Julius Wolff
Der Rattenfänger von Hameln
Julius Wolff

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IV. Spielmann
 

        Hunold hatt' im braunen Hirsche,
Einer Herberg für die Fremden,
Rast und Unterschlupf gefunden,
Denn er hatt' in seinem Beutel
Silbermünzen klingen lassen,
Daß der Wirth die Ohren spitzte.
Diesem war der flotte Spielmann
Bald ein werther Gast geworden,
Denn von seinen weiten Fahrten
Wußt' er Vieles zu erzählen,
Von dem Leben auf den Burgen,
Von dem Schmausen in den Klöstern,
Von der Pracht der Fürstenhöfe
Und dem Treiben ferner Städte.
Hatte auch Turney gesehen,
Den Buhurt und manches Stechen,
Sprach von tjosten und foresten,
Von faylieren, kalopieren
So lebendig, als ob selber
Er im Sattel mitgeritten.
Und vom Wildbann und Gejaide,
Von der Jagd konnt' er erzählen,
Als ob Armbrust nur und Wolfsspieß
Seine liebsten Waffen wären,
Und als ob er bei der Baize
Wär' ein Falkenier gewesen.
Auch von schönen Frauen sprach er,
Und manch lustig Abenteuer
Wußt' er schalkhaft auszuschmücken;
Wußte Rath für Vieh und Menschen
Mit Purganz und Arzenirung,
Konnte selbst das Blut besprechen
Und manch alten Schaden heilen.

Beim gewohnten Abendtrunke
Gab er lust'ge Pfeiferstücklein
Auf der Rohrschalmei zum Besten,
Konnt' floitiren, tromboniren,
Daß der Stadt ergrauter Pfeifer
Ihn mit blassem Neide hörte.
Und zur Fiedel und Quinterne
Sang er lauter neue Lieder,
Leiche, Schwänke und Schanzunen,
Bispel, Fabliaux und Sprüche,
Daß der Frauen Herzen klopften,
Die mit unverwandten Blicken
Wie gebannt an seinem Munde
Und den dunklen Augen hingen.
Oftmals huschte auch ein Mäuslein
Hinterm Ofen vor und spitzte
Seine runden Mauseohren
Nach des Spielmanns Sang, womit er
Thier' und Menschen an sich lockte.
Ihn umgab ein räthselhaftes
Und geheimnisvolles Etwas,
Was dämonisch fast auf Alle,
Die ihn sahn und hörten, wirkte,
Wider Willen selbst die Männer
Mächtig anzog, doch der Weiber
Herz und Sinne schier bestrickte
Und im Innersten der Seele
Sie ihm hold und eigen machte.
Wer von zünft'gen Handwerksmeistern
Jetzt zur Schenke kam, der brachte
Gegen sonstige Gewohnheit
Die Frau Eheliebste mit sich;
Aber ledig Volk am meisten,
Junggesellen, vollends Mädchen,
Die sich von der Eltern Seite
Für den Abend losgebettelt,
Drängten sich heran zum Sänger.
Und selbst von den Stadtgeschlechtern
Ward es nicht verschmäht, zu lauschen;
Herren traten mit den Damen
Und den Fräulein in die Stube,
Blieben an der Thüre stehen,
Sich nicht unters Volk zu mischen,
Und ergötzten sich ein Weilchen,
Aber selten nur geschah es.
Um die Bank des frohen Wirthes
Scharten sich im Kreis die Hörer,
Und er hatte großen Zulauf;
Hellerbier manch schäumend Krüglein
Wanderte herauf vom Keller,
Der vielkund'ge Spielmann aber
Hatte Abends immer Freibier,
Und dann sang er solche Lieder:
 

        »Die Schuhe geflickt und der Beutel gespickt,
Grüß' Gott, du wirthliches Dach!
Fahrt wohl, ihr Brüder, die ihr mir nickt,
Und saget nichts Böses mir nach;
Schweigt stille, ihr Mädel, von Abschied und Trauer
Ich blase die Feder wohl über die Mauer,
Und fliegt sie grad' oder schräg,
So geht mein Weg.

