Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++
In Deutschland und Italien waren die Franzosen glücklich vor die Tür gesetzt, aber in den Niederlanden dachten sie noch keineswegs an die Heimreise. Dort kämpfte Marlborough mit wechselndem Glück gegen den tüchtigen Marschall Vendôme, und bald lächelte Fortuna dem einen, bald dem andern Feldherrn, so daß der Engländer an einem guten Ende des Kampfes schier zu verzweifeln begann. Eben in der letzten Zeit hatte der Herzog von Marlborough mehrere der stark befestigten Städte, darunter Brüssel und Brügge, den Franzosen wieder überlassen müssen. Und niedergeschlagen von solchen Mißerfolgen, klagte der tapfere General sein Leid in trostlosen Briefen dem Prinzen Eugen. Er verlangte von seinem alten Waffenbruder stürmisch, beim Kaiser endlich die dringend nötige Hilfe durchzusetzen.
Das war nicht leicht, denn in Wien wollte man den Frieden. Die Minister rieten Joseph I., sich mit dem Erreichten zu begnügen und die Niederlande ihrem Schicksal zu überlassen. Es fehlte an Geld, die Erbländer hatten ihren letzten Steuerkreuzer hergegeben, und von Ungarn waren keine Abgaben herauszubekommen. Die leere Staatskasse drohte der Kriegslust unsers Prinzen als unüberbrückbares Hindernis, allein Eugenius, gewohnt, alle Schwierigkeiten zu überwinden, besiegte auch diesmal den Widerstand der Hofpartei. Den geringen Mitteln zum Trotz setzte er seinen Willen beim Kaiser durch und wurde endlich nach den Niederlanden gesandt.
Marlborough fiel ein Stein vom Herzen, als er den alten Kriegskameraden wieder an seiner Seite hatte. Nach Schilderungen von Augenzeugen war das Wiedersehen der beiden Feldherren ergreifend; lange hielt in stummer Rührung der Herzog den Prinzen umarmt. Dann beteuerte er, in seiner bedrängten Lage durch Eugens Ankunft getröstet zu sein. Und gleich dem heldenhaften Marlborough fühlte die ganze Armee, seitdem Eugenius wieder da war, neue Tatkraft und neue Zuversicht. Es waren nur wenige Husaren, die Eugen dem Engländer zuführte, doch der edle Ritter selbst wog ja allein schon eine ganze Armee auf. Und der Prinz hatte sich zugeschworen, »mit Gottes Hilfe die ersehnte Genugtuung zu erlangen, und sollte er darüber sein eignes Leben verlieren.« In einem kleinen Orte unweit Brüssels, das die Franzosen inzwischen wieder hatten aufgeben müssen, war die Vereinigung der Streitkräfte erfolgt. Als ein Helfer in der Not stand Eugenius in Flandern und richtete den gebeugten Mut der Soldaten wieder auf; auch die Feinde sollten bald merken, daß sie es jetzt mit einem gefährlicheren Gegner zu tun hatten.
Während der Vorbereitungen zum Losschlagen eilte Eugen nach Brüssel, um seine greise Mutter wiederzusehen; dort lebte die alte Frau seit vielen Jahren schon. Ihre Sehnsucht, in das geliebte Paris zurückkehren zu dürfen, hatte sich nie erfüllt, denn der Haß des Sonnenkönigs war nicht erloschen. Prinz Eugen hatte der Mutter zum letztenmal ins Auge geschaut, da sie, verfolgt und geächtet, in die Fremde ziehen mußte. Die Kinder waren dem Schutz der Großmutter anvertraut worden, und Eugen, damals noch der kleine Abbé, hatte der Verbannten manche Träne nachgeweint. Auch der Vater fehlte dem liebebedürftigen Knaben; früh schon war der Graf von Soissons in die Gruft gesunken, durch die Ungnade Ludwigs XIV. an Leib und Seele gebrochen.
