Löwenhof Nr. 7, und erzogen im Schatten der zweiten Klingel, rechts neben der Thüre – und redete ihn unter fleißigem Gebrauch ihres Taschentuchs, mit der Bitte an, daß er, wenn er nach Hause zurückkomme, seine Eltern über ihren (seiner Tante) Verlust trösten solle, indem er ihnen einen treuen Bericht erstatte, wie er sie im Schooße jener Familie, der, wie seine vorbesagten Eltern wohl wüßten, ihre besten Zuneigungen einverleibt seyen, verlassen habe; er möchte sie darauf aufmerksam machen, daß nichts als ihr gebieterisches Pflichtgefühl und ihre treue Anhänglichkeit an ihren alten Meister und Missis, deßgleichen an Miß Dolly und den jungen Herrn Joe, sie je hätten veranlassen können, die dringenden Einladungen abzulehnen, womit, wie er bezeugen könne, seine Eltern ihr unentgeldliche Kost und Wohnung für immer angeboten hätten; endlich, er möge ihr den Koffer hinaufschaffen helfen und dann schnurrstracks nach Hause zurück kehren, begleitet von ihrem Segen und ihrer strengen Einschärfung, seiner täglichen Andacht die Bitte beifügen, daß er im Laufe der Zeit als ein Schlosser oder als ein Herr Joe aufwachse und lauter Frau Varden's und Miß Dolly's zu Verwandten und Freunden bekomme.

Nachdem sie mit dieser Ermahnung zu Ende gekommen – auf welche indeß, die Wahrheit zu sagen, der junge Gentleman, dem sie zu Nutz und Frommen dienen sollte, wenig oder keine Acht hatte, sintemalen dem Anschein nach alle seine Fähigkeiten in Betrachtung des kleinen Backwerks vertieft waren – bedeutete Miß Miggs der Gesellschaft im Allgemeinen, sie möge sich nicht stören lassen, denn sie werde bald wieder zurückkehren; und unter Beihilfe ihres Neffen schickte sie sich an, ihre Garderobe die Treppe hinauf zu schaffen.

»Meine Liebe,« sagte der Schlosser zu seiner Gattin. »Verlangst du dieß?«

»Ob ich es verlange?« antwortete sie. »Ich bin erstaunt ich kann mich nicht genug verwundern – über diese Keckheit. Sie soll im Augenblick das Haus verlassen.«

Als Miggs dieß hörte, ließ sie ihr Kofferende schwer auf den Boden fallen, schnüffelte laut auf, schlug die Arme über einander, ließ die Mundwinkel hängen und rief dreimal in steigender Skale:

»Ho, du grundgütiger Himmel!«

»Sie hört, was Ihre Gebieterin sagt, meine Gute,« bemerkte der Schlosser. »Ich halte es daher für das Beste, wenn Sie geht. Doch Halt! nehme Sie dieß mit sich, um alter Dienste willen.«

Miß Miggs packte die Banknote, die er aus seinem Taschenbuche nahm, hielt sie vor sich hin, versorgte sie in einem kleinen, rothledernen Beutel, steckte ihn in die Tasche (wobei sie eine beträchtliche Portion Flanellunterrock und mehr von ihren schwarzen, baumwollenen Strümpfen blicken ließ, als man gewöhnlich öffentlich zu sehen bekömmt), warf den Kopf in die Höhe, schaute Frau Varden an, und wiederholte:

»Ho, du grundgütiger Himmel«

»Sie hat, glaube ich, dieß schon vorhin gesagt, meine Gute,« bemerkte der Schlosser.

»Die Zeiten sind anders geworden, nicht wahr, Ma'am?« rief Miggs aufbrausend. »Ihr könnt mich jetzt entbehren, he? Ihr könnt sie ohne mich unter dem Daumen halten? Ihr braucht jetzt Niemand mehr, den Ihr auszanken und zum Sündenbock machen könnt, nicht wahr, Ma'am? Es freut mich, zu finden, daß Ihr so unabhängig geworden seyd. Ich wünsche Euch Glück dazu, wahrhaftig!« Bei diesen Worten machte sie einen Knix, warf den Kopf in die Höhe, wandte das Ohr Frau Varden zu, faßte die übrige Gesellschaft in's Auge, je nachdem sie die eine oder die andere Person in ihren Bemerkungen berührte, und fuhr fort:

»Ich bin in der That ganz entzückt über eine solche Unabhängigkeit, obschon es mir zu gleicher Zeit Leid thut, Ma'am, daß Ihr in solche Unterwerfungen gezwungen worden seyd, als Ihr Euch nicht anders zu helfen wußtet – hi, hi, hi! Es muß ein großer Verdruß seyn, besonders wenn man bedenkt, wie schlimm Ihr immer von Herrn Joe gesprochen habt – und ihn am Ende noch zu einem Schwiegersohn haben sollt; und es wundert mich, wie Miß Dolly mit ihm zurecht kommen kann, nachdem sie so viele Jahre in einen Kutschenmacher vernarrt gewesen ist. Auch ich hörte sagen, der Kutschenmacher habe sich die Sache schon zweimal überlegt – hi, hi, hi! – und habe einem jungen Manne, der ein Freund von ihm gewesen, gesagt, daß er hoffe, er sey gescheuter, als sich so einziehen zu lassen, obgleich sie in der ganzen Familie gewaltig an ihm zerren thäten!«

Hier hielt sie einen Augenblick inne, um eine Antwort abzuwarten; da sie jedoch ausblieb, machte sie in dem früheren Tone fort.

