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Kaum blieb, das Aufgang nie noch untergehn Noch Trübung, denn durch Sünde nur, erfahren, Des ersten Himmels Siebensternbild stehn, Das jeden seines Amtes da läßt wahren, Wie jenes, das hienieden scheint, zum Porte Den Schiffer weist mit seinem Licht, dem klaren: Da wandte sich das Heer vom wahren Worte, Das zwischen jenem und dem Greifen war, Zum Wagen als zu seines Friedens Horte. Und ihrer einer, gottgesandt fürwahr, Rief: »Komm, du Braut vom Libanon!« mit Singen Dreimal; und nach ihm riefs die ganze Schar. Wie aus den Grüften sich die Seligen schwingen Beim Tubaruf des Jüngsten Tags, wenn eben Erwachte Stimmen Halleluja klingen, So sah ich hundert sich beim Ruf erheben So hehren Greises auf dem Gotteswagen, Diener und Boten all vom ewigen Leben. »Gelobt sei, der du kommst . . .«, hört' ich sie sagen, Und aber, Blumen streuend in die Runde: »Laßt Lilien uns mit vollen Händen tragen!« 287 Wohl sah ich aufgehn, wenn zur Morgenstunde Mit Rosenduft umflort der Osten dicht Auf wolkenlosen Himmels blauem Grunde, In Duft gehüllt der Sonnen Angesicht, Daß so verschleiert, wie sie drunter glühten, Die Strahlen lang ertrug das Augenlicht; Also in einer Wolke da von Blüten, Die, in die Luft gestreut von Engelshand, Im Niederfallen hier und dorthin sprühten, Ölzweig' um ihres lichten Schleiers Band, Erschien mir eine Frau; wie Feuerzungen Glüht' unterm grünen Mantel ihr Gewand. Und meine Seele, ob auch längst verklungen Die Zeiten, da ein Beben, glutentfacht, In ihrer Nähe lähmend mich durchdrungen, Eh Kunde noch das Auge mir gebracht, Am Wehn geheimer Kraft, die sie entsandte, Verspürte sie der alten Liebe Macht. Da so der Strahl in meinem Auge brannte Der hehren Macht, die, eh der Kindheit Tagen Ich noch entrann, mein Herz schon übermannte, Wandt ich zur Linken mich mit scheuem Zagen, So wie zur Mutter, wenn ihm bang zumut, Ein Kindlein flüchtet, ihr sein Leid zu klagen; Will sagen zu Virgil: »In meinem Blut Blieb nicht ein Tropfen, der nicht bebt zum Sieden! Ich kenne sie, der alten Flamme Glut . . .« Doch ach, Virgil war fort, von uns geschieden, Virgil, der traute Vater, er, Virgil, Dem ich mich ganz vertraut zu meinem Frieden; Und nichts, was dort der Ältermutter Spiel Verscherzt, dem trüben Naß der Träne wehrte, Die auf die Wange, rein vom Tau, mir fiel. »Dante! Dieweil Virgil sich von dir kehrte, Sollst du nicht weinen! Weine jetzt noch nicht! Wirst weinen müssen, wund von andrem Schwerte!« Dem Herrn der Flotte gleich, der, wo's gebricht, Am Heck, am Bug, von Bord zu Bord die Scharen Der Seinen musternd, mahnt an ihre Pflicht, 288 So sah ich, als, den Rufer zu gewahren, Bei meines Namens Klang ich mich gewandt – Den Not mir jetzt gebeut zu offenbaren –, Die Frau dort auf des Wagens linkem Rand, Die erst verhüllt der Engel Festgeleite, Zu mir herüberschaun von jenem Strand. Ob dicht der Schleier um ihr Haupt sich breite Und, von Minervas Laub umkränzt, zur Erde Herniederwallend barg die Benedeite, Gar königlich zu schaun und von Geberde Noch strenge, fuhr sie fort, wie wer da spricht Und spart zum Schluß, was heißer brennen werde: »Schau