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Achtundzwanzigster Brief.

Das schlechte Wirthshaus. – Französische Betten. – Handelsvortheilchen. – Französische Ueberreste. – Die Kreuzwege. – Ankunft in la Grange. – Unser Empfang bei dem General Lafayette. – Der Nullificationsstreit. – Gespräch mit Lafayette. – Seine Ansicht hinsichtlich der Auflösung des Bundes der Vereinstaaten. – Der Streit über die Sklaverei. – Die Festigkeit der Bundesverfassung. – Die Lebensweise in La Grange. – Der Milchbrei. – Französische Sitten und französische Küche. – Abreise von La Grange. – Rückkehr nach Paris.

Mein Lieber – –

Ueber die nächstfolgenden Reisetage habe ich wenig mehr zu sagen, außer daß die rohe Unwissenheit und die poetische Schwärmerei eines Postilions uns in die Unannehmlichkeit versetzte, eine Nacht in dem schlechtesten Wirthshause zuzubringen, worin wir jemals in Europa eingekehrt waren. Wir fuhren in der Dunkelheit darauf los, um endlich diesen Ort Zu erreichen, und noch weiter zu fahren, war es jetzt zu spät, da unsere ganze Reisegesellschaft äußerst ermüdet war. Um es kurz zu machen, es war eine Herberge für Fuhrleute. Ans Essen war wenig zu denken; und noch immer blieb mir die Hoffnung, wenigstens ein gutes französisches Nachtlager zu bekommen. Die Erfahrung dieser Nacht überzeugte mich indessen, daß man nicht durch ganz Frankreich auf herrlichen wollenen Matrazen schläft, denn wir mußten größtentheils mit Stroh vorlieb nehmen. Demungeachtet waren die Leute dienstwillig, achtsam auf unsere Wünsche und dabei zuvorkommend höflich. Unser Lager war übrigens bequem genug, denn wir bekamen recht reinliches Stroh.

 

Die nächstfolgende Nacht ging es uns weit besser in einem kleinen Städtchen. Doch kann man die großen Fortschritte deutlich wahrnehmen, welche durch fremde Reisende in Frankreich eindringen, wenn man die Gasthöfe längs den befahrneren Landstraßen mit den an den Nebenwegen gelegenen Wirthshäusern vergleicht. In diesem Städtchen war unser Nachtlager gut, es war ganz à la française. Wenn Sancho einst, nach einem Mittagsschläfchen auf spanischer Erde, den Mann segnete, der den Schlaf erfunden habe, was würde er wohl gedacht und gesagt haben, wenn er auf einem guten französischen Bette hätte ausruhen dürfen!

 

Nach dem Frühstück wurden Trommeln durch die Straßen gehört, und die Einwohner drängten sich vor ihre Hausthüren und horchten mit offenbarer Theilnahme auf die Bekanntmachung des Ausrufers. Der Preis des Brodes war heruntergegangen, eine Verkündigung, die jederzeit große Theilnahme erweckt in einem Lande, wo das Brod im eigentlichen Sinne das Hauptmittel des Bestehens ist. Die Vertheidiger der steigenden und fallenden Preise des freien Handelsverkehrs müssen wohl bedenken, daß Frankreich öftern Unruhen ausgesetzt werden würde, und zwar wirklich aus Noth, wenn man diesen wichtigen Gegenstand, die Brodpreise, dem alleinigen Gutdünken der Handelsleute überlassen wollte. Mit einer bloßen Theorie kann man eine hungernde Volksmenge nicht sättigen; der Hunger kümmert sich um kein Reden für und wider die eine oder die andere Lieblingsansicht. Kurz diese sogenannte Handels- und Verkehrsfreiheit nähert sich in der Weise, wie ihre Vertheidiger jetzt ihre Behauptungen übertreiben, verdächtig genug einem rohen Naturzustande; ein Zustand, der so übel gar nicht wäre, wenn der Handelsverkehr im Leben als eine Hauptsache und nicht blos als ein zufälliges Verhältniß bestehen könnte. Bei manchen Leuten ist aber der Handel, das heißt die Bereicherung durch denselben, allerdings Hauptsache – ja alles in Allem – und aus diesem Grunde finden wir so häufig, daß die Vertheidiger ausschließlicher Vorrechte und der Ansprüche bevorrechteter Stände auf Auszeichnung im Staate den Grundsatz des freien Verkehrs mit derselben Wärme vertheidigen, wie diejenigen, welche in andern Dingen ihre liberalen Ansichten übertreiben.