Was hatte sich nicht alles seit der Stunde begeben, da die Mutter dem kleinen Prinzen den Abschiedskuß auf die Stirn gedrückt! Das Äbtlein war zu einem großen Kriegshelden herangewachsen, und König Ludwig fürchtete den einst so herzlos Verlachten. Das Gesicht des Jünglings hatte der Tyrann widerlich gefunden. Aber alles, was dem gräflichen Hause Soissons am Pariser Hofe Böses widerfahren war, rächte nun der Prinz bitter an Frankreich und seinem hochmütigen Herrscher. Jetzt, wo Eugenius die alte Frau in die Arme schloß, jetzt fühlte er sich mit stolzer Bescheidenheit als ein Werkzeug der Vorsehung. Und die Mutter dankte dem Sohne mit innigen Worten, daß er den Todfeind der Familie Soissons so gezüchtigt hatte.
Eugen war der letzte Sohn, der der alten Frau geblieben. In ihren stillen Witwensitz drang der Lärm der Welt nur gedämpft, doch jeder Erfolg ihres Heldensohnes erfüllte sie mit begeisterter Freude. Zweimal schon hatte er den Boden Frankreichs als Sieger betreten, Deutschland und Italien waren durch seine Kraft von der französischen Zwingherrschaft erlöst worden. Gedemütigt stand nun der selbstherrliche Ludwig, und schon hob Prinz Eugen die gepanzerte Faust, um einen neuen Schlag gegen das Lilienbanner zu führen.
Durch den Segen der Mutter gestärkt, nahm Eugenius sein heroisches Werk in Angriff. Die Greisin aber hat er nicht wiedergesehen. Wenige Wochen nach der Begegnung mit dem Sohne befreite der Tod die Hochbetagte von einem Leben, das nur Kummer und Einsamkeit war. Unsern Prinzen traf die trübe Botschaft inmitten neuer Kriegstaten. Er war nun fast ganz allein, nur eine ältere Schwester lebte noch und die Kinder seiner Brüder. Und auf diese wenigen Blutsverwandten, die ihm geblieben, übertrug er die zärtliche Liebe seines edlen Herzens. Prinz Eugen hatte nicht das Glück, eine eigne Familie zu besitzen, denn er war unvermählt. Als gewissenhafter Mensch mag er die Verantwortung gescheut haben, sein von täglichen Gefahren bedrohtes Soldatenleben an das Schicksal einer geliebten Frau zu knüpfen. Ewig mit dem Tode spielt der Held, da ist es gut, wenn er allein steht; nicht zu fürchten braucht er dann, daß eine trauernde Gattin und verwaiste Kinder an seiner Bahre schluchzen.
Durch rasche und kühne Bewegungen hatte Prinz Eugen den Feind in Flandern bald um einen großen Teil der errungenen Vorteile gebracht. So kam der glorreiche Tag von Oudenaarde heran, der den Franzosen eine große Niederlage brachte. Abermals, wie zwei Jahre zuvor, nutzte Eugen an diesem 11. Juli 1708 die Uneinigkeit im Hauptquartier der Gegner. Ludwig XIV. hatte die Unklugheit begangen, dem tüchtigen Marschall Vendôme ein hochmütiges Herrchen beizugesellen, das auch befehlen wollte, und weil es königlichen Blutes war, zwang es Vendôme zu peinlichen Rücksichten. Der älteste Enkel des Sonnenkönigs, der Herzog von Burgund, hatte den Ehrgeiz, mit einer fragwürdigen Feldherrnbegabung zu flunkern, und so gab es zwei Befehlshaber auf französischer Seite.
