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Die Kunst,
seine Krawatte zu binden
nach allen bekannten und gebräuchlichen Arten
Lehrkurs in sechzehn Lektionen
mit einem Vorwort
über die historische Entwickelung der Krawatte von ihren Anfängen bis zum heutigen Tage und Betrachtungen über den Gebrauch der Kragen, der schwarzen Krawatte und die Verwendung von Foulards
vom Baron Emile de l'Empésé.
Ein unentbehrlicher Ratgeber für unsere Fashionablen, versehen mit zweiunddreissig erläuternden Figurinen (Skizzen) und dem Porträt des Verfassers.
»Die Kunst, seine Krawatte anzulegen, bedeutet für den Weltmann, was die Kunst, ein Diner zu geben, für den Staatsmann bedeutet.«
Paris
Librairie universelle rue Vivienne No. 2 bis an der Ecke der Passage Colbert, und bei den beliebtesten Lieferanten von Krawatten, Kragen und Halsbinden der Hauptstadt.
So lautet der vollständige Titel des kleinen Werkes, aus dem hier Auszüge gegeben werden
Kein Habitué der klassischen Tuilerien, des duftenden Boulevard de Gand, ja sogar des gelehrten Luxembourg wird die Nützlichkeit der »Kunst, seine Krawatte zu binden« in Zweifel ziehen. Keine Dame von Geschmack wird leugnen, dass diese wohldurchdachte und begründete Theorie einem allgemein empfundenen Bedürfnis entspricht, indem sie über die Merkmale belehrt, welche den Mann comme il faut von demjenigen unterscheiden, der es nicht ist.
»Die Kunst, seine Krawatte zu binden, bedeutet für den Weltmann, was die Kunst, ein Diner zu geben, für den Staatsmann bedeutet,« sagt der Autor in dem von ihm gewählten Motto. Aber die Krawatte ist nicht allein ein bewährtes Schutzmittel gegen Schnupfen, steifen Hals, Entzündungen, Zahnschmerzen und andere unerfreuliche Naturerscheinungen derselben Kategorie, sie bildet auch einen wesentlichen und unerlässlichen Bestandteil der Toilette und gestattet in der reichen Mannigfaltigkeit ihrer Formen sichere Schlüsse auf die Wesensart des Trägers. Die Krawatte des Mannes von Genie wird der Krawatte eines kleinen Geistes nie ähnlich sehen, und wir sind überzeugt, dass der Autor des »Pied de mouton« den Knoten seiner Krawatte anders knüpft, als der Autor der »Martyrs«. Vergleichen Sie die äussere Erscheinung von Monsieur Auguste Hus mit der von Monsieur de Lamartine und Sie werden erkennen, dass sehr bedeutende Unterschiede zwischen der klassischen und der romantischen Krawatte bestehen. Wenn, wie Buffon gesagt hat, »der Stil der ganze Mann ist«, so können wir unserseits sagen: die Krawatte ist der ganze Mann. Sie ist der Thermometer, an dem man den Grad des Geschmackes in Sachen der Kleidung und Bildung ablesen kann.
Die unendliche Mannigfaltigkeit der Charaktere und geistigen Veranlagungen bedingt eine ebenso reiche Mannigfaltigkeit der Krawatten.
Der Autor beschreibt in seinem Werke zweiunddreissig verschiedene Arten, seine Krawatte zu binden. Es gibt darunter Abarten für alle Vermögenslagen, für alle Altersstufen, für alle Temperamente, kurz – für alle Verhältnisse und Umstände des Lebens.
Dem exakten Kopf empfiehlt er die mathematische Krawatte, dem Mann, der Glück bei Frauen hat, die orientalische Krawatte. Die Krawatte à la Byron kann nur von sehr wenigen unserer zeitgenössischen Dichter getragen werden. Wollen Sie als schmachtender Liebhaber Ihr Glück machen, dann wählen Sie die Krawatte à la Bergami (die aber nicht ohne den dazu passenden Backenbart und entsprechende Waden zu tragen ist). Der Redner und Publizist der Opposition werden der amerikanischen Krawatte den Vorzug geben (einige unserer Deputierten zeigen Vorliebe für diese Art, aber die Mehrzahl scheint die gastronomische Krawatte vorzuziehen). Der junge Besucher der Boudoirs wird sich mit der sentimentalen Krawatte schmücken. Die Ballkrawatte bleibt den Helden der Salons vorbehalten, das Collier de Cheval den Zahlmeistern in der Provinz, die Jagdkrawatte dem Landedelmann, die »marate« (die hochnotpeinliche) einigen unserer Rechtsanwälte, die Fidelité der früheren Garde Nationale von Paris, endlich der gordische Knoten allen unseren diplomatischen Vertretern.
Die Krawatten unterscheiden sich nicht immer nur in der Form, sie haben auch jede ihre eigene Farbe.
Man täuscht sich, wenn man in der Kunst, seine Krawatte zu binden nicht mehr sehen wollte, als ein Werk der Mode; es ist vielmehr eine historische, philosophische und sittengeschichtliche Abhandlung, es ist eine kleine Enzyklopädie voll Gelehrsamkeit, darin man manche recht gelehrte Auseinandersetzung finden mag.
Die Frage, ob im Altertum Krawatten getragen wurden oder nicht, wird mit seltenem Scharfsinn erörtert. Der Autor versichert, ja er tut noch mehr: er beweist in seiner Geschichte der Krawatte, die er an die Spitze seiner Arbeit stellt, dass die Römer Kinnbinden trugen, die eine grosse Ähnlichkeit mit unseren Krawatten zeigen. Er beweist ferner (in dem Kapitel, das besonders die Kragen behandelt), dass die Perser, die Griechen, die Ägypter und eine Menge anderer Völker des Altertums unter der Bezeichnung »Colliers« ganz richtige Kragen getragen haben.
In seinen Betrachtungen über den Gebrauch der schwarzen Krawatte und die Anwendung seidener Halsbinden weist er nach, dass die erstere nie grössere Verbreitung erlangt hat als in den letzten zehn Jahren des achtzehnten und den ersten zehn Jahren des neunzehnten Jahrhunderts. Das macht im ganzen zwanzig Jahre unsterblichen glanzvollen Ruhmes. Wie dem auch sei, die Abhandlung unseres Autors wird sich stets ehrenvoll an der Seite gewisser gelehrter Traktate (wir haben den Vorzug, einige zu kennen, deren Verfasser R. R. P. P. Jesuitenpatres sind) behaupten können, in denen die wichtige Frage ergründet werden soll, ob die Juden Brillen und ob die Heiden Perücken getragen haben.
