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Fürsten und Fürstinnen.

In Asien hat sich bis heute so ziemlich jede Dynastie für sich gehalten. Nicht eine einzige Verbindung hat zwischen dem Hause des Mikado und dem des Himmelssohnes in China stattgefunden. Ebensowenig haben sich, obwohl beide Mohammedaner, freilich von verschiedener Sekte, sind, Perser und Osmanen jemals verschwägert. Dagegen haben seit den frühesten Zeiten europäische Fürstenhöfe Familienverbindungen miteinander angeknüpft. Schon einer der Westgotenkönige, Athaulf, heiratete eine byzantinische Kaiserstochter. Otto der Große führte die Engländerin Edith und sein Sohn, Otto II., die Byzantinerin Theophano heim. Auch ein Babenberger erhielt seine Gemahlin aus Byzanz. Frühzeitig meldeten sich selbst die Russen. Schon im 11. Jahrhundert trachtet ein Großfürst nach einer deutschen Kaiserstochter, erhält jedoch einen Korb. Skandinavische, sizilianische, spanische und englische Prinzessinnen (wie Elisabeth, die den Winterkönig nahm), vermählten sich in Deutschland und umgekehrt kamen deutsche Fürstinnen nach allen Ländern Europas mit Ausnahme der mohammedanischen. Allein zwischen den Wittelsbachern und Polen zählt man an zwei Dutzend Verbindungen und noch zahlreicher sind die Verschwägerungen der Habsburger und der Wittelsbacher mit Spanien. Es handelt sich hier um eine allgemeine europäische Sitte. Wenn man jedoch näher zusieht, wird man sehr bald einen Unterschied entdecken, der nicht zu unseren Gunsten ausschlägt. So oft eine russische Großfürstin nach Deutschland heiratete, nach Mecklenburg, Hessen, Baden, Württemberg, da hielt sie nicht nur an der griechisch-orthodoxen Religion fest, sondern baute sich auch eine griechische Kirche in der neuen Heimat, in der deutschen Residenzstadt. Umgekehrt, wenn eine deutsche Prinzessin nach Rußland kam, so verstand sie sich dazu, den griechischen Glauben anzunehmen. Auch sonst haben in der Regel die fremden Prinzessinnen Wert darauf gelegt, im Sinne ihrer Heimat zu wirken, während die deutschen Fürstinnen meist oder bald in der fremden Umgebung aufgingen und gelegentlich, wie in Rumänien, sogar deutschfeindlich wurden. Die bedeutendste aller deutschen Fürstinnen, die jemals im Ausland auf einen Thron kam, Katharina II., ist zwar nicht ausgesprochen deutschfeindlich gewesen, jedoch nur, weil sich keine besondere Gelegenheit dazu bot; sie hat jedenfalls nie etwas anderes als den Nutzen Rußlands vertreten, und sie hat bewußt den Gegensatz, die Zwietracht zwischen Friedrich dem Großen und Joseph II. gefördert, weil das eben für Rußland gut war.

Eine Frau, die ganz deutsch geblieben ist, auch in der Fremde, war Lieselotte von der Pfalz. Ihre köstlichen Briefe atmen urechten pfälzischen Geist. Aber ihrem Schicksal haftet eine verborgene Tragik an. Äußerlich auf einen glänzenden Platz in der Welt gestellt, war sie in ihrer Ehe durchaus nicht glücklich und sie fühlte sich von den einst so reich fließenden Quellen ihres Gemütslebens abgeschnitten. Dort, in dem oberflächlichen, ichsüchtigen Paris war keiner, der sie verstand, wie ihr, ist es so mancher anderen deutschen Prinzessin gegangen. Niemand aber hat ein traurigeres Schicksal gehabt als Alix von Hessen, die spätere Kaiserin Alexandra. Sie wurde nebst ihren Töchtern Anfang 1918 von den Bolschewisten in der Nähe des Urals ermordet. Es gab allerdings auch Fürstinnen, die sich in der Fremde ganz wohl fühlten, die sich im Glanze des Hofes sonnten. So Marie Antoinette, die Tochter Maria Theresias. Sie war anmutig und reizend und liebenswürdig und hatte im Grunde ein gutes Herz; aber sie war verhängnisvoll kurzsichtig und beschränkt und ging in den Vergnügungen auf. Sie endete aus dem Schafott. Besser war das Ende der Isabella in Frankreich. Diese Wittelsbacherin, Zeitgenossin der Jungfrau von Orléans, mußte den Einbruch der Engländer erleben, mußte flüchten, erlangte dann aber ihr Königtum zurück, wechselvolle Schicksale hatte zu gleicher Zeit eine andere Wittelsbacherin, die berühmte Jakobäa. Sie heiratete erst den Herzog von Brabant, entlief ihm und nahm hierauf den Herzog von Gloster, den Statthalter Englands.