Sie steckten ans Wamms mir den duftigen Strauß
Und schenkten mir noch einmal ein,
Dann wandert' ich fürbaß zum Thore hinaus
Und war in der Fremde allein.
Zurück nach den Thürmen noch blickt' ich vom Stege,
Da riefen die Vögel aus Busch und Gehege:
Fahr' weiter, Gesell, fahr' zu!
Was säumest du?

Zog über die Heide und über das Moor,
Da wehte der Wind so kalt,
Da sang es im Schilfe, da pfiff es im Rohr,
Und dann in den düsteren Wald,
Da gingen die Bäume die Winke die Wanke,
Die Brausen die Brasseln, die Klinke die Klanke,
Das schäumte und rauschte der Bach:
Mir nach! mir nach!

Nun kam ich zur klappernden Mühle in Gang
Und dachte: da kehrest du ein
Und legst dein Bündel still unter die Bank
Und grüßest mit Glück herein!
Den Mühlenstein sollst auf's Wasser du schlagen,
Trägt's den, so wird es dich auch wohl tragen;
Das Mühlrad ging immer rundum:
Kehr' um! kehr' um!

Ich habe durchfahren das weite Land,
Durchfahren dahin, daher,
Und was allerwegen vom Glück ich fand,
Davon ist das Ränzel nicht schwer,
Die Blumen am Wege, am Himmel die Sterne,
Die Einen verwelkt, die Andern so ferne,
Mein Herz, in der Welt allein,
Wer denkt noch dein?«


 

        »Ich freu mich, sprach das Mägdelein,
Und will den Sommer fröhlich sein
Und lauter guter Dinge;
Mein Herze ist von Freuden voll,
Daß ich mich wohl gehaben soll
Mit einem Edelinge.

Lieb Tochter, war der Mutter Rath,
Der Knabe sich vermessen hat,
Er hat dich hintergangen.
Die Rosen haben Dornen all,
Wenn er dir zuwirft seinen Ball,
So sollst du ihn nit fangen.

Frau Mutter, laßt die Rosen stehn,
Ich will zu meinem Buhlen gehn
Und weiß ihn wohl zu finden;
Es klingt sein Lied wie keins im Land,
Er fängt mich höflich bei der Hand
Im Reien an der Linden.

Lieb Kind, nimm dir des Meiers Sohn,
Deß Liedel geht aus anderm Ton,
Er hat die Truh voll Gulden;
Dein Vater bläst das Jägerhorn,
Ich hab im Haus nicht Flachs, nicht Korn,
Der Ritter hat nur Schulden.

Den Dorfknab mag ich nimmer ha'n,
Der Ritter hat mir's angethan,
Verguldt sind seine Sporen,
Mein Freundschaft und mein Heimlichkeit
Gehören ihm in Ewigkeit,
Ihm hab ich mich verschworen. –

O weh, ihr Rosen, welk und blaß,
Wie wurdet ihr von Thränen naß,
Wie seid ihr nun verzaget.
Auf einem Grabe ganz allein
Da sitzt ein kleines Vögelein
Zur Winterszeit und klaget.«


 

        »Im Dorfe blüht die Linde
Und duftet weit und breit,
Die kleinen Vöglein singen
In lauter Fröhlichkeit,
Es spannt sich das vielgrüne Dach
Als ihr Gezelt und Wohngemach.

Vergangen und vergessen
Ist nun des Winters Weh,
Es stehn in lichtem Scheine
Die Blumen und der Klee,
Und auf dem Anger steckt ein Kreis
Zu Ridewanz und Heijerleis.

Nun fiedelt auf, Herr Spielmann!
Ein nagelneues Stück,
Drei Schritte geht es vorwärts
Und einen Sprung zurück,
Es lockt und schaltet der Gesang
Wie König David's Harfenklang.