Mit einer Stärke von achtzigtausend Mann rückten Marlborough und der Prinz von Savoyen an der oberen Schelde gegen Süden vor und stießen ganz unerwartet während des Marsches auf den gleichfalls überraschten Feind. Ahnungslos waren die beiden Heere aufeinander losmarschiert; hätten die Führer der Franzosen Einigkeit bewahrt, wäre es den bedeutend schwächeren Verbündeten nicht gut ergangen. Während sich aber die Generale des Feindes weidlich zankten und keinen schnellen Entschluß fassen konnten, verging die kostbare Zeit zum Angriff. So blieb den beiden Waffenbrüdern, Eugen und Marlborough, Zeit genug, in aller Ruhe sich zum Kampfe vorzubereiten und ihre Regimenter in Schlachtordnung zu stellen. Inzwischen befahl Marschall Vendôme dem Herzog von Burgund, mit dem Flügel, den dieser kommandierte, zum Angriff vorzugehen. Was aber tat der ungehorsame Königsenkel? Anstatt zu gehorchen, nahm er achselzuckend den Befehl des Oberfeldherrn entgegen, und indem er sich verschanzte, sah er untätig dem beginnenden Kampfe zu.
Hätten die Franzosen tags vorher die Übergänge über die Schelde gesperrt und die fünf Brücken, die dort die beiden Ufer verbanden, zerstört, die Weltgeschichte wäre um eine blutige Schlacht ärmer. So aber entwickelte sich rasch ein großes Treffen bei der Stadt Oudenaarde (südlich von Gent), und das für die Reiterei völlig ungeeignete Gelände gab dem Fußvolk die Entscheidung des Tages in die Hand. Als erster geriet der englische Obrist Cadogan an den Feind, und weil sich die französische Reiterei auf dem unebenen und vielfach zerschnittenen Boden nicht bewegen konnte, trieben die Engländer die feindlichen Schwadronen ohne Mühe zurück. Die Pferde der französischen Kavalleristen scheuten und rannten in die eigne Infanterie, wodurch vier der besten Bataillone in Unordnung gerieten und zersprengt wurden. Da drei andre Abteilungen ihre Kameraden laufen sahen, ergriffen auch sie das Hasenpanier. Sie hatten nicht einen einzigen Schuß abgegeben und wurden durch die Engländer davongescheucht wie eine geängstigte Schafherde.
Das schien ein vielversprechender Anfang, doch gar so leicht wurde es den Verbündeten nicht, die Franzosen zu überwältigen. Die begannen sich nun ihrer Haut zu wehren, und weil sie in der Übermacht waren, hatte Marlborough ein hartes Stück Arbeit. Immer wieder mußte er aufs neue angreifen, aber nur Schritt um Schritt wichen, trotz zäher Verteidigung, die gallischen Legionen zurück. Auch vor den Deutschen, die Eugenius führte, mußten sie schließlich die Segel streichen, und bei Sonnenuntergang umgingen die Holländer – sie hatten tagsüber wacker mitgefochten – den rechten Flügel des Feindes. Da gab es kein Halten mehr für die Franzosen. Um die achte Abendstunde war die Schlacht entschieden und endete mit einem schmählichen Rückzug des Feindes. Allerdings, an eine Verfolgung durfte nicht gedacht werden, denn schwer senkte sich die Dunkelheit auf die Landschaft, und die Franzosen benutzten nun die Nacht, um ungehindert zu entkommen. Vendôme floh nach Gent, wo er sich auf ein paar Tage ins Bett legte, um seinen gewaltigen Zorn zu verschlafen.
Jetzt war Ludwig XIV. auch auf dem dritten Kriegsschauplatz geschlagen, und sein Heer hatte es einzig der schützenden Nacht und einem fürchterlichen Platzregen zu danken, daß es den Alliierten entwischen konnte. Eugenius hatte vor Beginn des Feldzuges den Wienern das Versprechen gegeben, bis zu seinem Namensfeste etwas von sich hören zu lassen. Just am Eugeniustage traf die Siegesbotschaft in der Hofburg ein, und so hatte der Prinz wieder einmal herrlich Wort gehalten. Nun kam es ihm darauf an, »von dem Siege rechtschaffen zu profitieren«.
