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Still die Gassen, alle Fenster Dunkel, Schlaf und Frieden breiten Ihre Fitt'ge über Hameln. Keine Leuchte schimmert trübe Von dem Schreibtisch eines Denkers, Der die Nacht zum Tage machte Bei gerollten Pergamenten; Auch nicht Hammer oder Säge Tönt aus eines Schreiners Werkstatt, Der das eiligste der Stücke, Eines Menschen letzte Wohnung, Über Nacht zu zimmern hätte; Müdigkeit und Ruhe senkten Jedes Augenlid in Schlummer. Hoch nur über allen Häusern Aus des Thurmes Glockenstübchen Scheint ein matter Lampendämmer, Wo der Thürmer einsam wachet, Um bei Brand und Ungewitter Mit dem Hilferuf der Glocke Rath und Bürger aufzustürmen. Schlägt die Uhr die volle Stunde, Schiebt er auf die kleine Luke, Und nach jeder Himmelsrichtung Stößt in's Wächterhorn er einmal Und ruft seinen Gruß hernieder. Überm Basberg steht der Vollmond, |
»Bewahr' uns, Herr, zu dieser Stund Vor aller bösen Geister Bund, Und schütze uns, Herr Jesu Christ, Vor Höllenzwang und Teufelslist, Nimm von uns unsrer Sünden Schuld, O heilger Geist, durch deine Huld, Barmherz'ger Gott, mit deinen Händen Woll' von der Stadt all Unheil wenden.« |
Jetzt ein Pfiff, ein langgedehnter, Gellend, Mark und Bein erschütternd. Aus der Pfeife Hunold's kam er, Ging in eine tolle Weise Dann mit keckem Aufschwung über, Und es lockte, jauchzte, schrillte, Daß es durch die öden Gassen Schauerlich und spukhaft tönte. Selbst der Wind mit seinem Sausen Hielt den Athem an erschrocken, Setzte dann als Unterstimme Zur Begleitung ein im Takte. Hunold schritt nun langsam vorwärts, Spielte auf der Rohrschalmeie Seine wilde Rattenfuge, Und dann setzt' er ab und sang: |
»Mäuschen! Mäuschen! Die ihr nun nächtig Still und bedächtig, Warm und behäglich, Fromm und verträglich Hocket im Nest, Die ihr zum Knochen Hungrig gekrochen Oder beim Schmause Wohl in der Klause Feiert ein Fest, Die ihr auf Schränken, Tischen und Bänken, In den Gemächern Und auf den Dächern Trippelnd euch jagt, Die ihr da kraspelt, Feilet und raspelt, Pispert und puspert, Knispert und knuspert, Scharret und naget, Spitzet das Öhrchen, Schärft das Gehörchen, Glättet eu'r Fellchen, Bringt eu'r Gesellchen Mit aus dem Haus; Ringelt die Schwänzchen Lustig zum Tänzchen, Mit meinem Spiele Lock' ich zum Ziele Mäusrig und Maus. Kuchen und Krümel Streu' ich wie Blümel Ohn' Unterlassen Hin auf die Gassen Reichlich und dicht; Zucker zum Naschen Hab' ich in Taschen, Speck auch gebraten Wird sich verrathen, Riecht ihr ihn nicht? Tummelt euch, Mäuschen! Niedliche Mäuschen! Kommet hervor! Mäuschen hervor! Hervor! hervor!« |
Wieder nahm er nun die Pfeife, Blies und trillerte und lockte. Immer kecker ward die Weise, Immer dringender die Töne, Schnelle Läufe, wirre Sprünge, Bald ein Winseln, bald ein Schmettern, Dann ein Flehen, dann ein Drohen Klangen aus dem Zauberrohre. Und sieh da! es kommt geschlichen, Scheu und furchtsam, ängstlich prüfend Wagt sich's näher, stutzt dann wieder, Hüpft und schlüpft und zuckt und duckt sich. Huscht dahin, daher im Dämmer. Mäuse sind's, wie graue Punkte, Blitzschnell, schattenhaft und lautlos Gleiten sie da hin und wieder. Von den Brosam, die gestreut sind, Nascht die Eine und die Andre, Fährt dann wieder in den Winkel, Kommt zurück und frißt und folget Dreister schon in der Gesellschaft. Hunold aber bläst sein Stücklein, Und mit jedem seiner Schritte Wächst die Schar auf seinen Spuren. Statt der Pfeife läßt er wieder Seine Stimme jetzt erschallen: |
