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Eh Nessus jenes Ufer konnt erreichen, So langten wir in einem Dickicht an, Da Wegs und Steges keine Spur noch Zeichen. Nicht grün: von düstrem Braun das Laub daran; Nicht schlank: verkrümmt und knorrig Stamm und Äste; Nicht Früchte: giftige Dornen wuchsen dran. So rauh, so dicht hat kein Gestrüpp zum Neste Das Wild, das flurenscheue, von der Flut Der Cecina bis an Cornetos Feste; 61 Hier nistet der Harpyien ekle Brut, Die, krächzend künftigen Unheils Klagelieder, Die Troer scheucht' aus ihres Eilands Hut. Die Schwingen breit, am Riesenrumpf Gefieder Mit Menschenhals und -antlitz, scharfen Klauen, So ächzt es vom verwunschnen Baum hernieder. »Hör, eh du tiefer eindringst in dies Grauen.« Der gute Meister sprachs, »du schauest hier Des zweiten Kreises Weichbild, wirst es schauen, Bis dich empfängt des grausen Sands Revier. Tu denn die Augen auf! Hier sollst du sehen, Was Lügen traun du straftest, sagt' ichs dir.« Wehklagen hört' ich rings und Seufzer wehen, Doch derer, die so taten, sah ich keinen, Drum ganz verwirrt im Sinne blieb ich stehen. Er meinte, mein' ich wohl, ich möchte meinen, Von solchen, die verborgen unsrer Sicht Dort im Gesträuche klinge solches Weinen; Sprach drum der Meister: »Wenn ein Zweiglein bricht Dein Finger hier von dieser Dornenhecken, So wird der Wahn, den jetzt du hegst, zunicht.« Da hob ich meine Hand, sie auszustrecken, Und brach vom größten Strauch mir eine Rute: »Was knickst du mich?« schrie der gekappte Stecken. Und dunkel ward sein Stumpf von schwarzem Blute, Hub wieder an: »Was tust du wehe mir? Lebt nicht ein Hauch von Mitleid dir im Mute? Wir waren Menschen, sind nun Bäume hier. Doch mehr Erbarmen sollten deine Hände Uns weihn, wenn Seelen selbst von Schlangen wir!« Als ob ein grünes Scheit in Flammen stände Zur einen Hälfte, daß es tropft und zischt Vom Winde, der entweicht, am andren Ende: Also entquollen Wort und Blut gemischt Dem Strunke, drum ich fallen ließ voll Grauen Das Reis und stand, wie wem der Mut erlischt. »Konnt er mir glauben, was er jetzt muß schauen, Gekränkte Seele«, fiel mein Seher ein, »Und meinem Liede rein aufs Wort vertrauen, 62 Nie legt' er Hand an dich! Nur weil der Schein So wider mich, verlockt' ich sein Begehren, Zu tun, was jetzt mir selbst Gewissenspein. Doch sag ihm, wer du warst, und neu zu Ehren, Als Sühne, bringt er dich auf Erden dort, Wohin ihm noch beschieden heimzukehren.« Der Stamm drauf: »Lockt mich so dein süßes Wort, Nicht schweigen kann ich; laßt es denn geschehen, Spinn ich der Rede Garn noch weiter fort. Ich bin, der beide Schlüssel hielt zu Lehen Zu Kaiser Friedrichs Herzen, und so zart Öffnend wie schließend wußt ich sie zu drehen, Daß keiner sonst sein Siegel ihm bewahrt; Und Treue hielt ich rühmlich-hehrem Amte, Hab Schlaf mir drum und Herzblut abgespart. Die Metze, die kein Auge, die verdammte, Von Cäsars Throne ließ, die Pest dem Land, Der Höfe Gift, die Herzen all entflammte Sie wider mich; und die von ihr entbrannt, Die Hoheit zu entflammen sich erfrechten, Bis Ehr und Glück in bittres Leid gewandt. Mein Sinn, verstört von der Verzweiflung Mächten, Im Tode wähnt' er zu entgehn der Schmach, Und Unrecht tat ich wider mich Gerechten. Bei dieses Baumes Wurzel! Nimmer brach Ich meinem ruhmeswürdigen Herrn, dem hehren, Ich schwörs, die Treue, die ich ihm versprach! Darf euer einer heim zur Welt denn kehren, So bring er meinen Nachruf, der vom Stich Noch immer wund des Neides, dort zu Ehren.