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13. Kapitel.
Am Kaiserhof.

Viel Feind', viel Ehr', sagt ein Sprichwort. Der Prinz von Savoyen, dessen heroische Laufbahn reich an Lorbeeren war, mußte diese Wahrheit an sich selbst erfahren. Viel geliebt und viel bewundert, aber auch viel gehaßt worden ist der Held, und sein makelloser Schild ward oft bespritzt vom Geifer des Neides. Um die nämliche Zeit, da im sumpfigen Feldlager vor Belgrad das Lied vom Prinzen Eugenius, dem edlen Ritter, entsteht, trachten zu Wien niedere Seelen den Feldmarschall zu kränken, ihn um das Vertrauen des Kaisers zu betrügen. Die Scheelsucht mißgönnt ihm die wohlverdiente Gunst seines Monarchen, und was Eugenius in jahrelanger rastloser Arbeit für Kaiser und Reich geleistet hat, wollen feile Höflinge mit glatten Worten wegschwatzen.

Karl VI. wußte, was sein Haus den treuen Diensten des Prinzen zu danken hatte. Zu einer Großmachtstellung war Österreich durch Eugens überragendes Feldherrntalent emporgewachsen, die deutsche Kaiserkrone bedeutend im Ansehen gestiegen. Die Türken und die Franzosen, diese beiden erbitterten Erbfeinde, hatte das Schwert des Prinzen zerschmettert, und so eingeschüchtert waren sie, daß ein neues Menschengeschlecht im Frieden heranwachsen durfte, ohne die Blutsteuer des Krieges bezahlen zu müssen.

All dies war ein Werk des Prinzen von Savoyen, und der Kaiser schätzte ihn darum über die Maßen und tat nichts ohne seinen Rat. Das aber grämte eine Partei, die am Hofe Karls den größten Einfluß besaß. Sie wollte die Macht des Prinzen erschüttern, ihn aus der Nähe des Kaisers verdrängen. Es war ein fremder Adel, der sich im deutschen Wien spreizte und überall die Hand im Spiele hatte. Karl VI., von Jugend auf für den hispanischen Thron bestimmt, konnte den Verlust Spaniens nicht verschmerzen. Nur notgedrungen und dem eisernen Zwange gehorchend hatte er nach dem langwierigen Erbfolgekrieg Philipp von Anjou das herrliche Land ausgeliefert.

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Das Belvedere-Schloß, Prinz Eugens Alterssitz, mit Ansicht von Wien.

Karl war es an der Wiege nicht gesungen worden, daß er als deutscher Kaiser und Herr der habsburgischen Erblande in der Wiener Hofburg thronen werde. Als Josef I. ganz unerwartet aus dem Leben schied, kämpfte sein jüngerer Bruder als Thronanwärter auf spanischem Boden. Das verwaiste Deutschland rief nun Karl VI. nach der Kaiserstadt; da ließ er seine schöne junge Gemahlin in Barcelona zurück und verlieh ihr die Würde einer Regentin. Sie hat nicht lange dort regiert, obwohl die Bürger wie Löwen für die vergötterte Frau fochten. Als die neue Kaiserin in Wien einzog, folgte ihr ein Troß spanischer Granden, die von nun ab in der Donaustadt ein Drohnenleben führten und gewissenlos genug waren, sich vom Kaiser ernähren zu lassen.

Um den Müßiggängern eine Beschäftigung zu geben, wurden sie zu einem »Spanischen Rat« vereinigt. Diesem übertrug der Herrscher die Verwaltung der italienischen Provinzen, also die Aufsicht über Neapel, Mailand und Sardinien. Aber die welschen Abenteurer wollten die ganze Macht am Kaiserhof an sich reißen und begannen ein häßliches Verleumdungsspiel, in dessen Fäden Eugenius verstrickt werden sollte. Der Prinz machte in seiner soldatischen Offenheit kein Hehl daraus, daß ihm die fremden Ausbeuter zuwider waren. Alle Schäden in der Verwaltung hätte der edle Mann am liebsten ausgerottet, er verachtete die hohle Aufgeblasenheit und nannte die Dinge beim rechten Namen. Deshalb war es seine erste Tat als Präsident des Hofkriegsrates, daß er die verdienten Offiziere über die unwürdigen setzte.

