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7. Kapitel.
Der Spanische Erbfolgekrieg beginnt.

Im Schatten der Friedenspalme ging das siebzehnte Jahrhundert zur Rüste. Überall ruhten die Waffen, selbst der nimmermüde Unruhestifter Ludwig XIV. hatte laut den Wunsch verkündet, seinem Volke »das Andenken eines friedlichen Fürsten zu hinterlassen«. Der Alpdruck blutiger Träume war von der Welt genommen; der Bauer schritt, ein Liedchen singend, hinter dem Pfluge, und der Kaufmann fand wieder das alte Vertrauen, seine Waren in die entferntesten Länder, selbst über das Meer zu senden. Gesegnete Friedenszeiten schienen zu erblühen, aber kein Jahr verstrich, und aufs neue begann das Klirren der Waffen: neue Schrecknisse drohten über Deutschland.

Karl II., der letzte Habsburger auf dem Throne Spaniens, hatte nach langem Siechtum am 1. November 1700 die müden Augen für immer geschlossen. Kein Sohn, kein Leibeserbe trauerte an der Bahre des Königs, und nun sollte die ungeheure Hinterlassenschaft, das ausgedehnteste Reich der Welt, für viele zum Zankapfel werden. Ein Thron stand verwaist, dessen Glanz bis in die fernsten Erdteile reichte. Die unübersehbaren Gebiete beider Indien, der Süden Amerikas und das Reich der Inka in der neuen Welt wurden herrenloses Gut. Nicht nur die Kronen von Kastilien und Aragonien warteten auf einen neuen Besitzer, auch Belgien und die spanischen Niederlande hatten ihren Herrscher verloren, und in Italien waren Mailand, Neapel und Sizilien freigeworden.

Um das riesenhafte Erbe ward schon seit Jahren in den Staatskanzleien Europas emsig gefeilscht. Am Kaiserhof in Wien galt es als eine selbstverständliche Gewißheit, daß die in Spanien herrschende Linie der Habsburger ihre sämtlichen Kronen dem österreichischen Bruderhause hinterlassen werde. Dieses natürliche Recht schien dem deutschen Kaiser um so sicherer, als die ältere Schwester König Karls Ludwig XIV. zum Gemahl erkor und vor ihrer Trauung feierlich auf das spanische Erbe verzichtete. Er selbst, Kaiser Leopold I. nämlich, hatte sich einer jüngeren Schwester des spanischen Königs vermählt, die das Erbe ihrer Väter niemals abgelehnt, und so dachte man am Wiener Hofe, daß die Ansprüche Österreichs doppelt begründet wären. Dabei war aber ohne die Tücke und Ränkesucht Frankreichs gerechnet, denn der Sonnenkönig hatte heimlich Erbschleicherei getrieben und dem schwachen, auf den Tod erkrankten Herrscher Spaniens einige Stunden vor dessen Verscheiden ein neues Testament abgepreßt. Darin ward ein Enkel Ludwigs, der achtzehnjährige Philipp von Anjou, zum Nachfolger auserwählt.

Der vierzehnte Ludwig begnügte sich nicht damit, den Thron Spaniens einem Verwandten abgeschwatzt zu haben; seine Gewissenlosigkeit ging noch viel weiter, denn er schämte sich nicht, des Kaisers eignen Schwiegersohn, den Kurfürsten Max Emanuel von Bayern, gegen Leopold I. aufzuhetzen. Auch dem bayrischen Kurfürsten flüsterte der Franzose ein Besitzrecht auf die verwaisten Länder zu, indem er darauf hinwies, daß Max Emanuels Gemahlin eine Tochter der einstigen spanischen Prinzessin sei und somit auch erbfähig. Der Ehrgeiz des Kurfürsten ließ sich gern überzeugen, und als ihm der Sonnenkönig für seine Hilfe den Besitz der Rheinpfalz versprach und auch zusagte, alles, was der Schwiegersohn des Kaisers Österreich abnehmen würde, in seinen Händen zu lassen, kam ein verwerfliches Bündnis zwischen Bayern und Frankreich zustande.

Ein jüngerer Bruder Max Emanuels saß auf dem erzbischöflichen Throne zu Köln und hatte als solcher gleichfalls die Würde eines Kurfürsten inne. Die beiden Brüder machten nun gemeinsame Sache, und dem Bunde schlossen sich Spanien, Italien und Belgien an. Zwar hatten die Spanier eine jämmerliche Wehrmacht, die eher umherziehenden Bettlern glich, allein der französische König versprach, auf eigne Faust zweihunderttausend Soldaten ins Feld zu senden und schlug übermütig an seinen Raufdegen.

Ganz unvorbereitet traf die Wiener, wie ein Blitz aus heiterem Himmel, die Nachricht, daß das große spanische Erbe einem Fremden in den Schoß gefallen sei. Zugunsten Frankreichs hatte der verblichene König Karl entschieden, und der Ränkeschmied Ludwig beeilte sich, seinen Enkel Philipp zum Beherrscher von Spanien auszurufen. Auf den Straßen der Kaiserstadt blieben die Leute stehen und besprachen entrüstet das Ereignis. Das war ein Rechtsbruch, und die guten Bürger ballten zornig die Fäuste. Was habsburgisch war, sollte habsburgisch bleiben und nicht dem windigen Gallier zur Beute werden.