Er hat seine Arbeit in mehr oder weniger lange Lektionen eingeteilt. Jede Lektion behandelt eine besondere Manier, seine Krawatte zu tragen. In der zweiten Lektion demonstriert und löst der Autor das berühmte und von allen Reformern auf dem Gebiete des Krawattenbindens gekannte Problem des gordischen Knotens. Da findet man sozusagen den Schlüssel zu allen Knoten. Die vorletzte Lektion (also die fünfzehnte) umfasst allein achtzehn Arten, seine Krawatte zu binden. Wir bemerken aber, um den Leser nicht abzuschrecken, dass diese achtzehn Arten gewissermassen nur von den vierzehn ersten abgeleitet sind, die als die einzigen vom Autor als klassisch erkannten zu gelten haben. Während die anderen von ihm in die Klasse der romantischen eingeordnet werden, die man dementsprechend ad libitum ausdehnen kann.
Die erste und die letzte Lektion (die No. 1 und 16) sind unbestreitbar diejenigen, deren genaue Kenntnis am wertvollsten ist wegen der Anweisungen, Meinungen und unanfechtbaren Wahrheiten, die sie enthalten. In einem letzten »Konklusion« überschriebenen Kapitel ist der Verfasser der tiefempfundenen Verpflichtung nachgekommen, zusammenfassend zu beweisen, von welcher Bedeutung der gut oder schlecht gebundene Knoten einer Krawatte in der Gesellschaft unserer Zeit ist.
Die Krönung des Werkes aber bilden den Text erläuternde Zeichnungen. Die hat der Autor hinzugefügt, damit seine Ausführungen auch jenen zahlreichen Lesern – nein, wir zweifeln keinen Augenblick daran, dass es die geben wird! – klar werden, bis zu denen sein Geist nicht vordringen konnte; da soll also die Linie, die Geometrie sogar nachhelfen. Daran schliesst sich eine (er sagt's wenigstens) geschickt zusammengestellte alphabetische Liste der renommiertesten Fournisseure von Krawatten, Halsbinden und Kragen der Hauptstadt.
Was das dem Bande vorangesetzte Porträt betrifft, nun, wir können bezeugen, es ist bis aufs letzte dem Original ähnlich, das rühmlich bekannt ist durch die von ihm täglich nach in- und auswärts, gratis und franko, wie auch in seinem Hause erteilten Ratschläge an alle, so eine Krawatte zu tragen verstehen. Jedermann hat doch von dem seligen Baron de l'Empésé sprechen hören, der als Fähnrich des berühmten Regimentes Royal Cravate vor Ausbruch der Revolution seinem Vaterlande ehrenvoll gedient hat . . . Nun, dieser ist es zwar nicht, den das Porträt getreulich zeigt, wohl aber war es sein Herr Vater . . .
Um endlich diese etwas lang geratene, aber dringlichst nötige Vorrede zum Abschluss zu bringen, möchten wir noch eines bemerken: Unsere Elegants werden dieses Werk zu kaufen nicht umhin können, denn sein Studium lässt sich nicht in einem Tag absolvieren, es braucht täglich mehrere Stunden hingebender ernsthafter Arbeit.
Wahrlich, es ist eine schwere Menge obskurer Konkurrenten und unwürdiger Rivalen, von denen durch dieses Werk die Leute comme il faut, und die es gerne sein möchten, mit einem Schlag befreit werden. Da ist der Handwerker, den das erste Morgendämmern zur Arbeit nach dem Arc de triomphe, der Etoile ruft, der Hilfsarbeiter, der gehalten ist, um neun Uhr präzise in seinem Bureau im Steueramt anzutreten, der Ladenbesitzer in der Galerie Colbert, den der Käufer endlos belästigt, um dann nichts zu – kaufen, sein Nachbar, der Limonadenverkäufer an der Ecke, dem früh seine vielen Kunden kaum die Zeit gönnen, seine Hosen anzuziehen, dass er sie nicht würdig bedienen kann, der Richter, der an die Erfüllung eines Amtes gebunden ist, dessen Wirkungen nicht für jeden angenehm sind, der Schriftsteller, der über seinem Manuskript und der Kärglichkeit seines Frühstücks dahinwelkt . . . und noch eine Menge anderer ehrenwerter Mitbürger, die wahrhaftig nicht in der Lage sind, sich mit den wahren »Fashionables« und jenen bevorzugten Wesen, denen die launische Glücksgöttin gestattet, sich üppig und verschwenderisch ihrer Gaben zu bedienen, in einen edlen, aber nutzlosen Wettstreit einzulassen.
Inmitten der allgemeinen Nivellierungsbestrebungen, von denen die Gesellschaft bedroht ist, inmitten der Verschmelzung aller Rangstufen und Verhältnisse, inmitten der unentrinnbaren Überflutung aller grossen und überlegenen Ansprüche durch die kleinlichen und untergeordneten, glauben wir den hohen Klassen der Gesellschaft einen hervorragenden, wahrhaft segensreichen Dienst zu leisten, indem wir dieses Werk »Von der Kunst, seine Krawatte zu binden« in ihre Hände legen.
Der Herausgeber.
Der Übersetzer merkt nochmals an, dass ihn kein philologischer Ehrgeiz zu bewegen vermocht hat, alle Kapitel und die anno damals wohl praktischen »Werkzeichnungen«, wie jede einzelne Krawatte zu binden ist, hier wiederzugeben. Er hat sich begnügt, einiges aus dem Elzevirband herauszuzupfen, was noch heute amüsieren kann oder für Balzac und dieses Grössten Zeit charakteristisch schien. Im übrigen wird nochmals auf die einleitende Notiz verwiesen.
Krawatte. Weibliches Substantiv. Ein um den Hals gelegtes Linnen, das vorne geknüpft wird und dessen Enden auf die Brust herabhängen. (Dictionnaire der Akademie.)
Gefälteltes Leinen, das man um den Hals legt. Coesitium collo circumvolutum II. N. Ovid. (Lateinisch-französisches Wörterbuch von Noël.) Anmerkung des französischen Herausgebers.
Ihre Geschichte
im Lichte etymologischer, philosophischer, medizinischer, physikalischer, moralischer, politischer, religiöser und militärischer Betrachtung, betrachtet auf ihren Einfluss und Gebrauch in der Gesellschaft hin, seit ihren Anfängen bis auf den heutigen Tag.
Wir besitzen keinerlei zuverlässige Überlieferung für die Feststellung der Zeit, in der man anfing, Krawatten zu tragen.
