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Vorklang.

Abenteuer, ich liebe dich! Du bist der zeugende Strom der Kraft, die sprudelnde Tat! Abenteuer, du Tochter der Sehnsucht, du Braut des Verlangens, du Mutter der Erfüllung, du weckst die Schlummernden und leitest die Erwachten. Voll und rund, so strotzen deine Arme; sieghaft und kühn blickt dein Auge. Vor dir ist uferlose Zukunft; vor dir ist die dämmernde Ferne, liegt lockend die weite, weite Welt. Du führst und verführst. Du leitest zu strahlenden Burgen und zu finsteren Sümpfen. Deine Lieblinge erklimmen schimmernde Gipfel, die von dir Verführten geraten in weglose Klammen und stürzen in den Abgrund. Den einen bist du Polarstern, erhellendes, weithin leuchtendes Feuerzeichen; den anderen bist du ein Irrwisch,

Vor dir spielt anmutig ein Säugling, mit neugierigen Gliedern die Erde ertastend, die Lust am Unbekannten. Daneben steht die Patin, die Unverzagtheit. Vor dir balgen sich halberwachsene Zwillinge, Erfindung und Entdeckung. Die Kinder haben ältere Brüder, den Wagemut und den Wanderdrang. Diese rüsten sich zur gefährlichen Jagd, zur beschwerlichen Bergfahrt. Zustimmend und wohlgefällig schaut die Freude den Geschwistern zu. Halb verächtlich blickt eine vierte Schwester von der Gruppe weg, die Gefahr. Ein Bräutigam naht sich der Freude, der Erfolg. Im Hintergrunde stehen düstere Gestalten, drei griesgrämige Oheime: der Mißerfolg, der Haß und der Tod. ·

Abenteuer, du bist wie die Liebe. Bist Quell des Lebens und Quelle des Leids. Hochherrlich kannst du sein, entzückend und göttlich, aber auch verderblich, schrecklich, verhängnisvoll. Auch die Liebe ist wetterwendisch zumal in fremden Landen. Ulrich von Lichtenstein wird hoch herab aus dem Fenster gestürzt; die Sirenen töten ihre Verehrer; Lotosesser und Prinzgemahle vergessen der Heimat.

Frau Aventiure, dich umarmen die Helden, Gralsritter und Nibelunge. Frau Aventiure, dir jauchzen die Frauen.

Aber Kudrun wartet barfuß im Schnee, stolz alle unerwünschte Werbung ablehnend, auf den echten Freier. Er kommt, und der falsche Freier wird erschlagen. Aventiure, du lockst in blaue Ferne, du bringst deine Söhne zu Sieg und Reichtum, aber du verlockst deine Stiefkinder zu Armut und Tod.

Siehe, da erscheint unerwartet der Schwanenritter, und Elsa von Brabant wird sein Gemahl. Siehe, da fährt im prunkenden Wagen triumphierend der Eroberer, und vor ihm reiten die mutigen Krieger. Unversehrt kehren die einen Krieger vom bunten Abenteuer zurück, froh der errungenen Beute; als Leichen liegen auf der Bahre die anderen, getötet vom wütenden Keiler oder gefällt in der männermordenden Schlacht.

Deutsche Knaben, eure Augen strahlen, wenn ihr von seltenen Fahrten und Taten hört. Allein, wehe euch, wenn ihr den Reizen des Abenteuers unterliegt: ihr vergeht und versinkt! Hütet euch, deutsche Knaben wie Männer, vor uferlosen Weiten! Hütet euch, wenn das Abenteuer ziellos, grundlos, zwecklos euch in die Ferne wirft, euch wild im unfruchtbaren Kreise herumtreibt! Wahrt euch vor dem Alltag, der die Seelen verkümmert und die Herzen vertrocknet; indes wahrt euch nicht minder vor nutzloser Irrfahrt! Zweck und Ziel sei, dem eigenen Volke zu nützen. Dein Dienst für Fremde! Das Herz gehört dem Vaterland!


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