Im Heere hatte sich der Mißbrauch eingenistet, daß jedermann ein Offizierspatent von den Regimentsinhabern für klingende Münze zu kaufen bekam. Solch ein schwunghafter Handel mit dem Portepee empörte den redlichen Sinn des Prinzen, und mit einem Federstrich schaffte er als Generalissimus diese häßliche Unsitte ab. Als ein hochadeliger Oberst ihm zum Trotz einen reichen Herrn gegen Bezahlung zum Leutnant ernannte, mußte der Kecke den kaiserlichen Dienst quittieren. Das machte böses Blut unter den Hofleuten; sie murrten und ballten die Fäuste hinter dem Rücken des Prinzen.

Noch mehr verdroß die vornehmen Herren, daß ihnen der Feldmarschall ihr altes Privileg der »Expektanzen« nahm. Es war lächerlich, wenn schon Kindern in der Wiege eine Kompagnie verliehen wurde und sie mit sechs Jahren den Rang eines Majors erhielten oder, sobald sie die Lateinschule verließen, gar den federgeschmückten Generalshut. Zu solch einem Komödienspiel gab sich der edle Ritter nicht her, ihm galt einzig und allein die ehrliche Leistung als Maßstab für Rang und Würde. Darum setzte er es beim Kaiser durch, daß keine Wickelkinder und Schulbuben durch militärische Chargen ausgezeichnet wurden. Er meinte, die jungen Herren könnten sich gedulden, bis ihre Arme stark genug geworden, einen Säbel zu tragen und ihn auch in Ehren zu führen.

Diese und andre Reformen des obersten Hofkriegsrates waren nicht nach dem Herzen der Höflinge, und da sie sich nicht getrauten, offen gegen Eugenius aufzutreten, schlich die Verleumdung flüsternd durch die kaiserlichen Prunkgemächer. Es zählte zur liebsten Erholung des Prinzen, nach vollbrachtem Tagewerk bei der Gräfin Bathyany eine Partie Pikett zu spielen. Die liebenswürdige Dame, deren reifes Alter auch ernsten Gesprächen geneigt war, hatte um sich eine auserlesene Gesellschaft versammelt. Man plauderte angeregt über neuerschienene Bücher, über Theaterstücke und Werke der bildenden Kunst. Dort überwand auch der edle Ritter die gewöhnte Zurückhaltung und sprach manch kluges Wort. Denn der Prinz war ein Freund der Wissenschaften und der edlen Künste geworden und schätzte sie nicht geringer als das rauhe Kriegshandwerk, dem er sein ganzes Leben geweiht hatte.

Diese harmlosen Zusammenkünfte im gräflichen Hause benutzten nun die Feinde Eugens, um ihn beim Kaiser zu verleumden. Jetzt wurde das längst verklungene Wort des Marschalls Villars lebendig: »Nicht im Lager der Feinde, sondern in Wien leben die erbittertsten Gegner unsers Prinzen.« Sie faßten den Kaiser bei der empfindlichsten Stelle; seinen Stolz verwundeten sie und flüsterten ihm zu, er wäre von dem Willen andrer abhängig. Die Gräfin Bathyany lenke Eugen und dieser wiederum des Kaisers Majestät. Das ertrug Karl VI. nicht. Immer kühler wurde sein Verhältnis zum Prinzen, und einmal machte er die Bemerkung, daß er keineswegs Neigung habe, das zu vollführen, was die ungarische Gräfin wünsche.

Den Feldmarschall schmerzte das Mißtrauen des Kaisers, doch suchte er vergebens nach der Ursache dieser Ungnade. Er wußte sich von aller Schuld frei, und sein edler Sinn konnte es nicht begreifen, daß hier Verleumder ihre unsaubere Hand im Spiele hatten. Ermutigt durch den Erfolg, setzten die Spanier am Kaiserhof die Ränke gegen den Prinzen fort. Dem Reiche fehlte ein männlicher Thronerbe, und so hatte Karl VI. seine Tochter, die Prinzessin Maria Theresia, zur künftigen Herrscherin ausersehen. In der »Pragmatischen Sanktion«, einem vielbefehdeten Gesetz, hatte er diese Erbfolge festgelegt, und namentlich seine Nichten, die Töchter Kaiser Josephs, wehrten sich dagegen, übergangen zu werden. Nun verbreiteten die welschen Hofschranzen, Eugenius hätte sich auf die Seite der Gegner der Pragmatischen Sanktion geschlagen. Sie ließen durchblicken, daß der Prinz von Savoyen heimlich die verwaisten Kaisertöchter unterstütze, und da der Monarch den Lügnern Glauben schenkte, war er gegen seinen treuesten Diener maßlos erbittert.