Die Alten wussten nichts von der lächerlichen und gefährlichen Mode, seinen Hals in ein entweder vorne geknüpftes oder rückwärts mit einer Schnalle zusammengehaltenes Stück Stoff einzuschnüren. Sie trugen diesen Teil des Körpers, in dem so viele Gefässe zusammenlaufen, und wo der Sitz so vieler Organe, die man nicht ungestraft beengt, ist, frei. Immerhin, gegen die Kälte verstanden sie es doch, sich zu schützen, und zwar durch ein Halstuch aus Wolle, Baumwolle oder Seide, das man in Rom focale nannte, was wohl mit faucare zusammenhängt, das seinerseits von fauces (Kehle) abstammen dürfte. Aber um sich dieses Schutzmittels bedienen zu dürfen, musste man sich gewissermassen verstecken, es sei denn, dass man wirklich unwohl oder gar krank war. Dann erst konnte man, ohne Tadel oder Hohn befürchten zu müssen, den Kopf und die Schultern bedecken, ja sogar Strümpfe, Fusstücher anziehen.Pallialum, sicut fascias et facialia sola excusure postet valeludo (Quintil)
Der R. P. Guillaume Adam, hervorragender Jesuitenpater, scheint in seinem Werke über römische AltertümerBde. in 4° Strassburg 1724. fast unwiderleglich zu beweisen, dass die Römer sich einer Art von Kinnbinden bedienten, um Hals und Kehle vor der Kälte zu schützen. Man nannte diese Kinnbinden focalia vel focale,a faucibus, Horat. IV. 41., Mart. XIV. 142. und die Redner, die sich von Berufs wegen vor Erkältungen bewahren mussten, trugen dazu bei, dieser Mode Verbreitung zu schaffen. Einige, so sagt wörtlich der ehrwürdige Pater, bedienten sich zu diesem Zwecke eines Schnupftuches (sudorium).Sucton No. 51. Sicherlich kann man an diesen Keimen die Krawatte nicht verkennen, die man noch heute in einigen Ländern ja Halstuch nennt. Schenkt man den Worten eines gewissen Geschichtschreibers, der viel über die antike Welt veröffentlicht hat, Glauben, »so war derlei Tun oft nur Pose oder ein Vorwand, dessen sich manche feminine und verzärtelte junge Leute bedienten, um sich interessant zu machen, oder um sich harten Pflichten zu entziehen, vor denen sie in ihrer Verweichlichung Angst hatten.« Videbis quosdam graciles, et palliolo, focalique circumdatos pallentes et oegris similes.Seneca.
Augustus, der stets schwächliche und fröstelnde, trug zu Hause und bei seinen Lieblingen gewöhnlich das Focale, aber in der Öffentlichkeit sah man ihn nie damit. Und Lampritius merkt an, dass Alexander der Strenge niemals seine Zuflucht dazu nahm, es sei denn beim Verlassen der Thermen auf dem Wege zu seinem Palast.
Man musste demnach in Rom, um seine Manneswürde und Bürgerehre aufrecht zu halten, seinen Hals frei tragen; höchstens durfte man ihn bei schlechter Witterung mit der Toga oder mit der Hand bedecken, um sich warm zu halten.
Lange Zeit liessen unsere Vorfahren ihren Hals entblösst, allen Einflüssen der Atmosphäre ebenso ausgesetzt, wie das Gesicht, und es ging ihnen dabei um nichts schlechter, eher im Gegenteil. Bei den Sarmaten stehen darin die Kindeskinder gegen ihre Vorfahren nicht zurück, denn die Polen tragen bis zum heutigen Tage nie etwas um den Hals, wie rauh auch der Winter in den Gegenden, die dieses Volk bewohnt, sein mag. Die gleiche Gewohnheit hat sich (was allerdings weniger erstaunlich ist) auch bei den Orientalen erhalten, die gerne noch heute für einen vollen weissen Hals das Bild von »der Schönheit eines elfenbeinernen Turmes« gebrauchen. Die Kalmücken, Baschkiren und andere Tartaren von den Ufern des Don und des Kaspischen Meeres, die wir zur Zeit der fremden OkkupationIn den Jahren 1814, 1815 und 1817. unter den russischen Truppen zu sehen Gelegenheit hatten, tragen auch den Hals bloss; dabei gibt es unter ihnen nicht wenige, die den oberwähnten Vergleich auf sich wahrhaftig nicht beziehen dürfen, so hässlich und verunstaltet ist bei ihnen dieser Körperteil: nämlich jene gewisse Art von Sängern, die mit unartikulierten Tönen einen Flötenbläser akkompagnieren, der einem Rohr aus rohem Blech meist wenig harmonische Weisen entlockt. Die getreuen Jünger dieses Bläsers mühen sich mit heftigen Anstrengungen ihrer Lungen, die Töne seines Instrumentes nachzuahmen, wobei ihnen alle Adern am Halse (besonders aber die Halsschlagader selbst) mit der Zeit in monströser Weise anschwellen. Dieselbe Beobachtung wurde auch an den Ägyptern gemacht zur Zeit der Eroberung ihres Landes unter General Bonaparte.In den Jahren 1798 und 1799.
Allmählich wurde man in Frankreich und in andern Ländern Europas der Sitte, den Hals frei zu tragen, müde, und mehr einem Luxusbedürfnis als einer Notwendigkeit gehorchend, umgab man ihn – jedoch ohne ihn einzuzwängen – mit einem Stück zarten geplätteten Linnen, das an das bisher kragenlose Hemd, bei Männern sowie bei Frauen, befestigt wurde und zwanglos auf die Brust herabfiel, wo es mit Schnüren zusammengehalten wurde. Daraus entwickelten sich in der Folge Kragen aller Arten; noch aber ahnte man nicht einmal jene warmen und dicken Binden, mit denen man sich in späteren Tagen die Kehle einzuschnüren begann.
Dann kamen die plissierten oder in Tollfalten gelegten, ein- und mehrstufigen Halskrausen auf, eine zweifellos sehr unbequeme, aber durchaus nicht gefährliche Zier, und die gab es solange, bis man anfing, die Haare kurz geschnitten zu tragen. Als Ludwig XIII. die seinigen wachsen liess, verschwanden die wieder, und nun umgaben hohe Kolletten, à jour gestickte Passen, plissierte Rüschen, ganz einfache oder reich mit Spitzen und Stickereien gezierte Kragen den Hals unserer Väter bis ans Kinn, ja bedeckten noch zum Teile Arme und Schultern. Als aber Ludwig XIV. dann seine enormen, bald blonden, bald schwarzen Perücken zu tragen begann, die nur ein kleines Stück des Halses vorne sehen liessen, machte dieser ganze glanzvolle Aufputz Platz für geknüpfte Bänder in grellen, leuchtenden Farben, wie es solche dem galanten König zuerst zu tragen beliebte. Und das wurde nun eine Mode, die bald ein jeder, je nach seinem Rang und seiner Laune, nachzuahmen bestrebt war.
Bis zu dieser Zeit lösten mehr oder minder seriöse Kragenmoden einander ab. Von Frivolität war nichts zu merken, die Harmlosigkeit herrschte. Jetzt fingen sie jedoch an, schädlich zu werden, denn auf den Hals wurde ein Druck ausgeübt, von dem er bisher verschont geblieben war.
