Julius Wolff
Der Rattenfänger von Hameln
Julius Wolff

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V. Vogelsteller
 

        So lag Hunold in der Herberg
Singend, trinkend, musizirend,
Um den Vollmond abzuwarten.
Tages hielt ihn nichts im Hause,
Einsam strich er dann im Freien,
Hatte immer ein Gewerbe
Und ging jedem aus dem Wege.
In den Wald schlug er sich meistens,
Stand da horchend unter Bäumen,
Denn der Vogelsprache kundig
War der vielerfahr'ne Sänger.
Auf des Basbergs laub'gem Gipfel
Hatt' er sich mit Raths Verwill'gung
Einen Vogelherd errichtet,
Dahin stieg er jeden Morgen
Schon hinan bei Sonnenaufgang,
Saß und lauerte und lockte.
Waren doch die muntren Vöglein
Seine Freunde und Genossen
In der Zunft der Sangesbrüder,
Und des Waldes lust'ge Spielleut
In dem bunten Federhemde
Waren Fahrende, die sorglos
Wie er selbst, der Vogelfreie,
Überall ihr Nestlein bauten,
Wo vor Stürmen, Schnee und Regen
Sie ein schirmend Obdach fanden.
Alle kannt' er sie mit Namen,
Ihren Flug und ihre Stimme,
Und wo sie am liebsten hausten.
Fand er eine Feder liegen,
Bückt' er sich und steckt' sie sorgsam
An die hohe, spitze Kappe,
Wußte gleich, aus wessen Flügel
Oder Schwanze sie gefallen.

»Dompfaff,« sprach er, »ausgeschlafen?
Plusterst ja noch so die Federn,
Bist im Augenblick wohl eben
Aus dem Neste erst gekrochen?
Sonne ist schon aufgegangen,
Hörst du's denn nicht Messe läuten
Unten in Sankt Bonifacius?
Schnell auf deinem rothen Brustlatz
Schlag' ein Kreuz und sag' dein Sprüchlein,
Und wo ist denn die Frau Pfäffin?«
»Etsch!« rief Dompfaff, »etsch! du Spitzbub,
Etsch! geh' selber in die Beichte,
Hast genug auf dem Gewissen,
Kannst auch mal die Sünden abthun,
Brauchst die Köpf' nicht zu verdrehen,
Dran die langen Zöpfe hängen,
Und die frommen Mädchenherzen
Nicht mit Liedern zu bethören,
Bist mir gar ein lockrer Vogel!«
»Dompfaff, mach' dich fort, du Gimpel!
Brauchst mir nicht den Text zu lesen,
Bist ein Pfaff wie andre Pfaffen.«
Kam ein Rotschwanz angeflogen:
»Hst! Herr Spielmann, hst! hst! ticktack!
Sitzt 'ne Fliege auf der Nase,
Kann nicht mal die Fliege fangen
Und will uns die Schlingen legen?
Hst! Herr Spielmann, ticktack! ticktack!
Hst! hst! Fliege auf der Nase!«
Schmetterte ein Fink dazwischen:
»Pink! pink! Pinkepank der Schmied
Sollt' ein braunes Roß beschlagen
Einem jungen Reitersmanne;
Wie er hämmerte und klopfte,
Pink! pink! Pinkepank der Schmied,
Saß der Reiter hinterm Blasbalg,
Küßt' des Schmiedes schmuckes Weibchen;
Kenn' den Reiter, kenn' den Schmied,
Pink! pink! Pinkepank den Schmied.«
»Na, nur nicht so laut, Herr Fürwitz!
Bist ja feist, die Bucheneckern
Sind wohl heuer gut gerathen?
Nimm in Acht dich, Pinkepanker,
Sah heut schon den Habicht fliegen,
Wärst für ihn ein fetter Bissen!«
Doch der Fink ließ sich nicht irren,
Schlug die allerkecksten Weisen,
Blies den Reitzug und den Waidmann,
Weingesang und Schüttelzwetscher,
Gutjahr, Bräutigam und Kienöl,
Schwarzgebür und Parakika
Und den großen Doppelschlag:
»Finkferlinkfinkfink zißspeuzia!
Parerlalala zischkutschia!
Hoizia! Fritz, Fritz, Fritz rüdidia!«
»Amen!« rief der Vogelsteller,
»Hast noch nichts verlernt, mein Hähnchen
Seitdem dich Henricus Auceps
Auf den Finkenherde lockte.«