An den ausgestreuten Verdächtigungen war kein wahres Wort, der Feldmarschall unterstützte nicht die Feinde der neuen Erbfolge. Hatte doch der Kaiser auf des Prinzen dringenden Rat dem Vetter Eugens, dem nunmehrigen König Viktor Amadeus von Savoyen, sogar eine abschlägige Antwort gegeben, als dieser für seinen Sohn und Thronerben eine Tochter Josephs zur Frau erbat. Die Verweigerung erfolgte auf Betreiben Eugens, und damit waren die Aussichten des ehrgeizigen Viktor Amadeus auf die Erwerbung Mailands vereitelt. So stellte der edle Ritter die Vorteile des Kaisers über die seines eignen Stammhauses und erntete den Zorn des Vetters in Turin, mit dem er sich zeitlebens nicht verstanden hatte.

Eugen machte sich durch seine deutsche Gesinnung bei der spanischen Partei verhaßt. Nun ging auch Viktor Amadeus in das Lager der Widersacher unsers Prinzen über, und der alte Ränkeschmied legte seinem Botschafter in Wien nahe, sich an den Zettelungen gegen Eugen zu beteiligen. Zu den Verschwörern zählte auch ein Graf Althan, der es hoch in der Gunst des Kaisers gebracht hatte und des Prinzen geistige Überlegenheit fürchtete. Er hat Eugenius manchen Schaden gebracht und nährte bis zu seinem Tode das Mißtrauen des Herrschers. Noch ärger trieben es der Abbate Tedeschi und der Reichshofrat Graf Nimptsch. In beider Händen liefen die Fäden der Verschwörung zusammen, und die Spanier hofften schon, daß der geheime Anschlag den so Gehaßten bald ganz vom Kaiserhofe verdrängen würde.

Über diese traurigste Zeit im Leben des Prinzen ist viel geschrieben worden und auch darüber, wie der häßliche Verrat endlich entdeckt wurde. Davon berichtet der Geschichtsforscher Alfred Arneth: Der Kammerdiener des Grafen Nimptsch, ein alter Veteran, der jahrelang unter den Fahnen Eugens gefochten hatte, war ein glühender Verehrer unsers Helden. Ihn schmerzte es, den Feldmarschall so schmählich in die Falle gelockt zu sehen. Er enthüllte Eugenius die Schleichwege seines Herrn und überbrachte ihm sogar die Papiere des Grafen, damit der Prinz auch schriftliche Beweise in Händen hätte. Eugen ließ den Mann, dem er diese wichtige Entdeckung verdankte, zu dessen persönlicher Sicherheit nach der Schweiz abreisen und warf ihm eine reichliche Pension aus. Nachdem die wenigen vertrauten Freunde, denen er sich offenbarte, seinen Vorschlag gebilligt hatten, ging der Prinz geradeswegs zum Kaiser, um strenge Genugtuung zu verlangen. Freimütig und offen forderte er sein gutes Recht. Sollte ihm dieses verweigert werden, erklärte der Prinz, so lege er hiermit alle seine Stellen zu den Füßen des Kaisers nieder. Ganz Europa aber werde er aufrufen zum Richter über die ihm widerfahrene Kränkung, wenn sie ungerächt bleiben sollte.

Nicht ohne Verlegenheit hörte der Kaiser den Prinzen an. Auf dem ernsten Antlitz des Monarchen kämpfte das Gefühl der Beschämung mit der Freude über den Wiedergefundenen, den er so arg mißverstanden hatte. Er umarmte den Prinzen und sagte bewegt, er hoffe, sie würden die alten Freunde bleiben, die sie von jeher gewesen. Der Prinz jedoch beharrte auf seinem Begehren, und bescheiden, aber unerschütterlich wiederholte er das Verlangen nach einer strengen Bestrafung der Übeltäter. So wurden denn Tedeschi und Nimptsch verhaftet und vor ein Hofgericht gestellt. Mit fester Hand bestätigte der Kaiser das Urteil. Tedeschi wurde mit Enthebung von seinen Stellen, einer zweijährigen Festungsstrafe und mit ewiger Verbannung vom österreichischen Hoflager bestraft. Graf Nimptsch mußte auf dem Wiener Graben Pranger stehen und erhielt von der Hand des Henkers dreißig Rutenstreiche; auch er durfte sich nie wieder in der Reichshauptstadt zeigen.

