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13. Dreizehn

Ein Mann hatte dreizehn Söhne. Der jüngste hieß Dreizehn und konnte zaubern. Eines Tages sagte er zu seinen Eltern: »Es ist unmöglich, in dieser Gegend zu bleiben. Wovon sollten wir leben? Aber in einer großen Stadt wie Rom und Neapel ist viel Geld zu verdienen.«

»Gut,« sprach der Vater, »ziehen wir nach Neapel!« Und so machten sie sich auf den Weg, und Dreizehn steckte eine kleine Schere in seine Hosentasche.

Nach längerer Wanderung stießen sie auf einen großen Palast. Es war schon spät. Sie pochten an die Tür und riefen: »Signore! Signora! dürfen wir eintreten?« Da aber keine Antwort erfolgte, stiegen sie die Treppe hinauf und fanden im Speisezimmer einen vollgedeckten Tisch, an dem sie Platz nahmen. Ein Signore und eine Signora erschienen. »Ah, was für werte Gäste haben wir die Ehre zu begrüßen!« äußerten sie. »Seid uns bestens willkommen! Ihr könnt auch hier übernachten. An Platz fehlt es nicht. Die dreizehn Knaben können mit unseren dreizehn Mädchen zusammenschlafen. Ihre Betten sind groß genug.«

Aber dieser Herr und seine Frau waren Zauberer und Menschenfresser. Und der Mann sprach leise zur Frau: »Morgen haben wir genug zu essen, die Bürschlein werden uns munden.«

Während nun alle schliefen, nahm Dreizehn, der das gehört hatte, schnell die Nachtmützen seiner Brüder und setzte sie den Mädchen auf. – Und als dann die Menschenfresser eintraten, um die Knaben abzuwürgen, töteten sie ihre Töchter, da sie die Knabenmützen aufhatten. »Den Vater und die Mutter lassen wir leben!« sprach der Zauberer. »Ihr Fleisch taugt nichts!« Dann gingen sie wieder schlafen. –

Rasch weckte nun Dreizehn seine Eltern und Brüder, und sie entfernten sich eiligst. Als der Zauberer am Morgen sein leckeres Frühstück zubereiten wollte, bemerkte er den schrecklichen Irrtum und verfolgte die Flüchtigen, die er noch am nahen Flusse anzutreffen hoffte. Wie er aber hinkam, hatte Dreizehn alle schon hinüber getragen. Und der gegenüberwohnende König, der des Zauberers Feind war, nahm sie freundlich auf.

Besonderer Gunst erfreute sich Dreizehn wegen seiner Schlauheit und Gewandtheit, weshalb die Brüder bald eifersüchtig auf ihn wurden. Um ihn zu verderben, berichteten sie dem König, Dreizehn habe sich gerühmt, er vermöge dem Zauberer seine wunderschöne Bettdecke mit goldenen Glöckchen wegzuziehen, während er mit seiner Frau darunter schlafe.

Der König ließ ihn zu sich kommen und befahl ihm, diese Decke herbeizuschaffen, sonst müsse er sterben. Dreizehn steckte sich die Taschen voll Baumwolle und betrat in der Nacht das Schlafzimmer des Zauberers, der mit seiner Frau um die Wette schnarchte, während die Glöckchen bei der geringsten Bewegung zu läuten begannen. Vorsichtig füllte der Schlaukopf sie nun alle mit Baumwolle, so daß beim Schütteln kein Ton mehr erklang. Dann zog er ganz behutsam die Decke vom Bette und floh mit der kostbaren Beute. –

Bald erwachten die Schläfer und glaubten, die Decke wäre heruntergefallen. Da sie jedoch verschwunden war, sprach der Zauberer: »Das kann bloß Dreizehn getan haben. Wir wollen sie wieder holen und ihn töten!« – Wie sie aber an den Strom kamen, über den sie nicht konnten, war er schon drüben. »Gib mir die Decke!« schrie der Zauberer, »und ich will dir die Schuld gegen unsere Töchter vergeben!« – »Nein!« erwiderte Dreizehn, »die Decke bring' ich dem König!« – Und der König nahm sie huldvoll entgegen und gewährte dem Überbringer einen besonderen Ehrenplatz am Hofe.

