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– Percy, vergiß nicht, daß Du morgen wieder in die Schule mußt, sagte Herr Godolphin zu seinem einzigen Sohne.
Percy warf die Lippen auf und antwortete nach einer kurzen Pause: Mein Vater, ich denke, ich werde Herrn Saville besuchen. Er hat mich gebeten, ich möchte einen Monat bei ihm zubringen, und er sagt mit Recht, ich würde mehr bei ihm lernen, als bei Dr. Shallowell., wo ich bereits der erste in der höchsten Klasse bin.
– Herr Saville ist ein Narr, und Du bist auch einer, antwortete der Vater, der, einen alten wollenen Schlafrock an, eine abgetragene sammtne Kappe auf dem Kopf, und frostig an einem kargen Feuer hockend, kein übles Bild einer Mischung von Hypochondrie und Filzigkeit schien – sprich nicht davon, nach der Stadt zu gehen, aber –
– Vater, unterbrach ihn Percy kalt und nachlässig, indem er die Arme übereinanderschlug und trotzig seinem Vater in das Gesicht blickte, Vater, wir müssen uns einander verständigen. Mein Schulengehen, glaube ich, ist eine kostspielige Sache?
– Das will ich meinen. Kostspielig? Es ist fürchterlich, gräßlich, zum Ruiniren! Kostspielig! Zwanzig Pfund jährlich für Kost und Latein; fünf Guineen die Wäsche; fünf für Schreiben und Arithmetik. Wäre ich nicht entschlossen, Dir Bildung zu verschaffen, obgleich es Dir an Vermögen fehlen dürfte, so würde ich – ja ich würde – Was ist das? Warum lachst Du? Ist das die Achtung, die Dankbarkeit gegen Deinen Vater?
Das klare, verständige Gesicht des Knaben verdunkelte sich etwas.
– Laß uns nicht von Dankbarkeit sprechen, sagte er traurig. Gott weiß, wofür Du oder ich Dank schuldig sind. Das Schicksal hat Deinem stolzen Namen nichts als diese nackten Wände und ein Paar unfruchtbarer Felder zurückgelassen; mir gab sie die Liebe eines Vaters, nicht wie die Natur sie geschaffen hat, sondern durch Unglück verkümmert und verbittert.
Percy hielt ein und auch sein Vater schien betroffen und ergriffen. Laß, fügte dieser sonderbare Knabe, der etwas über fünfzehn Jahre alt seyn mochte, heiterer hinzu, laß sehen, ob wir die Sache nicht zu unserer gegenseitigen Zufriedenheit ausgleichen können. Du kannst mein Schuldgeld nur mit Mühe auftreiben, und ich bin entschlossen, nicht auf der Schule zu bleiben. Saville ist unser Verwandter; er hat Gefallen an mir gefunden, er hat selbst einen Wink fallen lassen, daß er mir vielleicht sein Vermögen vermachen wird; jedenfalls hat er mir versprochen, mir, so lange ich will, ein Unterkommen und seine Fürsorge zu sichern. Stelle es mir also frei, künftig nach Belieben zu kommen und zu gehen, und ich will mich dagegen verpflichten, Dich um keinen Schilling mehr zu bringen. Soll es gelten?
– Du thust mir weh, Percy, sagte der Vater mit schmerzlichem Stolze, ich habe, an Dir wenigstens, das nicht verdient. Du weißt nicht, was Alles dieses Herz verhärtet hat; aber für Dich war es nicht hart, und Hohn von Dir ist, ja, ist Schlangengift.
Percy lag denselben Augenblick zu seines Vaters Füßen, ergriff seine beiden Hände, und brach in einen Strom Thränen aus. Vergib mir, sagte er mit gebrochener Stimme, ich wollte Dich nicht kränken. Ich bin ein thörichter Knabe. Schick mich in die Schule. Thue mit mir, was Du willst.
– Ja, sagte der alte Mann, langsam den Kopf schüttelnd, Du weißt nicht, welchen Schmerz eines Kindes herbes Wort dem Herzen eines Vaters macht. Aber es ist natürlich, ganz natürlich! Du möchtest mir meine Liebe zum Gelde vorwerfen; das ist eine Sünde, gegen welche die Jugend am wenigsten Nachsicht hat. Aber wie? Kann ich einen Blick auf die Welt werfen, und nicht dessen Werth, dessen Nothwendigkeit erkennen? Jahr für Jahr habe ich seit meinem Mannesalter gestrebt und getrachtet, diese letzten Überbleibsel der Besitzungen meiner Ahnen vor dem Verkauf zu retten. Jahr für Jahr ist das Glück mir aus den Händen gewichen, und nach allen Mühen und am Ende meines langen Lebens stehe ich jetzt hart am Rande des Mangels. Aber Du verstehst nicht, und niemand, dessen Herz nicht von den Jahren zusammengeschrumpft ist, versteht oder würdigt die Gründe, welche meinen Karakter gebildet haben. Aber Du – und seine Stimme wurde weicher, indem er die Hand auf seines Sohnes Haupt legte – aber Du, der fröhliche, hochstrebende Jüngling, Du sollst Dir nicht von den Sorgen, die mich umgeben, die Stirn furchen, die Augen trüben lassen. Geh! Ich will Dich nach der Stadt begleiten; ich will selbst Saville sprechen. Ist es ein Mann, dem ich meinen Sohn, in einem so zarten Alter sicher anvertrauen kann, so sollst Du Deinen Willen haben, und ihn besuchen dürfen.