Also pflog er Unterhaltung
Mit den lieben Zunftgesellen,
Die aus sangesfrohen Kehlen
Ohne Instrumente spielten,
Sich auf schwanken Zweigen wiegten,
Ihn umflatterten, umschwirrten
Und mit klugen Äuglein ansah'n.
Grasmück kam und Heidelerche,
Hänfling, Stieglitz, Specht und Zeisig,
Alle grüßten ihn und neckten,
Doch für jeden losen Schnabel
Hatt' er eine schnelle Antwort.
Durch den Wald jetzt klangen Töne,
War ein Pfeifen und ein Flöten, –
Wär' Frau Nachtigall, die Süße,
Nicht von hinnen schon gezogen,
Sollt' man denken, sie nur wär' es,
Die so tief melodisch anhub;
Doch es war des Spielmanns Liebling,
War die Amsel, die jetzt stimmte
Und mit seelenvollem Klange
In der Brust dies Lied ihm vorsang,
Daß betroffen Hunold lauschte:
 

        »Ich kenne ein Mädchen, das schaute tief
In's Aug' einem lockigen Knaben,
Und ob sie wachte, und ob sie schlief,
Sie mochte in Armen ihn haben.
Sie sprach. ›Du nahmst mir dahin die Ruh,
Mein Haupt muß in Sorgen ich lehnen,
Denn alle mein Sinnen und Denken bist du
Und alle mein Träumen und Sehnen.‹

Ich kenn' auch den Knaben, er wuchs zum Mann,
Er spielet und singet zur Geigen,
Und ehe der lustige Sommer verrann,
Da wurde das Mägdlein sein eigen.
Sie sprach: ›Und wenn mich dein Arm umschlingt,
Und du drückst mich wieder und wieder,
So ist mir, als wenn seine Flügel schwingt
Ein Engel vom Himmel hernieder.‹

Wo über dem Bache die Weide hing,
Da ruhten sie auf dem Moose,
Da war es, wo er sie heiß umfing,
Eine blühende, glühende Rose.
Sie schmiegte sich an ihn mit zitterndem Leib
In der Liebe berauschenden Freuden,
Sie lachte, sie weinte, das selige Weib
Und wollt' ihm ihr Leben vergeuden. –

Verrathen die Liebe, gebrochen die Treu, –
Er ließ sie und gab sich aufs Wandern
Und pfeifet und fiedelt hinweg sich die Reu
Und küsset und koset mit Andern.
Verwelkt ist die Rose, entblättert, entlaubt,
Es riß sie der Sturm vom Gehege,
Zerknickt und zertreten, des Duftes beraubt,
So sah ich sie liegen am Wege.«
 

