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3. Kapitel.
Des Markgrafen von Baden Prophezeiung.

Der Zug nach Wien hatte dem Sultan siebzigtausend seiner besten Krieger gekostet. Nun flutete das geschlagene Türkenheer nach Ungarn zurück, und es galt, den Osmanen das Wiederkommen für immer zu verleiden. Fünf Tage rasteten die Sieger, dann nahmen sie voll Tatkraft die Verfolgung auf. Die Angegriffenen wurden zu Angreifern, vorwärts ging es mit fliegenden Fahnen weit in die madjarischen Tiefebenen hinein.

Mehr als ein Jahrhundert hatte dort ein türkischer Pascha von der Festung Ofen herab fast das ganze Land beherrscht. Jetzt endlich lachte den österreichischen Waffen das Glück.

Kara Mustafas Versuch, die zügellosen Haufen seines Heeres zu sammeln, war mißglückt. Die Trümmer der stolzen Armee wichen immer weiter zurück, und am 7. Oktober stellte bei Parkány die polnische Reiterei die Fliehenden. Zwar erlitten dort die Polen eine kleine Schlappe, rächten sie aber zwei Tage darauf blutig, nachdem ihnen Markgraf Ludwig von Baden zu Hilfe gekommen war. Schnell wurde sodann das befestigte Gran bezwungen, worauf sich die Polen über Oberungarn nach Hause begaben.

Noch ein gutes Stück Arbeit wartete auf die Kaiserlichen, und die Reichstruppen wollten ihnen dabei treue Gefolgschaft leisten. Zuvörderst wurden die Gesinnungsgenossen des Grafen Tököly gänzlich niedergeworfen. Sie hatten bei Wien schon ihren ganzen Übermut eingebüßt, jetzt nahm man ihnen das Städtchen Leutschau ab, und ihr verwegener Anführer rettete sich ins Gebirge. Später geriet er in die Gefangenschaft der Türken, die ihrem einstigen Verbündeten längst nicht mehr trauten. Der Kaiser hatte einen allgemeinen Generalpardon für die Rebellen erlassen, und so verliefen sich schnell die Anhänger des unbotmäßigen Mannes und begaben sich freiwillig wieder in den Schutz des österreichischen Doppelaars.

Schlimmer war es unterdessen dem besiegten Großwesir ergangen. Als er in Belgrad mit den jämmerlich zusammengeschrumpften Resten seines Heeres eintraf, wurde Kara Mustafa nicht einmal vor den Thron des erzürnten Sultans gelassen. Der Großherr wollte des unglücklichen Feldherrn Verteidigung nicht anhören und sandte ihm die seidene Schnur. Nach der türkischen Sitte war dies ein Befehl, Selbstmord zu verüben: Kara Mustafa hat dem Willen des Sultans gehorcht.

1683 gab es einen ungewöhnlich harten Winter. Eisig pfiff der Nordwind über die Pußta, und alle Wege lagen unter meterhohem Schnee verweht und verschüttet. Das zwang die Truppen zu einer unwillkommenen Rast, die Kaiserlichen bezogen ihre Winterquartiere. Kaum taute es aber, ging man auch schon daran, dem Türken die ungarischen Städte abzunehmen, die noch in seiner Gewalt geblieben waren.

Der junge Oberst des Dragonerregiments Kufstein, unser Prinz Eugen, hatte ungeduldig den Frühling erwartet, denn er sehnte sich nach neuen Lorbeeren. Sein Oberfeldherr, General-Feldwachtmeister Markgraf Ludwig von Baden, hatte von ihm nach Wien geschrieben: »In dem Prinzen Eugenius steckt ein großer Kriegsheld. Dieser junge Savoyarde wird mit der Zeit alle erreichen, die der Welt jetzt als große Feldherren gelten.« Das war ein stolzes Lob und wurde noch bedeutsamer durch den ruhmgekrönten Spender, der, als Mensch und Soldat gleich trefflich, die Gaben des viel Jüngeren neidlos anerkannte. Herrlich hat sich diese Prophezeiung erfüllt!