Du rother Mund, nun lache!
Zum Reien geht's hinaus,
Setz' dir aufs Haar ein Kränzel
Und reiche mir den Strauß,
Dann sag' ich dir, ich weiß wohl was,
Macht's Wänglein roth und Äuglein naß.«


 

        »An meiner Thüre du blühender Zweig
Frühe beim Morgenrothe,
Bist mir ein lieblicher Fingerzeig,
Sehnender Freundin Bote.

Tausendmal segn' ich den flüchtigen Fuß,
Der mit schüchternem Wagen
Dich als thaufrischen, wonnigen Gruß
Mir auf die Schwelle getragen.

Weiß ich es doch, als hätt' ich's gesehn,
Wer dich pflückte vom Strauche,
Wittre in deinem Dufte ein Wehn
Von ihres Mundes Hauche.

Und ein sinniger, seliger Mann,
Pflanz' ich dich auf am Hute,
Sehen mag dich, wer sehen kann,
Sehen die Hochgemuthe!«


 

        »Siehst du über jenen Hügeln
Hoch den Falken dort?
Trüg' er doch auf seinen Flügeln
Meine Sehnsucht fort!

Oder könnt' ich sie versenken
In die tiefe See,
Müßte deiner nicht gedenken
Mit der Brust voll Weh.

Immer hör' ich noch das Rufen
Von des Wächters Horn,
Klang von fremden Rosseshufen,
Und des Ritters Sporn.

Seh' noch deines Schleiers Winken,
Als ich ritt hindann,
Lustig schmetterten die Zinken
Dem betrübten Mann.

Und auf meinen Lippen brennet
Noch dein letzter Kuß;
Was uns scheidet, was uns trennet,
Ist's nur Berg und Fluß?

Ach! es spiegelt in dem Thaue
Sich ein bleiches Bild,
Deine Augen, holde Fraue,
Glänzen sternenmild.

Und du breitest deinem Lieben
Wohl die Arme aus,
Fliegt hinan, vom Mönch geschrieben,
Brieflein dir und Strauß.

Bin zurück aus weiter Fremde,
Unterm Pilgerkleid
Trage ich das Panzerhemde,
Waffen und Geschmeid.

Bin gefahren durch die Lande,
Wie du mich verbannt,
Bringe von dem Turbanbande
Dir den Adamant.

Nimmer, Herrin, werd' ich weichen,
Bis du mich erhört,
Will mich in den Burghof schleichen.
Thürmer ist bethört.

Öffne, öffne mir die Pforte
In verschwiegner Nacht,
Wie's verheißen deine Worte,
Deines Lächelns Macht.

Will auf deinem rothen Munde
Finden süßen Trank
Und in trautem Liebesbunde
Meinen Minnedank.«


 

        »Still ist's im Wald, es rauschet
Nur leise murmelnd der Bach,
Durch dämmernde Zweige lauschet
Singvöglein in's grüne Gemach.

Auf Blumenkelchen wiegen
Sich Falter im Sonnenschein,
Goldblitzende Käfer fliegen
Und summen und schläfern dich ein.

Wir ruhten unter den Bäumen
Im Schatten auf kühlem Moos
In süßen, seligen Träumen
Von glücklichem Menschenlos.

Wir dachten, wir wären alleine,
Allein auf der Welt umher,
Wir sprachen: der Deine, die Meine
Und hatten kein ander Begehr.

Da kam Frau Minne gegangen
Und sah uns lächelnd an
Und hat uns mit Armen umfangen,
Das Weib und den seligen Mann.

Sie hat uns Blumen gestreuet
Und sang uns ein zaubrisches Lied,
Wir haben uns ihrer gefreuet
Und merkten's nicht, wie sie schied.

Frau Minne, wann gehst du wieder
Des Weges im stillen Wald?
Bück' unter die Zweige dich nieder
Und suche nur, findest uns bald.«


 

        »Laß mich dir sagen, laß mich dir singen,
Daß ich dich liebe, du herzige Maid,
Ach! mich umsauset ein Schwingen und Klingen,
Herz will mir springen,
Weiß nicht, vor Glück oder Leid.

