Honore de Balzac
Physiologie des Alltagslebens
Honore de Balzac

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II. Der Geizkragenchapolardé

Diese Varietät liefert den »gogo« unter den Rentiers. Er ist jähzornig, aber leicht zu besänftigen. Auf seinen mageren Gesichtszügen spielen gelbe und grünliche Töne. Er ist der einzige, der ehrgeizige, aber meist unklare Pläne hegt, die seinen Frieden stören und ihn verbittern. Dieser Rentier versagt sich alles. Er ist nüchtern, sein Gewand ist abgetragen; um in seine Wohnung zu kommen, klettert er noch höher als der früher charakterisierte Typus, er trotzt den Härten der Mansarde. Sein Frühstück ist Milch und Weissbrot und zu Mittag speist er bei Mizeray für zwölf Sous oder bei Flicoteaux für zwanzig Sous. Er würde für fünf Sous Schuhwerk abnützen, um zu einem Orte zu gelangen, wo er drei Sous sparen zu können glaubt. Der Elende trägt einen verschossenen, an den Nähten fadenscheinig gewordenen Gehrock, seine Westen erglänzen. Die Farbe seines Haares erinnert an den Chinchilla, aber er trägt es glatt gekämmt. Seine Gestalt ist dürr, er hat Augen wie eine Elster, eingefallene Backen und einen ebensolchen Bauch. Dieser einfältige Sparkünstler, der sich einen Sou um den andern abknapst, um damit sein Kapital und damit sein angebliches Wohlleben zu erhöhen, würde sich wohl hüten, einem ehrenhaften Mann tausend Franken Darlehen zu geben, die er für irgendein betrügerisches Unternehmen stets bereit hätte. Er lässt sich von allem, was einen Schein von Nützlichkeit hat, anlocken und es wird dem Spekulanten – seinem Erbfeinde – nicht schwer, ihn hereinzulegen. Aktionär-Jäger erkennen ihn an seinem Vogelkopf, der auf einem schlotterigen Körper sitzt. Von allen Rentiers ist er es, der beim Gehen am eifrigsten mit sich selber spricht.


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