Im Jahre 1660 zog in Frankreich ein fremdes, aus Kroaten zusammengesetztes Regiment ein. An der seltsamen Tracht dieser Truppe bemerkte man ein Detail, das allgemein gefiel und das man alsobald nachzuahmen begann. Es war dies eine rund um den Hals geschlungene Binde – aus einem gewöhnlichen groben Gewebe für den gemeinen Mann, aus Musselin oder Seidenstoff für den Offizier. Die Enden waren entweder zu einer Rosette zusammengerafft oder mit Troddeln oder Quasten geziert, die nicht ohne Anmut auf die Brust herabhingen.Es existiert noch heute ein Korps, als ein Teil der königlichen Garde angesehen und demgemäss behandelt, das nicht nur durch seine glänzende Haltung, sondern mehr noch durch die zahlreichen Dienste bedeutsam und merkenswert ist, die es den Einwohnern der Hauptstadt in Stunden der Gefahr geleistet hat, und das an seiner Uniform den Schmuck, von dem hier die Rede ist, beibehalten hat; nämlich eine kleine Quaste, die ungefähr zwei Daumen breit unter dem Kragen heraushängt und über den Verschnürungen des oberen Teiles des Waffenrockes auf der Brust hin und her balanciert. Es ist das Regiment der – städtischen Feuerwehr von Paris, das einzige unter den Regimentern der französischen Armee, das diese Zier beibehalten hat.
Diese neue Adjustierung wurde zuerst eine »Croate« genannt, was im Sprachmissbrauch bald zu »Cravate« korrumpiert wurde. Dasselbe Schicksal hatte auch der Name des Regiments selbst, das in der Folge bis in die Revolutionszeit hinein den originellen Namen »Royal-Cravate« beibehielt.
Doch hatte erst nach dem Siege von Steinkirchen das Regiment diesen berühmt gewordenen Namen angenommen. Das war denn auch die Zeit, in der die Krawatten in allen Gesellschaftsklassen Aufnahme fanden.
Im übrigen engte dieser neue Putz den Hals nur massig ein und behinderte seine Beweglichkeit nicht allzusehr. Hören wir noch, was Voltaire im Jahrhundert Ludwig XIV. gesagt hat über die Krawatte. Er beschreibt zunächst den Enthusiasmus, den die Nachricht von dem Siege bei Steinkirchen im Volke erweckte und fährt dann fort:
». . . Die Männer trugen damals Krawatten aus Spitzen, die nur mit einem ziemlichen Aufwand von Zeit und Mühe angebracht werden konnten. Die Prinzen, die sich in grösster Hast für die Schlacht hatten anziehen müssen, hatten also die Krawatten nachlässig um den Hals geschlungen. Daraufhin trugen die Frauen Putz, der nach diesem Modell gearbeitet war. Diese nannte man Steinkerques etc.«
Die Offiziere und reichen Leute trugen damals sehr feine Krawatten, deren Zipfel entweder gestickt oder mit einer breiten Spitze verziert waren. Die Krawatten der gemeinen Soldaten und des Volkes wurden aus einem Stück Tuch oder Baumwollstoff, im besten Falle aus plissiertem schwarzen Taft gefertigt, und man band sie mit zwei kleinen Schnüren am Halse fest. In der Folge wurden diese Schnüre durch Spangen oder eine Schnalle ersetzt, und von da ab nahm die Krawatte die Bezeichnung Kragen an.Siehe das folgende Kapitel, welches speziell von Kragen handelt.
Wir sind recht sehr geneigt, anzunehmen, dass auf diese Mode und diese Epoche, an die sich die glorreichsten Erinnerungen unserer Armee knüpfen, die in Frankreich gebräuchliche Sitte, Krawatten an den Fahnen zu befestigen, zurückgeführt werden kann. Denn während der darauffolgenden Regierung, die sich unheilvollerweise sehr weit von der vorhergehenden entfernte, wichen die sieghaften Steinkerques den elenden engen Kragen, die unter Ludwig XVI. den Cravates à la Chancelière Platz machten. Diese Mode aber hatte nur eine gar kurze Lebensdauer; es kam die Revolution und mit ihr verschwanden nicht nur die Krawatten, sondern sogar die – Hosen.
Von dem Momente an, als das Volk von Paris auf römisch, griechisch oder spartanisch posierte, musste es wohl oder übel die Krawatte verbannen und den Hals frei tragen, nach dem leuchtenden Beispiele der Brutus, Perikles und Leonidas, die man sich als heldenhafte Vorbilder erkoren hatte. Man zog also Kragen und Hosen aus. Hatte der Anblick eines solcher Art unanständig zugerichteten Individuums etwas Trauriges und Abstossendes an sich, so erweckten späterhin jene Gecken, die [wie] Opfertiere posierten und sich sorgfältig – unordentlich herrichteten, nur Spott und Heiterkeit.
Kurze Zeit nachher (1796) stiegen die Krawatten wieder sehr in der Gunst; ihr Gebrauch entwickelte sich bis zu einem Unfug, an den man nicht glauben könnte, wenn man nicht Zeuge desselben gewesen wäre. Einige umhüllten den Hals mit ganzen Stücken von Musselin, andere bedeckten ihn förmlich mit einem gesteppten Kissen, auf dem noch zum Überfluss einige Taschentücher angebracht wurden. Durch dieses Gerüst wurde der Hals mit dem Kopf auf ein Niveau gebracht, übertraf ihn noch an Umfang, und man wusste nicht mehr, wo der eine anfing, der andere aufhörte. Der Kragen des Hemdes stieg bis über die Ohren hinauf, und der obere Rand der Krawatte bedeckte das Kinn und den Mund bis an die Nase. Und zwar so, dass von dem Gesicht, das an den Seiten ein dichter Backenbart umrahmte, und dessen oberer Teil mit bis in die Augen gekämmten Haaren bedeckt war, rein nichts als die Nase in ihrem ganzen Umfang sichtbar blieb. So ausstaffiert glichen unsere Elegants viel eher Tieren als Menschen. Junge Leute, die sich in dieser Art kleideten, gaben auch recht anmutige Karrikaturen ab. Sie konnten nur gerade vor sich sehen. Wenn sie zur Seite schauen wollten, mussten sie den ganzen Rumpf biegen und wenden, der mit dem Hals und dem Kopf nur mehr ein Einziges und Ganzes bildete. Es war ihnen unmöglich, den Kopf nach irgendeiner Richtung hin zu neigen: man hätte sie für groteske, nur flüchtig skizzierte Statuen halten können. Das waren unsere Incroyables.