Im Wirthshause befand sich ein kleines Gemälde in Watteau's Manier, von welchem die Wirthin sagte, es sei bei der Versteigerung des Hausrathes eines benachbarten Schlosses gekauft worden. Es ist merkwürdig, dergleichen Ueberreste aus alter Zeit, wie Hausrath, Gemälde, Porcelan u. dgl. über ganz Frankreich zerstreut zu finden, obschon alle Gegenstände der Art meistens nach Paris gewandert sind. Ich machte der Wirthin den Vorschlag, sie möchte mir das Gemälde verkaufen; doch die gute Frau hielt es selbst für unschätzbar.

Gleich nach dem Frühstücke verließen wir den Ort, und bald entfernten wir auch uns von der Landstraße, um ein wenig feldein zu fahren. Die französischen Vicinalwege, Feldwege, Kreuzwege nähern sich gar sehr dem Zustande natürlicher Wildnisse, denn die Leute scheinen hier ebenso wenig Lust zu haben, wie bei uns, solche Wege gehörig zu unterhalten. Vor der Revolution geschahen alle diese Dinge durch Frohnarbeiten, die Corvée; der Grundherr hatte das Recht von seinen Grundholden eine bestimmte Zahl von Tagwerken zu verlangen, die ohne Unterschied auf den Landstraßen seines Gebiets verrichtet werden mußten. Daher wurde, sobald es dem Herrn Marquis gefiel, sein Schloß zu besuchen, eine allgemeine Wegschau vorgenommen, um ihn und seine Freunde in den Stand zu setzen, das Schloß sicher zu erreichen, und sich alsdann während ihres Aufenthaltes daselbst bequem unterhalten zu können; nachher aber kehrte alles wieder in den frühern Zustand der Wildniß und des Zufalls zurück. Es ist bestimmt wahr, daß man in diesem altcivilisirten Lande noch Nebenstraßen findet, die so durchaus schlecht sind, wie die schlechtesten Wege in unsern neuen Ansiedlungen. Im vorigen Jahre reiste ich sogar einmal zwanzig (englische) Meilen mit der Post auf einem solchen spurlosen Wege.

 

Doch im gegenwärtigen Falle war uns das Glück günstiger, denn der Weg, den wir zu fahren hatten, war eine sogenannte » route départementale«, und daher wenigstens nicht viel schlechter als die Landstraße, die wir eben verlassen hatten. Unsere Fahrt ging durch eine wellenförmig sanft auf- und absteigende Gegend, mit niedlichen Gebüschen und trefflichem Feldbau wechselnd. Bis auf das Fahrgeleise, ist es für den Reisenden in allen Stücken angenehmer, in Frankreich die großen Landstraßen zu vermeiden; denn Nichts kann für das Auge langweiliger sein, als ihre schnurgrade ununterbrochene Einförmigkeit. Man fühlt sich auf ihnen weit unbehaglicher, als auf unsern durchwegs grade auslaufenden Wegen, weil bei uns kleine Strecken Gehölz dem Umblick öftere Abwechselung darbieten.