Erschüttert nahm der Kaiser die böse Botschaft hin. Ein Kronrat tagte in der Hofburg, und die Staatsminister drangen in den Monarchen, sich gegen solch einen Verrat zu wehren. Leopold I., von Herzen ein guter und friedliebender Mensch, war Zeit seines Lebens bemüht, den Völkern die Grausamkeiten eines Krieges zu ersparen. So hatte es den Kaiser geschmerzt, daß in West und Ost die Erbfeinde Deutschlands immer wieder den Frieden mutwillig zerstörten. Auch jetzt zögerte Kaiser Leopold, das Schwert zu ziehen, und flüchtete in dieser unerwarteten Heimsuchung in inbrünstigen Gebeten zu Gott. Neuerliches Blutvergießen erschien dem großherzigen Manne auf Deutschlands Thron wie eine Sünde, aber die Berater Leopolds wiesen auf den immer wachsenden Unmut des Volkes. Vor der Hofburg staute sich die Menge und rief zornbebend nach dem Krieg. Immer gellender wurden in den Wiener Gassen die leidenschaftlichen Schreie: »Zu den Waffen! Zu den Waffen!« Und selbst der Kronprinz Joseph, ein junger feuriger Kavalier, gab seiner Empörung laut Ausdruck; ja, er ließ sogar den französischen Botschafter zu sich laden und schleuderte ihm die Worte ins Gesicht: »Was Ihr König getan hat, ist Erbschleicherei und ein ganz gewöhnlicher Betrug.«

Und noch jemand war da, der den guten Kaiser zum Kriege drängte; einer, der stets für Deutschlands Ehre ein warmes Herz gezeigt und auch jetzt in seiner ländlichen Zurückgezogenheit nicht des Reiches Wohlfahrt vergessen hatte. Unser Prinz Eugen saß auf seinen ungarischen Gütern, doch mancher Brief wurde von reitenden Eilboten über die Pußta nach Wien gebracht, und in keinem Schreiben fehlten die aufrichtigsten Ratschläge für den Kaiser. Die große Staatsfrage um das habsburgische Erbe in Spanien beschäftigte Eugenius sehr, und er erweckte in Leopold I. endlich den nötigen Widerstand gegen das erfahrene Unrecht. Der Prinz von Savoyen war lauter wie Gold, dieser bewährten Treue konnte der Kaiser nicht mißtrauen. So bestärkte Eugenius das Haus Habsburg in seiner unvermuteten Entschlossenheit, den angebotenen Kampf aufzunehmen.

Den edlen Ritter duldete es nicht länger auf den stillen Steppen Ungarns; die vierspännige Karosse wurde instand gesetzt, und der Prinz reiste an den Kaiserhof. Dort forderte er im Namen des guten Rechts ein mutiges und kühnes Vorgehen und sagte: »Selbst der schwächste Arm wird stark, wenn der Verteidiger unerschrocken sein gutes Recht verficht.«

Der Monarch aber entgegnete mit besorgter Miene: »Bedenken Sie, Durchlaucht, daß Österreich in diesem Streite allein steht und daß die deutschen Fürsten für die so entfernten Länder der Krone Spaniens keine Teilnahme besitzen.«

»Eine gute und gerechte Sache erwirbt stets Bundesgenossen.« Die schönen Augen Eugens leuchteten, als er dies mit tiefster Überzeugung rief.

Keines Wortes mächtig, umarmte Kaiser Leopold den getreuen Feldmarschall. Durch die hohen Fenster vom Schloßhof her klang das Stimmengewirr einer großen Volksmenge. Eben rief die Garde ins Gewehr, da der Kronprinz die Prunktreppe zum Audienzsaal emporstürmte, unsern Eugenius in seiner mannhaften Entschlossenheit zu unterstützen. Unten wuchs das Stimmengewirr der Bürger zu einem Brausen an; nach Rache schrien die Wiener, Frankreich sollte für seine Hinterlist gestraft werden. – Da entschloß sich Kaiser Leopold endlich zum Kriege.

In der Weltgeschichte begegnet man nicht selten Doppelerscheinungen, die, durch Jahrhunderte getrennt, dennoch seltsamerweise einander gleichen wie ein Ei dem andern. Der Krieg um das spanische Erbe währte vierzehn blutige Jahre, doch das deutsche Schwert schlug den Größenwahn der Gallier zu Boden. Um den Thron auf der pyrenäischen Halbinsel kamen damals Deutschland mit Frankreich in Streit – genau so forderte fast zwei Jahrhunderte später der dritte Napoleon wegen der spanischen Erbfolge unser Volk vor die Klinge. Der Übermut kam beidemal dem streitsüchtigen Nachbar teuer zu stehen, und 1870 erlebten die Franzosen noch eine gründlichere Abfuhr als in dem erbitterten Duell, das 1700 begann. Beidemal hat sich die alte Wahrheit bewährt, zu der auch Prinz Eugenius schwor: eine gute Sache ist nie verloren.

