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Das Leben, welchem Godolphin sich jetzt ergab, war der Art, wie es ein sehr reicher, geistvoller Mann führen kann – nach der Vorschrift einer verfeinerten Üppigkeit. Er näherte sich dem Alter, wo die Poesie des Herzens erblaßt. Es stand ihm ein beinahe unerschöpflicher Reichthum zu Gebote und da er keinen Beweggrund zur Entwicklung seiner Kräfte hatte, so suchte er jetzt in Vergnügungen, was er früher von der Phantasie begehrt hatte. Da er den Ehrgeiz verachtete, so hatten seine Talente keinen andern Wirkungskreis, als den die Gesellschaft darbietet, und so wurde ihm die Gesellschaft, ihr Beifall und ihre Achtung nach und nach wichtiger, als es sich seine Philosophie träumen ließ. In welchem Kreise wir auch leben, die Meinung dieses Kreises wird früher oder später eine Herrschaft über uns üben. Das ist der Grund, warum ein Leben des Vergnügens zuletzt den stärksten Geist frivol macht. Der Gesetzgeber, der Gelehrte, alle werden unmerklich durch das Urtheil der Genossenschaft, zu der sie gehören, durch den Zirkel, in dem sie sich bewegen, umgebildet und verwandelt. Am meisten aber ist dies bei den Müßiggängern der großen Welt der Fall, bei denen der Hauptstoff des Gesprächs ohnehin nur das Ich ist.
Da aber in der letztern Klasse die Lächerlichkeit eine mächtigere und gefürchtetere Gottheit ist, als unter der, welche ernstern Beschäftigungen obliegt, so zwingt sie deren Mitglieder, durch eine beständige Angst vor ihren Schlägen, zu einer gleichmäßigeren, unveränderlicheren Unterwürfigkeit unter das Urtheil Anderer. Die Lächerlichkeit erschlafft in denen, welche sie beherrscht, jede Energie. Wenn Jemand sich eine Stellung in der großen Welt geschaffen, wenn er ein gewisses Alter erreicht hat, so mag er nicht irgend ein geistiges Unternehmen wagen, welches den Theil Achtung oder Beliebtheit, den man ihm bis jetzt zugesteht, auf die Spitze stellt. Er setzt sich nicht einer Niederlage im Parlamente, einer scharfen Kritik in der literarischen Welt aus; er hat keine Lust, eine neue Eifersucht gegen sich zu erregen und gefällige, gehorsame Diener in erbitterte Nebenbuhler umzuwandeln. Die geachtesten Mitglieder beider Häuser des Parlaments, die berühmtesten Schriftsteller betrachteten Godolphin jetzt als einen Mann von Witz und Genie, als einen Mann, dem sein Haus, sein Reichthum, seine Frau einen Einfluß gaben, wie er Wenigen zu Theil wird. Warum sollte er dies Alles auf das Spiel setzen und eine Vergleichung herausfordern? In seinem Kreise war er der Erste, warum sich der Wahrscheinlichkeit aussetzen, in einem anderen der Zweite zu werden?
Dieser Beweggrund, welcher ins Geheim die Hälfte der Aristokraten, und noch dazu die tüchtigen, d.h. die bescheidenen und geachteten beherrscht, die, welche den Einfältigen und Eitlen ihren verachteten, nicht zu beneidenden Ruf lassen, verstärkte noch Godolphins philosophische Gleichgültigkeit gegen den Ehrgeiz. Vielleicht wäre er, wenn seine Lage nicht so glänzend gewesen, oder wenn er seiner Neigung zur Einsamkeit treu geblieben wäre, welche die Jugend als die beste Pflegerin ihrer Träume so sehr liebt, in seinem jetzigen Alter, wo der Ehrgeiz, wenn er auch bisher geschwiegen, plötzlich laut wird, zu einem entschlossenen, kräftigeren und aufstrebenderen Sinne erwacht. Aber in den Genüssen, welche ihn umgaben, die im Allgemeinen nur die Belohnung sind, für die man arbeitet, hätte selbst ein Ehrgeiziger seiner Natur vergessen können. Er wurde nicht durch verletzte Eitelkeit, durch das Gefühl, daß er zurückgesetzt werde, (diesen großen Sporn für stolze Seelen) zu jenen Anstrengungen angeregt, durch welche wir die Verläumdungen Lügen zu strafen suchen. Es war »der Spiegel der Mode«, beliebt und bewundert und das Glück, das er durch die Verbindung mit der berühmten, reichen und schönen Gräfin von Erpingham gemacht hatte, wurde, wie dies immer bei dem Gefolge der Fall ist, als ein Beweis seines Genies, als ein Zeichen seiner Verdienste angesehen.
Doch ließ sich nicht verkennen, daß ein stilles, gegenseitiges Gefühl einer getäuschten Erwartung an dem glänzenden Leben von Mann und Frau zehrte. Godolphin verlangte von Konstanze mehr Sanftmuth, Hingebung und Gefälligkeit, als in ihrer Natur lag, und Konstanze kränkte sich ununterbrochen darüber, daß sie in Godolphin keine Sympathie mit ihren Plänen, keine Theilnahme für ihren Enthusiasmus fand. Da der eine nur für Vergnügungen, die andere nur für den Ehrgeiz lebte, so ließ sich in ihre Umgange keine Geistesverwandtschaft denken. Sie liebten sich noch, sogar mit Wärme und sie stritten nicht mit einander; aber es glaubte eben der eine nicht, daß ihm der andere sehr liebe, und so suchten beide außer dem Hause die Freundschaft und die Beschäftigung, die ihnen im Hause fehlte.
Konstanze war ein großer Liebling des verstorbenen Königs, und sie wurde stets zu dem engern Kreise der Gäste in Windsor gezogen. Godolphin, der die Langeweile für das ärgste der menschlichen Leiden hielt, konnte seinen Geschmack und seine Gewohnheiten nicht zu einer strengen, bestimmten Lebensweise zwingen, wie hoch auch der Kreis stehen mochte, in dem sie als Gesetz galt. Er wollte unterhalten seyn, nicht unterhalten. Niemand war geeigneter, einen Hof zu schmücken, niemand aber konnte weniger den Höfling spielen. Er bewunderte das Benehmen des Monarchen, er huldigte der natürlichen Schärfe seines Verstandes, aber da er gewohnt war, der Gesellschaft Gesetze zu geben, so war er zu stolz, sich nach der Vorschrift eines andern zu richten, was häufig der Fall bei denen ist, welche das Recht haben, mit den Großen zu leben, nicht bloß von ihnen geduldet werden. Es war ganz zum ersten Aristokraten geschaffen, der sich wesentlich von dem Schmeichler eines noch größeren Mannes unterscheidet; und seinem Erfolg bei Hofe stand nicht weniger der ihm angeborne Stolz, als die angenommene Philosophie seines Cynismus im Wege.
Der König war Anfangs artig genug gegen Lady Erpingham's Gatten, aber er war so scharfsichtig, gar bald zu bemerken, daß er nicht gebührend bewundert werde, Godolphin aber war bei dem ersten Zeichen von Kälte froh, eine Entschuldigung zu finden, verschwor sich das Schloß auf ewig und ließ Konstanze allein die Ehre der Königlichen Gastlichkeit genießen. Die Welt hätte darin vielleicht einen Anlaß zu Lästerungen gefunden, aber in Konstanzens Schönheit lag etwas, was ein Dichter den Engeln zuschreibt – sie drang ins Herz, gebot den Sinnen aber Ehrfurcht.