Das reizte aber die Eifersucht der Brüder aufs neue. »Dreizehn ist ein ganz übermütiger Prahler,« sagten sie zum König, »er wäre imstande, Unmögliches zu vollbringen, er behaupte, den Papagei des Zauberers wegfangen zu können.«

»Schaffe mir«, gebot der König, »den Papagei des Zauberers herbei, sonst mußt du sterben!« Da ging Dreizehn in die Küche und kochte eine leckere Speise aus Makkaroni, Fleisch und Tomaten, die er klar gewiegt in einer Schüssel mitnahm. Damit begab er sich auf die Terrasse des Zauberpalastes, wo er mit sichtlichem Behagen davon schmauste, während der Papagei von oben herab zuschaute. »Ah, wie das gut schmeckt! Willst du nicht mitspeisen?«

»Meister, Meister! Dreizehn! Dreizehn!« kreischte der Papagei. Als aber der Zauberer herauskam, hatte sich Dreizehn hinter eine Tür versteckt, so daß er nicht zu sehen war. »Dummes Tier!« rief der Menschenfresser, »willst du mich narren? Halt deinen Schnabel!« und er ging wieder in sein Zimmer.

Sobald er jedoch verschwunden war, spazierte Dreizehn schmausend wieder auf der Terrasse hin und her und lockte den Papagei: »Ah, wie das gut schmeckt! Komm doch und iß mit!«

»Meister, Meister! Dreizehn, Dreizehn!«

Wieder erschien der Zauberer, und Dreizehn war verschwunden. »Frecher Patron, warum rufst du? Wenn du mich noch einmal umsonst herausrufst, kriegst du den Stock! Merke dir's!«

Schließlich konnte der Papagei der Versuchung nicht länger widerstehen. Er kam auf die verführerische Schüssel herabgeflogen und – wurde geschwind ergriffen, in einen Sack gesteckt und mitgenommen. Wieder kam der Zauberer zu spät und rief, durch den Fluß aufgehalten, dem lachenden Räuber zu: »Gib mir den Papagei! und ich will dir die dreizehn Töchter und die Decke vergessen!« – »Der Papagei gehört jetzt mir!« antwortete Dreizehn und überbrachte ihn dem Könige, der ihm zur Belohnung die höchsten Ehrenstellen am Hofe einräumte.

Natürlich wuchs nun erst recht auch der Neid der Brüder, die den König zu einer Forderung veranlaßten, deren Erfüllung schier unmöglich schien. Er sollte, wozu er fähig zu sein geprahlt habe, den Zauberer und seine Frau selbst einfangen und dem König ausliefern. – »Das kann ich nicht!« erklärte Dreizehn kopfschüttelnd. »Aber du hast es gesagt«, erwiderte der König, »und mußt es vollbringen, sonst stirbst du!« – »Dann gebt mir zehn Kilogramm Mehl und einen Wagen mit einer Holzdecke!« gebot Dreizehn. Damit bestäubte er nun den ganzen Wagen und sich selbst vom Kopf bis zu den Füßen und begab sich als Müller zum Palaste des Zauberers: »Zu Hilfe! Zu Hilfe!« begann er zu schreien. »Man hat mich beraubt! Mein ganzes Mehl hat man mir gestohlen! Ich glaube, der Räuber war Dreizehn.«

»Sicher kein anderer, als dieser freche Halunke!« stimmte der herbeieilende Zauberer ihm bei. »Es wird Zeit, diesen Bösewicht unschädlich zu machen. Ich werde dir beistehen.« – »Tu's nicht!« warnte die ängstliche Frau. »Er ist zu gefährlich.« – »Ach was! Ich fürchte mich nicht. Wir werden ihn schon erwischen.« – »Nun, dann komme ich auch mit!« sagte die Zauberin.

»Recht so!« ermutigte Dreizehn. »Kommt und versteckt euch hier in den Wagen!« Ohne es zu gewahren, wurden sie so über den Fluß nach dem Palaste des Königs befördert.

Als der Zauberer schließlich den Verrat merkte, verschlang er Dreizehn mit Haut und Haaren. Da aber das Bürschlein lebendig in den Magen gelangt war, zog es die kleine Schere aus der Tasche und bahnte sich damit einen Ausweg aus dem Körper des Zauberers, der plötzlich so furchtbare Schmerzen empfand, daß er wie ein Opfertier brüllte: »Wehe mir! Ich muß sterben! Dreizehn bringt mich ums Leben! Warum hab' ich die Warnung meiner Frau nicht beachtet?!« Doch nun kam die Einsicht zu spät. Er starb, und seine Frau teilte sein Schicksal.

Und zum Lohne aller seiner großen Verdienste erhielt Dreizehn die Tochter des Königs zur Gemahlin. Die zwölf Brüder aber wurden vom Hofe verbannt.

»Tredici« stimmt in den Hauptmotiven mit dem ngr. M. »Hauptmann Dreizehn« überein. Vgl. Kretschmer, S. 204. – Zum Teil wird man aber auch an Grimms »Meisterdieb« erinnert, zum Beispiel beim Raub der Bettdecke und der Überbringung des Zauberers. – Das Vertauschen der Nachtmützen erweist sich als eine in M. oft bewährte List.


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