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11. Kapitel.
Als Diplomat auf Reisen.

Schon vor vielen Jahren, als er in Italien an der Seite seines doppelzüngigen Vetters kämpfte, hatte der Prinz von Savoyen Beweise hoher staatsmännischer Begabung geliefert. Seitdem fiel sein Wort just so schwer am grünen Beratungstisch wie auf dem Schlachtfelde ins Gewicht. Eugenius mußte sich als junger Offizier bereits die feinen Künste des Diplomaten aneignen, sonst wäre ihm später der wohlverdiente Lorbeer oft entglitten. Jetzt kam dem Helden die harte Schule der Zurückhaltung gut zustatten, die ihn einst am Hofe von Turin zum Diplomaten gemacht hatte.

Wieder sollte sich der staatsmännische Geist Eugens bewähren. Zwischen Preußen und Österreich waren die freundschaftlichen Beziehungen ohne jeden triftigen Grund erkaltet. In Berlin hatte man plötzlich die Lust zum Kriegführen verloren und wollte seiner Wege gehen. Eben verhandelte Preußen mit Ludwig XIV. und machte Miene, die Truppen aus Italien zurückzuziehen. Das mußte verhindert werden und der wackere Bundesgenosse an der Seite des Kaisers bleiben. Im April 1710 traf Prinz Eugen am Berliner Hofe ein, wo er mit ganz besonderer Auszeichnung und den höchsten Ehren empfangen wurde. Nicht vergebens hatte er angeklopft, einen günstigen Erfolg durfte er heimbringen. Die preußischen Grenadiere blieben in Italien, auch erklärte sich der König damit einverstanden, daß die Festung Mantua österreichisch wurde. Die Brandenburger hatten den Kaiserlichen geholfen, diesen festen Platz Frankreich abzunehmen, jetzt fiel er dem Hause Habsburg zu, bis der erste Napoleon wieder die blauweißrote Trikolore auf den Mauern Mantuas aufpflanzte.

Von Berlin mußte Prinz Eugen schleunigst nach Holland weiterreisen. Die Niederländer trauerten noch immer über die entsetzlichen Verluste von Malplaquet. Sie hatten die Kriegsschrecken satt und wollten um jeden Preis Frieden schließen. Auch in England bereitete sich ein Umschwung vor, und die öffentliche Meinung wurde dort Tag um Tag franzosenfreundlicher. Da hatte der Diplomat Eugenius einen schweren Stand in Gertruydenburg, wo auf Anerbieten des Sonnenkönigs nun in aller Form der Frieden beraten werden sollte.

Ludwig XIV. war von der wankenden Kriegslust im gegnerischen Lager gut unterrichtet; nicht umsonst hatte er überall seine feinhörigen Späher. Doch eine Hungersnot, die schreckensvoll den ungewöhnlich strengen Winter hindurch in ganz Frankreich wütete, machte den alten Wolf nachgiebig wie ein Lamm. Auch hatte König Ludwig den bösen Tag von Malplaquet noch gut in Erinnerung, kurz, er war endlich bereit, seinen Enkel im Stiche zu lassen und ganz Spanien mit allen Nebenländern dem Erzherzog Karl zu überantworten. Selbst Elsaß und Lothringen hätte der gedemütigte Ludwig jetzt gern freigegeben, aber einigen Herren am Beratungstisch genügten diese schweren Opfer nicht. Sie verlangten – gegen den Willen Eugens –, daß König Ludwig wider den eignen Enkel mit Waffengewalt vorgehe und Philipp von Anjou aus Spanien vertreibe.

Das ging über die Kraft Ludwigs XIV. Er bot noch als Buße einen gewaltigen Geldbetrag, aber die Verbündeten lehnten die größten Summen hochmütig ab und beharrten darauf, daß just französische Soldaten dem Enkelkinde ihres Herrschers die kastilische Krone vom Haupte reißen sollten. Ludwigs Macht und Herz waren gebrochen, doch die Ehre wollte er nicht verlieren. So endeten im Juli die Beratungen mit einem jähen Abbruch. Prinz Eugen mißbilligte diesen vorzeitigen Schluß der Friedenskonferenz, denn auch er war durch seinen Freund Marlborough über die wachsende Kriegsunlust in England aufgeklärt und hätte gern noch rasch einen möglichst günstigen Frieden mit Frankreich geschlossen. Jetzt sah es aus, als müßten die Kriegsfackeln aufs neue wieder entzündet werden.