Es gibt bisher noch kein einziges Buch über deutsche Reisläufer und Abenteurer. Es ist daher nicht zu verwundern, wenn einerseits gar manche Gestalten bei einem ersten Versuche der Art fehlen und wenn andrerseits man häufig zweifelhaft sein kann, ob Gestalten, die man hier findet, wirklich auch hergehören. Es gibt da vielfach Übergänge und Grenzerscheinungen. Des öfteren ist es gar nicht leicht zu bestimmen, ob eine Handlung zum Vorteil oder zum Nachteil Deutschlands ausgeschlagen sei. Durch einen Auswanderer verliert die Heimat eine schätzbare Kraft und verliert das materielle und sittliche Kapital, das sie zu seiner Ausbildung verwendet hat; allein auch in der Ferne kann der Auswanderer der Heimat nützen, indem er den Handel mit ihr befördert oder gar durch seinen Einfluß die politische Haltung seines Adoptivvaterlandes zu ändern vermag. Das allerschönste ist natürlich, wenn der Auswanderer eine Kolonie gründet und so das Gebiet des Mutterlandes ausdehnt. Das ist die Art, wie einst die Griechen, wie in der Neuzeit Spanier, Portugiesen, Engländer und Russen vorgingen. Auch wir haben es versucht, zu kolonisieren, nicht nur in Afrika und in der Südsee, sondern auch und zwar mit viel besseren Aussichten in Amerika, in der Ukraine und in Australien. Neubraunfels, das die deutsche Adelskompagnie in Texas 1836 gründete, sollte eine Verbreiterung und Verstärkung der alten Heimat bedeuten. Ebenso war es möglich, daß Pennsylvanien, daß die Südstaaten Brasiliens zum mindesten das Deutsch zur Amts- und Verkehrssprache erhoben hätten. Man kann infolgedessen die hochgemuten und tatkräftigen Grafen und Freiherrn, die nach Texas zogen, nicht füglich als Reisläufer bezeichnen. Das Unglück wollte es aber, da die Unternehmung unzweckmäßig und mit wenig Sachkenntnis ausgeführt wurde, da die Kolonisten überdies es besonders ungünstig trafen, insofern Texas gerade damals von einer Yankee-Freibeuterschar unter Houston erobert wurde, daß die ursprüngliche Absicht in ihr Gegenteil verkehrt wurde, daß schließlich die hessischen Auswanderer, die damals sich der Adelskompagnie anschlossen, schließlich doch nur Völkerdünger für das Yankeetum wurden. Ebenso liegt es auf der Grenze, wenn ein Offizier, wenn ein Fürst sich dem Dienste eines fremden Staates widmet. Man wird sicherlich den Grafen von Schulenburg nicht einen vaterlandslosen Verräter schelten, da er doch im Einklang mit der kaiserlichen Politik sich den Venezianern zur Verfügung stellte. Man kann auch noch weniger die Militärinstrukteure, die im Auftrage des deutschen Generalstabs oder des Auswärtigen Amtes nach der Türkei gingen, zumal nach 1889 oder gar nach 1912, als sich ein Bündnis zwischen Berlin und Konstantinopel vorbereitete, Reisläufer nennen. Dagegen ist es wiederum ein Grenzfall, wenn deutsche Krieger mit einem hessischen oder pfalz-neuburgischen Fürsten, der König von Schweden geworden, nach Stockholm ziehen, oder wenn die einstige Prinzessin von Zerbst, Katharina, zahlreiche Landsleute dazu veranlaßt, nach Rußland zu kommen, wenn 4000 bayerische Soldaten den Wittelsbacher, König Otto, nach Griechenland begleiten. Schon jenseits der Grenze dagegen, schon ausgesprochene Reisläuferei war es, als der Prinz Salm-Salm und Oberst Freiherr von Gagern Maximilian bei der aussichtslosen Jagd nach der Kaiserkrone in Mexiko halfen; denn es war von vornherein klar, daß, wenn überhaupt ein Erfolg dem Wagnis beschieden, er lediglich den Franzosen anheimfallen würde.