Der Einmarsch in Frankreich wurde beschlossen, und der Feind war außerstande, diese Schmach zu hindern. Der Prinz von Savoyen ging jetzt daran, einige größere Waffenplätze, auf die man sich bequem stützen konnte, dem Sonnenkönig wegzunehmen. Die Wahl fiel auf die mächtige Festung Lille, diese Hauptstadt des französischen Flandern. Eine starke Besatzung unter dem Befehl des Marschalls Bouffleur lag in dem festen Platze. Da Vendôme sein Heer wieder gesammelt hatte und verstärkt in der Nähe stand, war der Plan, Lille zu erobern, wahrhaftig kein leichtes Unternehmen. Als Vendôme nämlich die Absicht der Verbündeten merkte, die Festung einzuschließen, versuchte er, dem Prinzen Eugen in den Weg zu treten. Daß dies mißlang, ist Marlborough zu danken, der den Feind mit Erfolg in Schach hielt. So wurde Lille von den Truppen Eugens umzingelt, und die Belagerung begann.
Es dauerte lange, ehe alle Vorbereitungen getroffen waren. Das schwere Geschütz fuhr auf, um den Soldaten einen Weg durch Wald und Mauer zu bahnen. Und nun brüllten Tag für Tag einhundertzwanzig Kanonen, achtzig Mörser und zwanzig Haubitzen ihre Donnergrüße der trotzigen Stadt Lille zu. Marschall Vendôme hörte das Getöse, allein die siebzigtausend Mann Marlboroughs hinderten ihn, die Festung zu entsetzen, und so konnte Prinz Eugen ungestört die Belagerungsarbeiten leiten.
Während der Vorbereitungen zum Sturm auf Lille wäre unser Held bald einem schändlichen Meuchelmord zum Opfer gefallen. Da es den Franzosen nie gelungen war, den ritterlichen Mann in offner Feldschlacht zu besiegen, schlich sich der Feind jetzt als feiger Verbrecher an ihn heran. Manche Narbe trug Prinz Eugen schon, und oft war ihm das Pferd unter dem Leibe totgeschossen worden, doch er lebte trotz der blinden Wut seiner Gegner. Man wollte den Helden aus dem Wege räumen und sandte ihm mit der Post einen Brief, der in verderbliches Gift getaucht war. Hätte Eugenius das Schreiben beim Lesen dem Munde nahegehalten, er würde sicher den Tod eingeatmet haben. So aber erschien ihm, nachdem er das Siegel gesprengt, zum Glück das graue fettglänzende Blatt verdächtig, und er warf es weg. Ein Hund, der an der Höllenbotschaft leckte, verendete sofort unter heftigen Zuckungen. Eugen von Savoyen aber soll gesagt haben, daß es nicht die erste Sendung dieser Art sei, und lächelnd griff er wieder zum Schwerte.
Der schweren Artillerie Eugens gelang es nach ausdauernder Beschießung, einige Bastionen von Lille zu zerstören. Die Franzosen hatten das Loch in der Festungsmauer wieder gut verrammelt und zudem die Bresche durch Pulverminen gesichert. Auch war die Besatzung stets auf ihrer Hut. So überraschte sie keineswegs der Sturmangriff der Deutschen, die in der Nacht vor dem 20. September plötzlich in Lille einzudringen suchten. Fast schien es, als sollte das Unternehmen unglücklich enden, denn hageldicht schlugen die feindlichen Geschosse in die Heranrückenden. Und als die Flatterminen aufflogen, erlitten die stürmenden Kolonnen furchtbare Verluste. Da mußten die Kaiserlichen umkehren, und die Kanonen begannen wieder ihr tägliches Kartätschenfeuer.
So kam der 3. Oktober heran, und um die heißumstrittene Bresche begann ein neues Ringen. Wieder nutzten die Soldaten Eugens eine dunkle Nacht, um gegen die Festung Sturm zu rennen, und wieder fanden sie die Franzosen auf ihrem Posten. General Bouffleur feuerte die Verteidiger Lilles durch sein eignes tapferes Vorbild zu heldenmütigem Widerstand an. Immer in den ersten Reihen nur war der französische Marschall zu sehen, doch auch Prinz Eugen focht gleich einem schlichten Truppenoffizier inmitten seiner Leute. Und daß der edle Ritter an Tapferkeit hinter dem Gegner nicht zurückblieb, läßt sich leicht glauben.