Als die Kriegszeit wiederkam, rückten die Kaiserlichen vor die Festung Ofen, das türkische Buda. Das Bollwerk des Halbmondes mitten im Herzen Ungarns mußte hinweggeräumt werden, früher gab es keinen Frieden für die Deutschen. Aber vergebens berannte das Reichsheer die osmanische Hochburg; noch im Herbst war dieser starke Waffenplatz unbezwungen, wiewohl es den Streitern glückte, ein Türkenheer, das zum Entsatz Ofens herangerückt war, zurückzuwerfen.

Ein Kriegsrat sollte die weiteren Schritte beschließen. Jeder General hatte seinen eignen Plan, daher konnten sich die Herren nicht einigen. Wäre Prinz Eugenius dabei gewesen, der hätte schon einen guten Rat gewußt, doch ein schlichter Oberst darf da nicht hineinreden, er hat nur zu gehorchen. Einen annehmbaren Vorschlag unterbreitete Guido von Starhemberg, der groß geworden war im ernsten Waffenspiel. »Zuerst muß Neuhäusel fallen, dann bekommen wir Ofen,« war die Ansicht dieses erfahrenen Truppenführers. Er wurde überhört, und so mußten die Truppen, ohne ihr Ziel erreicht zu haben, abermals überwintern. Erst als Neuhäusel im nächsten Frühjahr tatsächlich in die Hände der Kaiserlichen geriet, konnte man hoffen, dem standhaften Ofen endlich beizukommen.

Auch der Sultan hatte die langen Feierstunden des Winters fleißig genützt und in Adrianopel, der damaligen Hauptstadt des türkischen Reiches, eine neue große Armee ausgerüstet. Schon wälzte sich die osmanische Heersäule Ofen zu, um der bedrohten Feste Schutz zu bieten. Die Türken aufzuhalten, ehe sie ihr Ziel erreicht, war eine wichtige Aufgabe. Und nach schweren Kämpfen gelang sie auch, reichten sich doch alle Deutschen in froher Waffenbrüderschaft unter der Kaiserstandarte die Hände. Die Bayern und Preußen, die Schwaben und Sachsen stritten wacker mit, um die zudringlichen Fremdlinge aus dem Lande zu treiben. Aber das Schönste war, daß auch zwanzigtausend Ungarn zu den Kaiserlichen stießen. Sie glaubten dem Verführer Tököly nicht mehr, hatten sich von ihm abgewandt und erneuerten dem Hause Habsburg den alten Eid der Treue. So hatte sich alles vereinigt, um den Erbfeind des Kreuzes völlig zu vernichten.

Schon war die Unterstadt von Ofen mit dem Schwert genommen, aber die eigentliche Festung, die trotzig über der Donau thronte, dachte noch immer nicht daran, sich gutwillig zu ergeben. Karl von Lothringen versuchte alles, um die Hartnäckigkeit der Türken zu brechen. Es braucht nicht erst gesagt zu werden, mit welchem Eifer unser Prinz Eugen bei der Sache war. Auf dem linken Flügel der kaiserlichen Reiterei stand sein Regiment, und die Dragoner des jungen Obersten gingen so flott vor, daß sie bald bis an die hochgetürmten Mauern der Festung herankamen.

An der Südseite Ofens gab es einen schmalen Hohlweg, der führte zwischen zwei Berghängen hindurch, um in einer weiten Ebene zu münden. Das war die gefährlichste Stelle, und der Oberfeldherr hatte Eugen von Savoyen diesen wichtigen Platz anvertraut. Täglich brachen die Türken hier aus der Festung hervor; die Kämpfe und Scharmützel nahmen kein Ende, denn von beiden Seiten wurde um den Besitz des kleinen Engpasses erbittert gerungen. Eugenius ließ nicht locker, der Hohlweg blieb von seinen Dragonern gesperrt, so sehr sich auch die Feinde mühten, ihn zu säubern. Das hatte einen besonderen Grund; erwarteten doch die Osmanen an dieser geschützten Stelle das Eintreffen des Entsatzheeres. Und sie hatten richtig vermutet.

