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Siebentes Kapitel

An der Nacht vor dem Zweikampf zog die Freudenwelt, jauchzend mit Pauke und Trompeten, aus der ozeanischen Stadt um die Hütte des gefangenen Tieres, das dämmernd schlief. Hinter ihm, gedeckt durch seinen gewaltigen Rücken, lagen die beiden Geschwister, die sich müde gespielt hatten an einem rosa zuckenden Fischleib. Nun ruhten sie ineinander verschränkt. Vor Nahar, auf einer dünnen Decke aus Bast, in kärglichem Bett, ruhten die zwei menschlichen Hüter, das junge, glücklich vermählte Paar der Wärter.

Die Freudenmenschen umkreisten das Käfiggelaß in weit wandernder Prozession. Schwere Pfähle, rot und gelb geringelt, schleppten sie herbei, um den Platz des Kampfes vor der Hütte zu umzäunen. Ein langgezogenes Lied sangen sie im Takte zu ihren Schritten.

Springender Tiger, der schwarze Büffel wird dich zersprengen.
Bluttrinker, der weiße Fürst wird dein Blut trinken.
Gelber Tiger, du fressendes Fleisch, der schwarze Büffel
wird dein Fleisch fressen.
Tiger, Töter, der Mensch wird dich töten.

Nahar kniete auf seinen Pranken, unbewegt starrte sie, jählings erwacht durch die Kette der nackten Menschen, durch die Kette der nackten, entrindeten Pfähle, der gewaltigen Stamme, die durchsägt waren zu rotumwölkten Sonnen.

Erster Zug der Prozession. Kinder schleppten die Pfähle hinter sich. Es war Nacht. Knaben trugen Kerzen, stark wie ihre nackten Schenkel. Wie Falter mit durchsichtigen Flügeln, gaukelten die blassen Flammen auf den blaßgelben Leibern. Schweiß rann über die flachen Brüste der Knaben und Mädchen wie Regen. Vereint schritten sie, die teefarbenen Leiber nach vorne gebeugt, ihr unbehaartes Geschlecht dunkelte keusch, wunschlos war ihr Gesicht, lächelte matt unter den glattgescheitelten Spiegeln des Haares. Mit schlangenartigen Armen hatten sie sich um Pfähle und Lichter geringelt, ihre Finger in den Rillen vergraben.

Zweiter Zug. Reife Mädchen, niedrige Stirnen, wie flüssiges Blei gleißende Augen. Auf den schwellenden Armen, auf den eisenharten hochstrotzenden Brüsten wiegten sie die Pfähle, die wollüstige Last. Lichtgeprassel, wie eine brennende Fahne, wurde über ihnen geschwungen, steil reckte sich die wehende Glut bis ans Dach, entflammte das deckende Stroh, in Tageshelle schritten die Freudenmädchen, in Perlmutterglanz zitterte ihr üppiges Fleisch.

Asche und bröckliger Zunder wehte herab über den dritten Zug und über den Käfig in der Mitte des Hauses. Greisinnen, von Lüsten und endlosen Liebeslagern zerknitterte Lippen, wurden mit Asche bestreut. Mit ihren, vom Gebären zerfurchten Bäuchen, ihren dürren Schenkeln ritten sie auf den geglätteten Pfählen. In teuflischem Lächeln, aschebestreut, stumm, zogen sie dahin neben dem Tier, das aschebestreut, stumm durch sie hindurchblickte.

Männer, dunkel und in der Fülle ihrer Kraft, kamen in endlosem Zuge. Schon hieb man draußen die Pfähle im ersten Kreis in den Sand des Kampfplatzes, und immer noch wanderten Männer um Nahars Haus, Gäste berauschten Gesichts, mißgeborene und edle.

Ein weißer Papagei, in schimmernder, blendender Rüstung des Gefieders, hoch wie ein Pferd. Der krumme, rosige Schnabel wie eine rote Mondsichel im weißen Gewölk. Auf seinen mächtig aufgeplusterten Federn, von Flaum umwogt, von Daunen bis über die Hüften gestreichelt, ritt ein weißes Mädchen. Die Hände über der nackten Brust gekreuzt, das Haupt an die Herzgrube geschmiegt als schräg abrauschender Welle, zitterte es in Scham. Die Jungfrau, vergraben im Gefieder des ungeheuren Vogels, weiß auf weißem Lager.

Rings um das Haus, rings um die Welt, schlugen sie aus höheren Pfählen den zweiten Kreis ringsum den Kampfplatz.

Draußen erhellte sich ferne das Meer. Im blassen Azur die weiche Küste, der schwere Duft der Gärten, der letzte Hauch des regengrünen Tropenhaines, schwebten zu Nahar.

Berge, Wald und Wasser.

Vor ihren Augen rollte in ehernem Knirschen, von unsichtbarer Kraft langsam geführt, das Götzenbild der fruchtbaren Weiber. Es schleppte sich die schwarze Zeugin der wollüstigen Zeugung. Der schwere Kopf, schattend, ohne Augen, nur von einem ungeheuren Spalt mitten durchrissen. Keine Glieder, der Rumpf, die ungeheuer ausladende Pyramide, mit Brüsten, wie mit Trauben millionenfach umwuchert. Ein Umhang von tausend hängenden Brüsten des Alters in der Tiefe, die Mitte aber ein fester Gurt von tausend hart strotzenden Brüsten der Blüte, aber unzählig, Tropfen an Tropfen geregnet, um den Hals ein Band aus den tropfenförmigen Brüsten der Kinder, der unmündigen Geschlechter, der ungeborenen, dunkel gezeugten Brut. Alles aus Erz, alles schattenzart, glühend von innen rauchendem Feuer. Nelkenduft und Muskatrauch und des Sandelholzes süß schwelende Wolke dem Standbild voran.

Aus dem menschenlosen, ehern gemauerten Standbild rauschte Gesang:

Eingekerkerter Tiger, und du zertrümmerst nicht deinen Kerker?
Grauer Tiger, von Läusen zernagt, und du kannst sie nicht nagen?
Tiger mit der Fünffingertatze, die Krallen zerschnitten,
die Zähne zerbricht dir der Büffel.
Tiger mit den zwei Kindern am Herzen, wer wird dein Herz essen mit den zwei Kindern?
Kein Mann wird auf dich springen, und du wirst nichts mehr tragen.
Der schwarze Büffel wird auf dich springen, den schwarzen Büffel wirst du tragen.
Kein Mann wird auf dich springen, und du wirst nichts mehr tragen.
Der weiße Fürst wird auf dich springen, den weißen Fürsten wirst du tragen.
Wer hat Tiere getötet? Nahar wird ein Tier töten.
Wer hat Menschen getötet? Der Mensch wird dich töten.
Im Morgendunst des neuen Tages schlug man die dritte Reihe von Pfählen, den dritten Kreis um den Platz. Es erbebte die Erde, es erbebte Nahars Herz.

 


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