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Viele Tage zogen sie schon durch eine unermeßlich weite Ebene strotzendster Fruchtbarkeit. Selbst für Augen, die an das Wachstum ägyptischer Fluren gewöhnt waren, gereichten diese Felder, diese Haine und Weiden zum Erstaunen. Allenthalben ergossen sich durch Tausende von Kanälen Ströme Wassers ins Land. Grelles Grün, sattes Gelb mehrhundertfach gekörnter Ähren dankte dem befruchtenden Elemente mit unablässigem Gedeihen. Herden von Rindvieh, von Ziegen, von Eseln, zahllose Kamele belebten das Bild zwischen den dichtgesäten Dörfern, und an den Obstbäumen und Palmen hingen faustgroße, überreife Früchte.
Viele Tage schon ging es durch diese Ebene. Weit hinter ihnen lag das durchglühte, brodelnde Gebirge, über dessen wüste Pässe sie zum Roten Meere abgestiegen waren. Fern auch waren sie schon den vollgepferchten Schiffen, die sie über die siedenden Fluten dieses schrecklichen Gewässers in endlos eintöniger Fahrt an kahle Küsten gebracht hatten. Und nur mehr grausige Erinnerung waren ihnen die Wüsten Arabiens und die wechselnden Bilder ihrer Durchquerung: Sandmeere, Felsenzinnen, Oasen, schimmernde Städte; ausgedörrte Hirne, die im heißen Wehen atemversengender Winde die Götter der Einöden geschaut hatten: Am Tage hohe Sandsäulen, die Himmelsgewölbe und Erde verbanden und kreiselnd vor ihnen herliefen; in den Nächten die rotdurchzuckten Feuersäulen; und in anderen, stilleren Nächten die blauweiße Riesenzunge des Zodiakal-Lichtes. Orkane waren über sie hinweggebraust, kurze Regenschauer und Gewitter hatten die Wüsten verhöhnt, schweifende Heerscharen von Arabern waren gegen sie angeritten. Wilde Tiere hatten im Umkreise ihr Gebrüll erhoben, wenn die zahllosen Feuer auflohten und der beizende Rauch des verbrannten Kameldüngers sich in dicken Schwaden auf die Dünen legte.
Bis sie eines Morgens am östlichen Horizonte eine nach beiden Seiten ins Unbestimmte verlaufende grüne Linie erspähten, die stets breiter ward, sich hob, sich mit Umrissen von Palmen und Bäumen rauhte; und ihr Fuß plötzlich auf hartem, halbwelkem Grase schritt.
Da waren sie in die strotzende Ebene gekommen und das Volk aus den Dörfern war zusammengeströmt, um Kunde von Schlachten und Siegen, Beute und Abenteuern zu gewinnen. Mittagwärts war die breite Heerstraße abgebogen, die auf unzählbaren Brücken unzählbare Kanäle überquerte. Und die Soldaten hatten in der fröhlichen Laune endlicher Heimkehr nicht damit gespart, dem Volke verschwenderische Mengen von Mundvorrat abzupressen, den sie in einer Art derber Großmut unter die Gefangenen verteilten; was um so begreiflicher war, als der lange gemeinsame Weg, die überstandenen Gefahren eine Schicksalsgemeinschaft zwischen Siegern und Verbannten erzeugt hatten.
Pythagoras war sich auch nach kurzer Zeit darüber im klaren, daß das Los des Volkes im Zweistromlande sich nicht wesentlich von dem der Ägypter unterschied. Auch hier schritten die Perser durch jüngst erobertes Gebiet, über den machtlosen Leib eines zertrümmerten Völkerriesen.
Alle anderen Gedanken aber, alle Ebenen und Wasserbauten, die an Großartigkeit denen Kemis nicht nachstanden, ließ der Augenblick vergessen, da das Ziel des mondelangen Marsches in Sicht kam.
Dies geschah eines Morgens, als sich die Menschenschlange eben wieder ostwärts gewandt hatte und über leichtgewelltes Hügelland dahinzog.
Plötzlich war mitten in der Ebene ein dunkles, schwärzliches Band aufgetaucht, ein hart abgegrenztes Band von ungeheurer Länge, auf dessen oberer Kante sich unzählige kleine Zacken wie Knäufe erhoben und über dessen Rand wie ein Hauch ein niegeschautes Wunder schwebte. Würfel auf Würfel, stets sich verjüngend, zu unwahrscheinlicher Höhe emporstrebend, ähnlich den mächtigsten Pyramiden Kemis. Doch wieder weltenfern anders. Denn jeder der Würfel schimmerte blaß und zart, aber unverkennbar in anderem Farbentone. Oder war es nur Täuschung des Auges, erzeugt durch den schrägen Strahl der Morgensonne?