Das war noch eine milde Strafe für all die Heimtücke und Böswilligkeit, die ein so uneigennütziges Herz, wie es der Prinz Eugen besaß, gekränkt und verdächtigt hatten. Bei seinem Vetter Viktor Amadeus begnügte sich Eugen mit einem Entschuldigungsschreiben. Doch durch ganz Deutschland ging ein Aufjauchzen, da der verleumdete Held nun wieder rein und makellos dastehen durfte. Auch der Kaiser wandte ihm erneut sein ganzes Vertrauen und die alte Liebe wieder zu. Sie lebten von diesem Ereignis an wie zwei gleichgestellte Freunde, und bis an das Lebensende des Prinzen hat Karl VI. nie einen wichtigen Staatsakt unterzeichnet, ohne vorher der Zustimmung Eugens sicher zu sein.

Aber nicht nur als Leiter des kaiserlichen Heerwesens und Präsident des Hofkriegsrates erlangte Prinz Eugen einen mächtigen Einfluß im Reiche, er wurde auch der Vorsitzende der Geheimen Konferenz, was der Würde eines Kanzlers gleichkam. So stand er neben dem Kaiserthron als der mächtigste Mann im Reiche.

Noch heute sind die Neuerungen Eugens auf dem Gebiete des Heerwesens in der deutschen Kriegsgeschichte unvergessen. Er ist der Vater der Manneszucht. Mit Stolz durfte er von einem seiner italienischen Feldzüge nach Wien berichten, daß neben dem kaiserlichen Lager der Bauer ungestört seinen Acker bestellen könne. Er lehrte die Soldaten den Pflug ehren und das bürgerliche Handwerk achten. Eugens starkes Gerechtigkeitsgefühl duldete aber keine unbillige Beförderung. Nur die Tüchtigkeit galt, und unter ihm haben viele von der Pike auf gedient, die es rasch vom Gemeinen zum Offizier brachten. Die zum Krüppel Geschossenen brauchten nicht um ihre Zukunft zu zittern, der edle Ritter erstreckte seine Sorgfalt auf eine anständige Versorgung der Veteranen. Ja, er hat als erster Invalidenhäuser gegründet, wo die ausgedienten Krieger ihren Lebensabend ohne drückende Sorgen verbringen durften. Sie mußten nicht mehr betteln gehen wie vor Eugens segensreicher Wirksamkeit. So war dem Heldentum des Prinzen Eugen ein mildes Menschenherz verschwistert, und das ist es, was uns so sehr an seiner edlen Erscheinung fesselt.

Wir erinnern uns noch, wie Eugenius vom Kaiser zum Statthalter der Niederlande bestellt wurde. Der Prinz hatte so wichtige Staatsämter in Wien zu verwalten, daß er für die entfernte Provinz eines Stellvertreters bedurfte. Dennoch wußte der Unermüdliche sich noch genügend Zeit abzugeizen, um auch Flandern zu nützen. Seine erste Tat war, die österreichischen Niederlande, das heutige Belgien, aus den Klauen des Spanischen Rates zu befreien. Und wenn er auch, um den Feinden in Wien das Feld nicht zu räumen, nur selten die weite Reise nach seinem belgischen Verwaltungsgebiet unternahm, als Generalgouverneur blieb er doch in steter Fühlung mit diesem Lande, bis er 1724 freiwillig auf den Statthalterposten verzichtete.

Des Kaisers Lieblingsplan war die Gründung einer kaufmännischen Gesellschaft, die berufen war, Handel und Wandel in den Niederlanden mächtig zu fördern. Prinz Eugen zweifelte an dem Erfolg solch eines Unternehmens, allein um den Kaiser nicht zu kränken, beteiligte er sich eifrig an der Gründung der »Ostindischen Kompanie« und steuerte sechzigtausend Gulden aus eigner Tasche bei. Nicht von schnöder Gewinnsucht verleitet, sondern einzig nur als Statthalter des Landes wurde Prinz Eugen Mitglied der Handelsgesellschaft. Darauf wies er mit Nachdruck hin und bezeichnete es als seine Pflicht, einer Sache zu nützen, die dem Kaiser so sehr am Herzen lag.

Die Engländer waren über die Gründung der »Ostindischen Kompanie« entrüstet, und auch die andern Seemächte fürchteten den Wettbewerb der neuen Gesellschaft. So mußte sie dem Neid der fremden Seefahrer bald wieder geopfert werden, wie schnell sie auch emporgeblüht war. Dafür gelang Karl VI. mit Eugens Unterstützung die Hebung des Handels in den österreichischen Erbländern. Triest wurde zu einem wichtigen Hafenplatz ausgestaltet, auch Fiume zum Freihafen erklärt, und der Verkehr mit dem Orient nahm einen mächtigen Aufschwung. Hier fand der Kaiser einen Trost für die unfruchtbaren Anstrengungen in seinen niederländischen Provinzen, und des Prinzen Eugen Weitblick half dem kaiserlichen Herrn wacker bei solcher Förderung von Handel und Industrie.