 

Etwa drei bis vier französische Meilen fuhren wir durch diese noch ziemlich einförmige Gegend, bis wir uns einer Wirthschaft näherten, die etwas besser eingerichtet war, als gewöhnlich. Zu unserer Linken war ein Wald, und zu unserer Rechten breitete sich eine ausgedehnte Wiesenfläche aus. Als wir am Walde vorüber waren, sahen wir einen weiten Park-ähnlichen Weg, der von einzelnen Baumpflanzungen anmuthig beschattet wurde; hier und dort waren einige Andeutungen von Landschaft-Gärtnerei, in besserem Geschmack angelegt, als dieses in Frankreich gewöhnlich ist. Als wir diese Anlagen hindurch waren, kamen wir wieder an einen Wald, bogen um denselben und fuhren in einen Privatweg ein, – Sie werden sich erinnern, daß man in diesem Lande weder Umhegungen noch Hecken, und äußerst selten eine Mauereinfassung antriff – dieser Privatweg wand sich um den Saum des Waldes, einen unregelmäßigen Halbkreis beschreibend. Dann führte er in grader Richtung eine kurze Strecke weiter, durch ein Gebüsch von jungem Immergrün, nach zwei dunkeln malerischen, von Epheu umrankten, Thürmen zu, über eine feste Brücke, die über einen Graben sich wölbte, und schnell kamen wir durch einen Thorweg, in welchem die Rinnen eines Fallgatters noch sichtbar waren, und dann stiegen wir in dem Hofraum von La Grange aus!

Es war grade neun Uhr und die Hausgenossenschaft versammelte sich eben in dem Vorgemach. Das gewohnte: » le general sera charmé de vous voir, Monsieur,« des treuen Bastian, deutete uns an, daß wir seinen Herrn zu Hause treffen würden; und fast sämmtliche Frauen kamen uns auf der großen Treppe entgegen. Kurz, hier war der Patriarch unter seinem eignen Dache, umgeben von seiner Familie, die so lange Zeit die Bewunderung von Tausenden erregte – kurz, wir fanden ihn unter Verhältnissen, wie wir es irgend am meisten hätten wünschen können.

 

Von unserm Empfang habe ich kaum nöthig etwas mitzutheilen, da in diesem Hause alles, was aus Amerika kommt, willkommen ist. Wir waren bald im Vorgemach bei einander, wo ich die Tische mit amerikanischen Zeitungen bedeckt fand, und in wenigen Minuten war ich von Allem unterrichtet, was jenseit des atlantischen Meeres vorging. Herr Rives hatte sich nach der Heimath eingeschifft; und da Herr Perier bereits todt war, so hatte General Lafayette den Irrthum, den der Minister sich zu Gunsten einer verspäteten von Herrn Rives über den fraglichen Gegenstand empfangenen Nachricht hatte entschlüpfen lassen, keine weitere Erläuterungen in der Kammer gemacht. In Frankreich war das Ministerium seiner Auflösung nahe, und es hieß, die Doktrinären würden darin die Oberhand bekommen – und bei uns zu Hause entbrannte der Nullifikationsstreit in lichten Flammen. Ueber den letztern Gegenstand sprach Lafayette mit einer Zurückhaltung, die ich von ihm, wenn es die Angelegenheiten von Amerika betraf, nicht gewohnt war, obschon er sich stark dagegen erklärte, daß bei uns ein wirklicher Grund zu Zwistigkeiten vorhanden sei.

 