»Borsippa! Babylon! Die Mauern der Schwesterstädte! Das ragende Mal des Nebo-Turmes!« jubelte es durch die Scharen der Perser. Und in ihren Blicken flackerte ein sonderbarer Glanz, ein dunkler, wilder, gieriger Schimmer, den Pythagoras auch damals nicht an den Barbaren gesehen hatte, als sie trunken die Schatzkammern des Amuntempels plünderten.
Neue Bodenwellen versperrten die Schau. Babel versank. Doch der Rhythmos der Doppelstadt blieb in den Reihen des Zuges. Und dieser Rhythmos riß die Ermüdeten vorwärts, richtete die Erschlafften auf, erweckte die Trostlosen und Stumpfen.
Satte Palmenhaine, dampfende Niederungen ohne Fernblick durchquerten sie. Zwischen sumpfigen Seen von ungeheurer Ausdehnung, auf deren spiegelglatter, weißschillernder Oberfläche die Kolben des Schilfs und die riesigen Blätterinseln von Wasserpflanzen torkelten, führte auf untermauerten Dämmen die breite Straße. Regeres Leben schon heftete sich an den Umkreis des gewaltigen Mittelpunktes der Völker. Streitwagen ratterten vorbei, ganze Trupps von Reitern kamen ihnen entgegen. Und die hochgetürmten Ladungen kreischender Karren holperten mit dem Wirrsal der Kamele und Packesel in gleicher Richtung.
Überall erregte der grauenhafte Zug der Gefangenen die höchste Aufmerksamkeit. Doch konnte Pythagoras keine Miene von Mitleid oder Entsetzen, Abscheu oder Hilfsbereitschaft wahrnehmen. Wie boshafte Schadenfreude, dumme Neugier oder lüsterne Grausamkeit, die sich schon die kommenden Foltern dieser Sklaven ausmalte, umbrandete es sie. Und mehr als einmal hörte er höhnende Rufe, die den Söhnen des hochmütigsten Volkes galten; des Volkes, das hinter seinen Bergen, hinter seinen Wüsten gewähnt hatte, ausgenommen zu sein vom allgemeinen Kreislaufe des Menschenschicksals.
»Das sind die Helden vom Nilstrome! Jämmerlich genug ist ihr Aufzug!« hörte er. Dann wieder rief man: »Und jene Schwächlinge bildeten sich ein zu widerstehen, wo wir unterlagen!« Und er verstand die Ausrufe, da er die Sprache Babels in Theben schon sich angeeignet hatte. War sie doch seit Jahrhunderten das Idiom, in dem der staatliche Briefwechsel zwischen Kemi und allen östlichen Reichen geführt wurde.
Der Inhalt des Hohnes aber, die Art, in der man hier die hilflosen Gefangenen empfing, die selbst von den wilden Söhnen der Wüste oft heimlich mit Geschenken und Mundvorrat bedacht worden waren, gab ihm schon im voraus ein Bild des Volkes, unter dem er vielleicht den Rest seines Lebens zu verbringen verdammt war.
Und er war noch mit Betrachtungen beschäftigt, noch kehrte er seinen Blick ins Innere, als sich plötzlich wieder der Grund der Straße in leichter Steigung hob und aus dem Dickichte der schattenden Palmen heraustrat.
Da lag das Werk des höhnenden Volkes vor ihm, nahe lag es vor ihm und er vergaß vor dem Werke der Menschen.
Denn, unabsehbar nach rechts und links, erhob sich, an zweihundert Ellen hoch, in düsterem Schwarzbraun eine Mauer, die ein flüchtiger Blick wohl für ein Gebirge gehalten hätte, wenn nicht die regelmäßige Unzahl der Türme, die auf ihrem Kulme saßen, und das Zackenwerk der Zinnen deutlich den Ursprung des Bauwerkes von Menschenhand, von vielen Zehntausenden von Menschenhänden, bewiesen hätte. Und schnurgerade lief die Heerstraße, hinweg über ein breites Gewässer, das den Fuß der Mauer bespülte, gegen ein Tor, dessen unwahrscheinlich hohe Flügel in dunklem Erzglanze funkelten.
Hoch über dem Rande der Mauer aber, fast im Unbestimmten, schwebten die obersten Würfel der Stufenpyramide in ihren verschiedenen grellen Farben und wurden in ihrer glasierten Glätte nur durch das zarte Maschenwerk herumlaufender Galerien unterbrochen.
So stampfte der endlose Zug, vorbei an den Torwächtern, vorüber an riesigen geflügelten Stieren mit starren bärtigen Menschenantlitzen, die zu beiden Seiten, aus dunklem Steine gehauen, die Einfahrtstraße und die Brückenköpfe flankierten, in den unersättlichen Rachen der Völkerstadt Babylon. Und die gewölbte Einfahrt, die die übermächtige Dicke der Mauer durch ihr schattendes Düstern zeigte, dröhnte laut und langgezogen, als die Füße der Perser und Ägypter die bunten Kacheln traten.