Man merke wohl an, dass die allermeisten Moden erfunden wurden, um ein Gebrechen oder eine Missbildung zu verbergen. Die Vorliebe für die grosse Krawatte hatte auch keinen andern Sinn. Sie stammt von den Engländern; bei denen dient sie dazu, jene widerlichen Narben zu verdecken, welche die Skrofulose, ein Übel, das unter ihnen endemisch und erblich herrscht, an ihrem Halse zurücklässt. Sonderbar genug kam es dann so, dass die Franzosen, als sie diese Mode bis zur Narretei mitmachten, nur Narben bekamen – besonders während der glorreichen Feldzüge unserer republikanischen Armee, – die Ehren anzeigten.
Damals mussten die höheren Offiziere, die bei ihrem Truppenkörper mit einer Krawatte anlangten, deren Grösse mit ihrem Rang im Einklang stand, sie bald ablegen; es war ihnen ja unmöglich – denn rundum hatten sie den Hals mit einer Masse von Leinen verbandagiert – den steifen Kopf nach irgendeiner Richtung hin zu drehen. Wie hätten sie sehen sollen, was um sie herum vorging?
Dennoch sind manche Offiziere in Umstände gekommen, wo die grossen Krawatten ihnen die besten Dienste leisteten, ja das Leben gerettet haben. Wir erwähnen hier nur einen Fall, den wir dem Doktor Pezis entlehnen, und wir wollen ihm selbst das Wort geben:
»Ich hatte«, so erzählt er, »gerade dem tapferen General Lassalle, der damals jung und ein Sklave der Mode war, die enorme Grösse seiner Krawatte vorgeworfen. Das von ihm befehligte Regiment macht unmittelbar darauf einen Ausfall, wird zurückgeworfen, geht von neuem zur Attacke vor, zerstreut die feindliche Kavallerie und bezieht darauf wieder sein Biwak. Man meldet mir, dass der Oberst einen Pistolenschuss in die Kehle erhalten habe. Ich eile herbei, und man zeigt mir eine Kugel, die gerade durch die Dicke jener Krawatte aufgehalten worden war, deren Umfang ich kurz zuvor getadelt hatte. Auch zwei Offiziere und mehrere Husaren hatten Säbelhiebe auf die ihren erhalten; und so war ich gezwungen, zuzugeben, dass die grossen Krawatten mitunter doch zu etwas gut sein können.«Dictionnaire des Sciences médicales.
Allein erfahrungsgemäss steht es fest, dass ein Kirchensänger seine Stimme verliert, wenn er zu grosse und zu fest geknüpfte Krawatten trägt. Der Sänger wie die Sängerin büssen die Leichtigkeit ihrer Stimme ein, sobald ihr Stimmapparat von einer Krawatte, einem Kragen oder sonst einem beengendem Schmuck gepresst und gehemmt wird. Dennoch müssen gerade sie mehr als irgend sonst wer ihren Hals warm zu halten suchen.
Eine milde Wärme erhält die Schmiegsamkeit des Organs und gibt der Stimme reinen Wohlklang. Darum versäumen Sänger es nie, vor dem Singen ihre Krawatten zu lösen, wie sie nie vergessen, nach dem Singen sich vor Kälte zu schützen.
Wenige Teile des Körpers sind gegen den Kontakt mit der Kälte und gegen Zugluft empfindlicher als der Hals. Diese Empfindlichkeit ist die Folge der Angewohnheit, sich zu sehr einzuhüllen. Wenn man erhitzt ist und unvorsichtig seinen Hals entblösst, kann man – und das geschieht häufig genug! – sich eine heftige Grippe oder eine bösartige Bräune zuziehen oder plötzlich einen Anfall von Heiserkeit bekommen, ja sogar den Grund zu schweren Störungen der Luftwege oder gar Schwindsucht, Kehlkopfkrebs und anderen schönen Dingen legen. Junge Männer oder junge Mädchen können beim Verlassen eines Balles oder eines warmen Lokales nicht vorsichtig genug sein, um sich vor einer Erkältung des Halses oder der Brust zu schützen.
Die Bergbewohner und Südländer, insbesondere die Spanier, sind sich der Gefahren dieser plötzlichen Übergänge wohl bewusst. So versäumen sie, die auch stets eine grosse, meist seidene Krawatte nachlässig um den Hals geschlungen tragen, es nie, sich fest darin einzuhüllen, wenn sie, erhitzt, plötzlich von einem kalten Luftzug überrascht werden.
Im übrigen ist der Triumph der Krawatte in allem, was unsere Kleidung und unsere Gebräuche betrifft, erst endgültig besiegelt und vollkommen gewesen, als man auf die Idee kam, sie zu stärken. Wem aber verdanken wir diese sublime Idee? Den Engländern, den Russen, den Italienern, den Spaniern oder uns selbst? . . . Das ist eine Frage, die wir noch nicht endgültig zu beantworten wagen. Einstweilen wird der Ruhm dieser Entdeckung von einer grossen Anzahl von Wäscherinnen sämtlicher europäischen Mächte für sich reklamiert . . .
Immerhin, weitergehende, tieferschürfende Nachforschungen von unserer Seite scheinen hier unangebracht; erst durch fortgesetzte Prüfung aller Umstände und Anwendung eiserner Konsequenz wird es in der Folge möglich sein, das Dunkel zu erhellen, in das der Gegenstand, den wir zu behandeln unternommen haben, seit mehreren Jahrhunderten eingehüllt geblieben ist.
Ihr Ursprung, ihr Gebrauch, ihre Nachteile, ihre Vorzüge, ihr Gewebe, ihre Formen, ihre Moden
Die Ägypter, die Perser, die Griechen und fast alle anderen Völker des Altertums, die allerdings weder Kragen noch Krawatte kannten, trugen wenigstens Halsbänder, die man wohl mit Recht als die ersten Kragen und Krawatten ansehen kann.
Diese Halsbänder waren aus den kostbarsten Metallen gefertigt, innen mit weichen Stoffen gefüttert und dienten, wie unsere Kragen, als Schmuck für das Gesicht und als Stütze für das Kinn. Der allgemeine Gebrauch solcher Halsbänder bei den alten Völkern und der Kragen bei den modernen scheint also zu beweisen, dass der Mensch sich selbst überlassen, viel eher die Neigung hat, zur Erde, unserer allerletzten Heimat, sich zu wenden, als zum Himmel emporzustreben, was Buffon behauptet.
Nun, wie dem auch sei, den »Colliers« folgten die Kragen, und streng genommen sind Kragen ja auch nichts anderes als »Colliers« aus Stoff; wie das Metall dürfen sie keine Falten haben und gehen nur einmal um den Hals. Man befestigt sie rückwärts am Nacken mit einer Schnalle oder einem Haken.