Als einundsiebzigjähriger Greis mußte Eugenius auf Befehl des Kaisers noch einmal zu den Waffen greifen. Gründlich hatte der edle Ritter den Übermut des westlichen Nachbarn gedämpft und ihn seit zwanzig Jahren zu einer unfreiwilligen Ruhe gezwungen. Jetzt rasselten die Franzosen wieder mit dem Säbel und taten sehr ungehalten, weil die Polen abermals einem sächsischen Kurfürsten ihre Krone antrugen. Von seinem Vorgänger, dem Sonnenkönig, hatte der fünfzehnte Ludwig mit dem Thron auch die Abneigung gegen alles, was deutsch war, geerbt. In Paris wünschte man für die Krone Polens keinen deutschen Bewerber und führte eine sehr laute und drohende Sprache.

Der Kaiser war nicht gesonnen, die fremde Einmischung in seine Herrscherrechte zu dulden. So kam es über Nacht zum Kriege. Alle Augen richteten sich auf Eugen, der die Führung des Reichsheeres übernahm. Es war ein Beispiel der großen Selbstverleugnung unsers Helden, daß er dem kaiserlichen Herrn zuliebe dieses Opfer brachte. Von den Gebresten des Alters geplagt und sehr leidend, hätte der Prinz von Savoyen die unsäglichen Beschwerden eines Feldzuges meiden müssen. Stets von einem bösen Husten gequält, von Atemnot gepeinigt, nahm er doch gehorsam das Kreuz auf sich und reiste eilends an den Rhein.

Karl VI. hatte dem Generalissimus ein stattliches Heer versprochen; statt dessen wurden Prinz Eugen nur zwanzigtausend Soldaten zur Verfügung gestellt. Mit solch einem armseligen Häuflein sollte er hundertzwanzigtausend Franzosen besiegen. Das vermochte selbst ein Eugenius nicht. Doch ging er immerhin so klug zu Werke, daß der unendlich überlegene Feind nur sehr geringe Vorteile erzielte. Vom Jahre 1734 bis zum Jahre 1735 dauerte der Polnische Erbfolgekrieg und wurde von beiden Seiten mit ziemlicher Unlust geführt. Der Vorsicht und den unverwelkten Feldherrngaben des Prinzen dankte es das Reich, daß es am Rhein bloß das Städtchen Philippsburg einbüßte.

In der Staatskasse gähnte wieder eine unendliche Leere, vergebens mußten die Soldaten auf Sold und Brot warten. So fordert die Gerechtigkeit für den greisen Führer die ehrliche Anerkennung, weil er trotz alledem den gewaltig überlegenen Erbfeind auch jetzt wieder wacker im Schach hielt. Neue Lorbeeren hat der Prinz von Savoyen in diesem zweijährigen Feldzuge nicht pflücken können, doch sein geliebtes Deutschland vor großem Schaden bewahrt. Und als die Gegner ihren Frieden machten, hatte Kaiser Karl VI. sogar die Freude, daß Frankreich die weibliche Erbfolge in Österreich anerkannte.

Im Kriege mit Frankreich machte der Prinz von Savoyen die Bekanntschaft eines Mannes, dessen schöpferische Geisteskraft und dessen Feldherrngenie bald die ganze Welt in Erstaunen setzen sollten. Mehrere Monate weilte Friedrich der Große, damals noch der jugendliche Kronprinz von Preußen, im Hauptquartier Eugens, und er säumte nicht, seinem bewunderten Vorbild offen zu huldigen. Schon die Begrüßungsworte verrieten, wie sehr Fritz dem edlen Ritter zugetan war: »Gestatten Sie mir, Durchlaucht, Zeuge zu sein, wie ein Held Lorbeeren sammelt.«

Eugenius hieß den preußischen Königssohn im Feldlager willkommen und überhäufte ihn mit Aufmerksamkeiten. Dagegen bekannte sich Kronprinz Friedrich stolz als ein Schüler Eugens und war entzückt, als der Feldmarschall seine aufrichtige Zuneigung in die Worte kleidete: »Alles an Ihnen, mein Prinz, verrät mir, daß Sie einst ein großer Feldherr werden.« Als im Lager vor Philippsburg Friedrich später auch dem Herzog von Württemberg begegnete, küßten einander die fürstlichen Freunde. Schnell wandte sich Eugenius an den Kronprinzen: »Wollen denn Eure Königliche Hoheit meine alten Wangen nicht auch küssen?« Da schloß Fritz den greisen Helden innig an sein Herz.

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