Einstweilen mußten sie sich allerdings noch gedulden, nur langsam führte der neuernannte Großwesir Ibrahim die sehnlichst erwartete Hilfe heran, denn oft genug wurde ihm durch die kaiserlichen Vorposten das Weitermarschieren erschwert. Inzwischen nahmen die blutigen Ausfallsgefechte kein Ende. Einmal schoß man Eugen von Savoyen das Roß unterm Leibe tot, ein andermal traf ihn ein türkischer Pfeil, der zum Glück nicht vergiftet war. Dies hinderte den jungen Obristen nicht, an der Spitze seines Regiments zu bleiben. Die Dragoner vergötterten »ihren Kleinen«, wie sie ihn liebevoll nannten, und weil er Gutes und Böses mit ihnen brüderlich teilte, dienten sie freudig unter seinem Befehl. Das war viel wert bei einem Feldzug, der eine so zähe Ausdauer erforderte. In Ofen lagen nämlich die mutigsten Krieger des Sultans. Vorräte gab es in der Festung auf Jahre hinaus, und die Türken dachten nicht daran, vor dem zweiköpfigen Adler Österreichs die Fahne zu streichen.

Der Herzog von Lothringen hatte eine stattliche Armee. Sechzigtausend Mann mühten sich Tag und Nacht, die Festung Ofen zu bezwingen. Fünfzehnhundert Kugeln verschoß die deutsche Artillerie täglich, und mit dreiundvierzig Mauerbrechern berannten die Pioniere die Wälle. Doch der Halbmond wankte nicht, und Ofen blieb türkisch. Das blieb es auch, nachdem der Kurfürst Max Emanuel von Bayern mit einem kampfbegierigen und noch unermüdeten Heer zu den Truppen gestoßen war.

Schon im verflossenen Jahre war ein türkisches Entsatzheer, seiner Übermacht zum Trotz, bei Gran aufgerieben worden. Auch dort hatte Eugenius gekämpft, und der Siegesbericht nach Wien schrieb ihm einen wesentlichen Anteil an diesem Waffenerfolg zu. Als Generalmajor finden wir den Prinzen wieder vor den Mauern Ofens. Dort geht es nun hoch her. Die Türken sind gut versorgt, und mit Hohngelächter begegnen sie den neuen Stürmen. Sie wissen, daß das Heer des Großwesirs nun bald eintreffen muß, und erwarten von der Hilfe Ibrahims die Vertreibung der Deutschen.

In Ofen führt ein Greis das Regiment. Abdurrhaman Pascha zählt siebzig Jahre, doch ist er von eiserner Willensstärke beseelt, und die Tatkraft eines Jünglings zeichnet ihn aus. Seine Krieger versteht er anzufeuern und zu begeistern für die Aufgabe, Ungarn dem Halbmond zu erhalten. Alle wissen, mit dem Fall Ofens ist auch die Osmanenherrschaft jenseit des Balkans zu Ende, und so setzen sie den Belagerern den wildesten Widerstand entgegen. Die Türken sind eine tapfere Nation, und es wäre ungerecht, sie als kulturlose Barbaren zu bezeichnen. Da der deutsche Kaiser Friedrich Barbarossa in seinem italienischen Königreiche Sarazenen ansiedelte, hatte er ihre Kunstfertigkeit und ihren Gewerbefleiß dorthin verpflanzen wollen. Und aus dem nämlichen Grunde berief Kaiser Karl IV. arabische Teppichweber nach Prag. Aber die Gelehrsamkeit und der Kunstsinn der Mauren waren in Vergessenheit geraten durch die türkischen Eroberungszüge.

Mit Feuer und Schwert waren die Osmanen aus ihrer asiatischen Heimat über das Meer gekommen, und ihre Unduldsamkeit bedrückte lange schon die Herzen in Europa. Hundertundfünfzig Jahre fast glänzte der goldene Halbmond auf der Frauenkirche zu Ofen; daß er nie sinken dürfe, schwor sich der Pascha Abdurrhaman beim Barte des Propheten zu, und seine sechzehntausend tapferen Türken taten den gleichen Eid.

Seit dem 18. Juni 1686 war die Festung wieder von den Deutschen eng eingeschlossen. Am 12. August begannen die Gefechte der Kaiserlichen gegen Ibrahim, dem der Entsatzversuch gründlich verleidet wurde. Siebzehn Tage lang mühte sich der Großwesir, die Christen aus der Nähe Ofens zu verscheuchen. Es mißlang, und die heißen Stürme gegen die Festung währten ungeschwächt fort. Geschlagen wich Ibrahim endlich zurück, und bald darauf bliesen die Trompeten des Lothringers zum Generalsturm gegen Ofen.

