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Ihr Haupt hatte Nahar an den hohen Leib gelehnt. Ihre großen Augen sahen nichts, wenn sie aber die Augen schloß, dann fühlte sie in der Finsternis an der zarten Haut der Lider das Scharren der Früchte, die im Finstern schon lebten.
Noch glühte oben ein brennender, blendender Tag durch kalkweiße Wolken. Unter dem heißen Wind rieselten die Blätter vom verdorrenden Heimatbaum. Ein weiches Lager der Mutter. Schwer atmend ruhte sie. Stille und Schweigen. Ohne ihren Willen erstarrte in ihr der erste Krampf, tiefer in das Laub gewühlt versank ihr Körper, nur mit Mühe hob sie sich dem Mann entgegen, der ihr nahte mit herrlich bluttropfender Beute. Aber Nahars feuerfarbener Tierleib war beklebt mit Blättern, ihr Sommer in einen fahlen Mantel von Herbst gekleidet. Ihr nacktes Fleisch war mit grauem Gestrüpp überwachsen. Doch nun rauschte der Regen, der prasselnde Gewitterguß wusch sie frei vom verdorrten Laub, reinigte sie vom Lehm. Aus dem berstenden Himmel des Orkans ragten unzählige Finger, um ihren gebärenden Bauch zu streicheln, zu kühlen.
Im Krampf der Geburt umdonnerte sie das stürzende Wasser. Noch ein Tag des Geschlechtes, noch eine Nacht der Umarmung.
Nahar, Mutter in der Geburt: die Vorderpranken hielt sie, unbewegt wie ein Stein, auf den Steinen des Gebärlagers. Das war Nahar, das Tier, das Furcht und Tränen nicht kannte. Aber tiefer atmete ihres Seins anderer Pol, der weinende Schoß, Nahar, das Kind, die wollüstige Braut, das liebend mütterliche Tier, der selig verzauberte Mensch.
Sie warf sich hin. Aus ihren Eingeweiden drang Glut, zum Schrei des Schmerzes bäumte sich ihr Herz, zum Schrei der Wonne faßte sich ihr Herz. Im Gewitterblitz sah sie Blut aus sich sprudeln. Inmitten der Flut brach aus ihr ein kleines Haupt. Zwei winzige Ohren, zwei Flügel an dem kleinen Kopf des Kindes, waren ihrer Zunge ein Labsal. Um einen hageren Hals saugten sich ihre sehnenden Lippen, immer tiefer, immer näher heran, in schwellender Wollust, bis zum ohnmächtigen Schrei: Nun lag es ganz vor ihr, im gesegneten Augenblick: ein gewichtloses Kind, ein schwächlicher Knabe, mit ausgebreiteten Armen lautlos und ohne Odem niedergesunken auf das knisternde Laub. Aber schon atmete es auf, zerrte mit den Füßen an ihrem Schoß, winselte ihr zu, sprach ohne Worte das Wort ihrer Seele. An einer Ader hing es, so klammerte es sich an das Herz ihres Herzens, den Brüsten strebte es zu, da es wie im Hunger den Mund öffnete und schloß.
Der stürmende Himmel war beruhigt. Zwischen schwarzem Gewittergewölk brach blendende Sonne. Noch einmal schwoll das Innere des Tieres: zuckend wie Lippen vor dem Schrei, so wallte ihr Schoß: ohne Mühe, ohne Schmerz entglitt ihr ein zweiter, winziger Körper, des ersten Kindes Spiegelbild.
Regengrüne Tropenbäume, schillernd in der blassen Glut des hochragenden Gestirns in der Stunde der glückseligen Geburt. Alle Tiere atmeten in Ruhe.
Die Kinder, eins ans andere geschlungen, zogen an ihrem Herzen, an die Mitte ihres Lebens waren sie gekettet: eine dumpf dröhnende Saite war ausgespannt zwischen ihnen allen, eine Ader verband sie, ein Fleisch, ein Blut.
Jetzt zerbiß die Mutter das Band: um ihre Zunge umgerollt fühlte sie die Jungen schweben, in ihrer Kehle kostete sie ihren Geschmack, im Kern ihres Daseins lebten sie von heute mit ihr, der Mutter in der Geburt.