Percy wollte antworten, aber sein Herz wehrte ihm, und ehe der Abend vorüber war, hatte der Letztere sich vorgenommen, so viel als ihm gut dünkte, von der Unterredung zu vergessen.
Der ältere Godolphin war einer jener Karaktere, auf die man umsonst einen bedauernden Eindruck zu machen sucht; sein Gemüth gab, wie das Wasser, jedem Schlage nach, schloß sich aber wieder unmittelbar darauf. Es war ihm frühzeitig eingeprägt worden, daß er zum Frommen seiner Besitzungen und seines alten Familiengutes, das er, wie man ihm gelehrt hatte, als den Zweck und Ehrgeiz seines Lebens zu betrachten habe, eine reiche Erbin heiraten müsse. Seine Pläne waren vereitelt worden, aber je mehr sich ihnen entgegenstellte, desto fester klammerte er sich an sie an. Von Natur gütig, gesellig und edelmüthig, war er endlich zur Abgeschiedenheit und zum Geize herabgesunken. Alle übrigen Spekulationen, welche den Glanz seiner Ahnen darstellen sollten, waren mißglückt, und es blieb ihm nur eine, die nie fehl schlägt – die des Sparens. An sie hing er sich jetzt mit Gewalt. Zu Zeiten gab er auch seinen alten Gewohnheiten Raum, aber solche Augenblicke waren selten. Ein kalter, harter, widriger Geiz bildete seinen vorherrschenden Karakterzug. Seinen Sohn hatte er, mit achtzehn Pence in der Tasche, nach einer Schule von zwanzig Pfund jährlich geschickt, wo er, wie natürlich, nichts als Spielen und tolle Streiche lernte: trotzdem glaubte er, daß sein Sohn ihm den unauslöschlichsten Dank schuldig sey.
Zum Glück für Percy war er der besondere Liebling eines gewissen, nicht unberühmten Mannes, Namens Saville, und dieser benutzte sein Anrecht als Verwandter, um ihn mit Geld zu unterstützen und in seinem Hause aufzunehmen. Wild, leidenschaftlich, vergnügungssüchtig sehnte sich der junge Godolphin nach diesen gelegentlichen Besuchen, bei denen jedem sein schon von Natur scharfer und durchdringender Geist einen neuen Schwung nahm, und sich zu neuen Plänen erhob. Er war bereits das Oberhaupt der Schüler, die Qual des Direktors, und der Liebhaber von dessen Tochter. Er war erst fünfzehn Jahre alt, und doch schon ein ausgeprägter Mensch. Ein verstockter Stolz, eine verstockte Bitterkeit, offener Witz und unruhiges Wesen verriethen allem Anschein nach mehr Energie, als Liebe. Doch blieb ein gütiges Wort in dem Munde eines Freundes nie ohne Wirkung auf ihn, und während er die Kette zerrissen hätte, konnte man ihn an einem Faden führen. Aber das waren nur Züge des Knaben: die Welt änderte sie gar bald.
Der Zweck seines Besuchs bei Saville war nicht berührt worden. Eine kurze Überlegung zeigte Herrn Godolphin, wie unzuverlässig das Versprechen eines Schulknaben war, daß er seinem Vater keinen Schilling mehr kosten solle, und er wußte überdies, daß Saville's Haus eben nicht der Platz sey, wo man am besten Ökonomie lernen könne. Er hielt es daher für klüger, seinen Sohn nach der Schule zurückzuschicken.
So begab sich denn Percy Godolphin wieder in die Schule, und drei Wochen später wurde Percy Godolphin wieder aus der Schule ausgestoßen, weil er eine Ohrfeige, die er von Dr. Shallowell erhalten, mit bedeutendem Nachdrucke zurückgegeben hatte. Statt auf seines Vaters Ankunft zu warten, packte Percy seine Kleider zusammen, ließ sich, mit Hülfe des Bettüberzugs, aus dem Zimmer, in welches er eingesperrt worden war, herunter, und befand sich an einem schönen Sommerabend, die Brust voll von dem Gefühl der Unabhängigkeit, und Herrn Saville's letzte Gabe, zehn Guineen, in der Tasche, auf der Straße zwischen *** und London.