Das Schwert sollte also wieder einmal entscheiden, das Schwert eines Alleinstehenden gegen einen Kreis von Feinden. Das ganze romanische Europa hatte sich wider die deutsche Kaiserkrone verschworen. Da ist es begreiflich, daß Leopold I. so lange zögerte, ehe er seinen Wienern den Willen tat. Zudem waren die Kassen der Hofburg leer. Ungeheure Summen hatten die Türkenkriege gekostet, und das kaiserliche Heer wies mehr im Dienst ergraute Krieger auf als waffenfrohe rüstige Männer. Wenn viel, durfte Kaiser Leopold über achtzigtausend Soldaten verfügen, doch waren darunter zahlreiche Veteranen, die im Kampf gegen den Halbmond zwar große Erfahrungen gesammelt, aber dennoch den zweihunderttausend trefflich geschulten Franzosen mit Zagen entgegensahen.

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Schlacht bei Höchstädt am 13. August 1704. Nach einem Kupferstich von Huchtenburg.

Den Kaiser schmerzte es, daß er seinen eignen Schwiegersohn, den tapferen Sieger von Belgrad, im Lager der Feinde sah. Die andern deutschen Reichsfürsten zuckten müßig die Achseln, was kümmerte sie Spaniens Thron. Ja, hätte es dem Türken gegolten, da wäre ihr Schwert aus der Scheide geflogen, so aber fanden sie tausend Ausflüchte, weil sie für den gefährdeten Besitz des Hauses Habsburg ihr eignes Gut und Blut nicht aufs Spiel setzen wollten. Es war ein Unrecht, daß die Fürsten Deutschlands ihrem Kaiser nicht sofort zu Hilfe eilten, ist doch der Feind aus dem Westen auch ihr geheimer Widersacher gewesen, und in seinem argen Herzen war er stets bereit zur Knechtung Deutschlands.

So wäre der Kaiser in dieser schwersten Stunde seines Lebens ganz allein geblieben, nur gestützt auf die eigne, durch jahrzehntelange Türkenkriege geschwächte Kraft. Aber die Hilfe blieb zu guter Letzt auch hier nicht aus. Unter den deutschen Stammesfürsten gab es einen weitblickenden, für des Vaterlandes Wohlergehen zu jedem Opfer bereiten Mann, und der reichte Kaiser Leopold die starke Hand. Es wird ewig der Ruhm des Kurfürsten von Brandenburg bleiben, daß er in dieser Gefahr den deutschen Kaiser nicht allein ließ. Doch der Kurfürst von Brandenburg wußte, was von den Franzosen auch für ihn zu erwarten sei; darum sandte er vierzehntausend seiner stattlichen Grenadiere dem arg bedrängten Kaiser Leopold I. zu Hilfe.

Während Leopold in seiner Bedrängnis nur am Berliner Hofe verstanden wurde, zog der Herzog von Anjou unter dem Jubel der Spanier in Madrid ein. Sein Großvater hatte ihn als erster mit dem erhabenen Worte Majestät angesprochen, nun trug der Knabe als Philipp V. den Hermelin und Purpur. Aber in Wahrheit regierte Ludwig XIV., und er betrachtete das erschlichene Erbe wie einen Teil Frankreichs. »Nun gibt es keine Pyrenäen mehr!« hatte der Herrschsüchtige ausgerufen und damit seine geheimsten Gefühle verraten. Jetzt ließ er schleunigst französische Truppen in Mailand, Neapel und Sizilien einrücken, um damit die italienischen Provinzen Spaniens in Beschlag zu nehmen und die Welt vor eine vollendete Tatsache zu stellen.

Auf dem welschen Boden, den einst die deutschen Kaiser ihrem Stammhause Habsburg zugemessen, flatterte nun das Lilienbanner der Bourbonen; wo aber waren die Österreicher, diese Verwegenheit zu bestrafen? Sie sammelten sich langsam wie Schnecken, und ein paar Regimenter mit dem Notwendigsten auszurüsten, schien nicht gelingen zu wollen. Wohl rasselten die Werbetrommeln in den Erblanden, doch gebrach es an Zeit, die jungen Rekruten einzuüben. Es fehlte an allem und jedem, und als die Regimenter aus Ungarn in Wien eintrafen, war man erstaunt über den jämmerlichen Aufzug der Türkenbesieger.

Goldener Berge hätte es bedurft, das Heer wieder kampffähig zu machen. Die guten Bürger hatten den Kaiser zum Kriege gedrängt, allein jetzt, wo sie die Kosten tragen sollten, begannen sie zu murren. Ja, als Prinz Eugen für das militärische Fuhrwesen in Ungarn Tausende von Zugochsen zusammenkaufen ließ, erhoben die Wiener ein lautes Geschrei, denn sie fürchteten, dadurch um den gewohnten Rinderbraten auf ihrem Mittagstisch zu kommen.

Mit Schrecken erfuhr man in Wien von der Besetzung der italienischen Provinzen. Prinz Eugen bekam den Befehl, so schnell wie nur menschenmöglich seine Truppen nach dem Süden zu führen. Freudig nahm der Prinz den Bescheid entgegen und bestimmte das Städtchen Rovereto in Tirol als Sammelpunkt für die Kaiserlichen, denen sich auch die Brandenburger anschließen sollten. Doch manchen Seufzer erpreßte dem Prinzen der zögernde Fortschritt der Rüstungen. Die Schreiber im Hofkriegsrat verspritzten sehr viel Tinte, aber die Schlagfertigkeit der Armee wurde damit nicht besser.

