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9. Die Esel des Teufels

Es war einmal ein sehr armer Mann, der sich kaum noch zu schleppen vermochte. – Ganz verzweifelt ging er eines Tages in den Wald, um dem Elend ein Ende zu machen.

Da begegnete er einem vornehmen Herrn, der ihn sehr freundlich fragte: »Warum bist du so traurig, mein Lieber? Was fehlt dir?«

»Oh, gnädiger Herr, alles! Ich habe weder Geld, noch etwas zu essen.«

»Kannst du nicht arbeiten?« fragte der Herr.

»Herzlich gern möchte ich das, bekäme ich nur Arbeit – und wär's gleich beim Teufel!«

»Nun, dann komm nur zu mir! Dort in meinem Palaste findest du Arbeit und Lohn zur Genüge und kannst essen und trinken, soviel du nur willst. Hier, nimm diese zehn Silberlinge als Handgeld!«

Gleich am nächsten Morgen trat der Arme seinen Dienst an und wurde mit zwei Eseln in den Weinberg geschickt, um dürres Rebholz zu holen. – Als er nun dem ersten Esel schon zehn Bündel aufgebürdet hatte und noch mehr herbeitrug, schüttelte dieser den Kopf und rief kläglich:

»Lege nichts weiter dazu!
Ich bin ein Christ so wie du.«

»Gut!« dachte der Mann. »Dafür kriegt der andere ein paar mehr. Sonst dauert's zu lange. Der aber schüttelte gleichfalls nach dem zehnten Bündel den Kopf und schrie noch jämmerlicher als der erste:

»Lege nichts weiter dazu!
Ich bin ein Christ auch wie du.«

Und da nun der mitleidige Mann die Grauschimmel schonte, zeigten sie sich dankbar und rieten ihm, sich bei erster bester Gelegenheit aus dem Staube zu machen, trotz der verlockenden Kost, die ihm im Palaste geboten werde. »Rühre die leckeren Speisen und Getränke nicht an! Iß und trink nichts davon, sondern verlange Kornbrot und Landwein!« riefen sie warnend.

»Wer seid ihr?« fragte der erstaunte Arbeiter. »Wir waren zwei sehr geizige Betbrüder. Für unseren Geiz wurden wir zur Hölle verdammt und müssen uns nun für den Teufel als Lastesel placken, was alle Menschen, die nur Schätze für andere zusammenscharren, schon bei Lebzeiten tun.«

Als nun der Tagelöhner am Feierabend eingeladen wurde, am üppigen Mahle seines reichen Herrn teilzunehmen, dankte er höflich und verlangte nur »Kornbrot und Landwein«, wofür er eine furchtbare Ohrfeige erhielt. Und im nämlichen Augenblick war die ganze Herrlichkeit: Mahlzeit, Herr und Palast, verschwunden. Nur der Abdruck der Teufelsfaust blieb dem armen Manne zur Erinnerung an den freundlichen vornehmen Herrn.


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