Für den Prinzen von Savoyen kamen nun bittere Stunden. Jeder Tag brachte eine andre böse Botschaft. Es war, als hätte sich das Schicksal gegen den Erfolggekrönten verschworen. Sein treuer Kampfgenosse Marlborough war plötzlich bei der Königin Anna in Ungnade gefallen. Jeden Einfluß hatte er am britischen Hofe verloren, und im Sommer 1710 ward ihm auch der Oberbefehl über das Heer genommen. Die schwache und launenhafte Königin Anna folgte nun den Ratschlägen andrer Männer, und weil ihre Minister durch französisches Gold bestochen waren, begann ein abscheuliches Versteckenspiel. Der Nachfolger Marlboroughs ließ Eugenius in den Niederlanden mit Absicht im Stich, und die Holländer rührten keine Hand mehr, um sein Waffenglück zu fördern. So wurde die Stellung des Prinzen immer schwieriger, und als im Dezember der Krieg in Spanien, der rastlos weitergetobt hatte, zugunsten König Philipps V. endete, drohte dem Hause Habsburg der Verlust der hart genug errungenen Vorteile.

Da trat ein Ereignis ein, das den Prinzen von Savoyen tief erschütterte und die große Allianz völlig zerschlug. In der Blüte seiner Jahre, allen unvermutet, starb Kaiser Joseph I., der unsern Eugenius wie einen Bruder geliebt hatte und stets sein wärmster Gönner war. Den 17. April 1711 verschied der Kaiser an den Blattern, dieser tückischen Krankheit, die ihn kaum zehn Tage an das Bett gefesselt hatte. Da Joseph ohne männliche Nachkommen gestorben war, folgte ihm in den österreichischen Staaten und der deutschen Kaiserwürde sein jüngerer Bruder, Erzherzog Karl, der bisher als Gegenkönig Philipps in Spanien gekämpft hatte.

Prinz Eugen betrauerte in dem so jäh dahingeschiedenen Monarchen einen großherzigen Gebieter, der nie mit Beweisen der Huld und Gnade für ihn gespart hatte. Noch nach der Schlacht von Malplaquet hatte der Kaiser dem Prinzen einen Ehrensold von dreimalhunderttausend Gulden in barem Gelde überwiesen als Zeichen herzlicher Dankbarkeit. Nur dreiunddreißig Lebensjahre waren dem kraftvollen Herrscher beschieden. Sechs Jahre nur führte er das Zepter, und diese kurze Wirkungsdauer war ausgefüllt mit wüstem Kriegslärm und den Sorgen und Nöten eines endlosen Kampfes. Den Kaiser hatte hohe Bildung ausgezeichnet; sieben Sprachen redete er, das Tschechische und Ungarische ebenso gewandt beherrschend wie Latein und Griechisch. Von seinem erhabenen Beruf durchdrungen, von dem Bewußtsein seiner fürstlichen und kaiserlichen Würde getragen, verachtete er die Höflingswirtschaft und ehrte den Prinzen Eugen durch sein rückhaltloses Vertrauen. Kaiser Joseph I. hatte mit feuriger Entschiedenheit die Zügel der Regierung ergriffen und sich die Aufgabe gestellt, den Spanischen Erbfolgekrieg für das Haus Habsburg zu einem glücklichen Ende zu führen. Aber der unerbittliche Tod war stärker als der starke Wille dieses Monarchen.

Was England unbedingt verhindern wollte, eine Vereinigung aller Kronen des Hauses Habsburg auf ein Haupt, das stand jetzt bevor. Karl VI. sollte außer den österreichischen Erbländern und der Kaiserkrone Deutschlands nun auch Spanien mit Amerika und Indien, ferner die italienischen Provinzen und die Niederlande erben und so das alte Weltreich Karls V. neu begründen. Dazu hatten die Verbündeten keine Lust behilflich zu sein, denn die Vereinigung des ungeheuren spanischen Länderbesitzes mit einem schon so gewaltig großen Staat, wie ihn Kaiser Joseph verwaist zurückgelassen, war nicht nach dem Sinne der Briten. Darum wurde das Benehmen Englands immer kälter, und Prinz Eugen erkannte mit Schrecken, daß aus einem starken Verbündeten des Kaisers der ärgste Gegner geworden war.

In London wuchs die unfreundliche Stimmung gegen den Kaiser; schon besprachen die Vertrauten der Königin Anna mit Frankreich ein gemeinsames Vorgehen, und der Kongreß zu Utrecht war die Frucht dieser Zettelungen. Die neuen Günstlinge Annas hatten in zügelloser Schadenfreude den gestürzten Herzog Marlborough auch noch der Veruntreuung von Staatsgeldern bezichtigt. Der um alle Würden gebrachte Mann sollte völlig in den Staub getreten werden und seine Ehre, das letzte Gut aus glanzvollen Tagen, zu einem Spielball des Spottes werden. So traurig stand es um den alten Kriegskameraden unsers Prinzen, daß ihm jetzt ein schmachvoller Prozeß drohte.