Ins Ungemessene wuchsen die Schwierigkeiten. Als ein großes Reitergeschwader der Kaiserlichen vom Rhein her nach Südtirol strebte und seinen Weg durch Bayern nehmen wollte, fand es alle Brücken zerstört. Der Kurfürst Max Emanuel unterhandelte schon längst im geheimen mit den Franzosen, und so hatte er den Behörden einen leisen Wink gegeben, die Brücken und Stege zu vernichten, um die Dragoner seines Schwiegervaters zur Umkehr zu zwingen. Als dies dem Prinzen von Savoyen hinterbracht wurde, war er wohl bekümmert; den Mut sinken zu lassen, fiel dem Helden aber nicht ein. Selbst die österreichische Hofkammer in Wien warf dem Prinzen Prügel zwischen die Füße, und der Feldmarschall vermochte nicht einmal durchzusetzen, daß sein eigner Stab zur rechten Zeit marschfertig gestellt war. Das ging über die Kraft des Tapferen, und Eugenius reiste, nur von einem Adjutanten begleitet, nach dem Süden, der ewigen Beschwerden, Eingaben und Bitten müde. Er hatte ein Machtwort des Kaisers in die Wagschale geworfen, und die Herren Kriegsräte wurden jetzt doch etwas eifriger. Trotzdem mußte der Prinz noch Ende Mai, da seine Regimenter schon vor dem Feinde standen, mit Schrecken wahrnehmen, daß die Infanterie ohne Pulver und Blei ins Feld geschickt worden war. Was nützten den Braven ihre Musketen, wenn sie damit nicht schießen konnten! Eugen schrieb zornig und voll Ungeduld einen derben Brief nach Wien und nahm darin kein Blatt vor den Mund. Da erst wurde schleunigst das wohlversperrte Arsenal in Innsbruck geöffnet, und die Truppen bekamen die heißersehnte Munition.

Unter diesen Umständen war es mehr als eine Kunst, Feldherr zu sein. Was nützte dem Prinzen von Savoyen all seine Feldherrnbegabung, wenn er um jedes Pfund Pulver ein untertäniges Bittgesuch nach Wien senden mußte. Und dennoch blieb unser Ritter voller Zuversicht und opferte Tag und Nacht, um seinen Soldaten, so gut als es eben gehen wollte, die rechte »Schneid« zu verleihen. In Rovereto kamen sie allmählich zusammen, die schnauzbärtigen Krieger aus Ungarn und die Milchgesichter, die eben erst unter die kaiserlichen Fahnen geeilt waren. Der bewährte Starhemberg hatte sie in Tirol gesammelt, und man zählte an die dreißigtausend Mann. »Nicht ein Feigling ist darunter,« so stellte der Feldmarschall dem Kronprinzen Joseph seine Getreuen vor, und die Augen des Generalissimus glitten liebevoll die Front der Soldaten entlang.

Ein herrlicher Frühling, ein Maimonat, der erfüllt war von Blütenpracht und dem Jubel der Singvögel, sah unsern Prinzen Eugen seinen berühmten Zug über die Alpen antreten. Die Franzosen hatten alle Pässe im Gebirge versperrt und lachten darüber, daß das kleine Heer Eugens ihre Übermacht aus Italien treiben wolle. Ohne Bangen nahm der Prinz die schwere Arbeit auf sich und konnte kaum den Augenblick erwarten, da er auf den französischen Marschall Catinat stoßen würde, mit dem er schon vor Jahren einmal auf welschem Boden die Klingen gekreuzt hatte. Allein Catinat war nicht gelaunt, die Deutschen nach Italien hereinzulassen; sein Augenmerk hatte der Franzose auf die sogenannte Chiusa gerichtet, den wichtigsten aller von Tirol nach Italien führenden Pässe.

Guido Starhemberg, noch immer der alte Hitzkopf, wollte die Chiusa im Sturm nehmen, doch Eugenius meinte: »Wir brauchen keine Pässe, um nach Italien zu kommen.« Und als ihn seine Generale erstaunt ansahen, wies er ruhig lächelnd mit dem Marschallsstab nach den zackigen Firnen der Alpen. »Dort kommt man auch hinüber,« sagte er.

Vor nichts schrak Eugenius zurück, wenn es galt, seinem Kaiser zu dienen. Und so beschloß der Prinz, das ganze Heer mit Sack und Pack, mit Roß und Wagen, die schweren Geschütze nicht ausgenommen, über das unwegsame Gebirge zu führen. Dazu war es zuvorderst nötig, sich gut umzusehen in den Bergen, und Prinz Eugen ließ sich von ein paar ortskundigen Leuten durch die Schluchten und Felsgrade rings begleiten und kletterte rastlos im Gebirge umher, den rechten Weg zum Übergang auszuforschen.