Von Kugeln durchlöchert waren die Wälle, halb eingestürzt die ungeheuren Basteien, doch auf den zerschossenen Festungsmauern zeigte sich keine weiße Fahne, die um Frieden gebeten hätte. Die Türken zogen den Tod einer schimpflichen Übergabe vor, und ihr Ruf »Allah il Allah!« übertönte das Heulen der Granaten. Auch als eine brennende Bombe in das Pulvermagazin fiel, blieben die Türken standhaft. Ein furchtbarer Schlag ließ die Luft erbeben, turmhoch schossen aus der bedrängten Stadt Feuergarben empor, Häuser und Paläste wankten, und der Erdboden zitterte wie unter einem gewaltigen Erdbeben – aber die Türken ergaben sich nicht. Unter den Trümmern wurden Hunderte von Menschen begraben, andre erstickten im Feuerqualm, allein die übrigblieben kämpften ruhig weiter.

Und sie kämpften noch, da am 2. September 1686 das Schicksal Ofens besiegelt wurde. An diesem Tage fiel der Schlüssel zu Ungarn in die Hand des Kaisers Leopold, an diesem Tage holten die Deutschen von den Türmen der Ofener Frauenkirche den Halbmond herab, und heute erinnert dort nur noch das Grab eines osmanischen Heiligen an die böse Türkennot.

Hageldicht fielen die Geschosse, der Kugelregen prasselte vom Morgengrauen an in die Stadt. Auf der Bresche am Wiener Tore sank der greise Abdurrhaman zu Tode getroffen nieder. Er hatte bis zum letzten Atemzuge den Seinen ein leuchtendes Beispiel gegeben, und wo das Abzeichen des Pascha, die drei Roßschweife, im Winde flatterte, türmten sich die Leichen der tapferen Verteidiger. Über viertausend Türken wurden an diesem Tage erschlagen.

Es wurde schon erzählt, daß Eugen an einer Wunde litt, die ihm ein Tatarenpfeil gerissen. Wir wissen auch, daß er dennoch nicht den Degen in die Scheide stieß, sondern standhaft an der Spitze der Reiter blieb. Um den Prinzen zu schonen, übertrug man ihm zu seinem großen Verdruß nur leichteren Dienst. Beinahe wäre so der Feuerkopf um seinen Anteil an dem Ehrentage von Ofen gekommen, denn am glorreichen 2. September sollte der Prinz von Savoyen die Lagerwache halten. Bei einer großen Armee wird immer ein Oberst oder Generalmajor mit dem Lagerkommando betraut. Doch Eugenius konnte es nicht fassen, warum just er zum Stillsitzen verurteilt sein sollte, während draußen die Hörner zur Attacke riefen. Das mußte verhindert werden! Der Prinz bekam Tränen in die Augen bei dem Gedanken, untätig zu bleiben. Auch seine Dragoner brannten darauf, dreinzuschlagen. Da ging er für sich und die Seinen bitten. Mit soldatischer Offenheit brachte er das dringende Gesuch vor: »Wir wollen nicht um unser Pläsier kommen.« Und gleich darauf rasselten die Savoyen-Dragoner in die Front.

So hielt ein andrer für Eugenius die Lagerwache, denn unser Prinz von Savoyen hatte Wichtigeres zu tun. Wie ein Wirbelsturm sauste er mit seinen Leuten auf Ofen zu, über Verschanzungen hinweg ging das Wettrennen, keine Hindernisse galten, und als der breite, mit Wasser gefüllte Festungsgraben den Reitern den Weg sperrte, wurde er schwimmend genommen. Da oben auf den Mauern machten die Türken eine gar sonderbare Musik; als ob hundert Gewitter zu gleicher Zeit am Himmel stünden, so rollte und dröhnte es, und die Kanonen rissen in die Reihen der Soldaten manche Lücke. Aber wer durchkam hatte keine Zeit, sich nach den gefallenen Brüdern umzusehen. Eugen ließ die Dragoner absitzen, und mit Äxten wurde das Tor gesprengt.

