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Godolphin war eines Morgens im Begriff nach dem Kloster zu reisen, in welches Lucilla sich zurückgezogen hatte, als ihm ein Schreiben von der Abtissin eben dieses Klosters zugestellt wurde: es war ihm von Rom nachgeschickt worden. Lucilla hatte ihr Asyl drei Tage vor Godolphins Hochzeit verlassen, ohne daß die Abtissin wußte, wohin sie sich gewendet hatte. Doch glaubte sie, sie werde in Rom wohnen bleiben. Sie schloß einen Brief von Lucilla bei, den diese für ihn bei ihrer Abreise zurückgelassen hatte. Er war kurz, aber karakteristisch und lautete so:
»Ich kann hier nicht länger bleiben; mein Geist ist nicht zur Ruhe zu bringen und diese Unthätigkeit stürzt mich in Wahnsinn. Ueberdies muß ich Deine Frau sehen; ich werde Deiner Trauung beiwohnen und dann – ja was dann? Godolphin, gib mir das jugendliche, reine Herz zurück, das ich hatte, ehe ich Dich liebte. Damals konnte ich mich mit Allem freuen: – jetzt! Aber ich will nicht murren; es ziemt mir nicht. Ich, die Tochter der Sterne, bin keine liebessieche, schwächliche Sklavin eines eiteln Schmerzes; mein Stolz ist endlich wach geworden, und ich fühle wenigstens die Unabhängigkeit des Alleinseyns. Wild und umherschweifend wird mein zukünftiges Leben seyn. Das Geschick, das mir die Hoffnung versagt, hat mich über alle Furcht erhoben. Die Liebe macht uns ganz zum Weibe, die Liebe hat mich verlassen und etwas Rauhes, Verwegenes, etwas, das Deinem Geschlechte angehört, ist an ihre Stelle gekommen.
»Du hast mir Geld zurückgelassen, ich danke Dir, ich danke Dir. Das Herz zerspringt mir fast, indem ich dieses schreibe: konntest Du so widrig von mir denken? Schäme Dich! Wenn mein Kind, unser Kind noch lebte (und oh, Percy, es hatte Deine Augen) ich hätte es lieber Tag für Tag verhungern sehen, ehe ich nur einen Deut von Deiner Großmuth anrührte. Aber das Kind ist todt – Gott sei Dank! Für mich fürchte nichts, ich werde nicht Hungers sterben; diese Hände können mein Leben erhalten. Gott segne Dich, noch immer Geliebter! Wenn ich in Jahren mein Ende sich nahen fühle, so werde ich mich nach Deinem Vaterlande schleppen und noch einmal, ehe ich sterbe, einen Blick auf Dein Angesicht werfen.«
Godolphin sank auf einen Stuhl und bedeckte sich das Gesicht mit beiden Händen. Konstanze nahm den Brief auf. Ja – lies nur! sagte er mit hohler Stimme. Als sie geendet hatte, benetzte Konstanze, der hier ein dem ihren so ähnlicher Geist entgegentrat, den Brief mit ihren Thränen. Dies beruhigte – rührte – tröstete Godolphin mehr, als die gesuchtesten Trostsprüche.
– Armes Mädchen – sagte Konstanze durch Thränen, – dies darf nicht seyn; sie darf nicht allein auf der weiten Welt, ihrem verzweifelnden Herzen überlassen bleiben. Wir wollen beide nach Rom gehen und sie aufsuchen. Ich will sie bereden, daß sie annimmt, was sie von dir zurück weist.
Lucilla war nach Livorno gegangen und hatte dort ein Schiff bestiegen, das nach den nördlichen Küsten Europas bestimmt war. Wollte sie vielleicht das Land ihres Vaters sehen? Mit dieser Hoffnung suchten sie, aus Mangel einer andern, sich zu trösten.