Die Amerikaner sind leider so schwach, eine nicht zu entschuldigende Aengstlichkeit zu verrathen, so bald sich irgend ein unangenehmer Vorfall in unserm Vaterlande ereignet. Es gehört nicht viel Verstand dazu, um einzusehen, daß wir nicht von allen menschlichen Gebrechen völlig frei sein können, und wir müssen alle wohl bedenken, daß begangene Fehler aus solcher Quelle häufig zu Gewaltthätigkeiten und Ungerechtigkeiten Veranlassung geben können. Dabei besteht hier in Europa solche Leidenschaftlichkeit in dem, was uns angeht; die Anhänger der monarchischen Prinzipien betrachten alle unsere Handlungen mit solcher übelwollenden Gesinnung, und sie haben eine so heftige Begierde, von unsern Fehlern lauter übertriebene Vorstellungen zu verbreiten, so daß es selbst Amerikanern hier nicht immer ganz leicht ist, diese ängstlichen Besorgnisse zu unterdrücken. Ich habe daher öfter unsern Gegnern gesagt, sie erwiesen uns in der That die möglichst größte Achtung, indem sie beständig darauf ausgingen, die Resultate unseres Systems nur mit dem zu vergleichen, was lediglich im allgemeinen Sinne recht sei, während sie diese Resultate nur mit den Resultaten ihres eigenen Systems zu vergleichen nöthig hätten. Aber die feindseligen Interessen äußern hier einen so überwiegenden Einfluß, daß Gründe der Vernunft und des Rechts in diesem Meinungskampfe für Nichts geachtet werden. Wenn ein Kongreßmitglied durchgeprügelt wird, so ist das freilich keine Widerlegung, wenn man sagt ein Mitglied der Kammer oder des Parliaments sei ermordet worden. Diese Leute führen nicht die einzelnen Fälle blos an, sondern sie stellen unverweilt Folgerungen daraus, als ob sie der Meinung wären, wir müßten überhaupt weit vorzüglichere Menschen sein, als sie! Wenn bei uns die Leidenschaften zu argen Ausbrüchen führen und man uns dieses vorwirft, da möchte freilich Mancher es für eine recht gute Erwiederung halten, sofern die Vergleichung mit ähnlichen Begebnissen in Betracht kommt, ihnen auf der Stelle vorzuhalten, daß bei ihnen ein halbes Dutzend Provinzen in offenbarem Aufstande sich befinden; aber dafür haben sie freilich keine Ohren. Sie thun, als ob sie von uns zu erwarten berechtigt wären, daß wir nie unter uns in Streit gerathen könnten! Entweder darf sich also an uns kein Flecken finden, oder wir sind schlechter als sie. Alles dieß sieht und fühlt Lafayette auch; und wiewohl es unmöglich ist, diese Unlauterkeit und Ungereimtheit einer solchen Weise, die Menschen zu beurtheilen, nicht auf den ersten Blick einzusehen, so ist es doch fast eben so unmöglich bei dem jetzigen Zustande Europas, daß Jemand, der den Einfluß eines von Amerika aus gegebenen Beispiels kennt, durch solche unangenehme Ereignisse nicht in seiner gewöhnlichen Gemüthsruhe sollte gestört werden.

 