Der mächtige Berg Balbi krönt unfern dem Städtchen Rovereto den Gebirgszug und sieht wie ein unübersteigbares Hindernis aus. Nur ein schmaler Pfad führt, an schauerlichen Abgründen vorbei, dort empor und nach Italien hinüber. Das war ein Weg für die geübtesten Kletterer, nur für Alpenjäger und Ziegenhirten, aber Eugens scharfes Auge erkannte sofort, daß hier durch Geschicklichkeit und Ausdauer eine Bahn über den Gebirgskamm gelegt werden könne. Gewiß, der Übergang hier mußte möglich werden, und wo die Felsen zu glatten Wänden emporwuchsen, beschloß der Prinz, Tunnels in den Stein zu sprengen.

Ungesäumt wurde das Tiroler Landvolk aufgeboten, und die treuen Leute kamen alle, den Truppen beizustehen. Tausende legten freudig mit Hand an, Männer und Frauen griffen zu Schaufel und Spaten, und mit Eifer und Begeisterung begann der Bau des Weges. Vor keinem Hindernis schraken die wackeren Leute zurück, Tag und Nacht blieben sie am Werke, denn nie war den Tirolern für ihren Kaiser ein Opfer zu groß. Und da die Soldaten ebenfalls rüstig zugriffen, dehnte sich in nicht allzuvielen Tagen über das ganze Gebirge hin eine meilenweite Straße, breit genug für Roß und Wagen.

Wie einst im grauen Altertume Hannibal seine Heerscharen über die Alpen führte, so zog jetzt unser Feldmarschall Eugenius den ungewöhnlichen Weg. Noch immer hüteten die Franzosen sorgsam alle Pässe, und ihr Führer Catinat stand mit vierzigtausend Mann nahe dem Gardasee, denn er schwor darauf, daß die Kaiserlichen nur durch das Etschtal über den Riesenwall der Alpen gelangen könnten. Um den Feind zu täuschen, ließ unser Prinz den General von Gutenstein mit ein paar Regimentern den Franzosen gegenüberstehen, und Marschall Catinat glaubte richtig, das wäre die ganze deutsche Armee.

Unterdessen bliesen in Rovereto, kaum daß der Morgen des 26. Mai graute, die Trompeter zum Aufbruch, und das unglaubliche Wagestück Eugens nahm seinen Anfang. Dieser Zug über die Alpen allein hätte den Prinzen von Savoyen unsterblich machen müssen; war damals doch das höchste Gebirge Europas so gut wie unerforscht, und nur mit Grauen dachten die Zeitgenossen des Prinzen an die Schauer der Alpenwelt. Heute erklimmen begeisterte Naturfreunde die Eisfelder der Bergriesen zum Vergnügen, vor zwei Jahrhunderten noch war es ein waghalsiges Unternehmen, an dessen Gelingen jeder gezweifelt hätte.

Das unerhörte Wagestück gelang. Die Geschützrohre wurden angeseilt und an den Tauen über die schroffsten Felsspitzen emporgezogen und die Pferde an den Zügeln geführt. Es war ein mühseliges Werk, doch die Soldaten blieben bei guter Laune und taten freudig ihre Pflicht. So ging es unerschrocken über Stock und Stein, und kaum eine Woche später standen Mann und Roß wohlbehalten auf italienischem Boden. Wie erschrak der arme Catinat, als er die Deutschen plötzlich und ganz unvermutet vor sich auftauchen sah. Das warf seine Berechnungen über den Haufen; aus dem Text gebracht, gab er die widersprechendsten Befehle und wechselte unschlüssig die Stellungen, vor Angst, mattgesetzt zu werden.

Marschall Catinat war kein Feldherrngenie; er fühlte die geistige Überlegenheit Eugens. Ihm bangte vor einem unerwarteten Angriff, darum hetzte er seine Leute von Ort zu Ort. So waren die Franzosen, noch ehe sie ins Treffen kamen, ermüdet. Ganz anders war die Stimmung bei den Kaiserlichen. Obwohl man für einen Waffengang schlecht vorbereitet und selbst mit dem Notdürftigsten kaum versehen war, hatte sich die Ruhe unsers Prinzen auch dem letzten Manne mitgeteilt, und alle sahen heldenmütig der Entscheidung entgegen.

Am 8. Juli 1701 beschloß Eugen von Savoyen einen Nachtangriff. Nur mit zehntausend Streitern packte er die völlig überraschten Franzosen bei der Ortschaft Castagnaro, wo sie im gutverschanzten Lager ungestört bis in den hellen Morgen zu schlafen gehofft hatten. Welch ein Erwachen für den überrumpelten Catinat! Wie Spreu im Winde wurden die vierfach überlegenen Franzosen von der kleinen Macht Eugens dahingefegt. Sie liefen, was sie konnten, und sammelten sich nahe der Stadt Carpi, wo sie zwischen Reisfeldern und Sümpfen Deckung suchten. Doch schon am nächsten Tage schlug der edle Ritter den verjagten Feind in der neuen Stellung so gründlich aufs Haupt, daß Ludwig XIV. seinem unfähigen Marschall schleunigst den Feldherrnstab abnahm.

Eugenius hatte, wie so oft vordem, auch in der Schlacht bei Carpi sein eignes Leben für die Ehre Österreichs kühn eingesetzt. Er fiel mit dem zu Tode getroffenen Streitroß und trug zeitlebens als Erinnerung an diesen rühmlichen Tag die Narbe nach einer leichten Verwundung; es war nicht seine erste und sollte auch nicht seine letzte sein.