Als einer der ersten drang der Prinz in die Festung. Ein rauchgeschwärztes Trümmerfeld lag Ofen zu den Füßen der Bezwinger. Furchtbar war der Ort verwüstet, die Minen der Österreicher hatten ihn zerstört und die Bomben und Pechkränze lange Häuserreihen in Brand gesteckt. Was von der prächtigen Stadt übriggeblieben war, konnte nur als ein häßlicher Schutthaufen gelten. Doch der Sieg war erfochten, und der Anteil unsers Eugenius wurde von allen anerkannt. Des Prinzen Gönner, Ludwig von Baden, freute sich, schon vordem in dem jungen Krieger den künftigen Helden geahnt zu haben. Und auch der bayrische Kurfürst Max Emanuel wandte ihm seine herzliche Neigung zu. Aber die Herren in Paris verübelten dem Prinzen von Savoyen diese Waffenerfolge sehr. Der vierzehnte Ludwig ärgerte sich, daß er es versäumt hatte, einen so tapferen Haudegen an seine Fahne zu fesseln. Hätte er in die Zukunft sehen können, wäre ihm das Gesicht Eugens nicht »fatal« erschienen. Den Fehler wieder gutzumachen, war für den Franzosenkönig zu spät. Er sollte sein oberflächliches Urteil von einst noch oft und bitter bereuen.

Während sich die Müßiggänger am Pariser Königshofe die Köpfe zerbrachen, wie es hätte anders kommen können, wäre der Prinz der Ihre geblieben, saß er schon wieder im Sattel und trieb die geschlagenen Janitscharen unaufhaltsam vor sich her. Ihm wurde die Aufgabe zuerteilt, den Feind über die Donau zurückzuscheuchen. Das war eine lustige Türkenjagd, treu dem Sprüchlein, das der Volksmund damals gedichtet:

Mischka, Mischka, raita!
Zabel an die Saita!
Nimm die Korbatsch in die Hand,
jag' den Türken aus dem Land!

Die Osmanen wurden über die Donau geworfen, und der Prinz von Savoyen trieb sie nun mit Schimpf und Schande ihrer Heimat zu. Vor Fünfkirchen kommandierte er: »Abgesessen!« Und als ob es ein Kinderspiel wäre, eroberten die Dragoner in wenigen Stunden diesen festen Platz. Lange jedoch hielt sich unser Eugen hier nicht auf, nur eine kleine Besatzung ließ er in Fünfkirchen zurück, dann stürmte er weiter und half Kroatien, das noch immer unter der Türkennot seufzte, von den Janitscharen säubern.

Der tapfere Prinz hätte noch mehr getan, denn seine Dragoner gingen für ihn durchs Feuer, aber die kaiserlichen Heerführer lebten just damals in argem Unfrieden. Kleinliche Eifersucht hatte sie entzweit, mißgünstig stritten sie untereinander, und dies lähmte die Tatkraft der Deutschen. Keiner wollte dem andern gehorchen, offen widersprach Markgraf Ludwig von Baden dem Herzog von Lothringen. Der Lothringer berief sich darauf, er führe den Marschallstab des Römischen Reiches Deutscher Nation, doch Ludwig von Baden sagte ihm ins Gesicht: »Ein deutscher Reichsfürst braucht einzig allein vom Kaiser Befehle anzunehmen.« Und auch der junge feurige Kurfürst Max Emanuel von Bayern ging nach seinem eignen Kopf vor und wollte sich von dem Oberbefehlshaber nichts hineinreden lassen. Der Zwist unter den Feldherren kränkte Eugen bitter, er wußte, daß kriegerische Unternehmungen nur dann Erfolg haben, wenn alles einer einzigen starken Führerhand gehorcht.

Prinz Eugen von Savoyen hatte in diesem Feldzug Übermenschliches geleistet. Von Natur aus schwächlich, triumphierte er dank seiner Willensstärke über den zarten Körper, nicht einmal die Wunde konnte ihn zur Rast zwingen. Nun ging der ritterliche Mann doch nach Wien. Es war Winter geworden, und für die nächsten Monate gab es keine Lorbeeren zu pflücken, da wollte er in der Kaiserstadt der verdienten Ruhe pflegen. Sein Ruf war ihm vorausgeeilt, mit Ehren wurde er überhäuft, und Kaiser Leopold schloß ihn liebevoll in die Arme. Über Eugenius' huldreichen Empfang am Wiener Hofe berichtete der französische Gesandte spornstreichs nach Paris. Ludwig grollte dem Savoyer Prinzen heftiger denn je, wußte er doch, welchen Anteil Eugenius an der Vertreibung der Türken aus Ungarn genommen hatte. Dem Sonnenkönig paßte es nicht in die Rechnung, daß seinen osmanischen Freunden so übel mitgespielt worden war. Wenn's nach dem Herzen Ludwigs XIV. gegangen wäre, hätte der Halbmond ewig über der Festung Ofen stehen müssen, den Deutschen zum Trotz, den Franzosen zur Freude.