        Schweigsam zog der Spielmann weiter,
Bückte sich und pflückt' am Boden
Sich ein rothes Heideblümchen,
Das er lange sinnend ansah,
In den Fingern gar zerdrückte
Und dann achtlos wieder wegwarf
»Ja so war's; ich seh' wie heute
Sie am Bach noch vor mir stehen
An dem stürmisch rauhen Abend,
Der in jenem Thal mein letzter.
Ihre schönen, braunen Haare
Wehten ihr um Schläf und Nacken,
Und sie wußte, daß es aus war,
Frug mich nicht, doch ihre Augen
Brannten mir bis in die Seele,
Und zum ersten Mal im Leben
Wollte mir das Wort versagen. –
Was kann ich dafür, wenn einmal
Schlechten Ankergrund im Herzen
Die Natur mir eingerichtet?
Oben fährt es sich ganz lustig,
Und manch schmuckes Schifflein tanzte
Schon auf meiner Liebe Wellen,
Das die stolze Flagge einzog,
Wenn es meinen Kurs erst kreuzte;
Seht euch vor, ich bin ein Spielmann!«
Durch die Bäume fuhr ein Windhauch,
Schüttelte vom Morgenthaue
Ihm ein kühles Tropfenschauer
Auf das Wamms, »Na, was denn?« rief er,
»Ist's etwa nicht wahr, ihr Hölzern,
Daß ihr darum so verwundert
Eure krausen Häupter schüttelt?«
Unten aus dem Schlehbusch zirpte
Ihm ein Zaunkönig entgegen:
»Mausefänger! Herzensdieb!
Wenn du pfeifst, so tanzen Alle,
Tanzen Mäuse, tanzen Mädchen,
Doch es kommt einmal der Tag, da
Mädchen singen, Mäuse pfeifen
Und du in der Luft mußt tanzen
Ohne Boden untern Füßen.«
»Daß dich Ratte doch und Wiesel
Gleich beim Kragen hätten, Däumling!
Müssen doch die kleinsten Wichte
Stets die größten Mäuler haben.«
In der höchsten Fichte Wipfel
Rucksten da zwei wilde Tauben;
Hunold lauschte, was der Täubrig
Sprach zur Taube seines Herzens:
»Täubchen! Schönste doch im Lande
Ist des wackern Bürgermeisters
Dunkeläugige Regina
Mit den langen, schwarzen Zöpfen;
Sah sie neulich auf der Linde,
Einsam saß sie dort und seufzte,
Schaute wohl nach einem Freier;
Ist nun aufgeblüht die Rose,
Duftend, leuchtend, reif zum Pflücken.«
Und die Taube girrte: »Männchen!
Freier ist schon angekommen,
Schultheiß' Sohn, der Heribertus,
Hat beim Alten schon geworben;
Als ich gestern flog vorüber,
Sah ich Arm in Arm sie stehen.
Ja sie blühte wie die Rose,
Doch die Rosen haben Dornen,
Daran sah ich Thränen blinken,
Und schon manchesmal auch hingen
Rothe Tröpflein an den Dornen.«
Hunold stutzte ob der Märe:
»Bürgermeisters schöne Tochter
Schaut' ich nimmer; voll in Blüthe,
Sprach der Täubrig, steht die Rose?
Freilich mit dem Schultheiß hab' ich
Niemals gerne was zu schaffen,
Hat den Blutbann und die Rüge –
Rothe Tröpflein an den Dornen –
Ach was! dummer Taubenschnickschnack!«
Plötzlich hört' er Flügelrauschen,
In der Eichenkrone knackt es,
Und ein dürrer Ast fiel nieder
Grade hin vor Hunold's Füße,
Und ein Rabe krächzte oben:
»Stab gebrochen, Meister Hans!
Rabenstein und Rad und Galgen
Seh' ich deine Wege sperren,
Rattenjäger! Hexenmeister!
Geh' nicht in den Rath zu Hameln,
Fängst dich selbst im kalten Eisen
Wie der Fuchs am Dohnenstiege;
Rad und Galgen, Rad und Galgen
Seh' ich deine Wege sperren,
Und wir Raben werden fliegen,
Werden dir die Augen hacken,
Die Verräther und Verführer,
Und die Untreu trifft die Rache.«
»Sei verflucht, des Teufels Küster!
O die Armbrust an die Wange,
Dir des Todes Gruß zu danken!
Hat sich Alles denn verschworen,
Solch ein Lied mir heut zu singen?
Zwitschert doch, ihr Luftgesellen!
Schimpft und lügt, geschwätz'ge Zungen!
Hab' mich doch aus Noth und Ängsten
Immer wieder wett gesungen.
Augenzauber, Liedeszauber,
Lieb' und Leben darfst du wagen
Bis zum letzten Bogenstriche;
Komm hervor, mein tröstlich Spielwerk,
Mir die Grillen weg zu blasen,
Frei und froh mein Herz zu singen.
Und ihr flatterhaften Sänger,
Stegreifvolk, du federleichtes,
Hütet euch! der Merker lauert,
Jeder Mißton steht am Kerbholz.«
Damit setzt' er die Schalmeie
An die Lippen, blies und lockte,
Daß es rings im Walde schallte,
Und mit rüst'gen Schritten wand er
Sich um Stämme und Gesträuche.