Als Erinnerung an diesen denkwürdigen Sturm trug Eugen einen Streifschuß am Kopfe davon. Jählings riß ihn die Kugel zu Boden. Ein Schrei des Entsetzens gellte von den Lippen seiner Soldaten, allein der Getroffene raffte sich blitzschnell wieder auf und rief mit weithin schallender Stimme: »Wozu der Lärm, merkt ihr denn nicht, daß es eine harmlose Schramme ist?« Seine Wunde rasch mit dem Taschentuch bedeckend, blieb er an der Spitze der Seinen und stürmte unaufhaltsam weiter. Aber plötzlich drohte eine Ohnmacht den Prinzen zu überwältigen; da mußten ihn seine Freunde aus der Feuerlinie tragen, und der Herzog Marlborough übernahm für ihn den Oberbefehl.
Mann gegen Mann wurde nun gerungen, da der Sturm seinen Fortgang nahm. Der Tod durfte an diesem Tage eine blutige Ernte halten. Tausende der Streiter hauchten ihre Seele aus, und die Laufgräben waren bis an den Rand mit Erschlagenen gefüllt. Die Festung zu erobern, gelang an diesem Tage noch nicht, aber der kühne Bouffleur selbst wurde wankend in dem Glauben an sich und die Kraft der Seinen.
Als Prinz Eugen vom Schlachtfeld getragen wurde, hatte er seinem Kriegskameraden Marlborough das Versprechen geben müssen, sein kostbares Leben mehr zu schonen. Doch am nächsten Morgen überraschte ihn der herzogliche Freund dabei, als er sich eben von zwei Dienern aufs Pferd heben lassen wollte. Nur mit großer Mühe vermochte Marlborough die Kampflust Eugens zu dämpfen, und endlich sagte ihm der Prinz durch Handschlag zu, wenigstens einige Tage der Ruhe zu pflegen. So erfuhr Eugenius auf dem Krankenbette, daß es Bouffleur in der Stadt Lille doch zu heiß geworden war und diese am 22. Oktober kapituliert habe. Der französische Marschall hatte sich fechtend in die Zitadelle zurückgezogen. Erst nach einem Monat – Prinz Eugen war längst wieder mit dem Ungestüm eines Jünglings an der Spitze der Armee –, am 9. Dezember des Jahres 1708, ergab sich der Marschall aus freien Stücken. Er war ein echter Soldat, und auch Eugenius hat dem tapferen Gegner die verdiente Achtung nicht verweigert. Ohne die Kapitulationsbedingungen auch nur zu überfliegen, unterschrieb Prinz Eugen ungelesen das wichtige Schriftstück und sagte zu dem Parlamentär: »Marschall Bouffleur kann nichts fordern, was ich nicht bewilligen könnte.« So ehrte der edle Ritter einen Feind, der seinen Fahneneid bis zum letzten Aufgebot aller Kräfte gehalten.
Nun ging es an die Belagerung von Gent. Eugenius brauchte kaum zwölf Tage, um sich der Festung zu bemächtigen. Am Ende des Jahres waren die ganzen Niederlande zurückerobert, und die Truppen konnten ihre Winterquartiere beziehen. Holland war befreit; nur der Klugheit und dem kühnen Mut des Prinzen dankte es diesen großartigen Erfolg, und so wurde der Feldmarschall im Haag als Retter und Erlöser begrüßt. Die Niederländer wollten zum Empfang des Prinzen von Savoyen eine prunkvolle Festlichkeit veranstalten, er aber lehnte bescheiden ab. Für das viele Geld, das solch ein Fest zu verschlingen pflegt, wußte der edle Ritter eine bessere und nützlichere Verwendung. Er bat, das Geld lieber unter die braven holländischen Soldaten zu verteilen, die durch den harten Krieg dienstuntauglich geworden waren. »Gebt es den Invaliden,« sagte er, »den zu Krüppeln geschossenen; sie werden es besser zu brauchen wissen.« Diese vornehme Handlungsweise ist so recht dazu angetan, den Helden unserm Herzen näherzubringen. Das blutige Handwerk, dem er sein Leben geweiht, hatte ihn nicht verhärtet und für die Leiden der Menschheit abgestumpft. Er war milde geblieben in seinem Gemüt, und das ist eine seltene Tugend bei großen Kriegshelden.