*
Wie die laue Dünung, die den einsamen Schwimmer im sinkenden Abendrot umspült, so legte sich, sanft und kosend, die Seele Babels umhüllend über Pythagoras. Jenes Babel war es, das in violetten Sonnenuntergängen schwül und leise atmete, dessen breite gerade Straßen unabsehbar, gesäumt von Palästen und vielstöckigen Häusern, von einem Ende bis ans andre liefen. Jenes Babel, dessen flirrender Staub nach der Hast des Tages in den Lüften hing und die zarten Farben der glasierten Buntheit noch schattenhafter und traumumflorter machte.
In diesem Schillern der Umwelt hatte sich sein Schicksal bald unerwartet zum Besseren gewendet. Kaum eine Beschränkung mahnte ihn an sein Los als Gefangener, sofern er sich damit begnügte, den Umkreis der himmelragenden Mauern nicht zu verlassen. Denn die Herrschaft des Persers wankte. Wankte durch die Abwesenheit des Kambyses und durch die Kürze der Zeit, seitdem die Perser Babylon erobert hatten. So kehrte sich niemand hier an die näheren Weisungen des Satrapen, man hielt sich hinreichend gehorsam, wenn man die Verbannten nicht entkommen ließ, und gestattete ihnen, um jeder lästigen Aufsicht überhoben zu sein, alles zu treiben, was sie wollten. Ja, man bot ihnen sogar in verschiedenen Zweigen der babylonischen Verwaltung untergeordnete Ämter an, als man bemerkt hatte, daß es sich vornehmlich um hohe Würdenträger Kemis handle.
Pythagoras zog es vor, in Muße zu leben und die Welt, in die ihn das Schicksal geworfen hatte, zu durchforschen. Da verkehrte sich aber die unerwartete Gunst, die seine äußere Lage erträglich gestaltet hatte, ins Gegenteil. Denn unfaßbare Üppigkeit, ein Heißhunger der Sinne, eine Maßlosigkeit sondergleichen, letztes Toben des Fleisches und Blutes schwoll ihm aus jedem Winkel der brodelnden Riesenstadt entgegen.
Was ihn zuerst kosend gelockt hatte, begann tiefe Unruhe in seinem Gemüte zu entfesseln, da er fühlte, wie all die Umwelt durch ihre Ballung und Häufung Macht über ihn gewann und ihn von Tag zu Tag tiefer in Labyrinthe dumpfer Leidenschaften und Gefühle hineinzog, die jenseits des klaren Geistes wuchsen und nach zügellosen Taten verlangten. Und wild und brausend stand jetzt die Stadt vor ihm. Greller leuchteten die Farben; die langen blauen Palastwände, aus denen gelbe Pfeiler vorsprangen, die Paläste selbst, die in ihrer großartigen Massigkeit gleich den Stufenpyramiden auf unausdenkbaren Terrassensockeln wuchteten, die anderen Bauwerke, deren Fassaden wieder über und über mit Alabasterplatten oder gelbem Kalkstein belegt waren, erdrückten ihn fast. Und stets schwebte noch über allem die vielfarbige Mannigfaltigkeit des himmelnahen Kulmes, der von Borsippa, vom westlichen Ufer des Euphrat, herüberdrohte. Dazwischen die berstende, triefende Üppigkeit weiter Palmenhaine, die sich am Terrassenpalaste Nebukadnezars in mehreren Stufen über die Firste der Häuser erhoben und so jenes Weltwunder bildeten, das der Volksmund des Erdkreises die schwebenden Gärten der Nitokris, der Gemahlin dieses mächtigen Königs, nannte.
Aber nicht die Gebäude, nicht die Haine, nicht die feuchte, wollüstig weiche Luft mit ihren balsamischen Aromen war es, was in tiefstem Sinne die Seele Babels schuf. Das Gewimmel der Völker prägte ihm erst das unvergleichliche Siegel des rasenden Lebensdranges auf. Und sie wimmelten durcheinander, diese Menschen in der niegeschauten Buntheit ihrer vielfältigen Kleidung, in der unüberbrückbaren Verschiedenheit ihrer Antlitze und Gestalten.
Männer aus dem Hebräerlande drängten sich durch die Gassen mit zurückfliehenden Stirnen und tiefen, drohenden Augen. Andere wieder, klein von Gestalt, gelbhäutig und schlitzäugig, waren durch unermeßliche Weiten hiehergezogen aus dem Lande der Serer im äußersten Osten des Weltkreises. Volk von Sinnim nannte man sie auch. Dann braune und schwarze Inder mit ihren traurigen Mandelaugen und der leuchtenden Güte in den Mienen. Andere Menschen wieder, die nur mehr Sklaven zu sein schienen, müde und gebeugt, doch noch in aller Erniedrigung stolz und edel: Die letzten Überreste von Sumer und Akkad, die einst diesen Boden beherrscht hatten, weiser und mächtiger als die jetzigen Herren. Und dann die Völker, die gleicherweise die pechschwarzen Barte trugen und doch einander so wenig ähnelten: Elamiten, Perser, Assyrier, Babylonier, Meder. Und wieder riesenhafte Gestalten, blond und blauäugig: Skythen und Massageten. Und endlich auch Hellenen, hocherhobenen Hauptes, halb verständnislos, halb angewidert durch dieses Chaos schreitend.
