Joseph Christian von Zedlitz
Gedichte
Joseph Christian von Zedlitz

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Winterlieder.

1.

              Das Leben ist ein Garten,
Wo tausend Blumen blühn,
Wo goldne Früchte lachen
Und aus dem Laube glühn.
Die Quellen rauschen rege
Durch's duftende Gehege,
Die süße Biene schwärmt,
Sonne von oben wärmt.

Und froh, die Brust geweitet,
Athm' ich die frische Luft:
In freien durst'gen Zügen
Trink' ich den würz'gen Duft.
Mich kühlt im Bad die Welle,
Mich stärkt die Sonnenhelle,
Ich fühl' im Lebensmark
Mich überwohl und stark.

Dort in der Rosenlaube
Welch süßes Engelbild!
Es schlummert hold; ein Lächeln
Spielt um den Mund so mild.
Auf blüthenweißer Hülle
Der Brust die Lockenfülle,
Gleich Sonnenstrahl auf Schnee,
Golden ich schimmern seh'!

O, wecket, Nachtigallen,
Die schöne Schläferin,
O, flattre, holde Taube,
Auf ihren Busen hin!
Sie regt sich! – »Schnell, o sage,
Ob ich vermessen wage
Die Hoffnung, daß Du mein?«
Wonne! – sie lispelt: Nein!

Nun schwelge, Herz, und schwelle,
Berausche dich in Gluth;
Tauch' in des Lebens Tiefen
Mit frohem Uebermuth!
O, nicht den Nektar nippen;
Nein, schlürft, ihr gier'gen Lippen.
Den Becher leer! – Noch nicht
Senket der Tag sein Licht!

Doch weh'! Orkane brausen,
Die Luft streicht feucht und kalt;
Der Nebel, dicht und schaurig,
Ringsher die Flur umwallt.
Die Blüthe welkt, und düster,
Durch wehend Laubgeflüster
Bricht bang' die Nacht herein,
Hüllet die Sonne ein.

»Leb' wohl!« so klingt ein Tönen!
Mir aus der Ferne traut:
O Stimme, liebe Stimme,
Noch einen einz'gen Laut!
Umsonst! – Hinweggetragen
Hat sie der Wolkenwagen;
Ich' steh und blick' hinab
In meiner Freuden Grab.

 
2.

            Auf fernem Bergesgipfel
Liegt wolkennaher Schnee;
Wohl die bekannten Wipfel
Ich wieder vor mir seh'.
Wie streckst du, braune Eiche,
Die weiß bereiften Zweige
Nach Lenzen, die dich fliehn,
So bang' und traurig hin!

So starrt auch mein Gemüthe,
Da meine Sonne fern!
Ich treibe keine Blüthe,
Kein Leben schwillt im Kern.
Auch ich streck' ohne Ende
Hinaus nach Ihr die Hände;
Doch weit steht noch mein Licht –
Noch naht der Lenz sich nicht.

 
3.

              Ja, ich lebe, Leben ohne Sonne,
Ohne Wärme, ohne Glanz und Licht;
Oder besser: Nacht des Todes sterb' ich,
Nach lebend'gem Leben aber werb' ich; –
Doch ich finde, was ich suche, nicht.

Ja, es sanken weit in Nacht und Ferne
Alle Frühlingsblicke süßer Lust;
Wie der Schnee die grüne Saat bedecket,
Hat ein scharfer Eishauch mich erschrecket,
Kalte Flocken überwehn die Brust.

 
4.

            Ruht ihr, o Bäche,
Rieselt nicht mehr?
Schweigende Wipfel, so einsam und leer?
Alles ist stumm
Rings auf der Fläche
Um mich herum!

Rastlos im Fluge
Ueber mir hin
Eilend die Wolken vorüberziehn;
Und wie sie gehn,
Wandernd im Zuge,
Keine von allen wir wiedersehn.

Ob ich sie frage,
Lautlos vorbei
Jagen sie alle, selbander, frei,
Antworten nicht;
Wie ich auch klage,
Keine mir spricht!

Ach, wer des Lebens
Leuchte verlor,
Rufet umsonst, ihn vernimmt kein Ohr;
Wohl nach dem Licht
Ringt er vergebens;
Einmal verglommen, erblühet es nicht!

Kalt, wie dein Schauer,
Eisige Luft,
Starret die Brust; eine Todtengruft,
Deckt sie, was starb,
Gifthauch der Trauer
Langsam verdarb.

Herz, deiner Blüthen
Kränze, die karg
Grünten, bewahrst du, ein edeler Sarg.
Willst sie noch hüten,
Asche und Staub,
Die du besessen wie heimlichen Raub.


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