Den König von Frankreich hatten die Siege der Verbündeten schwer getroffen. Gebeugt von dem Unglück seiner Waffen, das stolze Herz gedemütigt, bat er um Frieden. Schon vor Jahren hatte Ludwig XIV. daran gedacht, die Streitaxt zu begraben. Er war des schweren und erfolglosen Ringens damals schon müde gewesen und hatte im Haag zugunsten Erzherzog Karls auf Spanien verzichten wollen und Belgien den Holländern angeboten. Da der Sonnenkönig aber für seinen Enkel Philipp das Herzogtum Mailand und das Königreich beider Neapel retten wollte und auf den Besitz der italienischen Provinzen beharrte, hatten sich die Verhandlungen zerschlagen. Ludwig XIV. stellte ferner die Bedingung, daß der geächtete Kurfürst Max Emanuel wieder nach Bayern zurückkehren dürfe. In seinem Unmut hatte der Kaiser mit Zustimmung aller Fürsten die Reichsacht über Max Emanuel verhängt, weil dieser für die Feinde Deutschlands das Schwert gezogen hatte. Bayern stand eine Zeitlang unter kaiserlicher Verwaltung und war dann geteilt worden; ein Stück kam an Österreich, ein Stück ward zur Pfalz geschlagen, und der Kurfürst war nun ein Herrscher ohne Land. In der Hofburg zu Wien hatte man vor der Schlacht bei Höchstädt Max Emanuel die Friedenshand geboten. Sie ward schnöde zurückgewiesen. So hatte der Kaiser den Unbotmäßigen seinem Schicksal überlassen. Jetzt kam der König von Frankreich und verlangte die Wiedereinsetzung des Kurfürsten und wollte die blühenden Länder in Italien.
Kaiser Joseph konnte solch einen faulen Frieden nicht schließen. Wie hätte er vor seinen tapferen Truppen diesen Schritt verantworten können, die unter Eugens Führung die herrlichen Länder im Süden mit so viel Blut zurückerkauft hatten! Das Vertrauen auf den Rat seines Feldmarschalls brauchte den Kaiser nicht zu reuen; Prinz Eugen hatte nun auch in den Niederlanden das Feld ruhmvoll behauptet, und der König von Frankreich schickte wieder seine Friedensunterhändler nach dem Haag. Als Stellvertreter des Kaisers erschien der Prinz von Savoyen bei den Verhandlungen, die jetzt im Haag eröffnet wurden. Mit der gebieterischen Gebärde des Siegers durfte Eugen im Namen Deutschlands sprechen. Er forderte das ganze spanische Erbe und erklärte, davon nicht einen Fußbreit habsburgischen Bodens preiszugeben. Er begehrte aber auch Elsaß und Lothringen zurück, diese beiden Edelsteine, die von der räuberischen Hand König Ludwigs aus der deutschen Krone widerrechtlich gebrochen worden waren.