Den Franzosen blieb nun nichts übrig als der Rückzug; sie sengten und mordeten wie richtige Räuber in den Gegenden, durch die sie den Weg nahmen. Ihr Krebsgang endete erst nach dem Eintreffen von Catinats Nachfolger, Villeroy. Der neue Marschall, ein Vertrauensmann und Jugendfreund Ludwigs XIV., führte frische Truppen mit sich. In Paris, wo man die Nachricht von der Niederlage bei Carpi mit Zorn und maßloser Verwunderung empfangen hatte, erwartete alles von dieser bedeutenden Verstärkung der französischen Kriegsmacht einen sicheren Erfolg. Bei seiner Abreise hatte Villeroy prahlerisch verkündet, er werde den edlen Ritter als Gefangenen vor die Füße des Sonnenkönigs legen. Ludwig XIV. klangen solche Verheißungen wie Musik in den Ohren, denn sein Haß gegen Eugenius war jetzt grenzenlos.

Die gallischen Hofpoeten schrieben schon an ihren Siegesgedichten, als Ludwig während eines rauschenden Festes von einer neuen schrecklichen Niederlage seiner Soldaten erfuhr. Am 1. September hatte nahe beim Städtchen Chiari eine große Schlacht stattgefunden, wo sechzigtausend Franzosen von nur fünfundzwanzigtausend Deutschen jämmerlich zusammengehauen wurden. Der eitle Marschall Villeroy verlernte da das Prahlen und Großtun. Auch der Vetter unsers Helden Eugen, der Herzog Viktor Amadeus, zog kleinlaut von dannen, denn der Herr der savoyischen Berge hatte sich wieder einmal mit den Franzosen gegen den Kaiser verschworen und war dem Marschall Villeroy zu Hilfe geeilt. Als die Gegner nach dem heißen Tage von Chiari ihre Mannschaften zählten, da fehlten bei den Franzosen und ihren Verbündeten von den Offizieren allein schon an die dreihundert, die vor dem Feinde verblutet waren. Vier Regimenter erlebten die Schmach, ohne Fahnen präsentieren zu müssen, weil die Kaiserlichen sie ihnen abgenommen hatten. Aber Eugenius vermißte bei der Siegesparade nur sechsunddreißig Soldaten. Solch ein Sieg durfte sich schon sehen lassen, und er wurde in ganz Deutschland auch nach Gebühr bejubelt.

Das Bild der Schlacht vor Chiari, die unserm Helden Eugen neuen Ruhm brachte, ist schnell entworfen. Die Kaiserlichen hatten sich nach drei Seiten mit der Flinkheit von Maulwürfen in die Erde eingegraben und blickten nun erwartungsvoll über die Schanzen hinweg dem Feind entgegen. Der Prinz von Savoyen aber befahl seinen Schützen, sich in die Laufgräben zu ducken und erst dann die Musketen loszubrennen, wenn das Franzosenheer auf fünfzig Schritt herangekommen wäre. Villeroy wußte nicht recht, was die entvölkerten Schanzen bedeuten sollten. Nicht ein Kaiserlicher war zu erblicken, und die Soldaten des Sonnenkönigs hielten das Lager für geräumt. Doch als die Franzosen ganz nahe waren, blitzten die Gewehrläufe der Österreicher hinter den Erdwällen auf, und schon die erste wohlgezielte Salve brachte den unvorsichtigen Feind in Unordnung. Marschall Villeroy war durch diese Kriegslist Eugens so niedergedonnert, daß er jeden weiteren Befehl vergaß und später alle Schuld für die verlorene Schlacht seinem Mitkämpfer, dem Herzog Viktor Amadeus, aufbürden wollte. Die Franzosen trauten den Piemontesen eben nicht recht und hielten den Herzog von Savoyen eines Verrats schon für fähig. Da hatten sie freilich recht, doch an der Niederlage vor Chiari war der Leichtsinn des ruhmredigen Villeroy allein schuld.

Daß Prinz Eugen den Feind so schnell über den Haufen gerannt hatte und nun schon Herr der halben Lombardei war, rief weit und breit freudiges Staunen hervor. Selbst das Landvolk wandte sich von den Franzosen ab und wurde ein Freund der Deutschen, die milder und menschlicher mit ihm umgingen. Der Herzog von Savoyen begann heimlich zu bereuen, daß er dem Pariser Königshofe Gefolgschaft geleistet hatte. Offen wagte Viktor Amadeus noch nicht zum Kaiser überzugehen, doch dafür säumten manche deutsche Fürsten nicht länger, dem Erzhause Habsburg in dem schweren Ringen um sein Recht beizustehen. Der König von Preußen sandte nun die versprochenen Grenadiere, Hannover und Dänemark liehen auch ein paar tausend Soldaten, Holland trat dem neuen Bunde bei, und das mächtige Großbritannien schloß den Kreis. Sie alle waren besorgt, durch Frankreichs Herrschsucht Schaden zu leiden, und so wurde unsers Eugen prophetisches Wort zur Wahrheit, daß jeder Alliierte findet, wer sein gutes Recht verficht.