Im Anfang waren in Frankreich Kragen nur für den militärischen Anzug zulässig. Das war zu Beginn des achtzehnten Jahrhunderts. M. de Choiseul, Kriegsminister unter Ludwig XV., adjustierte nach dem hannoveranischen Frieden die Truppen zuerst statt mit Krawatten mit Kragen.
Die Kragen waren aus schwarzem Rosshaarstoff, ziemlich hart, von massiger Höhe und waren nur dann unbequem, wenn sie zu fest zusammengezogen wurden. Dies geschah aber in vielen Regimentern, wo der Oberst oder sonst höhere Offiziere ihren Soldaten den Anschein von Gesundheit und Fülle geben wollten und sie deshalb nötigten, sich den Hals einzuzwängen, anstatt ihnen reichlichere Nahrung und eine bessere Behandlung zu gewähren, ihnen zu mühselige und zu langandauernde Übungen zu ersparen, mit einem Worte, anstatt sie wirklich in die Lage zu versetzen, ein gutgefärbtes, wohlgenährtes Aussehen zu erwerben.
Seit jener Zeit ist der Kragen ein unerlässlicher Bestandteil des militärischen Anzugs geblieben, und man verlegte sich darauf, allerlei Abwandlungen dieses Kleidungsstückes zu erfinden. Da man sich aber nur von dem äusseren Anblick und der Uniformität leiten liess, gestaltete man ihn mehr und mehr schädlich. Wir haben ihn durch eine Einlage von dickem Karton in eine Art von Halseisen verwandelt gesehen, das nicht nur auf den Kehlkopf, sondern auch auf alle übrigen Teile des Halses einen so starken Druck ausübte, dass die Stimme erlosch, das Gesicht aufschwoll und sich violett färbte, die Augen aus den Höhlen traten. Dies gab den Leuten zwar einen wilden Gesichtsausdruck, erzeugte aber oft Schwindelanfälle und Ohnmachten, zumindest aber fast unstillbares Nasenbluten. Fast gab es kein längeres Manöver, ohne dass eine Zahl von Soldaten ärztlicher Hilfe bedürftig wurde, – und ihre einzige Krankheit war ein zu harter oder zu eng geschnürter Kragen.
Diese Art von Kragen – dieselbe für jeden Hals, einerlei ob er kurz oder lang, fett oder mager war, – machte den Träger völlig steif und fast unbeweglich, sodass er kaum imstande war, dem Kommando: »Kopf rechts!« »Kopf links!« zu folgen. Sie gestattete weder den Kopf zu heben noch ihn zu senken. Die Ränder dieser Kragen ruhten unten auf dem Schlüsselbein und stiessen oben auf die Kinnlade auf, wo sie eben so oft Abzesse als wundgeriebene Stellen erzeugten, wenigstens aber ein lästiges Jucken und Ermüdung aller mit ihm in Kontakt kommenden Körperteile.
Besonders aber auf dem Marsche und während der Sommermanöver wurde die Unbequemlichkeit dieser steifen Pappkragen zu einer empfindlichen Unannehmlichkeit. Der Soldat verlor den Atem, in seinem Gesicht traten die Adern hervor, seine Augen hatten ein unnatürliches Feuer oder schienen blutunterlaufen. Oft war man darum hart und ungerecht genug, den Mann wegen Trunkenheit zu bestrafen, während der Unglückliche zumeist noch ganz nüchtern war.
In einer späteren Zeit begaben sich die hohen höfischen Offiziere einer nach dem andern nach Potsdam, um den Paraden beizuwohnen, die der König von Preussen täglich hielt. Und zwar weniger um die Kriegstaktik dieser Macht zu studieren als um zu lernen, wie man es fertig bringen könne, die französischen Soldaten, die in dieser Beziehung recht anders geartet sind als die preussischen, recht mit Stockhieben zu traktieren, ohne dass sie schreien. Von diesen Reisen brachten die Herren Obersten die Mode der roten Kragen mit, und es gab eine Zeit, wo in unserer ganzen Infanterie und bei einem Teil der Kavallerie keine anderen mehr getragen wurden. Man fand den Widerschein der Farbe auf den Gesichtern der Soldaten vorteilhaft, und es ist auch richtig, dass sie das trügerische gesunde Rot noch erhöhten, das schon durch den erstickenden Druck der Kragen hervorgerufen war. Denn steif durch die eingelegten Pappendeckel wie die der vorangegangenen Zeit, mussten die neuen Kragen natürlich dieselben Nachteile haben wie die alten.
Kragen aus weissem Zwilch und anderen Stoffen, mit denen von der Zivilbevölkerung, die diese Mode gerne aufgenommen hätte, Versuche gemacht wurden, ebenso wie die aus schwarzem Felbel oder Tuch, die vorübergehend en vogue kamen, zeigten dieselben Mängel und unangenehmen Folgeerscheinungen, und so wurden auch sie rasch wieder aufgegeben.
Man versuchte nun wiederum, Kragen aus Rosshaarstoff anzufertigen, und begnügte sich, sie mit etwas dickem Leder zu füttern, das sie ausreichend glatt und elastisch machte; durch diese Eigenschaften wurden sie auch beim Militär beliebt und kamen in Gebrauch. Der obere Rand dieser Kragen war mit weissem Bande eingefasst, und zwar ebensosehr der Reinlichkeit wegen als um die rauhen Kanten zu vermeiden, die sonst die Haut wundgescheuert hätten, so dass ohne dieses Schutzmittel sie nicht zu ertragen gewesen wären, ausser wenn man den Kragenteil des Hemdes darüber gezogen hätte. Dies aber war dem Militär zu allen Zeiten verboten, weil es ja in der Tat kaum angeht, dass ein Grenadier der königlichen Garde einem Pierrot der Opéra comique gleichsieht.
Seit einigen Jahren hat eine neue Mode, insbesondere unter den Zivilisten, sehr um sich gegriffen: es sind dies breite Kragen aus Samt, Maroquin oder aus irgendeinem anderen schwarzen Stoff. Es scheint, dass wir diese Mode von den Russen übernommen haben, die kaum darauf gefasst waren, uns in Toilette- und Modefragen ihren Spuren folgen zu sehen. Die meisten dieser Kragen sind, wenn sie auch nicht auf Karton gearbeitet sind, doch nicht weniger steif als die anderen, und behindern (besonders solange sie neu sind) ebenso pünktlich jede Bewegung des Kopfes.