»Ich habe sagen hören, Ma'am, daß die Uebligkeiten von gewissen Frauen nichts als Verstellungen sind, und daß sie steintodt in Ohnmacht sinken können, so oft sie nur die Neigung dazu anwandelt. Natürlich hab' ich so Etwas nie mit meinen eigenen Augen angesehen – o nein! hi, hi, hi! Auch der Meister nicht – o nein! Hi, hi, hi! Ich habe die Nachbarn sagen hören, wie ein Gewisser, mit dem sie bekannt seyen – ein armer, gutmüthiger Pantoffelnarr – eines Tages ausging, um ein Weib zu fischen, und einen Drachen gefangen hat. Natürlich habe ich, meines Wissens, die arme Person nie gesehen. Und auch Ihr nicht, Ma'am – ho nein. Ich möchte nur wissen, wer's gewesen sein kann – Ihr nicht auch, Ma'am? Ohne Zweifel, Ma'am. Ho ja! Hi, hi, hi!«

Abermals harrte Miggs auf Antwort, und als diese eben so wenig erfolgte, gährte Gift und Galle so überwältigend in ihr, daß sie hätte bersten mögen.

»Es freut mich, daß Miß Dolly lachen kann,« rief Miggs mit einem schwachen Gekicher. »Ich habe es gerne, wenn ich Leute lachen sehe – Ihr auch, Ma'am, nicht wahr? Ihr hattet immer Eure Freude daran, wenn die Leute in guter Laune waren, oder nicht, Ma'am? Und Ihr habt immer Euer Bestes gethan, sie aufzuheitern, nicht wahr, Ma'am? Obgleich es jetzt nicht mehr so viel zu lachen gibt, he, Ma'am? 's ist kein so großer Fang, nachdem man sich von Kindsbeinen an immer so scharf umgesehen und so viel in Kleidern und Staat gekostet hat, einen armen, gemeinen Soldaten mit einem einzigen Arm daran zu kriegen – oder Ma'am? Hi, hi. Ich möchte unter keinen Umständen einen Mann mit einem einzigen Arm. Der Meinige müßte zwei Arme haben. Wenn ich's wär', müßte ich zwei Arme haben, und wenn statt der Hände nur ein paar Hacken daran wären, wie bei unserem Kehrichtkärrner.«

Miß Miggs wollte noch beifügen, und hatte auch in der That schon angefangen, im Allgemeinen genommen wären Kehrichtkärrner noch bei Weitem ansehnlichere Partieen, als Soldaten, obgleich natürlich Leute, bei denen die Zeit zum Wählen vorbei sey, das nächste Beste, was sie kriegen könnten, nehmen und sich noch glücklich dabei schätzen müßten; da jedoch ihr Aerger und Verdruß von jener bittern, in's Innere treffenden Art war, welche in Worten keine Erleichterung findet, sondern durch den Mangel an Widerspruch sich zu förmlichem Wahnsinn steigert, so vermochte sie sich nicht länger zu halten, sie brach in ein Unwetter von Geschluchze und Zähren aus.

In dieser äußersten Noth fiel sie mit Zähnen und Nägeln über ihren unglücklichen Neffen her, zauste ihm eine Hand voll Haare vom Kopfe, fragte, wie lange sie noch dastehen und sich Kränkungen gefallen lassen müsse, ob er gedächte, ihr beim Hinaustragen des Koffers zu helfen, oder nicht, und ob es ihm ein Vergnügen mache, seine Familie verunglimpfen zu hören, nebst noch einigen derartigen Fragen. Nach dieser Schmach und Beschimpfung marschirte der kleine Junge, der inzwischen durch den Anblick einer unerreichten Pastete allmälig in förmliche Rebellion gegeißelt worden war, entrüstet ab, es seiner Tante und dem Koffer überlassend, ihm mit Muße zu folgen. Die Letzteren erreichten endlich unter Püffen und Zerren die Straße, wo Miß Miggs, hochroth vor Anstrengung, sich unter Geschluchze und Thränen auf ihr Eigenthum niedersetzte, um auszuruhen und mit sehnendem Verlangen zu harren, bis sie einen anderen Jüngling verstricken könnte, um ihr das Gepäck nach Hause schaffen zu helfen.

»Die Sache ist so gleichgültig, daß man nur darüber lachen kann, Martha,« flüsterte der Schlosser, indem er seiner Gattin nach dem Fenster folgte und ihr gutmüthig die Augen trocknete. »Was liegt daran? Du hast ja deinen Fehler schon früher eingesehen. Na! Fülle mir den Toby noch einmal, meine Liebe. Dolly singt uns ein Liedchen, und wir wollen um dieser Störung willen nur um so heiterer seyn.«



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