Straßburg und Metz sollten wieder deutsch werden und Vater Rhein ein deutscher Strom. So verlangte der edle Ritter, und nach langen Jahren der Schmach, nach einer qualvollen Zeit der Erniedrigung unsers Vaterlandes klang dieses Manneswort herrlich und wie ein Gruß an die Zukunft. Es kam zu keinem Frieden; die französische Eitelkeit wollte weiteres Blutvergießen; den Wunsch des Prinzen Eugen, Elsaß und Lothringen aus der Fremdherrschaft zu erretten, hat erst das geeinigte Deutschland fast zwei Jahrhunderte später erfüllt. Da König Ludwig mit sich nicht reden ließ und die bittere Pille nicht schlucken wollte, verlor auch Prinz Eugen rasch die Freude am Frieden. Dem gallischen Hahn war wieder der Kamm geschwollen, die letzte Kraft wollte der alte Unheilstifter zusammenraffen, um günstigere Friedensbedingungen zu erzwingen. Frankreich rüstete furchtbar zu dem neuen Feldzuge, denn Ludwig wollte das Schicksal nochmals auf die Probe stellen.
Herzog de Villars, ein vielerfahrener Kriegsmann, hatte vom König den Auftrag bekommen, um jeden Preis der Verbündeten Herr zu werden. Noch nie war Frankreich mit so gewaltigen Machtmitteln ins Feld gezogen. Hunderttausend Mann, davon vierzigtausend zu Pferde, sollten die Entscheidung herbeiführen. Und am 11. September 1709 kam es dicht an der belgischen Grenze bei dem Dorfe Malplaquet auf französischem Boden zur Schlacht. Es wurde das blutigste Treffen des ganzen Krieges. Sehr gut verschanzt und durch dichten Wald gedeckt, erwarteten die Franzosen den Angriff.
Prinz Eugen und Marlborough hatten bedeutend geringere Streitkräfte, aber ihre Soldaten waren von einem vortrefflichen Geist erfüllt, und das ist für jede Armee die wichtigste Vorbedingung zum Siege. Bei Malplaquet rangen eine viertel Million Menschen auf Leben und Tod; ein Stürmen und Würgen war es sondergleichen, denn der Feind wußte, was auf dem Spiele stand. Wie immer, leitete auch hier eine kurze, doch heftige Kanonade den mörderischen Tag ein. Sehr bald riefen die Hörner zum Sturm. Allein der verfrühte Angriff der kaiserlichen Bataillone scheiterte, und unter den schwersten Verlusten mußte noch viermal vorgerückt werden, ehe die Franzosen ins Wanken gerieten.
Die unebene Landschaft, von Tälern und Schluchten durchfurcht und mit starkem Gehölz bepflanzt, gab den Verbündeten fast mehr noch zu schaffen als der hartnäckige Feind. Von einem Hügel, den eine Windmühle krönte, beobachteten die beiden Feldherren, Prinz Eugen und Marlborough, die gegnerischen Stellungen. Als es den Sachsen, die zuerst ins Feuer gesandt wurden, nicht gelingen wollte, den Feind aus dem Walde zu vertreiben, übernahm Eugenius in eigner Person die Führung. Über Verhaue und durch das dichteste Gestrüpp mußte das Fußvolk setzen und den Kartätschen und Bomben des Feindes trotzen, bis die ersten Verschanzungen erreicht waren. Der Prinz von Savoyen blutete stark am Kopfe, eine Kugel hatte ihm das Hinterhaupt gestreift. Seine Offiziere drangen in ihn, sich die Wunde verbinden zu lassen, der Held aber wehrte ab mit den Worten: »Werde ich heute von den Franzosen geschlagen, so verlohnt es sich nicht mehr, mein Blut zu stillen. Siege ich aber, dann ist abends noch Zeit genug dazu.« Und weiter kämpfte er, hoch zu Roß, immer im Vordertreffen, wo die Gefahr am höchsten, hier ordnend, dort anfeuernd, mit dem Auge eines Adlers sofort die Blößen des Feindes erspähend.