Das waren die Männer, die Pythagoras sah. In bunten Kleidern, in Seide, in edelsteinbesäten Überwürfen, auf Rossen, in Sänften. Tiaren auf dem Haupte, Diademe, flache Basthüte, hochgewundene Kopftücher in allen Farben des Regenbogens.
Aber noch immer nicht war es Babel. Das eigentliche Babel bebte in den Weibern. Kaum weniger vielfältig war ihre äußere Erscheinung als der Völkerwirrwarr der Männer. Und doch war es Einheit, dieses Babel, trotz aller Unterschiede. Und alle die haltlos flackernden Augen, alle die wiegenden, tänzelnden, gedehnten und auffordernden Schritte, alle die aufreizenden Düfte und geschminkten Wangen, alle die schwellenden Busen und Hüften, die schimmernde glatte Haut entblößter Schultern, das Gleißen und Flirren übersatter Geschmeide, das Ringeln und Kräuseln und der gesalbte Glanz der Haare floß zu einem einzigen wolkenhohen, unwiderstehlichen Bilde, einem einzigen Symbole zusammen, das mit Urgewalt die Männer und Paläste und Stufenpyramiden, die Länder und Haine und Herden in erschöpfendste, rastlose Umarmung zwang. Und das Ischtar hieß oder Aschtoreth oder Astarte: Das Abbild der Göttin, die Herrin ist, Herrin der hemmungslosen, rasenden Zeugung.
Und das Gefolge der Belit, der Herrin Ischtar, kroch durch alle Winkel, durch alle Tiefen Babels. Was lag an Blut, an Mord, an Gift? Tausendfach jagte die Belit ihre gehorsamen Scharen zu neuem Sinnestoben, zu neuem Werden: Was war Laster? Was Erschöpfung? Irre ab, toller Trieb, den ich entfesselte. Verliere dich in Wahnsinn, in Scheußlichkeit, in Ekel! Türme nur frischen Reiz auf gestrige Übersättigung! Alles ist dein, tosendes Leben, alles ist dein. Über alles bist du Herr, wenn du nur nie vergißt, aufs neue stets zu rasen, damit das Werden im Flusse bleibe. Denn mehr wird entstehen, siebenfach mehr, wenn du würgest und blutest und zeugest, als wenn du gierig, doch tatenlos abseits hockst.
Tauche hinunter in die blauen Nächte, in denen das Grauen neben der Wonne lauert. Wo sich schwere Düfte über die Sümpfe senken und die Kehle versperren, daß sie in unsagbarer Lust aufstöhnt. Tauche hinunter in die schattenden Tiefen des Zaubers, der Ahnung, der Verkündigung aus den Sternen. Laß die Rauschtränke dein Denken umnebeln, daß du harmlose Gesellen niederschlägst und jeder Augenblick in deiner Nähe Gefahr ist. Wir fürchten dich nicht, wir fliehen dich nicht, wir Töchter der Belit Ischtar! Wir lieben dich und suchen dich und werden dich in unsre Arme pressen, daß du vollends vergehst und der letzte Rest deines prüfenden Geistes verwehe. Und wir werden jauchzen über deine Kraft und Wildheit und um unsre Sinne werden nebelhaft die muskelstarrenden Gestalten der Flügelstiere huschen und uns befeuern, damit du zufrieden seist mit unsrer Liebkosung.
Kommt alle, alle des Erdkreises, die ihr Männer seid mit strotzenden Sehnen und rauschendem Blute! Kommt!
Babel breitet seine Arme! Weit genug, üppig genug ist Babels Schoß, euch alle zu umfassen, zu sättigen, zu verschlingen! Mächtiger ist Babels Schoß als ihr alle, alle, die ihr wähnt, die Herren des Erdkreises zu sein. Seht ihr das stumpfe, höhnende Lächeln der Ischtar, der großen Belit Ischtar, die ihre wilden Brüste mit den Fingern umpreßt und die Milch der unversieglichen Fruchtbarkeit auf die Länder verspritzt?
Und Pythagoras schauderte, als sich ihm Babel durch seine Weiber geoffenbart hatte, deren volle, feuchte Lippen gierig und nimmersatt zu tollen Küssen lockten. Und er begann sich mit hilfloser Urgewalt nach den glatten, aufrechten Jungfrauen Kemis zu sehnen, nach den Mädchen, die klug und still und arbeitsam ihre Wege gingen und doch so wonnevolle, zärtliche Liebe verhießen, wenn ihre schmalen wehmütigen Augen den Geliebten mit fragendem Blicke trafen. Sosehr stieg diese Sehnsucht an, daß es fast wie Reue über Pythagoras kam. Reue, daß er an ihnen vorbeigegangen war, an den schlanken Frauen, an Bertreri und an all den anderen, deren tiefe Zärtlichkeit er hätte ausschöpfen können, bis zum Grunde ihres reinen Gemütes.