In Italien fällt selten Schnee; dafür regnet es dort zur Herbstzeit und die Wintermonate hindurch um so fleißiger. Der aufgeweichte Boden verhinderte auch in dem Feldzuge Eugens jeden Fortschritt, und die Franzosen gedachten daher, sich in ihren Winterquartieren von ihren glorreichen Waffentaten zu erholen. Unser Eugen ließ die Feinde aber nicht zur Ruhe kommen; ihm fehlte die Lust, das schlechte Wetter zum Vorwand für einen unangebrachten Müßiggang zu nehmen. Der Prinz bildete aus seinen Leuten fliegende Korps, die in kleinen Abteilungen das Land durchstreiften und die Franzosen um den ersehnten Winterfrieden brachten. Ort um Ort mußte der Feind räumen, nur die Festung Mantua blieb ihm in der ganzen Gegend. Feldmarschall Eugenius schloß sofort diesen wichtigen Platz ein und begann eine regelrechte Belagerung der Stadt Mantua.

Inzwischen saß der Prahlhans Villeroy hinter den Mauern des alten Cremona, das weltberühmt ist durch die wunderbaren Geigen, die dort gebaut wurden. Der Marschall von Frankreich war schlechter Laune, denn König Ludwig zürnte ihm ob seiner Niederlage, und so suchte Villeroy den Kummer mit einem vorzüglichen Wein hinunterzuspülen. Täglich gab es große Gastereien im Hause, und auch in jener stürmischen und regnerischen Nacht, die für den französischen Feldherrn so verhängnisvoll wurde, zechte man im Hauptquartier nach Herzenslust.

Es war eine stockfinstere Januarnacht, als Prinz Eugenius sein prächtiges Heldenstückchen ausführte. Der Pfarrer Antonio Cosoli besaß in Cremona ein Haus, in dessen Keller ein schmaler Wasserkanal mündete. Durch die ganzen Festungswerke, vom äußersten Wall führte dieser enge, kaum zwei Schuh breite Weg. Die Franzosen hatten keine Ahnung, daß hier eine geheime Verbindung mit der Außenwelt war, und auch Eugenius erfuhr nur durch Zufall davon. Ein Offizier seines Stabes studierte einst gemeinsam mit dem Pfarrherrn Cosoli an der Universität zu Paris, und da sie auch fernerhin in eifrigem Briefwechsel blieben, so hatte der Geistliche früher einmal von diesem sonderbaren Wasserweg berichtet. Jetzt führte Prinz Eugen eine Anzahl tollkühner Männer diesen schmutzigen, nur von Ratten bevölkerten Geheimpfad.

Vorsichtig wateten die Musketiere durch das schwarze Wasser, kein Wort wurde gewechselt. Als man endlich im Keller des Pfarrhauses angekommen war und sich genug Streiter beisammen fanden, überrumpelten die Leute Eugens ganz unerwartet die schläfrigen Wachtposten vor dem Palaste des Marschalls Villeroy und nahmen dem französischen Feldherrn den Degen ab. So wurde Villeroy, der sich in Paris vorzeitig gerühmt hatte, den Prinzen von Savoyen gefangen nach Frankreich zu bringen, selbst ein Gefangener Eugens.

Ludwig XIV. geriet außer sich vor Wut, als die Kunde von dem gelungenen Streich unsers Helden an seinen Hof drang. Eugenius hatte sich in Cremona mühselig durchschlagen müssen, nun war er aber wieder heraus aus der Mausefalle und sandte mit einem passenden Begleitbrief seinem Kaiser den Marschall Villeroy als willkommenes Beutestück. Der Franzose wurde nach Steiermark in Gewahrsam gebracht, mit ausgesuchter Rücksicht behandelt und lebte in Graz neun Monate lang, bis er gegen einen bei Carpi gefangengenommenen Grafen Waldstein vom Feinde ausgetauscht wurde.

Wieder mußte Ludwig XIV. einen andern Marschall nach Italien senden. Diesmal fiel seine Wahl auf einen wirklich tüchtigen, waffenerfahrenen Schlachtenlenker, auf den Herzog von Vendôme. Der neue Vertrauensmann des Sonnenkönigs war ein Jugendgespiele unsers Eugen, und es bedrückte den edlen Ritter, mit dem einstigen Freund aus der Kinderzeit nun das blutige Würfelspiel der Waffen erproben zu müssen. Der Prinz schätzte den Herzog als einen ebenbürtigen Gegner und hatte vor dessen Kriegskunst die größte Achtung. Vendôme führte bedeutende Verstärkungen herbei und brachte das französische Heer in Italien bis auf achtzigtausend Mann. Wie sollte da unser Prinz mit seinen wenigen Regimentern bestehen können, noch dazu wo es sich um einen Gegner von der Begabung eines Marschalls Vendôme handelte! Da konnte nur ein Gewaltstreich helfen, und Eugenius beschloß, dem Herzog von Vendôme ähnlich beizukommen wie dessen Vorgänger Villeroy.

