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Siebentes Kapitel

Nachts kam der Vater zurück: schwere Beute schleppte er im ungeheuren, blitzenden Rachen, auf die Jungen träufelte als düsterer Regen Blut herab, Geifer und Schweiß. Weiß flimmerte seine schmale Lippe, in der lichten Kehlgrube zuckte sein Puls. Über den aufatmenden Kindern donnerte dumpf sein Herz. Krachend zertrümmerten seine Zähne, die wild zuhackenden Hauer, die runden Schenkelknochen eines Rehes. Neben das Junge hin fielen Fleischstücke, noch rauchend von Leben, Eingeweide, glatte weiße Schlangen, ringelten sich um die Füße der Tiere, feucht und warm.

In lautlos gebeugtem Knie ruhte der Vater, der gewaltige Bau, der selbst die Mutter noch übertürmte. Fernhin blickte er, während er an seine Brust in unzerreißbarer Umarmung geklammert hielt den blutig nackten Rücken seiner Beute.

Licht schimmerte das Haar um seine Wangen, die vom Fraß noch zitterten, ein Nebelhof, wallend um den weißen Mond seines großen Gesichtes. Bevor er sich einsenkte in Ruhe und Schlaf, kreiste sein Blick über die Kinder. An Nahar beugte er sich tief herab. Plötzlich warf er sich mit knurrendem Laut auf den Rücken, faßte das Kind zwischen seine weichen Pranken, spielend schleuderte er es hoch, fing es im Spiele wieder auf in der flaumigen Bucht seines Bauches. Bald rollte er schwer zur Seite, gesättigt, am Eingang des Schlafs. In den Zotteln seines Felles ließ er sein Kind.

Morgens verließ er das Lager. Goldleuchtend und schwarz schwirrte sein Abglanz durch den windgebogenen Bambus ins dichte Gespinst der Gebüsche.

In der Wolke seines Dunstes, im Mund noch den Duft seines Schweißes, witterte Nahar das Blut der Jagd. Lüstern erwachte sie, in warmer Erregung schwebte das junge Tier noch lange.

Auch die Mutter schritt fort. In einen hohen Bogen streckte sie gähnend ihren Leib, und wie sie die Vorderpranken in die Rinde eines Baumes einkrallte, erbebte der Baum, erbebte der festgegründete Boden des Heimatgeländes. Langsam hob sich ihr Kopf, witterte hin nach dem milchig tropfenden Morgen, lautlos zog sie dahin unter dem sausenden Wind.

Im Spiel begegneten sich Bruder und Schwester.

Anschleichend, durch die Trümmerstätte gebleichter Knochen und gedörrter Sehnen gedeckt, wie zwei Schlangen glitten sie, goldflaumig und schwarz im stillen Mondmorgen. Schon bissen sie zu, verfingen sich mit ihren kaum sprießenden Zähnen. Dem Vatertier gleich, warf sich Nahar auf den Rücken, auf ihren Gliedern trug sie den leichten Körper des Bruders, schaukelte ihn, schnellte ihn fort, setzte ihm nach, umgirrte ihn im spiraligen Lauf. Hoch wogte die Sonne.

Schon kam er ihr nahe, fauchte sie an mit zornigen Nüstern, faßte ihren Rücken, kämmte ihn bis zum Schweif, mit seinem spitzigen Gebiß. Nahar entfloh, im Sprung warf sie sich an einen niedrigen Zweig des Heimatbaumes, wippend lugte sie von oben herab, senkte sich, umfaßte den Bruder mit den Vorderpranken, um seinen Kopf hin und her zu wiegen, den wehrlos gefangenen unentrinnbar zu umarmen.

Zwischen ihren Armen leuchtete das wiedergespiegelte Ich.

Selig erkannte sie sich im spielenden Bruder. Keine Erinnerung verdunkelte ihren glücklichen Tag.

Vögel flatterten vom zitternden Zweig, in purpurnem Fluge durchzuckten sie den Morgen. Pfauen, blau schattend, mit riesig funkelndem Spiegel, huschten rauschend rings um die Tiere, die kämpften und spielten im Jubel der Kindheit.

Mit Leben bis in die letzte Ader gefüllt, spielten sie Tod. Flach, wie mit durchschnittenen Sehnen, lagen sie da.

Keine Regung, kein Hauch.

Nahar, geblendet in der Mittagssonne, gebadet in flimmernde Hitze, nackt im bunten Fell. Des Bruders rauh keuchender Atem floß herab an ihrer goldschwarzen Hüfte, die seine kühlen, dunklen Nüstern berührten. Aber jetzt, aufstampfend in der blühenden Kraft ihrer Jugend, setzte sie in herrlichem Tiersprung ab von der Erde. Hoch gespannt, zwitschernd in silbernem Laut, warf sie sich in die schwirrende Luft, überflog jauchzend den langgestreckten Körper des Bruders. Im Schatten des Heimatbaumes landete sie, auf kühlem Totengebein lagerte sie.

Ruhig hinatmend, funkelte sie in großem Feuer der Augen.

 


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