Doch Babel, an das er gekettet war, stieg nur an in Zügellosigkeit und Gier.
Dunkel und verworren zuerst, dann immer lauter und bestimmter drang von Ägypten die Kunde herüber, daß Kambyses den größten Teil seines Heeres zum Rückmarsch rüste, um die Gärungen zu unterdrücken, die allenthalben schäumende Blasen an die Oberfläche der Macht emporwirbelten. So hatte sich schon der falsche Smerdes, ein Priester, der sich für den ermordeten Bruder des Kambyses ausgab, gegen dessen Herrschaft aufgelehnt, hatte von allen Gauen des unermeßlichen Reiches Zulauf erhalten und war eben in Babylon eingezogen, das neuerungssüchtig und wankelmütig voll Freude den neuen Herrn aufnahm. Wilde Feste, tosende Aufzüge und ein allgemeiner Taumel sondergleichen brausten durch die Stadt; ein Taumel, der zur Spitze trieb, als einander überstürzende Nachrichten zuerst die Selbstverwundung, dann das gräßliche Krankenlager, schließlich den qualvollen Tod des schrecklichen Zwingherrn Kambyses meldeten. Uferlos und zügellos brandete der Völkerhaufen von Indien bis zum Roten Meere und von den nördlichen Gebirgen bis zur Mündung des Doppelstromes durcheinander. Und jetzt erst sah Pythagoras voll und ganz die Schichten von Völkerstämmen, die hier übereinander lagen, jede Schicht einst fähig, die Welt zu beherrschen. Und die Männer von Sumer und Akkad tauchten empor, die ersten Herren des Landes; dann die Babylonier; weiter im Laufe der Äonen das Volk von Assur; und wieder die Babylonier und die Elamiter und die Kossäer und schließlich die Meder und Perser. Im Norden aber pochten schon Skythen und Massageten an den Grenzmauern. Durch diese Erkenntnis begriff er erst den Sturz Kemds und sah, was dort noch folgen würde. Und doppelte Angst um Hellas ergriff ihn und er versuchte das Gesetz zu erraten, nach dem der Kreislauf der Völker sich gestalte.
Deshalb wandte er in jenen erregten Tagen den Blick von der verwirrenden Gegenwart ab und drang in die letzten Tiefen des babylonischen Wissens. Längerer Verkehr, Geschenke und Gefälligkeiten hatten ihm die Pforten der Tempel geöffnet und die chaldäischen Priester geneigt gemacht, die bald vergaßen, daß er nicht einer der Ihren sei und begierig ihr eigenes Wissen durch die Geistesschätze Kemis zu erweitern trachteten.
Dunkle, düstere Pfade mußte er wandeln, Fährten voll Aberglauben, Blut, Wollust und Zauber. Und wenn er in bunter Wechselfolge sah, wie sich die Zukunft den Chaldäern aus den sonderbaren Gestalten geballter Wolken, aus der Form des Blitzes und anderen Vorzeichen angeblich enthüllte, dann staunte er wieder, daß ihre Kenntnis des Gestirnlaufes, ihr rechnerisches Vermögen die Genauigkeit der ägyptischen Wissenschaft noch übertraf. Ein Vorgang aber prägte sich seinem Geiste besonders ein: Die Verbindung von Göttern, Ereignissen, Dingen und Eigenschaften mit Zahlen. Und die aus diesen Zahlen gefolgerten Verknüpfungen und Beziehungen innerhalb des Kosmos: Eine Lehre, deren tiefer Sinn ihn mächtig erregte, ohne daß er sich noch die Bedeutung dieses Rätsels klarmachen konnte. Wie sich denn überhaupt die Kenntnis der Zahlen und das Rechnen hier in neuer, umfassender und großartiger Weise ihm offenbarte.
Die Götter selbst aber und die Entstehung der Welt erschienen ihm wie ein wirrer, wüster Traum von der Wahrheit. Ein Traum, in dem alle Wünsche, alle Scheußlichkeiten dieses Volkes mitschwangen, das unfähig war, Klarheit und Reinheit zu erreichen, sobald sein Blut toste. Wohl erkannte er auch hier die Ahnung vom Wesen der Urgötter. Doch lag ein Nebel vor ihnen, ein bunter schimmernder Nebel, farbenglitzernd wie die glasierten Wände der Stufenpyramiden. Und ebenso großartig, ebenso strotzend, ebenso formzersprengend. So hörte er zuerst vom Werden des Alls, und die Worte dröhnten durch sein Inneres, die er in orgiastischen Nächten, im Blutdunste der Opfer, im Qualm harziger Zypressen, Myrrhen und bitterer Kräuter erfuhr.