Die besten Kragen sind solche, die mit flachen, biegsamen, leichten, an beiden Enden schmal zulaufenden Fischbeinen hergestellt werden und ringsherum mit feinem, weissen Leder eingefasst sind, wodurch Hals und Kinn vor Kratzwunden geschützt bleiben, die leicht entstehen könnten, wenn das Fischbein beim Tragen Kragen und Krawatte durchwetzt. Diese Kragen, welche wir auf Blatt A, Figur 4 genauer beschrieben haben, sind bei allen Händlern erhältlich, welche in der diesem Werke beigefügten Liste angeführt erscheinen.Balzac macht hier Reklame, wie an vielen andern Stellen. Man war damals nicht so heikel auf die »weisse Weste« des Journalisten; während heute jeder Kritiker das Recht hat, einen Theaterdirektor zu ruinieren (oder wenigstens es zu versuchen), dafür aber keinen guten Schneider, keine geschmackvolle Modistin beim Namen nennen darf, ohne ein Inseratenagent genannt zu werden, hatte man zu Balzacs Zeit Einsicht und Sicherheit genug, um wirklich praktische Hinweise nicht nur zu dulden, sondern als einen Vorzug anzusehen. F.
Jedermann weiss, dass wir die Seide einem fleissigen Insekt aus der Familie der Lepidopteren verdanken, dem man den Namen Seidenwurm gegeben hat, und der immer einen dünnen, weichen und zarten Faden ins Unendliche fortzieht und wickelt, so eine Art von Eierschale formt, in welcher er dann die Metamorphose aus dem Zustand der Raupe in den Zustand des Schmetterlings durchzumachen hat.
Da die Seide einer der ersten Stoffe war, die zur Anfertigung vieler unserer Kleidungsstücke diente, so konnte es nicht daran fehlen, dass man Betrachtungen über ihren Sinn und ihre Bedeutung anstellte und wir glauben, dass Betrachtungen dieser Art auch hier ihren Platz zu finden haben.
Die Römer kannten die Verwendung der Seidengewebe schon und jede einzelne Art hatte ihre besondere Bestimmung. Jene, deren vorzüglichster Zweck es war, den Hals warm zu halten, machte man meist ganz aus Seide. Augustus trug überhaupt keine anderen, und die römischen »Fashionables«, die wie ihr Meister und zweifellos, um sich ein besonderes Ansehen zu geben, die Kränklichen spielten, imitierten auch darin den Augustus. Die Weiber benutzten diese Gewebe nur zu ihrer Toilette (mundus muliebris) und sie nannten sie byssina sudaria. Es ist sehr wahrscheinlich, dass der weite sindon oder sedon ungefähr dem entspricht, was heute jene grossen Schals sind, die die Engländerinnen mit Vorliebe tragen.Lacepède. / Lazare Bouf (de re vestiaria).
Die kleinen Taschentücher aus Seide aber, die man tagtäglich gebrauchte, um sich zu schneuzen oder um sich den Schweiss von der Stirn zu wischen, sudaria bombycina, stellten schon den Gipfel des Luxus dar. Die Stadt Cos hatte sich durch diesen Handel und durch diese Industrie zu einer der reichsten emporgeschwungen.
Jener oder jene, die nicht reich genug waren, um dieser verschwenderischen Mode zu huldigen, nämlich um sich zu schneuzen, den Schweiss von der Stirne zu wischen, oder wenn man erkältet war, den Hals mit einem Seidentuche zu schützen, liessen sich von der Insel Amoryos die wundervollen Linnen kommen, die man damals amorgines nannte und die an Feinheit und Schönheit die aus Oelis und Pelusa übertrafen.Mouges. Trésor de l'antiquité.
In Frankreich war es erst im XIII. Jahrhundert, nur kurze Zeit vor der Regierung Franz I., dass der Gebrauch der Seide üblich wurde. Und da war es gerade dieser Fürst, der als erster ein Paar Seidenstrümpfe anzog, und zwar um die Hochzeit einer seiner Töchter zu feiern. Das war im Jahre 1514.
Nach und nach verbreitete sich nun in Europa der Gebrauch der Seide für die Kleidungsstücke der verschiedensten Art. Unter Ludwig XIII. war er schon ganz allgemein üblich. Unter Ludwig XIV. trug jedermann seidene Strümpfe und in der Zeit des Empire nahmen die Generäle gar keine anderen Strümpfe, um sie in ihre Soldatenstiefeln zu stecken, als solche von Seide.
Man darf in Ruhe und mit Gerechtigkeit sagen, dass erst am Ende des achtzehnten Jahrhunderts die seidene Krawatte jenen Ruhm sich zu erwerben begann, dessen Glanz dann in den ersten acht Jahren des neunzehnten Jahrhunderts nur noch stärker strahlte.
Marceau trug niemals eine andere Krawatte als eine breite levantiner Schleife, die er nachlässig um seinen Hals herumschlang und mit einem grossen dicken Knoten festhielt.Seine Bilder zeigen, dass ihm diese Gewohnheit ein romantisches Aussehen gab.
Das war auch die Lieblingskrawatte Napoleons; bei Lodi, bei Marerigo, bei Austerlitz, bei Wagram und an vielen andern Orten trug er so eine schwarze Krawatte, die ihm zweimal rund um den Hals ging, und die rückwärts mit einem kleinen Knoten geknüpft war. Aber bei Waterloo soll einer seiner Ordonnanz-Offiziere bemerkt haben, dass er gegen seine Gewohnheit an diesem Tage eine weisse Krawatte trug, die nur mit einer losen Schleife festgehalten war, während er am Tag zuvor noch seine gewohnte schwarze Krawatte angehabt hatte.Bis zum heutigen Tage unveröffentlichte Anekdote! Anmerkung des Verfassers.
In dieser Epoche kannte man das Tragen der gemusterten Foulards früher noch fast gar nicht, aber nach den politischen Ereignissen von 1815 streuten die Engländer diese Foulards sozusagen über den ganzen Kontinent aus, besonders aber über Paris und zwar in ganz ausserordentlichem Masse. Es waren natürlich solche, auf denen ihre angeblichen Siegestaten dargestellt waren, die sie uns auf diese Weise sozusagen immer unter die Nase halten wollten. Man sah auf den einen die Schlachten von Quessant oder von Trafalgar, auf den andern Begebenheiten, die sich auf den spanischen Feldzug Napoleons bezogen und auf die Schlacht von Waterloo. Wir, die wir es ja auch verstanden haben, gelegentlich einen Sieg zu erringen oder Foulards zu fabrizieren, wären wahrhaftig durch nichts verhindert gewesen, ihnen gleiches mit gleichem zu vergelten. Die Sujets hätten uns wahrhaftig nicht gefehlt. Aber es ist nicht Brauch bei uns, leichten Geweben, die meist nur zu elendem Gebrauche bestimmt sind, das Amt anzuvertrauen, unseren militärischen Ruhm in alle Ewigkeit zu verkünden. Bessere und haltbare und würdigere Monumente scheinen uns richtigere, edlere und ewige Gefässe unseres Ruhmes.