Mantua, diese welsche Stadt, wo ein Jahrhundert später Andreas Hofer durch französische Tücke seine Seele aushauchen mußte – die Festung Mantua war von den Kaiserlichen noch immer eng eingeschlossen. Jetzt aber marschierte Vendôme heran, und Eugenius vermochte der geringen Machtmittel wegen den Entsatz nicht zu verhindern. Er räumte daher scheinbar das Feld, kehrte jedoch des Nachts heimlich wieder zurück, und fast wäre es ihm geglückt, den Oberfeldherrn des Feindes in einem hölzernen Wachthause vor Mantua in seine Gewalt zu bringen. Alles war mit kaltblütiger Umsicht für den Handstreich vorbereitet, da verriet ein vorzeitiger Musketenschuß den waghalsigen Plan. Aber es gibt ein Wiedersehen, dachte Eugenius, als er von Mantua Abschied nahm.

Am 15. August 1702 maßen die ebenbürtigen Gegner zum erstenmal ihre ungleichen Kräfte. Am Ufer des Po bei Luzzara stieß der Marschall Vendôme mit dem österreichischen Generalissimus zusammen. Ein schweres Ringen um das Kriegsglück begann. Beide, Eugen wie sein einstiger Jugendgespiele, wagten unbedenklich das eigne Leben. – Überaus hitzig ist der Kampf, der erst am späten Nachmittag so recht beginnt und bis in die späte Nacht währt. Nur zwanzigtausend Deutsche bieten kühn fast sechzigtausend Franzosen die Stirn. Wild brandet die Schlacht, die sehr blutig werden soll. Mit Todesverachtung wird auf beiden Seiten gefochten, und es gelingt Eugenius, das Schlachtfeld zu behaupten. Die Kaiserlichen trotzen der Übermacht, aber so erschöpft hat sie die schwere Aufgabe, daß ihrem Führer die Ausnutzung des Sieges versagt ist. Ja, die österreichische Armee, die, ihres Feldherrn dringenden Bitten und Vorstellungen zum Trotz, immer noch den alten Mangel leiden muß, wird von den Franzosen um den Lorbeer dieses Sieges gebracht, was Eugenius tief und bitter kränkt.

»Das Elend nicht länger mit anzusehen,« schreibt der Prinz nach Wien, »bin ich gesonnen, gänzlich zu quittieren.« So bedrückt war das Herz des edlen Ritters, der mit leeren Taschen einen kostspieligen Krieg führen sollte, denn von Wien blieb nach wie vor jede Unterstützung aus. Eugens Soldaten mußten Hunger leiden und hatten am Nötigsten Mangel. Da war es kein Wunder, daß die Kaiserlichen von den Franzosen wieder zurückgedrängt wurden. Zum Dreinschlagen zu sehr ermattet, sah sich Eugenius um die Früchte seiner rastlosen Arbeit betrogen. »Der Mangel im Heer,« klagte der Feldmarschall, »ist weit größer, als ich ihn zu schildern vermag, und als jemand glauben würde, der das Elend nicht mit eignen Augen angesehen hat.«

Übrigens wagten jetzt auch die Franzosen nichts Rechtes mehr, weil ihnen Viktor Amadeus nun doch seine Hilfe entzogen hatte. Der Herzog zürnte immer noch, daß ihm die Niederlage bei Chiari zur Last gelegt wurde, und trat jetzt endlich offen für den Kaiser ein. Das besserte die Lage Eugens erheblich, aber die aufreibende Art der Waffenführung, die maßlosen Schwierigkeiten mit dem Wiener Hofkriegsrate, die fruchtlosen Kämpfe nach allen Fronten beugten den schwachen Körper des Prinzen von Savoyen. Sein altes Lungenübel begann ihn wieder zu quälen, und im Frühling erkrankte der Feldmarschall lebensgefährlich.

Was dieser heldenhafte Geist in den letzten Jahren an Hindernissen überwand, zeugt von einer heroischen Tatkraft. Der edle Mensch trug die schwere Verantwortung seines Feldherrnamtes nicht wie andre, er wollte für den Geringsten seiner Leute wie ein Vater sorgen. Doch seit dem Tode des greisen Rüdigers von Starhemberg, des unvergessenen Verteidigers von Wien in den bangen Monden der Türkennot, seit dem Hinscheiden des trefflichen Präsidenten des Hofkriegsrates mußte der Prinz viele Monate hindurch ohne Weisungen bleiben, und die Herren in Wien würdigten den großen Mann nicht einmal einer Antwort. Das kränkte den Helden und erfüllte ihn mit solch einer Bitterkeit, daß sein Leiden böse Fortschritte machte und ihn auf das Krankenlager warf. Lange rang Eugenius mit dem Tode; als er im Herbst schließlich doch gesundete, war sein Haar ergraut.

Kaum fühlte sich der Prinz von Savoyen wieder wohl, als er einen Urlaub erbat und nach Wien reiste. Nicht das Verlangen nach Zerstreuung lockte ihn in die alte Kaiserstadt, er wollte den verfahrenen Staatskarren wieder auf den Damm bringen, den alten Schlendrian mit dem Feuer seiner Beredsamkeit aus den Ämtern hinwegfegen. Das Verlangen nach einem neuen, segensreichen Wirken führte Eugenius an den Hof, und er rastete nicht eher, als bis ihn Kaiser Leopold zum Vorsitzenden des Kriegsrates ernannt hatte. Nun wußten alle, die es mit der Armee gut meinten, daß eine bessere Zeit für das deutsche Schwert gekommen sei.

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