»Als droben«, so tönte es in sein Inneres, »als droben der Himmel noch nicht benannt war, unten aber die feste Erde noch keinen Namen führte, als die Wasser des Apsus, ihres ersten Erzeugers, und die Wasser der Tiamat, ihrer aller Gebärerin, sich in eins mischten, als noch kein Feld gebildet, kein Sumpfland zu finden war, als die Götter noch nicht lebten, keiner einen Namen führte und kein Schicksal bestimmt war, da wurden die ersten Götter im Himmel erschaffen, Lachmu und Lachamu. Tiamat aber empörte sich gegen die neuen Götter. Da sandten sie Marduk-Illil-Bel, den Herrn, den Klügsten gegen sie. Tiamat sah ihn kommen und stieß ein gräßliches Geschrei aus und brüllte Bannsprüche und Beschwörungen. Doch Marduk breitete sein Netz und ließ es sie umfangen, sandte den bösen Wind wider sie und ließ ihn in sie hineinfahren, sobald sie den Mund auftat. Dann schleuderte er den Wurfspieß, zerstörte ihren Leib, verwüstete ihre Mitte und durchschnitt ihr Herz. Allen ihren Helfern aber zertrümmerte er mit unwiderstehlicher Keule den Schädel.
Dann ruhte der Herr aus und betrachtete ihren Leichnam. Und teilte sie entzwei. Eine Hälfte von ihr setzte er hin und machte sie zum Himmelsdach; er zog einen Riegel vor, siedelte Wächter an, denen aufgetragen wurde, ihre Gewässer nicht herauszulassen. Er überschritt den Himmel, durchschaute den Raum und stellte sich vor den Ozean, die Wohnung Nudimmuds. Der Herr maß den Bau des Ozeans ab; als ein Gebäude, das ihm ähnlich war, gründete er Esara. In dessen Gebäude aber, das er als Himmel geschaffen, ließ er Anu, Bel und Ea Wohnung nehmen.
So entstand die dreifache Welt und ihre Herren: Der Himmel, an dessen Nordseite Anu thront. Die Erdfläche, die Bel beherrscht, der den Himmelsberg innehat und den Luftraum überschaut; und die Wassertiefe, die Kluft, deren König Ea ist, der in den Nächten im Gewässer weilt, am Tage jedoch den Meeren entsteigt, um alle Wesen die Weisheit zu lehren.
Dann aber ward das Jahr eingesetzt und die zwölf Monde. Die Sterne erhielten ihre Standorte am Himmel, Getier und Pflanzen und Bäume begannen zu werden, und endlich beschloß der Herr, den Menschen zu schaffen. Und er sagte: Blut will ich sammeln aus der Wunde eines enthaupteten Gottes und es mit Erde mischen. Bein will ich lösen aus den Gliedern des Enthaupteten. Ich will einen Menschen herstellen, einen Menschen! Ich will Menschen erschaffen! Zum Dienste der Götter seien sie da. Ich will ändern die Wege der Götter, will anders machen den Kreislauf der Welt!«
Und weiter hörte Pythagoras die schauerliche Sage von der großen Flut, die eintrat, als die Menschen böse geworden waren. Einem nur von ihnen, dem Utnapischtim, hatte der Gott der Wassertiefe, der große Ea, durch einen Traum verkündet, daß Bel beschlossen habe, die Menschen zu vernichten. Und er hatte ihn ermahnt, sich zu retten: »Du Mensch aus Schurippak, zimmere ein Haus, baue ein Schiff! Laß den Reichtum fahren, suche das Leben. Bring hinauf aufs Schiff Lebenssamen aller Art. Das Schiff, das du bauen sollst, seine Maße sollen gemessen sein!« Utnapischtim aber hatte gehorcht und ein Schiff erbaut. Und er hatte vorgegeben, es zu bauen, um damit zum Weltmeere hinabzufahren. Er verklebte die Fugen des Schiffes mit Erdpech. Dann aber sprach Utnapischtim: »Im Monat der großen Schamasch war das Schiff vollendet. Alles, was ich hatte, lud ich darauf. Alles, was ich hatte an Lebenssamen aller Art lud ich darauf. Ich brachte hinauf zum Schiffe meine Familie und meine Angehörigen insgesamt. Vieh des Feldes, Getier des Feldes, die Handwerkersöhne insgesamt brachte ich hinauf. Dann kamen die bösen Vorzeichen und ich verschloß die Tür. Sobald aber der Morgen aufleuchtete, stieg vom Fundament des Himmels eine schwarze Wolke herauf. Hadad tost darin, und Nabu und Scharru gehen voran; es gehen die Herolde über Berg und Land. Die Anunnaki erhoben die Fackeln, machen das Land mit ihrem Glanze erglühen. Hajdads Ungestüm kommt zum Himmel, verwandelt alles Helle in Finsternis. Nicht