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Es gibt ein merkwürdiges Büchlein, das ungeheuer selten geworden ist, betitelt: Seefahrten nach den beiden Indien von Franz Urban Bavier. Es wurde zu Amsterdam veröffentlicht und zu Frankfurt und Nürnberg nachgedruckt. Noch heute lebt in Graubünden, wo der Held dieser Seereisen geboren wurde, wo der Staatsmann Simon Bavier seine Heimat hatte, die Sippe der Bavier. Mit dem Buche, einer Selbstbiographie, ist eine reizvolle Frage verknüpft: Wahrheit oder Dichtung? Das ist durchaus nicht leicht zu entscheiden. Es ist eine Odyssee, bei der weder die Irrfahrt noch das Wiedersehen mit der Geliebten nach langer Trennung fehlt. Bavier zog früh in die Fremde und kämpfte Ende des 17. Jahrhunderts zunächst in Polen, dann am Rhein. Nach Holland verschlagen, ging er zu Schiff und ward Seeräuber. Mit einer Piratenflotte segelt er um Südamerika herum und überfällt und plündert spanische Städte an der amerikanischen Westküste. Schreckliche Grausamkeiten wurden dabei begangen. So schlagen die Seeräuber die Köpfe zweier gefangener Spanier so lange zusammen, bis sie sterben. Oder man zündet den gefesselten Gefangenen die Haare auf dem Kopfe an. Danach geht es in die Südsee und zuletzt an die Ostküste Afrikas. Bavier verliebt sich in ein reizendes weißes Mädchen, das er aus einer Gefangenschaft rettet, wird aber zu den Indianern einer karibischen Insel verschlagen, wo er vier Jahre lebt. Später verbringt er eine Zeitlang unter Eingeborenen in der Südsee und geht eine Zeitehe mit einer malaischen und einer afrikanischen Prinzessin ein. Die befreite Jungfrau hat inzwischen ihre eigenen Schicksale. Nach vielen Jahren kommt der Held doch wieder mit ihr zusammen, heiratet sie und zieht sich mit seinem Ruhm und als reicher Mann nach Amsterdam zurück, wo er 1717 seine Erlebnisse veröffentlicht.
Wie gesagt, man weiß nicht, ob hier wirklich eine echte Lebensbeschreibung oder ein Roman vorliegt. Ich neige zu der Ansicht, daß die Grundlage echt ist, daß aber einzelne Ausschmückungen zugefügt wurden.
Bavier war nicht der einzige Deutsche, der sich den Holländern gesellte, wir finden deutsche Soldaten schon bei der Gründung von Batavia. Ebenso bei der Errichtung des Fors, 1652, aus dem nach und nach Kapstadt sich entwickelt hat, endlich bei der Gründung von Neu-Amsterdam, das von den späteren Besitzern, den Engländern, in Neuyork umgetauft wurde. Es handelt sich da um drei holländische Unternehmungen, die alle mit Hilfe deutscher Reisläufer ausgeführt wurden. Es wurde eine Gewohnheit deutscher Abenteurer, Dienste im holländischen Kolonialheer zu nehmen. Auf diese Art sind denn auch manche unserer Landsleute von Batavia frühzeitig nach Japan gelangt, wo die Holländer in Nagasaki eine Faktorei besaßen, darunter Engelbert Kämpfer, der um 1690 Japan und seine Sitten gründlich beschrieb, und gegen 1850 der Würzburger Arzt Siebold, der ein vielbändiges Werk über das Inselreich des fernen Ostens veröffentlichte.
Es versteht sich von selbst, daß mit den Oraniern, die aus Nassau stammen, viele deutsche Krieger nach den Niederlanden zogen und sich an den Kämpfen gegen die Spanier beteiligten, während die Habsburger mit den Spaniern eng verbündet waren.
Die Vorliebe unserer Landsleute für das holländische Kolonialreich, namentlich für Insulinde, wie die großen und kleinen Sundainseln poetisch genannt werden, hat sich bis in die Gegenwart erhalten. Vor und nach 1870 sollen bis 10 000 deutsche Mannschaften, Unteroffiziere, Offiziere, Feldschere und Ärzte in der holländischen Kolonialarmee gewesen sein. Nach dem unglücklichen Ausgang des Weltkrieges hat der deutsche Strom nach Java abermals zugenommen.
Mit den holländischen Unternehmungen hängt es zusammen, daß Hunderte, wenn nicht Tausende von deutschen Familien nach Südafrika wanderten und dazu beitrugen, das Volk der Buren aufzubauen. Da im Weltkriege die Buren zumeist gegen uns im Feld lagen und wesentlich mithalfen, uns Südwest- und Ostafrika zu entreißen, so muß man urteilen, daß auch hier wieder deutsche Reisländerei zum Schaden des Reiches ausgeschlagen ist.