Vor dem Frühstück nahm der General mich mit in seine Bibliothek, und wir hatten eine recht lange und weit freimüthigere Unterredung mit einander über die Lage der Dinge in Süd-Carolina. Er äußerte, daß eine Trennung vom Bunde sein Herz brechen würde, »Ich hoffe, sie werden wenigstens,« fügte er hinzu, »noch warten, bis ich todt bin, ehe sie diesen Selbstmord an unseren Institutionen begehen.« Er erklärte sich insbesondere stark gegen das öftere Reden über einen solchen möglichen Ausgang unserer inneren Zwistigkeiten, denn solches würde, meinte er, die Menschen mit dem wirklichen Eintreffen eines solchen Ereignisses nur zu bald vertraut machen. Ich theilte seine Befürchtungen nicht. Mir schien es vielmehr, daß die gewöhnliche und wiederholte Drohung mit der Auflösung unseres Bundes sei die Folge davon, daß Jedermann weiß und innig empfindet, wie wichtig es für Alle sei, recht eng sich an einander anzuschließen, und daher und aus keiner andern Ursache sprächen die Unzufriedenen dergleichen Drohungen aus, weil sie glaubten, auf diesem Wege am schnellsten und wirksamsten ihre Absichten durchzusetzen. Am Ende würde es sich aber zeigen, meinte ich, daß grade die Ueberzeugung, wie viel darauf ankomme, daß Alle im Bunde fest an einander halten, welche dem Unzufriedenen diese Drohung als das ernsthafteste Angriffsmittel auf diejenigen eingegeben habe, auf welche sie dadurch einen mächtigen Einfluß ertrotzen wollten, daß, sagte ich, diese Ueberzeugung hinreichende Folgen haben werde, um die Verwirklichung solcher Drohungen zu verhüten; diese Drohung sei nichts Anders, als ein natürlicher Beweis von der politischen Schwäche in Amerika, grade so, wie die physische Schwäche nach Messern und Knitteln greift, während die Stärke sich auf ihre Hände allein verläßt. Doch im Fall der Noth wisse die Stärke auch sich der Waffen zu bedienen. Ich könne mir überhaupt nicht vorstellen, daß in ganz Amerika sich irgendwo eine bedeutende Anzahl achtungswerther Männer befinde, die, im Ernste eine Auflösung unseres Staatenvereines wünschen könnten, und so lange dieser Fall nicht eintrete, sähe ich keinen Grund, ein solches Ereigniß zu fürchten. Weiter sagte ich, daß so lange die nördlichen Staaten sich ruhig verhielten, hätte ich durchaus keine Besorgniß; denn ich sei überzeugt, daß keine bedeutende politische Veränderung in den Vereinstaaten vorfallen könne, wenn sie nicht zugleich von diesen gewünscht werde. Da dieses eine neue Ansicht für den General war, so frug er nach den Gründen, die ich für dieselbe hätte, und meine Antwort war mit wenigen Worten die folgende:

 

Es gibt nur Ein gemeinschaftliches Interesse, welches im Stande wäre, den ganzen Süden vereint gegen den ganzen Norden aufzuwiegeln, und dieses ist die Meinungsverschiedenheit über die Befugniß, Sklaven zu halten. Nun sei es aber bekannt, daß weder die Bundesregierung noch die einzelnen Staaten mit dieser Angelegenheit, als mit einer die ganze Nation betreffenden Streitfrage, nicht das geringste zu schaffen haben, und es sei daher nicht die geringste Veranlassung denkbar, daß über einen solchen, die übrigen gar nicht betreffenden Gegenstand eine Uneinigkeit entstehen sollte, welche zu einem Freundschaftsbruch führen könnte. Zwar wäre es möglich, und wirklich sei dergleichen schon vorgekommen, daß man über das Halten von Sklaven gestritten, oder einander öffentlich angegriffen und getadelt habe; doch da einmal festgesetzt sei, daß alle neuen Staaten des Nordens durchaus frei sein sollen, und dagegen den südlichen die Befugniß, Sklaven zu halten, zugestanden sei; so sähe ich nicht ein, wie dieser Gegenstand anderweitige ernsthafte Folgen haben könne. Vorfälle der neuesten Zeit haben obige Aeußerungen bestätigt. Was alle übrigen Interessen betreffe, so werde es äußerst schwer werden, den ganzen Süden zu gleichen Maßregeln zu überreden. Der jetzige Streit könne dieß ohne Weiteres erläutern. Diejenigen welche, um des stärksten Ausdrucks sich zu bedienen, welchen der Grund des Streites gestatte, jetzt die Unzufriedenen wären, seien dermaßen von denen, die völlig zufrieden wären, umgeben, daß ihre Trennung vom Bunde durchaus unmöglich sein würde. Die ganze Reihe der hinter den Carolina's, Virginien und Georgien liegenden Staaten zum Beispiel, hinge durchaus nicht von jenen ab, um mit der See freien Verkehr unterhalten zu können, und liegen denselben doch so nahe, daß sie solche in einer Weise verdunkeln könnten, die jenen, als abgetrennten Staaten, durchaus nicht willkommen sein möchte. Ferner könne der Süden niemals im Norden einer Reihe angrenzender Freier Staaten ganz entbehren; denn wollten sie ernstlich sich von ihnen lossagen, so würde ihre für sie in solchem Falle fremde Nachbarschaft ihnen großen Nachtheil bringen, weil sie alsdann den größten Theil ihrer Sklaven verlieren würden.