sieht ein Bruder seinen Bruder, nicht werden erkannt die Menschen vom Himmel her. Die Götter fürchteten selbst die Sturmflut und wichen zurück, stiegen empor zum Himmel des Anu. Sechs Tage und Nächte geht dahin der Wind, die Sturmflut, der Orkan fegt das Land nieder. Wie der siebente Tag herankommt, wird der Orkan, die Sturmflut, der Schlachtsturm niedergeschlagen. Es ward ruhig das Meer und der Unheilssturm ward still, die Sturmflut hörte auf. Da ich den Tag schaute, war die ganze Menschheit zu Schlammerde geworden. Ich schaute hin auf die Räume im Bereiche des Meeres; nach zwölf Doppelstunden stieg eine Insel auf. An den Nissir war das Schiff herangekommen; der Berg Nissir faßte das Schiff und ließ es nicht schwanken. Als der siebente Tag herankam, ließ ich eine Taube los. Es ging die Taube fort und kam zurück; weil kein Standort da ist, kehrt sie um. Dann ließ ich eine Schwalbe los; es ging die Schwalbe fort und kam zurück; weil kein Standort da ist, kehrte sie um. Dann ließ ich einen Raben los; es ging der Rabe los und sah das Schwinden des Wassers, aß, krächzte, aber kehrte nicht um. Auf dem Berge aber, auf dem Gipfel, auf den ich heraustrat, brachte ich ein Opfer dar. Die Götter rochen den Duft, die Götter rochen den angenehmen Duft, die Götter sammelten sich wie Fliegen über dem Opferer. Als aber Bel sah, daß nicht alles Lebende vernichtet war, beschloß er, in Zukunft die Sünder durch Pest, Hungersnot und reißende Tiere zu bestrafen.«
So hörte Pythagoras bei den Mysterien im Tempel des Bel. Doch weiter drang er noch ein in das Wissen Babels. Und er las die krausen Keilschriften auf unzähligen Tontafeln und stieg zurück in die Geschichte des Landes bis in die sagenhafte Urzeit, da der große Gilgamesch im Zedernwalde mit Eabani den Zwingherrn Chumbaba erschlug und den Himmelsstier fällte, den ihm Ischtar gesandt hatte, weil er ihre gierige Liebe verschmähte. Und alle die bunten Riesen und Unholde, die geflügelten Stiere und Löwen, die grausigen Geier und Fischdrachen bevölkerten diese Urzeit der wilden Kämpfe, unerhörten Taten und glorreichen Siege.
Und ganz zuletzt lernte er den orgiastischen Dienst der Ischtar kennen, die ihm schon einmal aus dem schweren Atem babylonischer Weiber in unfaßbarer Größe entgegengetreten war. Und er erlebte die düsteren Feste, an denen sich alle Weiber Babels, jeder Hemmung enthoben, zu Ehren der Göttin einem fremden Manne hinwarfen und für ihre Liebkosung Geld begehrten, das sie der Herrin, der großen Belit, weihten.
Als aber die Flammen der Lust verzischt waren und die Blässe der Erschlaffung unter den geschminkten Wangen fahl durch das grünliche Lichterflackern des Ischtartempels leuchtete, da enthüllte die Göttin, umbrandet von betäubendem Räucherwerk, ihr letztes Geheimnis, ihren Abstieg ins Reich der Toten. Und der Mund ihrer Priesterin verkündete:
»Auf das Land ohne Rückkehr setzte Ischtar, die Tochter des Mondgottes Sin, ihr Ohr; auf das düstere Haus, die Wohnung Irkallas, auf das Haus, dessen Betreter nicht wieder hinausgeht, auf den Weg, dessen Beschreiten ohne Umkehr ist, auf das Haus, dessen Betreter des Lichts entbehren, wo Erdstaub ihre Nahrung, Lehm ihre Speise ist, sie das Licht nicht schauen, in Düsternis sitzen, bekleidet sind wie ein Vogel mit einem Flügeltuch; auf Tür und Riegel lagert Erdstaub. Wie Ischtar am Tore des Landes ohne Rückkehr anlangt, spricht sie zum Pförtner die Worte: Pförtner! öffne dein Tor, daß ich hineinkomme! Wenn du dein Tor nicht öffnest, zerschmeiß' ich die Tür, zerbrech' ich den Riegel, zerschmeiß' ich die Schwelle und verrück' ich die Türen, bring' ich hinauf alle Toten; essend, lebendig, sollen mehr als alle Lebendigen die Toten sein! Der Pförtner aber sagte von dieser Rede seiner Herrin Ereschkigal. Und die befahl: Geh hin, Pförtner, öffne ihr dein Tor! Behandle sie nach den alten Gesetzen! Da öffnete ihr der Pförtner nach der Reihe die sieben Tore der Unterwelt. Am ersten Tore mußte sie ihre Krone ablegen, beim zweiten die