« Er hielt ein wenig inne. »Nun, so sprich!« Hieß mich der Dichter. »Nütze dir die Stunde! Frag, nun er schweigt; wonach verlanget dich?« Und ich zu ihm: »Frag du mit eignem Munde, Wovon du meinest, daß mirs dienen kann, Ich könnt es nicht, so brennt des Mitleids Wunde.« Drum er aufs neu: »Soll freundlich dieser Mann Dir tun, gefangner Geist, was dein Verlangen, Laß dirs gefallen denn und sag uns an: 63 Wie bleibt in diesen Knorrn die Seele hangen? Und weißt du's, sprich: Aus solcher Glieder Haft Macht einer je sich los, der drin gefangen?« Da ging ein Sausen aus mit großer Kraft Von jenem Stumpf, ward dann zur Stimme wieder: »Ich sags euch bündig«, klang es aus dem Schaft. »Trennt sich vom Leib die Seele, die der Glieder Gewahrsam trotzig selber sich erschlossen, Schickt Minos sie zum siebten Schlund hernieder. Zum Walde kommt sie da herabgeschossen, Und ohne Wahl, wo's ihr Geschick erkor, Beginnt sie wie ein Weizenkorn zu sprossen. Sie wächst zum Reis, zum Waldesbaum empor. Und die Harpyien, die am Laub sich laben, Machen ihr Schmerz und ihrem Schmerz ein Tor. Einst rufts auch uns hin, wo der Leib begraben, Doch nicht, um anzutun sein altes Kleid: Was selbst der Mensch sich nahm, soll er nicht haben. Hier schleppen wir ihn her; im Wald voll Leid, Am Strauche bei dem Schatten muß er hangen, Dem einst zur Last er war bei Lebenszeit.« Wir lauschten noch dem Strunke voll Verlangen, Im Wahn, er woll' uns andres mehr noch sagen, Als Lärm und Rufe plötzlich uns erklangen, Wie wenn ein Schütz auf seinem Stand das Jagen Heran hört kommen, hört den Keiler nahn, Den Lärm der Meute und die Zweige schlagen. Und siehe da: zu unsrer Linken sahn Wir nackt, geschunden, zwei im Sturme fliehen, Die knickten Busch und Zweig auf ihrer Bahn. »Nun komm, komm, Tod!« hat vorne der geschrieen, Der andre aber, dem es allzu lang Zu währen schien: »So rasch, sich zu verziehen, War, Lano, nicht dein Fuß im Waffengang Beim Toppo!« Drauf, als müßt' er sich verschnaufen, Mit einem Strauch er sich zum Knäuel schlang. Da, hinterher, kams durch den Wald zu Haufen, Hündinnen, schwarze, gierig, rasch im Hetzen, Gleich Rüden, die der Koppel just entlaufen; 64 Sie schlugen dem, der dalag voll Entsetzen, Ins Fleisch die Zähne, schleppten stückweis fort Der so zerfleischten Schmerzensglieder Fetzen. Es nahm mich bei der Hand mein treuer Hort Und führte mich zum Strauch, der, ach, vergebens Aus blutigen Schrammen weint' und sprach das Wort: »Daß ich dein Schild im Wahn des Widerstrebens, Jakob von Sankt Andrä, was frommts dir jetzt? Trag ich die Schuld denn deines Lasterlebens?« Drauf über ihn gebeugt, der so zerfetzt, Virgil: »Wer warst du, der aus so viel Wunden Du Worte hauchst der Pein, mit Blut genetzt?« Und er zu uns: »Die ihr hieher gefunden, Der schnöden Unbill Zeugen just zu sein, Wie man vom Leibe mir mein Laub geschunden, Am Fuß des Jammerbaums o sammelts ein! Ich war von jener Stadt, die statt des alten Johann den Täufer wählt' als Schutzwardein; Drum läßt all seine Kunst zu Leid ihr walten Der erste – wär am Brückenbogen nicht Des Arno seines Bilds ein Rest erhalten: Vergebne Mühe wars, wenn neu ans Licht Aus Schutt und Asche Bürgertreu sie brachte, Darin sie lag seit Etzels Strafgericht . . . Ich wars, der sich sein Haus zum Galgen machte.« |