Prinz Eugen lebte in Wien still und zurückgezogen. Die drückenden Schulden, die er aus Paris mitgebracht hatte, machten ihm noch immer Sorgen. Sie waren eine Folge des harten Benehmens der französischen Majestät gegen das Haus Soissons. Die Ernennung zum Generalmajor besserte nur wenig die bedrängte Lage des Prinzen. So verwegen er in der Schlacht war, so schüchtern und zurückhaltend gab er sich im gewöhnlichen Leben. Auch mochte er zu stolz sein, dem deutschen Kaiser mit seinen Geldsorgen zu kommen. Gewiß, ein Wort hätte genügt, denn Leopold liebte den heldenhaften Prinzen väterlich. Doch Eugen zog es vor, das Oberhaupt seines eignen Hauses anzurufen. Nach Savoyen über die Alpen ging ein Bote zum Herzog Viktor Amadeus mit der Bitte, Eugen im fremden Lande nicht zu vergessen. Und Viktor Amadeus, dem es sehr schmeichelte, einen so tapferen und durch seine Waffentaten berühmten Vetter zu haben, half gern.

Um für die empfangene Unterstützung zu danken, reiste Eugen nach Italien. Und da ihm der bayrische Kurfürst geraten hatte, auch den berühmten Karneval von Venedig mitzumachen, ließ sich unser Prinz auf einige Wochen in der Lagunenstadt nieder. Die venetianische Fastnacht zog seit alters her aus aller Herren Ländern die Fremden ins Welschland. Das übermütige Fest galt für schöner noch als der Karneval zu Rom, den Goethe hundert Jahre später so farbenprächtig geschildert hat.

Mondschein, Mandolinengezirpe, das Lachen der Männer und Frauen, das leise Plätschern der Ruder in den Lagunen vereinigten sich zu einem zauberhaften Eindruck. Beängstigend war das Gedränge in dem Wirrwarr enger Gassen und Gäßchen; hinter den schwarzen Samtlarven glühten die Augen festfroher Menschen hervor, und alles war bewegt von übermütiger Laune. Kandierte Früchte und Zuckerwerk flogen durch die Luft, bunte Papierstreifen, Konfetti genannt, und Gipskügelchen wurden geworfen, und es schneite rote Rosen von den Fenstern herab. Ein Feuerwerk prasselte, und seine grellen Funkengarben täuschten für Augenblicke die Helligkeit des Tages vor. Auf dem Markusplatz wurde beim Schall rauschender Musik von alt und jung getanzt. Prinz Karneval schwang sein Szepter, und des Jubels war kein Ende. Harlekine und Hanswurste trieben die tollsten Possen, Marktschreier und Straßenmusikanten vollführten einen Heidenlärm, kurz, es war das schönste Fest der Welt. Aber im Schatten der Häuser schlich auch der Mord mitten durch den bunten Mummenschanz, und manch blanker Dolch lauerte unter dem Faltenwurf des Dominos auf das gehaßte Opfer.

Damals war Venedig noch eine Republik, und die Dogen thronten in steifer Würde auf ihrem goldenen Sessel. Da wurde am Stephanstage der Beginn des Faschings mit Tierhetzen und Herkulesspielen eingeweiht, und der Freudentaumel nahm seinen Anfang. An diesem Karneval teilzunehmen, war unser Eugen in die Märchenstadt Venedig gekommen, doch mag er wohl nur einen stillen Beobachter abgegeben haben, denn seinem ernsten, wortkargen Wesen lag es fern, sich von dem ausgelassenen Treiben fortreißen zu lassen. Immerhin hatte die Fahrt nach Venedig ihr Gutes. Sie hinderte den Prinzen, bei den Grausamkeiten Zeuge zu sein, die jetzt in Ungarn an glaubensstarken Männern verübt wurden; sein menschenfreundliches Herz hätte es nicht verwinden können.

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