Gehänge der Ohren, beim dritten die Kette des Halses, beim vierten die Brustschilder, beim fünften den Gürtel, beim sechsten die Spangen der Hände und Füße, beim siebenten ihr Lendentuch. Jedesmal fragte sie den Pförtner um den Grund des Befehles. Stets erhielt sie die Antwort: Komm herein, meine Herrin! Also sind die Gesetze der Herrin der Tiefe! Sobald aber auf diese Weise Ischtar in das Land ohne Rückkehr hinuntergekommen war und sie nackt dastand in der strotzenden Fülle ihrer Brüste und Lenden, sprach Erischkigal zu ihrem Boten Namtaru die Worte: Geh hin, Namtaru, riegle sie ein in meinem Palast, laß auf sie heraus sechzig Krankheiten, Krankheit der Augen auf ihre Augen, Krankheit der Seiten auf ihre Seiten, Krankheit der Füße auf ihre Füße, Krankheit des Herzens auf ihr Herz und alle die anderen sechsundfünfzig Leiden. Da war Ischtar gefangen und alles Zeugen und Gebären hörte auf im Erdkreise. Fern blieb der Stier von der Kuh, fern der Esel von der Eselin, kein Jüngling nahte einem Mädchen. Sin aber, der Gott des Mondes, und Schamasch, der Herr der Sonne, waren mit Ea, dem Lenker der Wassertiefe, besorgt um das Schicksal des Lebendigen und befahlen der Ereschkigal, Ischtar freizugeben. Als Ereschkigal dies vernahm, schlug sie ihre Lende, biß ihren Finger und verwünschte den Boten mit der großen Verwünschung. Alles aber nützte ihr nicht. Darum sprach sie zu ihrem Diener Namtaru: Besprenge Ischtar mit dem Wasser des Lebens und nimm sie weg von mir! Namtaru aber tat, wie ihm befohlen war, und gab der Ischtar Lendentuch und Spangen, Gürtel und Brustschilder, Halskette, Ohrringe und Krone zurück und sie eilte auf die Oberwelt und bei ihrem Erscheinen entstand wieder rasende Zeugung!«
Die Weiber aber, die aus flackernden Augen, satt, doch nicht gesättigt, die Enthüllung des Mysteriums vernahmen, verstanden den Mythos ihrer Göttin Ischtar. Und auch Pythagoras wußte seinen Sinn zu deuten. Und wieder hörte er die Stimme der Belit, der großen Herrin: »Was ist Tod, was Laster, was Krankheit? Alles Lebendige stirbt. Alles kann die Todesgöttin, die furchtbare Ereschkigal, halten. Nur Ischtar selbst ist mächtiger als Ereschkigal. Das Leben selbst lacht des Todes. Auf nun, ihr meine Dienerinnen!« so ruft die Belit, »auf, ihr Töchter Babels! Was bin ich ohne euch? Raset denn weiter in wildesten Flammen, reißt die Männer in eure Arme, fürchtet nicht Blut, nicht Gift, nicht Pest, wenn es gilt, eurer einzigen Herrin zu dienen. Auf, ihr Weiber von Babel! Heute bin ich mit euch zufrieden. Doch vergeßt nicht, daß es ein Morgen gibt und Übermorgen. Und daß jeder Tag neues Rasen von euch erwartet. Ischtar hat den Tod überwunden, ihr seid ihm verfallen. Darum lebt, Töchter Babels, lebt und rast und gebärt!«
Pythagoras aber, den der heiße Brodem der Völkerstadt stets wilder erfaßte, dessen Leib schon durchsetzt war von der lockenden Schwüle vieltausendfachen Fleisches, ward erlöst, als man seine Glieder in Ketten legte.
Als der große Dareios der kurzen Herrschaft des falschen Smerdes ein grausiges Ende bereitet hatte und über die abtrünnigen Völker ein unerbittliches Gericht hielt. Da duckte sich Babylon knirschend und die Heere der Perser rückten in die Stadt. Die Gefangenen aus Kemi aber wurden gleich anderen Scharen Unterworfener in die Berge geführt. Hinauf ins baktrische Land, wo neue Paläste, neue Städte persischen Gedankens erstehen sollten.
Als aber der Zug der Geketteten wieder durch die satte Ebene wankte, als schon die Mauern Babylons nur mehr wie ein dunkles Band mit unzählbaren Knäufen in den Weiten lagen; als der siebenfarbige Turm des Nebo wie ein traumhafter Hauch über dem Dampf der riesigen Stadt schwebte, da schwoll plötzlich, furchtbar und wolkenhoch, eine Gestalt aus den Mauern empor, gegen die alles Bauwerk wie Spielzeug zurücksank:
Ischtar stand in der Ebene, nackt und strotzend, und umpreßte mit den Händen die starrenden Brüste und verspritzte die Milch der Fruchtbarkeit über die Reiche des Lebendigen. – – –