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Das war ein gar strahlender Sonnenaufgang, der über der Mechelheide leuchtete am Morgen des Schlachttages. Der helle Oktoberhimmel war wie Glas, die Hügel der Ferne leuchteten, und als die Lutherischen auf das Feld rückten, wo die Katholischen in Reih und Glied schon warteten, da blitzten alle Speerspitzen wie die Tropfen eines Wasserfalles.
Es galt aber eine große Sache; es galt auszufechten, in welcher Art die Person Christi in dem Brot des Abendmahles vorhanden sei; ob sich das Brot ganz in das Wesen Gottes verwandelt habe, wie es die Katholischen meinten; oder ob die Person Christi nur im Brote und unter dem Brote stecke, wie es der Doktor Luther in Wittenberg gelehrt hatte. Das mußte jetzt ausgefochten werden zwischen allen diesen Männern.
Und als die Trompeten schmetterten, da klang es wie Kirmesmusik am Sonntage; denn wirklich war es ja Sonntag heut, und in den fernen Dörfern rüstete man schon den Tanz. Und die zwölf Grafen und Fürsten, die an der Spitze der Lutherischen ritten, wiegten sich festtäglich im Sattel im Rhythmus des kurzen englischen Trabes.
Hie Kelch, hie Transsubstantiation.
Am Abend aber kroch der erkaltende Rauch der Artillerie die Hügel entlang, und das Schlachtfeld verstummte. Und da lagen die zwölf Grafen der Lutherischen tot im Grase; alles junges Blut der besten nassauischen Häuser; und waren in Reihen nebeneinandergelegt, wie man nach der Jagd die Fasanen zur Strecke legt.
Ein Bentheim, ein Solms, zwei aus dem großen Hause Oranien, die vier Söhne und letzten Erben des Stammes Prynn.
Der jüngste der Prynn hatte einen Stückschuß ins Gesicht bekommen, der den Unterkiefer weggerissen hatte. Nur die Zunge war geblieben und streckte sich gerade, wie ein langer Zapfen, aus der Wunde hervor.
Aus seinem Halstuch aber hing ein Medaillon heraus mit dem sauberen Miniaturbilde eines lachenden Mädchens. Und um das Bild herum lief eine Inschrift, die lautete: »Ma vie, oh ma doulce vie.«