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Wenn der Weinglock letztes Läuten, Das den Bürgern aus der Trinkstub, Aus der Herberg und dem Kruge Heimzugehen streng gebietet, Kaum verhallt war, stahl sich Hunold Längs den Häusern durch die Gassen, Daß ihn auf verbotnen Wegen Nicht des Mondes Licht verriethe, Und zum Weserthore schlich er, Wo im rohrgedeckten Hause Fischermeister Rögner wohnte. Von den Mädchen all und Frauen, |
»Immer schaust du in die Ferne, Wie die Wolken fliehn, Wie am Himmel goldne Sterne, Goldne Sterne Ihre Bahnen ziehn. Und die hohen Gipfel locken Hat ja nimmer dich gelitten Sprachst zu mir beim Händedrücken: Rosen hab' ich dir gebrochen, Ach! verweht sind Wort und Lieder |
Hunold's scharfer Blick entdeckte Bald, wie seine Macht und Gaben Dieser Jungfrau Herz umstrickten; Ihm auch in der Seele regte, Wenn er Gertrud sah, sich etwas, Was er sich noch nicht gestehen, Nicht mit Namen nennen mochte, Und was in den Einsamkeiten Tag für Tag ihn doch nicht losließ, Bis es in der Liebe Banden Auch des Sängers Herz geschlagen. Einmal als beim Letztenläuten Sich der Kreis der Hörer trennte, Stand er neben ihr und raunte: »Wart' auf mich im dunklen Gärtchen!« Purpurgluth stieg ihr in's Antlitz, Und sie zitterte und bebte, Eilte heim und – harrte seiner. Hunold kam, kam jeden Abend In des Fischers Geisblattlaube, Wo ihn Arme hold umfingen Und zwei frische, rothe Lippen Selig auf den seinen glühten. Spielmann, spielst ein böses Stücklein Mit dem blonden Fischerkinde! Gilt ein Menschenherz nicht mehr dir, Als die Laute an der Seite, Die du schlägst mit kund'gen Fingern, Daß sie klingt, wie dir's gefalle? Rührst du gleich den Lautensträngen Auch des Herzens goldne Saiten, Daß sie jubeln dann und jauchzen In der Freude Übermaße, Leise singen, klagen, flüstern Wie der Abendwind im Rohre, Und zuletzt mit jähem Aufschrei Schmerzzerrissen, todtgetroffen Von des Sängers Hand, zerspringen? Spielmann! Spielmann! meinst du's ehrlich? Knüpfst ein junges Menschenleben An dein unstet wagend Schicksal, Und im Volke geht die Sage, Treue wohne nicht beim Sänger. Mehr als andern Staubgebornen Zwar ist ihm die Macht gegeben, Weiberherzen zu bezwingen, Und wie Töne aus den Saiten Kann er aus der Seele Tiefen Liebe locken, Sehnsucht wecken; Aber flüchtig wie die Klänge, Kurz wie Worte ist sein Lieben, Wie die Tonart, wie die Weisen Ändern sich ihm Sinn und Wünsche, Herz wie Laute sind ihm Spielwerk. Gertrud aber liebte Hunold, Liebte mit der ganzen Kraft ihn Ihrer ersten heißen Liebe; In der vollen Gluth der Sehnsucht, Die mit jeder Morgenröthe Ihr im Busen neu erwachte Und am langen, langen Tage Wuchs noch, bis die Nacht herabsank, Gab sie dem geliebten Manne Willenlos und ohne Schranken Leib und Seele ganz zu eigen, Wie die Blume, die der Sonne Sich erschließen und mit Freuden Duften muß dem Abendthaue. Und wo war der stärkste Zauber? War es der, der ihm vom Munde In beredten, süßen Worten Und in goldnen Liedern strömte? Oder der, der aus den Augen Ihm so glühend und so mächtig Sich in ihre Seele drängte? Ach! sie wußt' es nicht, sie fühlte Nur ihr ganzes Herz erzittern, Wußte nur, daß sie die Seine, Er der Ihre; außer dieser War ihr keine andre Welt. An dem Abend nach dem Tage Plötzlich raschelt' es am Zaune; |