 

Dagegen sei die Lage der nördlichen Staaten wieder sehr verschieden. New-England, Newyork, Pennsylvanien und Ohio und die ganze Reihe der westlich gelegenen Staaten, stünden unter einander in einer engen geographischen Verbindung, sie müßten daher zusammen halten und wollten es auch nicht anders, und sie hätten nur eine Grenze, die fast überall zur Schifffahrt geeignetes Küstenland sei. Sie zählen schon eine freie Bevölkerung von acht Millionen, die im raschen Zunehmen begriffen ist, und enge vereint seien sie stark genug, um selbstständig aufzutreten. Ihr Vortheil sei es aber, der sie eine bleibende Verbindung mit den südlichen Staaten wünschen lasse, und ihre Gesinnung bezwecke auch nichts anderes, und so lange diese Gesinnungen in den nördlichen Staaten unverändert bleiben, würde ich keine Besorgniß haben vor einer möglichen Auflösung unseres Staatenvereins. Dieses wurde vor den neulichen Vorfällen in Texas geschrieben, welche dem strittigen Punkt eine etwas veränderte Ansicht geben.

Dann wünschte Lafayette noch zu wissen, ob ich nicht glaube, daß unser Staatenverein bereits eine zu große Ausdehnung habe, um einer fortdauernden ungestörten Ruhe sich zu erfreuen. Ich meinte dagegen, so lange es irgend möglich bleibe, die nöthigen gegenseitigen Verbindungsmittel zu unterhalten, so werde der Bund grade desto fester werden; weil jemehr der Bund durch die vermehrte Bevölkerung sich erweitere, desto schwieriger werde es sein, daß durch das ganze Gebiet hindurch dieselben Interessen nachgestrebt werde; und diejenigen, welche keinen Grund zur Unzufriedenheit hätten, würden einen desto größeren hemmenden Einfluß den unruhigen Bewegungen einzelner Staaten entgegenstellen. Wäre dagegen unser Staatenbund noch heutiges Tags zum Beispiel, wie vor vierzig Jahren blos auf das Küstenland beschränkt, so würde es freilich keine südwestlichen Staaten geben, welche die südlichen im Schach hielten, wie dieß unseres Wissens der Fall ist, und würde freilich die Gefahr bei ausgebrochenen Unruhen sich auf das zwiefache steigern. Diese Dinge haben immer ihre zwei Seiten; denn selbst, indem die Regierungen der einzelnen Staaten wirklich im Besitze organischer und sogar gesetzlich zu rechtfertigender Mittel sich befinden, um der Bundesregierung einen kräftigen Widerstand entgegen zu setzen, so besitzen sie zugleich dieselben organischen örtlichen Mittel um solchen Bewegungen in ihrer eignen nächsten Umgebung entgegen zu wirken. So werden Georgien und Carolina keinesweges in dem obwaltenden Streit gemeinschaftlich sich zu einem und demselben Zweck verbinden, sondern in gewisser Hinsicht macht hier der eine Staat den Widerstand des andern völlig unwirksam. Kurz, ich versuchte ihm zu beweisen, daß unsere Bundesverfassung sich nach dem wirklichen Bedürfniß der einzelnen Staaten und als Folge von Ereignissen gestaltet habe, und nur auf solche Weise sei es möglich eine unerschütterliche Grundlage zu erhalten. Eine solche Verfassung könne höchstens durch Worte angegriffen werden, wo man irgend Wichtiges dadurch beabsichtige, oder der öffentlichen Meinung eine besondere Richtung geben wolle, um bestimmte Zwecke zu erreichen. – Hier wurden wir zum Frühstück abgerufen.