Die Preußen, von General Lottum kommandiert, kämpften zweiundzwanzig Bataillone stark in der Mitte des Geländes, wo Marlborough die Unternehmungen des Tages leitete. Prinz Eugen faßte die Franzosen auf dem rechten Flügel, und der Prinz von Oranien ging mit den Holländern gegen den linken Flügel Villars' vor. Dieser litt am meisten, und als der Feind endlich wich und hinter die bewaldeten Berge floh, war die ganze niederländische Garde fast aufgerieben. Entsetzlich verstümmelt und von den Hyänen des Schlachtfeldes, diesen verruchten Leichenräubern, ihrer Kleider beraubt, lagen die Erschlagenen vor den französischen Schanzen. Sechsunddreißigtausend Tote und Schwerverwundete zählten Freund und Feind nach diesem fürchterlichen Tage, allein um die dritte Nachmittagsstunde waren die Franzosen bereits in vollem Rückzug begriffen. Der tapfere Bouffleur – wir kennen ihn seit der Belagerung von Lille – deckte den eiligen Abmarsch der Hauptarmee Villars', und unser Eugen blieb mit den Verbündeten als unbestrittener Sieger auf dem Schlachtfelde.
In der Schlacht von Malplaquet hatte es Marlborough mit Bouffleur zu tun und Eugen mit dem Marschall Villars. Die französischen Generale mußten der überragenden Feldherrnbegabung eines Eugen und Marlborough weichen, denn wo die Sterne des Genies leuchten, reicht einfache Pflichterfüllung nie aus. Trotzdem wäre der schwererfochtene Sieg den Verbündeten noch schwerer geworden, wäre der Marschall Villars nicht im Augenblick der Entscheidung, durch einen Musketenschuß ins Knie getroffen, von einer tiefen Ohnmacht überwältigt worden. So fehlte auf Seite der Franzosen zur rechten Zeit den bewaffneten Händen der denkende Kopf. Zu spät versuchte Villars, da er aus seiner Ohnmacht erwachte, die weichenden Truppen zum Stehen zu bringen. Der Tag war schon entschieden und der Ruhm unsers Helden Eugen um einen großen Sieg reicher. Wenn Eugenius jetzt bis nach Paris marschiert wäre, König Ludwig hätte es nicht verhindern können.
Sogar im Lager der Feinde erkannte man widerspruchslos die unüberwindliche Kühnheit an und die Meisterschaft im Kriegshandwerk, die den Prinzen von Savoyen vor allen andern auszeichneten. Ein Reiteroffizier, der auf Seite der Franzosen die Schlacht von Malplaquet mitgekämpft hatte, gab nachher Eugenius und seinem britischen Waffenbruder dieses Ehrenzeugnis: »Wir hoffen, daß Prinz Eugen und Marlborough an jenem Tage mit uns zufrieden waren. In Wahrheit dürfen sie sagen, daß nichts vor ihnen zu bestehen vermag. Denn was vermöchte dem raschen Siegeslauf dieser beiden Helden Einhalt zu tun, wenn es ein Heer nicht imstande ist, das hunderttausend Mann der besten Truppen zählt, zwischen zwei Wäldern stark verschanzt ist und redlich seine Pflicht tut? Muß man da nicht glauben, daß sie alle Heroen des Altertums übertreffen?«
Wahrlich, der französische Oberst hat nicht zuviel gesagt. Der Prinz von Savoyen glich einer heldenhaften Gestalt aus der Römerzeit, nur daß ihm auch noch dazu ein fortschrittlicher Geist und ein menschenfreundliches Herz von der Vorsehung beschieden waren. So blutig die letzte Schlacht gewesen, sie hatte das Gute, dem Frieden zu dienen. Jetzt unterwarf sich endlich Ludwig XIV., und die Schlacht von Malplaquet wird zum letzten grausigen Ereignis des wahrhaft mörderischen Spanischen Erbfolgekrieges. Die Wetter sind vertost, aus dunklen Wolken lächelt eine schüchterne Sonne und verkündet den Völkern die heißersehnte Ruhe. Der König von Frankreich war nun entschlossen, auch die härtesten Bedingungen des Friedens anzunehmen, und das durfte die Welt dem Prinzen Eugen danken, der den Krieg nicht um des Krieges willen liebte, sondern als letztes Mittel, den Frieden zu erzwingen.