Als bei seinem Vogelherde
Er nun oben angekommen,
Hält er Umschau in die Landschaft,
Wo in weit gespanntem Bogen
Nebeldampfend fließt die Weser.
In den Mühlen an dem Strome,
Nah dem Ufer festgeankert,
Drehn sich breite Schaufelräder;
Deutlich durch die Morgenstille
Tönt herauf der Schiffer Rufen
Von den frachtbeladnen Kähnen
Und an Bord der Stoß der Ruder.
Röthlich glänzen in dem Frühlicht
Vor dem tiefen Blau des Himmels
Hügelreih'n und Bergeskuppen
Mit den Warten drauf zur Fernsicht;
An den Gräsern blitzt und funkelt
Thau wie eitel Diamanten,
Doch im Schatten an den Hängen
Liegt noch Reif wie weißes Spinnweb.
Schier vergoldet sind die Wipfel
Des schon bunt gefärbten Waldes,
In den Seitenthälern aber
Wallt ein Duft noch, schleierähnlich;
Auch die Stadt in breiter Mulde
Sendet Rauch aus allen Essen,
Der in reiner, klarer Herbstluft
Kräuselnd kerzengrade aufsteigt
Und in Wolken bläulich wirbelt.
Über das Gewirr der Dächer
Ragt empor die Münsterkirche
Mit den beiden schlanken Spitzen
Und der Thurm Sankt Nicolai;
Hie und da erhebt vor andern
Sich ein Haus mit seinem Giebel
Aus den engen, krummen Gassen,
Oft umkreist von Taubenschwärmen;
Gaden springen vor und Erker,
Und auf bleigedeckten Kuppeln
Blinken Wetterhähn' und Knäufe
Spiegelhell im Sonnenglaste.
Leicht erkennbar ist das Rathhaus
An dem steilen Schieferdache,
Auch die alten Stiftsgebäude
Mit dem Kreuz sind weithin sichtbar.
Von jedwedem Thore führet,
Fest gemacht mit schweren Ketten,
Eine Zugbrück' übern Graben,
In geschloßnem Ring als Schanze
Dehnt sich um die Stadt die Landwehr,
Und da hinten, ganz abseiten
Zeigt sich schauerlich und einsam
Auf dem Hochgericht der Galgen.

Sinnend ruhen Hunold's Blicke
Auf dem Bild zu seinen Füßen:
»Sollt' man's meinen,« spricht er lächelnd,
»Daß die hübsche, wohlverwahrte
Stadt, die da so freundlich herschaut,
Fast den Mäusen mehr zu eigen,
Als den Menschen, die drin wohnen?
Was wird dir noch dort beschert sein?
Wird gelingen die Beschwörung?
Wirst du reich belohnt in Frieden
Aus dem offnen Thore gehen?
Wirst landflüchtig du von hinnen
Einst in Nacht und Nebel weichen,
Schwer verwünscht und gar verfolgt auch?
Oder läßt du Leib und Leben,
Wie der schwarze Galgenvogel
Prophezeite, in den Mauern? –
Dort das Gärtchen nah am Thore
Mit der Geisblattlaube kenn' ich,
Wo das blonde Fischermädchen
Wohnt mit seinen blauen Augen;
Aber dort das Haus am Markte
Mit dem hohen Schieferdache
Kenn' ich auch, es schaut so düster
Zu mir auf wie eine Warnung,
Als ob unter jenem Dache
Sich mein Schicksal wenden müßte,
Und dort Unheil meiner warte.
Als ich da die Treppe aufstieg,
Stieß ich an die erste Schwelle
Mit dem Fuß, daß er mich schmerzte,
Eine üble Vorbedeutung! –
Aber nur nicht zaghaft, Singuf!
Wer nicht wagt, wird nie gewinnen.«