Bei Tische wurde ich wegen meiner Unwissenheit tüchtig ausgelacht. Die Familie des Generals lebte in La Grange ganz nach den alten französischen Sitten, und gelegentlich kam auch wohl ein amerikanisches Gericht einem Gast zu Ehren auf den Tisch. Wir hatten einen Wink bekommen, wir würden ein paar treffliche Schüsseln vorfinden, und vorzüglich hatte man uns ein ganz einfaches und wohlschmeckendes Gericht gelobt, was » soupe au lait« genannt wurde, und ich bildete mir schon ein, ich hätte eine neue Entdeckung zu machen. Mir wurde ein Gericht gereicht, welches ich so vortrefflich und zu einem Frühstück so ganz geeignet fand, daß ich die Schüssel an A – – schickte, mit der Bitte, sie möchte die Vorschrift zur Bereitung dieses Gerichts sich von Madame George Lafayette ausbitten, die neben ihr saß. Beide neigten die Köpfe gegen einander und, wie ich bemerkte, belustigten sie sich über meine Anfrage. A – – sagte mir darauf, es sei dieses ebenso wohl ein amerikanisches als ein französisches Gericht, und sie wisse recht gut, daß davon recht viel, selbst im Hause meiner Aeltern verspeist worden sei. Ich erwiederte, daß ich mir dieses gar nicht mehr erinnern könne. Das sei, meinte sie, auch gar nicht zu verwundern; weil es schon lange her sei, seit ich dieses Gericht nicht mehr gegessen habe. Denn es sei nichts anderes, als was bei uns Milchbrei heißt und den Kindern recht gut schmeckt.

Zwei Hauptirrthümer bestehen in Amerika in Beziehung auf Frankreich. Der eine betrifft ihre Sitten, der andere ihre Kocherei. Wir stellen uns gewöhnlich vor, das Benehmen der Franzosen sei oberflächlich, überbeweglich und voll Uebertreibung. Dieses wäre wirklich zu verwundern bei einem Volke, das vielleicht eine bessere Art des Benehmens, als irgend ein anderes besitzt; denn ruhiger und einfacher Ton im Umgange ist gewiß ein Zeichen vortrefflicher Bildung. Die höheren Stände in Frankreich sind vollkommene Muster in diesem guten geselligen Ton. Was nun die französische Kochkunst betrifft, so halten wir diese in der Regel für zu arg gewürzt. Nichts ist weniger der Wahrheit gemäß, denn die französische Küche verbietet die Gewürze fast durchaus. Als ich mit dem Vicomte von V – – nach London gekommen war, speisten wir zuerst in einem Gasthause. Kaum hatte er die Suppe gekostet, so saß er mit Thränen in den Augen und mit offenem Munde da, wie ein an der Zungenanschwellung leidendes Huhn! » Le diable!« rief er laut, » celle-ci est infernale!« und auch ich fand sie höllisch gepfeffert; denn nachdem ich sieben Jahr lang auf dem Festlande zugebracht hatte, so war es für mich nichts Leichtes, die englisch zubereiteten Gerichte und die englischen Weine zu genießen; denn in ersteren war zu viel Gewürz und in letztern Branntwein.

Gegen Mittag fuhren wir ab von La Grange und bogen so schnell als möglich wieder in die ordentliche Landstraße ein. Eine Reihe unangenehmer Vorfälle, die wir dem tollen Zufahren der Postilione verdankten, hielten uns mehrere Stunden unterwegs auf, und es war bereits dunkel, als wir an die erste Barriere von Paris anlangten. Wir kamen in die Stadt diesseits der Seine hinein und ungefähr um acht Uhr fuhren wir durch das Thor unseres Hauses. Das Essen stand angerichtet auf dem Tisch; die Betten waren zu unserm Empfang bereit; Handschuhe und weibliche Arbeiten lagen noch wie früher umher, à la Princesse d'Orange, und wir traten sogleich unsere gewohnte Lebensweise wieder an, grade als ob wir eben von einer Spazierfahrt aufs Land zurückgekehrt wären; und gleichwohl kamen wir von einer dreimonatlichen Reise zurück!


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