Edward Bulwer-Lytton
Godolphin oder der Schwur
Edward Bulwer-Lytton

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Drittes Kapitel.

Die Erklärung. – Die nahe Verbindung. – Ist der Idealist zufrieden?

Da Godolphin sich bald wieder erholte und die beständige Gegenwart Konstanzens, ihre sanfte Stimme, ihr dunkles Auge wieder seinen alten Zauber erneuerte, so wird der Leser leicht errathen, wohin dies nothwendig führen mußte. Einige Wochen lang ward kein Wort von der Syrenenhöhle erwähnt, aber als endlich die erste Andeutung jenes Vorfalles Godolphins Lippen entschlüpfte, so lag er auch in dem nächsten Augenblick zu Konstanzens Füßen, und ihre Hand ruhte in der seinigen und ihr stolzes Antlitz schwamm in der Röthe der ersten Liebe.

– Und so – sagte Saville, – und so, Percy Godolphin, bist Du endlich der erklärte Geliebte der Gräfin Konstanze von Erpingham. Wann ist die Hochzeit?

– Ich weiß nicht – antwortete Godolphin sinnend.

– Wahrhaftig, ich beneide Dich beinahe. Du wirst sechs Wochen lang sehr glücklich seyn, und das ist viel in dieser widerwärtigen Welt; doch je mehr ich Dich ansehe, je mehr söhne ich mich wieder mit mir selbst aus, denn Du scheinst mir nicht so glücklich, als daß ich, August Saville, Dich beneiden sollte, so lange meine Verdauung in Ordnung ist. Woran denkst Du?

– An nichts – erwiederte Godolphin theilnahmslos. Die Worte Lucillas lagen schwer auf seinem Herzen, wie eine Prophezeiung, die ihrer Erfüllung entgegen geht: Komme, was da wolle, Du wirst nie das Glück finden, das Du suchst. Du verlangst zu viel Ideales. In diesem Augenblick trat ein Page der Lady Erpingham mit einem Billet von Konstanze und einem Blumenstrauß herein. Niemand schrieb so schön und so geistreich, wie Konstanze und Percy gegenüber war ihr Witz mit so viel Zärtlichkeit vermischt!

– Nein – rief er, seine Lippen auf die Blumen drückend – nein, weg mit dieser Drohung, mit Konstanze muß ich glücklich seyn! – Aber das Gewissen flüsterte, noch immer nicht beschwichtigt – Lucilla!

Die Hochzeit sollte in Rom seyn. Der Tag war festgesetzt und bei Konstanzens Rang, Schönheit und Ruf machte die Nachricht von diesem Ereignis kein geringes Aufsehen unter den Engländern in Italien. Natürlich wurde viel darüber gesprochen und manches von diesem Geschwätz drang wieder zu den Ohren Konstanzens. Man sagte, sie wäre eine sonderbare Verbindung eingegangen, es wäre eine wunderbare Schwäche in einer so stolzen Frau, daß sie nicht nach höherem geblickt habe, als nach einem einfachen, nicht einmal vermögenden Gentleman, noch einem Menschen, der allerdings hübsch, aber sich doch in nichts ausgezeichnet habe, und sich nicht auszeichnen werde.

Konstanze fühlte sich verletzt, nicht durch den gemeinen Hohn, sondern durch die Prophezeiung, daß er sich nicht auszeichnen werde. Rang, Reichthum, Macht, brauchte Godolphin nicht, denn sie wußte, daß sie selbst darüber gebieten konnte, aber sie fühlte auch, daß die edlere Eitelkeit, die in ihr lag, verlangte, daß der Mann ihrer reifen und zweiten Wahl nicht zu der Menge gezählt werden dürfe, über welche doch sein Genie ihn so hoch erhob. Sie fühlte, daß es wesentlich zu ihrem künftigen Glücke gehörte, daß Godolphins Ehrgeiz geweckt werde, daß er ihren Eifer für jene großen Zwecke theile, welche, wie sie sich bewußt war, ihr immer am Herzen liegen würden.