Wenn ich dich sehe, nahe und ferne,
Geht mit mir Alles auf Erden rundum,
Daß meinen Namen ich gerne verlerne,
Himmlische Sterne,
Tanzet um's Liebchen herum!

Habe geschworen mit Weinen und Lachen:
Mein muß sie werden, und mein wird sie doch!
Und ob dich Riesen und Drachen bewachen,
Auch aus dem Rachen
Riß' ich der Hölle dich noch.

Sieh! und da bin ich; nun will ich dich drücken,
Drücken dich fest an die klopfende Brust,
Laß dich von Liebesentzücken berücken,
Ging auch in Stücken
Welt vor der ewigen Lust!«


 

        »Und wenn ich des Papstes Schlüssel trüg',
Und wenn mit des Kaisers Schwert ich schlüg',
Ich wüßt' eine Wundermäre;
Ich spräche wohl heilig mein Herzenslieb
Und schlüge zum Ritter den Tugenddieb,
Wenn ich und kein Andrer es wäre.

Komm, komm, viellieber Geselle mein,
Du wilder Falke, kehr' ein, kehr' ein!
Ich weiß einen Himmel auf Erden;
Und wenn du auch noch kein Ritter bist,
Und wenn auch dein Lieb keine Heilige ist,
Da können wir selig werden.«


 

        »Rothhaarig ist mein Schätzelein,
Rothhaarig wie ein Fuchs,
Und Zähne hat's wie Helfenbein
Und Augen wie ein Luchs.

Und Wangen wie ein Rosenblatt
Und Lippen wie ein Kirsch,
Und wenn es ausgeschlafen hat,
So schreitet's wie ein Hirsch.

Im Köpfchen sitzt ihm ein Kobold,
Ein Grübchen in dem Kinn,
Ein Herzchen hat es klar wie Gold
Und kreuzfidelen Sinn.

Wie Silberglöcklein spricht's und lacht's,
Wie eine Lerche singt's,
Und tanzen kann's und Knixe macht's,
Und wie ein Heuschreck springt's.

Und lieben thut's mich, Zapperlot!
Das weiß, was Lieben heißt,
Und küßt es mich – Schockschwerenoth!
Ich denk manchmal, es beißt.

Doch weiter kriegt ihr nichts heraus,
Und fragt ihr früh und spat,
Es kratzt mir sonst die Augen aus,
Wenn ich noch mehr verrath.«


 

        »Heraus mit der Fiedel, den Bogen gewichst
Und die rostige Kehle geschmiert!
Sieh doch, wie das Mädel da zappelt und knixt
Und sich dreht und sich schämt und sich ziert,

Ei! Graukopf, du warst ja doch auch einmal jung
Und hattest ein Liebchen im Arm,
Nun bist du zu steif für den Siebensprung
So geige und singe dich warm.

Und schneide mir kein so'n Holzapfelgesicht,
Es kann doch nicht jeglicher Wein
Wie Honig so süß und so klar wie das Licht
Und so süffig wie Buttermilch sein.
Der Saure macht lustig, allhup! wohl bekomm's!
Na, wenn er ein wenig auch kratzt,
Er hat so was Flinkes, was Glattes und Fromm's,
Von dem ist noch Keiner geplatzt.

Zum Kuckuck mit deinem Nachtwächtergeplärr!
Da kann ich's doch besser, du Narr,
Du sägest und schabst uns ein Ohrengezerr
Und näselst wie unser Herr Pfarr.
Mal her mit dem Zeug! jetzt Mädel, paßt auf!
Und haltet die Röcke hübsch fest,
Den Rechten, den Linken, daran und darauf!
Nun springt wie der Has' aus dem Nest.

Nun? merkst du was, Alter? jetzt kriegst du wohl Muth?
Das fluscht doch ganz anders darein,
Bin selber ein Spielmann, das steckt mal im Blut,
Die Fiedel macht's doch nicht allein.
He! Lieselott, fülle das Krügel mir frisch.
Halt! nicht von dem Lustigen, Kind!
Das bin ich schon selber; da unter dem Tisch
Steht's Kännlein, – der wuchs unterm Wind.«


 


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