Also murmelt er, dann aber
Macht er sich bereit zum Fange,
Stellt das Garn und Zug und Leine,
Setzt die Locker, streut als Köder
Auf dem Herde aus die Beeren,
Ebereschen und Wacholder;
Nach dem Winde sucht er Wittrung,
Haucht sich auf die blauen Nägel,
Und sich innen zu erwärmen,
Thut er aus der Kürbisflasche
Einen langen Zug, und endlich
Setzt er sich hinein in's Häuschen,
Das verdeckt mit Moos und Reisig,
Späht und lauscht nun durch die Ritzen,
Horcht, ob's in der Luft nicht sausend,
Schwirrend über ihn hinwegzieht,
Ob nicht Drosselschwärme, lüstern
Nach den leuchtend rothen Beeren,
Draußen auf die Krakeln bäumen.
Still! da kommt ein Schwarm geflogen,
Setzt sich auf die dürren Äste,
Blickt sich rechtsum, blickt sich linksum,
Nach den Beeren, nach dem Hügel,
Den das Dach der Hütte bildet,
Und der ihm nicht recht geheuer.
Scheu und schlau und doch begierig
Nach der reichen, leckern Atzung,
Hüpft bald der, bald jener Vogel
Tief und tiefer auf den Zweigen,
Dreht das Köpfchen, wetzt den Schnabel,
Und der Vorsicht schon vergessen,
Läßt er sich herab zum Herde.
Andre folgen, – immer mehr noch –
Mit Herzklopfen, triumphirend
Harrt, des guten Fanges sicher,
Athemlos der Vogelsteller,
Zählt und zählet an die Fünfzig
Der Bethörten auf dem Herde,
Tastet unverwandten Blickes
Mit der Hand schon nach dem Schlagseil –
Brrr! da hebt sich's in die Lüfte,
Eh' er noch den Zug gethan,
Und daher im Laube raschelnd
Hört er seitwärts Schritte nahen.
Wüthend stürmt er aus der Hütte:
»Tod und Teufel! welcher Fürwitz
Führte Euch mir in's Gehege?
Habt mir meinen Fang verdorben,
Sprecht, wer seid Ihr? und was schafft Ihr?«
Also braust er zornesmuthig,
Mit der Hand zur Hüfte fahrend,
Als ob dort ein Schwert ihm hinge,
Einem Fremden wild in's Antlitz,
Der ihn mit den Augen messend
Staunend und gelassen dastand.
»Seit wann ist es denn verboten
Sich im Walde zu ergehen?«
Sprach der Fremde stolz und ruhig,
»Ich steh' hier auf Heimathsboden,
Bin des Schultheiß' Sohn und Steinmetz
Heribert de Sunneborne,
Können uns ja weiter sprechen.«
Und dann schwand er in die Büsche.
»Schultheißsohn und Heribert,«
Grollte in den Bart der Vogler,
»Hört' ich nicht ein Liedlein singen
Dort im Wald vom Schultheißsohne
Und des Bürgermeisters Tochter?
Könnten uns ja weiter sprechen,
Sagt' er, – werden's, Steinmetz, werden's!
Wenn's nur fein und glimpflich abgeht!
Solchen Fang mir zu verderben!
Wart', ich tränk' dir's ein! das Badgeld,
Das ich mir beim Rath bedungen,
Deine Liebste soll mir's zahlen!«
Sprach's und kroch in's niedre Häuschen.

Doch es wollt' ihm heut nicht glücken
Mit dem Fange, und des Sitzens
Überdrüßig brach er auf,
Schlenderte in trüber Stimmung
Durch den Wald, und wie aus Träumen
Kam ihm eine alte Weise,
Die er leise vor sich summte,
Denn er mußte sich besinnen
Auf die halbvergessnen Strophen,
Bis die Worte ihm allmählig
Wieder in's Gedächtniß kamen.
 

                »Vom Berg unter Buchen rauschte ein Born,
Hochgehalten von Manchem als Heilquell,
Wenige wußten des Wassers Kräfte,
Träume trug's in die Seele des Trinkers.

Zwischen Zweien, die netzten die Zunge,
Loderten auf Flammen der Liebe,
Doch schwanden im Herzen Wort und Treuschwur,
Die sie gelobt dem ehe Geliebten.

Runen standen am Steine geschrieben,
Kein Lebender las, was sie lehrten,
Vöglein sangen fröhlich im Walde,
Blaue Blumen blinkten im Grase.

Einmal kam mit adligem Knappen
Des Grafen Gemahl zum glitzernden Quell,
Er hob der Herrin den Becher von Holz,
Und beide tranken, nicht ahnend den Trug.

Sie sahen sich an, von Sehnsucht ergriffen,
Ganz vergessen hat sie das Gelübde,
An blühenden Busen drückt sie den Buhlen,
Koset und küßt ihn im kühlen Schatten.

Pfeifend schwirrt ein Pfeil gefiedert,
Senne des Grafen sandte den Boten,
Jählings getroffen stürzt der Jüngling,
Roth rinnt sein Blut in's rieselnde Wasser.

Zitternd in Zorn, des Zaubers kundig,
Schöpft der Schütze schnell aus dem Bach,
Doch wendet vom Wasser sich weigernd die Bleiche,
Trinkt keinen Tropfen vom Blutgetränkten.

Flehend fällt der Graf ihr zu Füßen,
Drängt und droht, sie deutet aufs Blut,
Da stößt er den starren Stahl ihr in's Herz,
Lautlos sinkt sie in Leid und Liebe.

Trauernd trägt man die Todten zu Grabe,
Fern bleibt der Burg der stolze Gebieter;
Keiner weiß, wo im Wald der Born war,
Ranken recken sich über den Runen.«


 


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