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»Habt Ihr's mir, Herr Secretarius, Habt Ihr's mir auch aufgeschrieben?« Lächelnd frug's der Bürgermeister, Lächelnd nickte Ethelerus Und behändigte Herrn Wichard Ein gerolltes Pergamentum, Darauf stand mit feiner Handschrift, Manchen großen Goldbuchstaben Und verwegnen Schnörkelzügen Ein gelehrt verfaßtes Carmen, Das im Sonntagsstaat der Schreiber Eben vor dem Bürgermeister Und den hundert frohen Gästen Laut und würdig vorgetragen. Heut war Hochzeit auf dem Rathhaus; Wichard Gruwelholt verlobte Sein geliebtes Kind Regina Heribert de Sunneborne, Nun bestelltem Rathsbaumeister, Und noch vor dem Weihnachtsfeste Sollte Brautlauf sein, da wollten Sie den Bund der Ehe schließen; Doch die Lautmerung des Paares Ward mit allem Glanz und Aufwand, Wie Geschlechterstolz und Reichthum Ständesmäßig es verlangten, Heut in den geschmückten Räumen Auf dem Rathhaus abgehalten. Auf des Saales grauen Estrich Alles, was zu den Geschlechtern Heribert, vor Freude strahlend, Heribert, du darfst wohl jubeln, Und auch du, Regina, freu' dich! Als der Jubelruf verklungen, |
»Nun will ich mit dem reinsten Klang Mein Saitenspiel wohl rühren, Nun soll sich meines Liedes Sang Die höchste Wette küren, Daß Aller Augen auf mich schau'n, Wenn ich die Kunst erprobe Euch holden Mädchen, schönen Frau'n Zu Liebe und zu Lobe. Gegrüßet seid mit allem Preis, Ihr seid ein edler Würzewein, Und lächelt mir eu'r rother Mund, |
Froher Beifall ward dem Sänger, Und man trank Heil für die Schönen. Bruno Dives' junge Gattin Margarethe schritt holdselig Auf ihn zu: »So wohl Euch, Meister!« Sprach sie lächelnd und kredenzt' ihm Einen Becher Muskateller, »Hiermit in dem Namen Derer, Die so preislich Ihr besungen, Will ich Euch, Herr Spielmann, danken, Und ich bitt' Euch, singet mehr noch!« Schier erschrocken war Regina, |
»Zwei Sterne machen mich jung und alt Und haben über mich alle Gewalt Mit ihrem Blitzen und Blinken; Ich weiß auch einen rothen Mund, Ach! daran könnt' ich mich gesund Von allen Schmerzen trinken. Doch eine geht dahin und lacht Und will mich nicht verstehen, Wie der Sommer in seiner Pracht Nichts weiß von des Winters Wehen. Die Vöglein singen das alte Lied, |
Eingetaucht in Schmerz und Wehmuth War das Lied; Regina fühlte Jeden Ton in ihrer Seele Widerhallen, alle Saiten Ihres Innern mächtig schwingen; Zu dem traumgewiegten Herzen Flüsterten von Huld und Mitleid Schmeichelnd die erregten Sinne. Und als hätt' er das errathen, Ließ es jetzt wie Siegesjubel Hunold von den Strängen rauschen Und dazu ein innig Werben, Süß wie Minnedank, ertönen. |
»Steige auf, du goldne Sonne, Aus der sturmdurchrauschten Fluth, Lodre, heiße Liebeswonne, Brich hervor, verhaltne Gluth! Ohne Wanken, ohne Schwanken Eine Lust nur und ein Leid Wohnt in Wünschen und Gedanken Und nur eine Seligkeit. Was auf Erden lebt und webet, Soll ich leben, muß ich lieben, |
Bang, in steigender Verwirrung Sah Regina vor sich nieder. Hunold's Stimme rief sie lockend Mit verführerischem Klange, Zog sie mit Gewalt der Sehnsucht, Und durch die geschlossnen Lider Fühlte sie doch seine Blicke Flammensprühend sich umlohen. Aber als das Lied verklungen, Und befreit den Blick sie aufschlug, Schaute sie den Sänger nicht mehr. Hastig trank sie, und in Unruh Lehnte sie an Heribert sich, Kraft und Schutz bei ihm zu suchen In dem Kampfe der Gefühle, Der sie fieberheiß durchtobte. Doch sie fand nicht Halt und Stütze; Heribertus war von Freunden Viel umschwärmt, und jeder heischte Mit dem neuen Rathsbaumeister Und der Bürgermeistertochter Einen Ehrentrunk besonders; Zwingen mußte sich Regina, Red' und Antwort stehn und lächeln, Steuerlos im Sturme trieb sie Auf den hochempörten Wogen Einer Leidenschaft, die wachsend Wie des Meeres Fluth hereinbrach. – In des Festes Glanz und Freuden In den Kreis dann trat Regina, |
»Du rote Rose auf grüner Heid', Wer hieß dich blühn? Du heißes Herz in tiefem Leid, Was will dein Glühn? Es braust der Sturm vom Berg herab, Dich knickt er um; Es gräbt die Liebe ein stilles Grab, Du bist dann stumm. Denk nicht an Tod, an Leben denk Geschrieben steht am Sternenzelt, Versink, vergiß im Wonnerausch |
Von tiefinnerster Bewegung Hingerissen, schlug die Laute Er beim Schluß so übermächtig, Daß mit schrillem Ton die Saiten Auf dem Instrumente sprangen, Und es heftig von sich schleudernd Öffnet' er mit heißem Blicke Auf Regina weit die Arme. Da – begab sich Unerhörtes, Was den Gästen Blut und Athem Stocken macht' im Nu – Regina Hob mit leuchtendem Gesichte Und an allen Gliedern bebend Sich von ihrem Sitz, schritt vorwärts, Warf sich an die Brust dem Sänger Und umschlang ihn liebeglühend. In berauschend langem Kusse Hielt er innig sie umfangen, Und die stolze Lust des Siegers Funkelte in seinen Augen, Als er mit erhobnem Haupte Über die Versammlung blickte. Eh' von Staunen und Entsetzen Die Gesellschaft sich erholte, Stürzte angstvoll Dorothea Jetzt herein, blieb wie versteinert Mit weit aufgerissnen Augen Stehen; keines Wortes mächtig, Hielt sie, wie man bösen Geistern Hält das Kruzifix entgegen, Die geschnitzte Bilsenwurzel Vor den Spielmann hin, der trotzig Auf die Ungerufne starrte. Heribert war aufgesprungen Und entriß die Braut dem Andern Sie mit liebevollem Zuspruch In die treuen Arme schließend. Noch war nicht gelöst das Räthsel; |