Prinz Eugen trat seinem neuen kaiserlichen Herrn zum erstenmal in Innsbruck gegenüber. Eugenius wurde von Karl VI. dorthin berufen, als der Monarch auf dem Wege vom spanischen Kriegsschauplatz nach Wien begriffen war, um das Zepter zu ergreifen. Die Beratung war kurz, und der Kaiser war von der Persönlichkeit des Feldmarschalls bezaubert. Es wurde beschlossen, daß der Prinz ungesäumt nach London reisen solle, um den Abfall Englands zu verhüten. Der Ruhm Eugens und seine sprichwörtlich gewordene Redlichkeit sollten die Königin Anna für die Sache Österreichs wiedergewinnen.

Es war eine schwere Aufgabe, die den Prinzen von Savoyen nach London führte. Nach einer stürmischen Überfahrt – neun Tage trieb das Schiff auf dem unruhigen Meere umher – langte er vor der Mündung der Themse an. Man schrieb den 7. Januar 1712, und in Utrecht berieten schon, gegen den Willen des Kaisers, seine Verbündeten über einen Frieden, der Philipp von Anjou Spanien endgültig sichern sollte. Wie bitter muß dem treuen Prinzen ums Herz gewesen sein, als er die Themse hinauffuhr, der Riesenstadt London zu, wo sein Freund Marlborough geächtet einem entehrenden Richterspruch entgegensah.

Die Kunde von dem Eintreffen des Schiffes, auf dem der berühmte Kriegsheld gekommen war, verbreitete sich wie ein Lauffeuer. Das Ufer bedeckte eine ungeheure Menschenmenge. Alle wollten den Bezwinger des Sonnenkönigs, den großen Türkenbesieger sehen. Aber Eugenius, dem aufdringliche und lärmende Huldigungen stets zuwider waren, ließ die Gaffer stehen und landete unvermutet an einer andern Stelle.

Es zeugt für die ritterliche Gesinnung des Prinzen, daß er zuallererst seinen treuen Marlborough zu begrüßen ging. Ein schmerzliches Wiederfinden war's. Die beiden Feldherren, die gemeinsam die herrlichen Siege von Höchstädt und Malplaquet erkämpft hatten, sahen sich betrübt in die Augen. Des stolzen Lords Glücksstern war erloschen, und den Prinzen drückte die Sorge um die Zukunft. Am Londoner Hofe ward es Eugen arg verübelt, daß er dem geächteten Herzog als erstem auf englischem Boden die Hand geschüttelt hatte. Der edle Ritter aber war dem Gebote seines Herzens gefolgt, und es gereicht ihm zur Ehre, den unglücklichen Freund nicht verleugnet zu haben.

In Westminster-Hall, dem Schlosse der Königin Anna, fand ein prunkhafter Empfang Eugens statt. Die englischen Staatsmänner getrauten sich nicht, dem hervorragenden Abgesandten des Kaisers eine Audienz bei ihrer Königin zu versagen. Prinz Eugen überreichte eine Denkschrift, aber sie hatte das nämliche Ergebnis wie seine vier früheren Eingaben, die ungelesen im Staatsarchiv der Herrscherin verstaubten. Die Eifersucht Englands war nun einmal erwacht und die Aussöhnung des Inselreichs mit Ludwig XIV. nicht mehr zu verhindern. So brachte Prinz Eugen als einzigen Erfolg seiner Reise nach London einen kostbaren Ehrendegen mit, den ihm die Königin Anna als Zeichen ihrer Schätzung verliehen hatte.

Das war bitter, aber bitterer noch wurden die Erfahrungen, die in Flandern auf den Prinzen warteten. Zu Utrecht tagten seine Verbündeten und berieten offen mit Frankreich über den Frieden. Holland und Preußen, Savoyen und Portugal – auch dieses hatte bisher dem deutschen Kaiser gegen Spanien beigestanden – wollten das Schwert ruhen lassen. Es wurde, ohne auf die Stimme Eugens zu hören, eine Teilung des habsburgischen Erbes vorgenommen. Philipp sollte Spanien behalten und das Indische Reich, Sizilien dem Herzog von Savoyen zufallen, Deutschland das entrissene Straßburg wieder einverleibt erhalten, und England legte seine Hand auf die Festung Gibraltar und die Insel Minorka im Mittelländischen Meere. Für Kaiser Karl VI. wurden Belgien, Mailand und Neapel als hinreichende Entschädigung ausgespart. Prinz Eugen, von allen im Stiche gelassen, riet dem Wiener Hofe zur Nachgiebigkeit. Vom Kaiserhofe kam erst lange keine Antwort, und als endlich der Prinz den Befehl erhielt, weiterzukämpfen, schlossen die Verbündeten ohne Rücksicht auf Karl VI. am 11. April 1713 in Utrecht den Frieden. Ludwig XIV. behauptete nun auch noch durch den Beistand Englands das schöne Straßburg, wofür er sich zur ewigen Trennung der Kronen Spaniens und Frankreichs verpflichten mußte. So war die Hoffnung auf den Wiederbesitz Straßburgs vernichtet.