her: ich bins, bin Beatrice! Ficht Dichs nicht mehr an, zum Berge jetzt zu fahren? Hier sind sie selig! Wußtest du das nicht? Zum Quell mein Auge senkt' ich, sah im klaren Mein Bild, davor ins Grün der Blick entflohn: So lastend Scham und Reu der Stirne waren. Unmild dünkt so die Mutter wohl den Sohn, Wie sie mich dünkte; spürt' ich, so empfangen, Doch bittren Schmacks der Liebe herbes Drohn. Sie schwieg, und alsobald die Engel sangen: »Herr, auf Dich hoffe ich . . .«, bis Psalm und Chor Mit »Meine Füße stellest Du« verklangen. Wie auf Italias Rücken, wo in Flor Des Wipfelwaldes lebendige Pfeiler stehen, Der Schnee, der harsch im Slawenwind gefror, Versickernd in sich selber muß zergehen, Haucht Lenzluft, das der Schatten flieht, das Land, Wie flammend wir die Kerze schmelzen sehen: So ich, der ohne Trän und Seufzer stand, Eh sie gesungen, deren Lied im Gange Der ewigen Sphären seine Weise fand. Doch als ich spürt' in ihrem süßen Sange Ihr Mitleid, mehr, als hätten sie gesungen: »Warum denn, Herrin, machst du ihm so bange?«, Ist um mein Herz der Ring von Eis gesprungen; Zum Odem wards, zum Tau und hat in Zagen Durch Aug und Lippen sich der Brust entrungen. 289 Fest stand sie noch auf ihrem Platz im Wagen, Und zu den heiligen Wesen mit Bedacht Hat sie sich nun gewandt, das Wort zu sagen: »Ihr wacht im ewigen Tage! Keine Nacht, Kein Schlummer kann nur einen Schritt euch hehlen Den Zeitlichkeit auf ihren Wegen macht. Mehr sorgt mein Wort drum, jenem in der Seelen Zu brennen, der dort weint, daß Reu und Pein Nun gleichen Maßes sei mit seinen Fehlen. Der Himmelskreise Walten nicht allein, Das jedes Samenkorn, je wie's die Sterne Geleiten, läßt zu seinem Ziel gedeihn, Nein, Gottes Gnade, die da gibt so gerne Und taut aus Wolken, die so hoch sich heben, Daß unser Auge kaum sie ahnt von ferne, Hatt ihn so reich begabt im neuen Leben, Daß leicht in ihm ein Vorbild wunderbar All edle Art und Tugend konnte geben. Doch um so mehr verdirbt, verwildert gar Von arger Saat das Land und sonder Pflege, Je edler erst die Kraft des Bodens war! Einst hielt ich ihn in meines Blickes Hege: Dieweil mein junges Aug ihm zugewandt, Führt' ich ihn recht mit mir auf rechtem Wege. Doch als ich nun, die auf der Schwelle stand Des zweiten Alters, schied zum andren Leben, Da ließ er mich und fiel in fremde Hand; Da ich vom Fleisch zum Geist mich durft' erheben, An Schönheit wuchs und aller Tugend Preis, War minder hold er, minder mir ergeben. Er wandte seinen Schritt ins falsche Gleis, Trugbildern falschen Glückes nachzujagen, Das nie, was euchs versprach, zu halten weiß. Was half es, daß ich ihm in Traum und Tagen Gesichte sandt und seine Treu beschwor? Leicht hat er aus dem Sinne sichs geschlagen! Er fiel so tief, daß nirgend Weg noch Tor Zu seinem Heile war, als ihm zu zeigen Die Pein des Volkes, das sein Heil verlor. 290 So mußt' ich denn zur Pforte niedersteigen Des Todes, ihm, der ihn hieher geleitet, In Tränen, hilfeflehend mich zu neigen. Zum Spott wird Gottes Ratschluß, überschreitet Er Lethes Flut und kostet solche Labe, Eh er den Zoll gezahlt und sich bereitet Durch Reu, die Tränen bringt als Opfergabe!« |