Alle diese Beobachtungen treffen auch auf die deutschen Balkanfürsten zu. Wenn Fürst Wilhelm zu Wied Mbret (von Imperator abgeleitet) in Albanien wurde, so konnte man zur Not hoffen, dort unten, im Lande der tapferen Skipetaren, in den fruchtbaren Tiefebenen am unteren Drin und in der Müzekia sowie in den Hochtälern der albanischen Alpen deutsche Siedler ansetzen zu können, konnte hoffen, zumal schon längst dort österreichischer Einfluß und Verkehr waltete und insgemein mit österreichischen Kronen bezahlt wurde, der deutschen Eiche ein neues Reis aufzupfropfen. Wie sich freilich die Dinge tatsächlich gestaltet haben, infolge der müßigen und ahnungslosen Politik von Wien und Berlin, haben die Offiziere und Studenten (meist Münchener), die dem Mbret zu Durazzo halfen, das Niveau von Reisläufern nicht überschritten. Der Erfolg entscheidet! Das muß man sich bei allen Deutschen, auch bei den Fürsten, die sich im Balkan eine neue Heimat schufen, vor Augen halten. Königin Sophie wirkte einstens für deutsches Wesen geradeso in Athen, wie Königin Ena für englischen Nutzen in Madrid und Königin Maud in Christiania. Umgekehrt ist die jetzige Königin von Rumänien, obwohl deutschen Ursprungs, in Sinn und Tun durchaus deutschfeindlich. Britische Abenteurer strömten zu Hauf nach dem Transvaal, um es schließlich zu einer britischen Kolonie zu machen. Ein deutscher Abenteurerstrom floß nach dem Balkan, jedoch um dort zu versickern. Der Versuch an sich ist nicht zu tadeln. So ist es auch immer noch nicht ausgeschlossen, daß deutsche Pioniere in Rußland einst die Vorposten von Größer-Deutschland bei Odessa, im Kaukasus, und an der Wolga werden mögen. Auf den Erfolg kommt es an! Er ward in reichem Maße dem Fürsten von Hohenzollern-Sigmaringen, König Karol, beschieden, unter dessen wohltätigem Szepter an 50 000 Reichsdeutsche und Österreicher in Rumänien lebten, der sogar amtlich dem Dreibunde sich anschloß. Keinen Erfolg errang dagegen der Battenberger, der als Meteor in Bulgarien aufstieg, dann aber den Strahlen der mächtigen russischen Sonne weichend, erlosch. Zunichte wurden gleichermaßen die Anstrengungen des Zaren Ferdinand, der freilich in seinen Adern nicht nur koburgisches, sondern auch Bourbonenblut hatte. Sein Sohn Boris, der jetzige Zar von Bulgarien, ist dem Glauben nach griechisch-orthodox, der Politik nach teils zaristisch-russisch, teils französisch gerichtet, und nur seine Schwestern durften sich noch einer Erziehung in Bayern erfreuen. Ein Neffe des Battenbergers, der eine Tochter von Nikita geheiratet hat, ist russischer General, und die Mecklenburgerin Jutta, die den Montenegriner Danilo, einen Sohn Nikitas, ehelichte, ist in ihrer südslavischen Umgebung aufgegangen. Ebenso sind die Teck verengländert. Ein dritter Battenberg wurde britischer Admiral und fühlt sich nicht weniger als Engländer, weil er bei Ausbruch des Weltkrieges seines deutschen Namens halber gezwungen wurde, von seinem Posten zurückzutreten. Alle unsere Betrachtungen gelten übrigens auch für die Hannoveraner, die auf dem englischen Throne sitzen und die jetzt sich Haus Windsor nennen.

Auf den Erfolg kommt es an! Es gab Zeiten, da in dem sibirischen Bezirk von Barnaul und in der Gegend von Neuyork das Deutsch zur Verkehrssprache zu erwachsen versprach, und bei Ausgang des Mittelalters war Dänemark drauf und dran, ein deutscher Vorposten zu werden. Ein Mecklenburger war im 14. Jahrhundert König von Schweden, und unaufhörlich heirateten deutsche Prinzessinnen nach Kopenhagen und Petersburg, dergestalt, daß die Familie der Romanow oder richtiger Holstein-Gottorp zu neun Zehnteln deutschen Blutes ist. Allein letzten Endes wurde nicht nur von der übermächtigen russischen Umgebung das deutsche Blut erstickt, sondern auch Dänemark wußte sich unseres Einflusses zu erwehren und wurde wieder dänisch, wenn daher wir uns so oft berühmen, daß auf allen Thronen Europas, mit Ausnahme einiger Balkanstaaten und Italiens, Persönlichkeiten deutscher Abstammung saßen, so hätte das nur eine Bedeutung gehabt, wenn dadurch dauernd deutsche Art eingewurzelt wäre.


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