Prinz Eugen erfüllte gegen seinen obersten Kriegsherrn die Pflicht des unbedingten Gehorsams. Schweren Herzens griff er wieder zu den Waffen, an der flandrischen Grenze erneuerte er den Feldzug. Zur offenen Schlacht kam es nicht, aber manch blutige Schlappe mußte das erbärmlich zusammengeschmolzene Heer des Feldmarschalls erleiden. So führte Kaiser Karl noch ein Jahr lang auf eigne Faust Krieg mit Frankreich, bis er endlich einsah, daß selbst das größte Feldherrntalent machtlos wird, wo sich die Freunde zu Feinden wandeln. Nun entschloß sich Karl VI. doch zum Waffenstillstand, und Eugenius bekam den Auftrag, mit Villars zu unterhandeln.

Der Prinz wird erleichtert aufgeatmet haben, als es 1714 zum Frieden von Rastatt und Baden kam. Sein alter Widersacher im offenen Felde, Marschall Villars, wurde nun auch am grünen Beratungstisch sein Gegner. Eugenius stritt weidlich mit dem Franzosen, um für Kaiser und Reich möglichst viel zu retten. Straßburg blieb verloren, das war nicht mehr zu hindern, doch das übrige Reichsland gab Ludwig XIV., mit Ausnahme von Landau, wieder heraus, und so ward wenigstens ein Teil des Unrechts gesühnt. Der Kaiser bekam Mailand, Neapel und Sardinien, diese drei herrlichen Perlen aus dem spanischen Kronreif, und auch die Niederlande wurden österreichisch. Die Kurfürsten von Bayern und Köln wurden von der Reichsacht losgesprochen, und so durften die trotzigen Brüder nun doch in ihre Länder zurückkehren.

Prinz Eugen und Marschall Villars hatten einander während der langwierigen Unterhandlungen aufrichtig schätzen gelernt. Als die Verträge unterzeichnet waren, umarmten sich die Männer, und Villars sagte zu unserm Prinzen: »Wir zwei sind nun Freunde, aber meine Feinde stehen hinter mir in Paris, wie sich Ihre Feinde nicht im Lager des Gegners befinden, sondern zu Wien.« Das seltsame Wort des Franzosen barg einen tiefen Sinn, der unserm Helden leider längst nicht mehr fremd war. Alle großen und ungewöhnlichen Menschen sucht niedere Scheelsucht heim, sie werden belästigt vom Gekläff haßerfüllter Neider. Und es war das Los des edlen Ritters, daß er mehr als andre Größen auf seinem Lebenswege Steine fand und Dornen, und bald sollten die Worte Villars' für Eugenius zur bitteren Wahrheit werden. Der Prinz von Savoyen hatte das Menschenmöglichste getan, um Deutschland vor Verlusten zu schützen. Nach einem vierzehnjährigen Weltbrand hatte er das Feuer löschen helfen, und ruhmgekrönt kehrte er nun aus dem langen Kriege heim. Für sein neues Vaterland hatte der Held geblutet, Österreich durch glänzende Waffentaten zur Großmacht erhoben und den Stolz Frankreichs von Grund auf gebeugt. So pries ganz Europa den Prinzen Eugen, und Kaiser Karl VI. überhäufte ihn bei seinem Einzug in Wien mit Auszeichnungen. Sogar eine Denkmünze wurde Eugenius zu Ehren geprägt. Wo er sich zeigte, jubelte das Volk und warf jauchzend die Hüte in die Luft. Der Kaiser übertrug ihm nun die oberste Aufsicht über die eben gewonnenen Niederlande und ernannte ihn zum Generalgouverneur dieser Provinzen. Eugenius legte die Statthalterschaft von Mailand nieder und widmete sich mit Eifer seinem neuen Pflichtenkreis. Mit festen Händen ergriff er die Zügel der Verwaltung, allein nur für ein paar kurze Friedensjahre durfte er in Ruhe die Geschicke des ihm anvertrauten Landes lenken. Bald rief ihn sein Kaiser wieder auf das blutige Feld, und wenn sein Kaiser rief, dann pflegte Prinz Eugen nicht zu säumen.

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