»Ratten im Rattenloch, horchet dem Sang, Höret der Pfeife bestrickenden Klang, Hurtig zu Haufen Kommet gelaufen, Rappelt euch auf aus dem dunklen Verlies, Schnuppert und schnüffelt im schlammigen Fließ, Schwänze, die grauen, Haarigen, rauhen Rischeln und rascheln im Kies. Hier in dem Mondschein sich's wonnig ergeht, Habt ihr den Wanst durch die Spalte gequetscht, |
Jetzt hervor aus allen Ecken Kommt's heran gesetzt, gestoben; Aus den Häusern kommt's und Höfen, Den entlegensten der Gäßchen, Zwängt hervor sich unter Thüren, Aus dem Rinnstein kommt's gefahren, Von den Dächern kommt's gesprungen, Patscht und plätschert in den Pfützen, Hopst und trapst und quieckt und rasselt, Jagt sich, hetzt sich, drängt sich vorwärts, Immer mehr in hellen Haufen, Immer mehr, immer mehr, Es woget und wirbelt Und kribbelt und krabbelt, Unendliche Schwärme Wirr durcheinander Wie Sand am Meere, Vom Winde getrieben, Ratten, Ratten, Zahllose, gierige, Wüste Geschwader, Tausende vor ihm, Tausende hinter ihm, Zur Rechten, zur Linken, Überall, überall. Dazwischen der Mäuse Wimmelnde Scharen Zirpend und rucksend, Tänzelnd und schwänzelnd, Sich überstürzend, Und Hunold mitten, Mitten dazwischen Im wilden Getümmel Flötend und pfeifend Die zaubrische Weise. Kaum kann er schreiten, Unter den Füßen Wird's ihm lebendig, Springt an ihm hoch, Klettert empor An Beinen und Armen Dem trotzigen Manne, Schlüpft ihm in's Wamms, Um Schultern und Kappe; Schütteln muß er Heftig die Glieder, Abzuwehren die Unholden Gäste. Ihm perlet die Stirne, Doch unerschrocken Blasend mit Macht Wandelt er fürbaß, Mit ihm die ganze Grausige Hetze. Endlich sieht er nahe blinken |
»Nun Mäuse und Ratten, Ob alt oder jung, Hervor aus dem Schatten, Jetzt gilt es den Sprung; Es blinket und winket Die spiegelnde Fluth, Ertrinket, versinket, Verteufelte Brut! Da lauert die Tücke Hinunter, Geziefer, |
Da hinein mit tollen Sätzen Stürzt sich's in der Weser Fluten, Sinnbethöret wälzt und drängt sich's In den Tod, in's kalte Wasser. Übermächtig wirkt der Zauber, Alle Ratten, alle Mäuse, All die ungezählten Tausend Rennen, schieben, poltern, schießen In ihr eigenes Verderben, Keine Einzige von Allen Bleibt am sicheren Gestade. Und im Wasser giebt's ein Schäumen Und ein Quirlen und ein Brodeln, Rauschend, zischend spritzt und sprudelt Es im zappelnden Gewirre. Aus der Tiefe aufgestiegen Kommt die schupp'ge Brut der Lachse Und nun geht es an ein Kämpfen Zahn um Zahn und Aug' um Auge; Breite Schwänze, spitze Schwänze, Bald von Ratten, bald von Lachsen Ringeln, schlagen aus den Wellen, Denn es ringt auf Tod und Leben Wasserraubthier, Landbewohner, Wuth und Gier auf beiden Seiten. Höhnisch lächelnd steht am Ufer Hunold, nimmt hervor die Pfeife, Bläst zum bittern Todeskampfe Ein frohlockendes Halali. – Endlich ist es still geworden, Hie und da nur glänzt die Flosse, Taucht der Kopf mit offnem Rachen Eines Lachses aus dem Wasser. Ruhig wallt der Fluß die Straße, Auch der Wind ist eingeschlafen, Und des Mondes volles Antlitz Schaut herab in stillem Frieden. Hunold wischt sich von der Stirne Kalten Schweiß und wandelt heimwärts. Als er nahe seiner Herberg, Schlägt es Eins am Glockenthurme, Und es ruft der treue Wächter. |
»Gelobet sei in Ewigkeit, Herr Gott, von aller Christenheit, Laß uns in deiner Gnade ruhn Und unsern Feinden Gutes thun, Und laß uns jede Kreatur Als wie dein Kind erachten nur, Begleite uns mit deinem Segen Auf hellen und auf dunklen Wegen.« |