– Ich liebe Rom – sagte sie eines Tages leidenschaftlich, als sie in Begleitung Godolphins, den Vatikan verließ – ich fühle meine Seele sich mitten unter den Ruinen erheben. Überall in Italien leben wir in der Gegenwart, nur hier in der Vergangenheit.

– Nennen Sie das nicht ein besseres Leben, theure Konstanze; können wir uns die Gegenwart schöner denken?

Konstanze erröthete und dankte dem Geliebten mit einem Blicke, der ihm sagte, daß sie ihn verstanden habe.

– Und doch – sagte sie, wieder auf ihren Satz zurückkommend – wer kann die Luft einathmen, die voll des Ruhmes ist, und nicht zu Nacheiferung hingerissen werden? O Percy!

– Ach Konstanze, und was möchtest Du aus mir machen? Ist es nicht Ruhmes genug, Dein Geliebter zu seyn?

– Aber auch die Welt soll so stolz auf meine Wahl seyn, wie ich selbst.

Godolphin runzelte die Stirn, und durchschaute in diesen Worten Konstanzens versteckte Meinung. Von seinem Knabenalter an gewöhnt, sich als Abgott verehrt zu sehen, verdroß ihn der Gedanke, daß es einer Anstrengung bedürfe, um sich selbst einer Konstanze würdig zu machen und voll Empfindlichkeit, daß man behaupten könne, er sey eine Verbindung eingegangen, die über seine Ansprüche hinausginge, zog er diese desto eifriger hervor. Godolphin wendete sich finster ab. Konstanze seufzte; sie fühlte, daß sie diesen Punkt nicht mehr berühren durfte. Nach einer Pause kam jedoch Godolphin selbst darauf zurück.

– Konstanze – sagte er mit tiefer, fester Stimme – wir müssen uns einander verstehen, Sie sind mir Alles in der Welt: Ruhm und Ehre und Rang und Glück. Bin ich auch Ihnen das Alles? Ist ein Gedanke in Ihrem Herzen, der Ihnen zuflüstert, Sie hätten ihrem Ehrgeiz besser genügen können, Sie hätten Unrecht gehabt, als Sie Ihrer Liebe und nur Ihrer Liebe sich überließen – dann, Konstanze halten Sie ein, es ist noch nicht zu spät.

– Verdiene ich das, Percy?

– Sie lassen zuweilen Worte fallen, – antwortete Godolphin – welche zu verrathen scheinen, daß die Welt Ihre Wahl bekritteln möchte, und daß irgend eine Anstrengung von meiner Seite nothwendig sey, um Ihre Würde zu behaupten. Konstanze, brauche ich Ihnen zu wiederholen, daß ich sogar den Staub anbete, auf den Sie treten? Aber ich besitze dennoch einen Stolz, eine Achtung meiner selbst, unter die ich nicht sinken kann: wenn Sie das wirklich fühlen oder so denken, so kann ich mich nicht herablassen, selbst mein Glück von Ihnen anzunehmen, so lassen Sie uns scheiden.

Konstanze sah, wie seine Lippen bleich wurden und zitterten; daß Herz schmolz ihr, der Stolz verschwand, sie sank an seine Brust und vergaß selbst den Ehrgeiz, ja sie fühlte, daß, obgleich sie innerlich über seine Gesinnung murrte, sie doch eine Art von Adel athmete, den sie achten mußte. Sie strebte daher, ihre weltlichen Pläne für die Zukunft zu unterdrücken und sich mit der Hoffnung zu begnügen, daß Godolphin, einmal auf die Bühne der Englischen Ehrfurcht geworfen, trotz seinen Ansichten aufgespornt werden würde. Und selbst wenn sie zuweilen auch daran zweifelte, so fühlte sie doch, daß seine Gegenwart ihr theurer geworden sey, als Alles Andere. Ja sie stemmte sich gegen ihren eigenen Enthusiasmus, gegen ihre eigene Ruhmbegierde, da sie nicht zu seiner Überzeugung paßte. So wunderbar und unmerklich hatte die Liebe die stolze Energie und den erhabenen Geist der Tochter John Vernons gebeugt!


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