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Nach einem rauhen, stürmischen Herbst kam früh der Winter mit viel Eis und Schnee. Wir hatten beizeiten für Weihnachten Baumschmuck, Geschenke und Lichter aus Riepen besorgt, den Weihnachtsbaum aber bestellten wir vierzehn Tage vorm Fest beim Fuhrmann, der jede Woche nach Tondern fuhr. Den Baum aber gerade, den bekamen wir nicht, des Schnees wegen kam der Fuhrmann nicht nach Tondern. Da kamen mir die vier Armleuchter zustatten, ich zündete alle Lichter an, und holte die Pächterfamilie mit Knecht und Magd. Dieser erste Weihnachten wurde unserer Gäste wegen in dänischer Sprache gefeiert. Dänische Weihnachtslieder wurden gesungen, und das Weihnachtsevangelium wurde auf dänisch verlesen. Als wir anfingen zu singen, erwachte unser Kind und jauchzte, sowohl über den ungewohnten Lichterglanz, wie über das Singen. Das Kind war uns die beste Weihnachtsfreude. Der alte Knecht Ole war tief gerührt, er fuhr sich mit den krumm gearbeiteten Händen verstohlen über die feuchten Augen. Er war in Hemdsärmeln da, aber das bunte Hemd war so frisch, daß noch die Mangelfalten scharf hervortraten. Daß er mit teil hatte an der bescheidenen Bescherung konnte er kaum begreifen, er gab uns wieder und wieder die Hand und bedankte sich, dann suchte er verlegen in seiner Westentasche herum, kam zu mir und steckte der kleinen Charitas etwas in die Hand. Es war ein Fünfzig-Pfennigstück.
»Aber Ole,« sagte ich, »was soll denn das Kind mit Geld? Die steckt alles in den Mund.«
Ich hielt es ihm hin, aber er schob verlegen meine Hand zurück und sagte treuherzig bittend: »Eine Erinnerung an Ole! Eine ganz kleine Erinnerung an Ole!«
Ich wollte den Alten nicht kränken und hob es auf.
Dann aßen wir alle zusammen den dicken Milchreis, mit Zucker und Kaneel bestreut und mit dem Butterteich in der Mitte.
Als unsere Gäste gegangen waren, unterhielten wir uns noch über das patriarchalische Verhältnis zwischen Herrschaft und Dienstboten. Die Bauern werden von ihrem Gesinde »du« und mit Vornamen angeredet. Ist die Herrschaft in vorgerückteren Jahren, so sagen die Dienstboten »Vater« und »Mutter«. Wenn sie von der Frau sprechen, nennen sie sie »Kostmutter«.
Mein Mann fand diese Sitte sehr schön. Er wünschte, daß wir so zu den Leuten ständen, daß sie auch zu uns »Vater« und »Mutter« sagten. Ihm schwebte als Ideal in dieser Beziehung Pfarrer Oberlin aus dem Steintal vor der Seele. Ich fand den Gedanken seltsam und schlug vor, daß wir erst mal nur für unser Kind Vater und Mutter bleiben möchten.
Nach dem Fest, als die Wege wieder gangbarer wurden, brachte uns der Postbote noch allerlei Überraschungen. Eine Freude, die mich ganz beschämte, machte uns ein Paket von Klaus Groth. Da kam ein ganzes Paket Bücher, alle Groths Werke! Der Quickborn in Prachteinband, illustriert von Otto Speckter und mit einer Widmung von des Dichters Hand:
»Ich weiß, wie's hoch im Norden schaut:
Doch eignes Heim ist immer traut,
Und eigner Herd und eigne Herd'
Ist mehr als grüne Buchen wert.
Klaus Groth und Frau
Doris geb. Finke.«
Das war etwas für die Einsamkeit! Und gerade hier wuchs ich durch meine Umgebung in das Verständnis von Groths Schriften. Frau Doris hatte aber nicht nur ihren Namen hergegeben, da waren gute und brauchbare Dinge, die sie für uns mit ihren lieben, fleißigen Händen angefertigt hatte. Für den »Nordlandspastor«, wie sie schrieb, hatte sie braune Kuchen gebacken, für das Kind hatte sie ein Kleid genäht und für mich eine warme Mütze gehäkelt.
Diese Klänge aus der Welt da draußen fanden einen dankbaren Widerhall in unseren Herzen.