Die Foulards, die man für Krawatten benützt, sollen so weit als möglich einfarbig sein, wenigstens was die Grundtöne betrifft. Aber ein wirklich fashionabler Mensch kann sich das folgende, weil es eine grosse Wahrheit ist, nicht oft genug einprägen: Die seidene Krawatte – mit einziger Ausnahme der schwarzen – gilt und zwar allgemein und endgültig unter allen Arten von Krawatten als die legerste! Anständigerweise darf man einen Foulard als Krawatte, wie schön Farbe und Grösse auch sei, nur dann tragen, wenn man beabsichtigt, zu Hause zu bleiben. So ist also die Verwendung solcher Foulards höchstens am Morgen angängig, nur wenn man ins Bad geht oder vielleicht zu irgendeinem Sport, wie zum Beispiel zum Reiten, Fechten oder Schwimmen. Übrigens . . .
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Wichtige Ratschläge
Die erste Hilfe, die einem von Erstickungsanfällen, Ohnmächten oder nur von Unwohlsein erfassten Menschen geleistet werden muss, besteht darin, ihm die Krawatte zu lösen und sie ganz abzunehmen, wenn sein Zustand dies erforderlich macht.
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Einen Mann von Ehre bei der Krawatte packen, heisst: ihm einen ebenso blutigen Schimpf antun, als ob man ihm eine Ohrfeige versetzen würde. Das heisst: es ist eine Beleidigung, die wie diese nur mit Blut abgewaschen werden kann.Meinung einiger Studenten sowohl cand. jur. als cand. med. Anmerkung des französischen Herausgebers.
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Es empfiehlt sich, den Knoten der Krawatte zu lösen, die Krawatte selbst zu lockern oder besser noch ganz abzulegen, ehe man seine Studien oder seine Lektüre aufnimmt, kurz, irgendwas beginnt, was entweder Konzentration des Geistes verlangt oder – sinnlich lustvolle Körperübung ist.
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Personen, die einen kurzen Hals und hohe Schultern haben, und ein rundes, volles, stark gefärbtes Gesicht, die viel an Kopfschmerzen, an heftigem Pulsieren der Adern an den Schläfen oder Flimmern der Augen leiden, häufigen Anfällen von Halsentzündungen unterworfen sind, und als Folge hiervon stark geschwollene Drüsen haben, – alle diese Personen müssen in der Wahl ihrer Krawatten besondere Vorsicht beobachten. Wenn sie zu dicke oder zu festgebundene tragen, setzen sie sich beständig der Gefahr eines Schlaganfalles aus oder zumindest der Wiederkehr des Leidens, von dem sie schon früher geplagt wurden. Es gibt kaum eine Migräne oder überhaupt eine Affektion des Kopfes, die wir nicht durch das Lösen der Krawatte einigermassen lindern könnten.
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Wenn man sich daran gewöhnt hat, mit der Krawatte zu schlafen, muss man sich wohl hüten, sie zu stramm anzuziehen. Man errät leicht, warum. Asthmatische Leute und solche, die oft von Alpdrücken heimgesucht werden, müssen besonders lose Krawatten tragen. Ganz zu verbieten ist diese üble Gewohnheit allen, die an einem organischen Herzfehler oder an irgendeiner Zirkulationsstörung leiden. Alles in allem ist die Krawatte nur mit Vorsicht und ausschliesslich dann zu tragen, wenn man gezwungen ist, sich »anzuziehen«.Ansicht des Doktor Percy, den Gebrauch der Krawatte bei gewissen Personen betreffend. Anmerkung des französischen Herausgebers.
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Schliesslich darf ein Mann, der viel auf Reisen ist und einigermassen auf sich hält, nicht verabsäumen, sich mit einer eigenen Schachtel zur regelrechten Aufbewahrung seiner Krawattenkollektion zu versehen.
Diese Schachtel muss entweder mit verschiedenen Fächern oder einem doppelten Boden ausgestattet sein und in folgenden Dimensionen gehalten: ein und einen halben Fuss Länge, sechs Daumen Breite und ein Fuss Tiefe.
Diese Schachtel soll enthalten:
Über die Wichtigkeit der Krawatte in der Gesellschaft
Ein Mann comme il faut tritt in einen glänzenden Kreis ein, in dem man sich etwas darauf einbildet, Geschmack und Geist zu besitzen (in bezug auf Toilette, wohlverstanden). Er grüsst, man grüsst ihn . . . »Wie geht es Ihnen?« . . . etc. . . . etc. . . .
Die Artigkeiten, die er empfangen wird, werden stets von der Art abhängig sein, in der er seine Krawatte »verstanden« hat, mehr noch als von der Art, in der er sich kleidet. Sie ist es, auf die man zuerst achtet.
Er hat eine Krawatte um, nur dreiviertel einfarbig, achtlos und ohne Bedacht geschlungen. So wird man nicht einmal bemerken, ob der Schnitt seines Anzuges an die – vorletzte Mode erinnert. Man wird alle andern Details übersehen und nur seiner Krawatte Aufmerksamkeit schenken. Der Empfang, den man ihm bereitet, wird recht kühl sein. Aber der Knoten seiner Krawatte sei fein erdacht und, wenn auch sein Rock nicht von Bardes, Thomassin oder WalkerBerühmte Schneider der Residenz. Anmerkung des Verfassers. ist, man erhebt sich plötzlich respektvoll, man geht ihm entgegen, man bietet ihm den Fauteuil an, auf dem man eben selbst gesessen hat, und aller Blicke richten sich auf jenen Teil seiner Person, der die Schultern vom Gesicht trennt. Beginnt er zu sprechen, dann lauscht man ihm mit Aufmerksamkeit, und sagte er nur Dummheiten, man würde ihn bis in die Wolken erheben . . .
Er ist eben ein Mann, der die wohlbegründete Theorie der zweiunddreissig verschiedenen Arten, seine Krawatte zu binden, gründlich studiert hat.
Sein Gegenspiel: Der arme junge Mann, der nicht einmal weiss, dass der Sohn des hochseligen Baron de l'Empésé ein Werk über diesen wichtigen Gegenstand publiziert hat; er sei noch so klug, unterrichtet und begabt, er wird für einen dummen Kerl gehalten werden; mehr noch, er wird sich die Impertinenzen des Gecken gefallen lassen müssen, der ihn von seiner überlegenen Höhe herab behandelt, weil die Krawatte, die er trägt, und der Knoten, der sie zusammenhält, der seinigen nicht gleich sieht.
Noch mehr: er wird gezwungen sein, ihn stillschweigend anzuhören; ja, ihm zu allen Dummheiten, die er auszukramen für gut findet, zuzustimmen (wenn er nicht Gefahr laufen will, für »taktlos« gehalten zu werden). Und es wird sein einziger Trost sein, um sich her flüstern zu hören: Bah, der weiss nicht einmal, wie man seine Krawatte bindet!