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Da die Entwicklung des Violinspieles im 19. Jahrhundert im wesentlichen Deutschland und Frankreich vorbehalten blieb, indem sich für das einst führende, dann jedoch ausscheidende Italien kein Ersatz fand, so ist die Mehrzahl der englischen, skandinavischen und slavischen Violinisten der Neuzeit der französischen oder einer der deutschen Schulen zugehörig, wofür eine Betrachtung etwa der Pariser oder der neuen Berliner Schule unmittelbar Zeugnis ablegt.
Immerhin verbleibt auch in diesen Ländern eine nicht unbeträchtliche Anzahl von Geigern, die teils mehr oder minder Autodidakten sind, teils ihre Ausbildung bei wenig bekannten Männern gefunden haben; schließlich begegnen wir ab und zu auch solchen, die drei oder noch mehr Lehrer verschiedener Schulen hatten und deshalb nicht ohne Willkür bei einer derselben unterzubringen wären.
Es folgen daher hier die Violinisten der genannten Länder, soweit sie nicht bereits in den Abschnitten über Deutschland, Frankreich und die Niederlande besprochen werden konnten, wobei zugleich das zur historischen Anknüpfung Nötigste Erwähnung finden soll.
Seit Jahrhunderten bereits ist die britische Nation bemüht gewesen, die tonkünstlerischen Resultate des westlichen Europa, insbesondere aber Italiens und Deutschlands, für ihre Bedürfnisse zu benutzen und zugleich nacheifernd in diesem Kunstgebiete tätig zu sein, ohne daß es ihr bis jetzt gelungen wäre, auf den Entwicklungsgang der modernen Musik im ganzen und großen irgend einen bestimmenden Einfluß zu gewinnen. Zwar besaß England im 16. und 17. Jahrhundert in Männern wie William Bird, John Dowland, Thomas Weelkes, John Wilbye, Thomas Morley, Orlando Gibbons und John Bennet eine Reihe begabter Tonsetzer, aber eine nationale Musik von einer auch für andere Nationen maßgebenden und leitenden Geltung haben sie nicht geschaffen. Ja, die eigentliche Glanzzeit der englischen Musikgeschichte fällt eher noch früher: immer sicherer wird, daß England die Stätte war, in der im 14. und 15. Jahrhundert der Kontrapunkt die erste kunstgemäße Ausgestaltung fand, und daß in jener entlegenen Zeit England einmal auch in Musikdingen auf den Kontinent einen bestimmenden Einfluß ausgeübt hat, während später stets nur das Umgekehrte zu sagen ist Über die englische Musikgeschichte wolle man vergleichen: W. Nagel, Geschichte der Musik in England, 2 Bde., und H. Davey, History of English music..
Schon zur Zeit Karls I. ging die Musikblüte Englands beträchtlich zurück, obgleich derselbe die Musiker Wilson (1594-1673) und Jenkins (1592-1678) hochschätzte. Viel schlimmer wurde es indessen in der unmittelbaren Folgezeit, als Cromwell und die Puritaner ihren bekannten Fanatismus auch gegen die Theater- und Kirchenmusik mobil machten. Zerstörung der Orgeln und Abschaffung der Kirchenmusik, Vernichtung kostbarer Notenschätze, allgemeines Elend der Musiker zu jener Zeit sind traurige Denkmäler eines beklagenswerten Barbarismus, der, wie es auch anderwärts bis auf den heutigen Tag bekanntlich vorkommt, die Religion gegen die Kunst ausspielte. Die Not der Musiker wurde so groß, daß es im Jahre 1656 zu einer großen öffentlichen Petition nach staatlicher Hilfe und der Errichtung einer nationalen Musikschule kam.
Freilich fingen die Zustände gerade um jene Zeit wieder an sich zu bessern. Wenn es in der Folgezeit doch nicht gelang, die entschwundene Blütezeit der englischen Musik wieder heraufzuführen, wenn wir französische, italienische, weiterhin bis zur Neuzeit stetig die Oberhand gewinnende deutsche Einflüsse an Stelle einer kraftvollen nationalen Musikentwicklung in dem Lande Shakespeares als maßgebend erblicken, so werden wir den Grund tiefer suchen. Offenbar ist es kein Zufall, daß England in der frühen Zeit des alleinherrschenden Kontrapunktes groß war, und daß es von Beginn der eigentlich modernen Musik, also etwa von 1600 an mehr und mehr an eigener Initiative versagte. Es ist vielleicht denkbar, wenn es auch kühn und fast bedenklich scheint, es auch nur als Hypothese auszusprechen, daß die moderne Musikentfaltung auf Territorien hinausdrängte, die dem speziellen britischen Musikgeist unzugänglich blieben, mindestens ihm keine selbständige Entwicklung möglich machten. Das damit gegebene Überwuchern fremden Einflusses könnte dann noch das Seine an weiterem Einschläfern und Latentwerden dieses Geistes getan haben. Vielleicht erklärt eine solche Auffassung einigermaßen die sehr merkwürdige Erscheinung, daß das Vaterland Shakespeares keinen diesem größten Dichter auch nur entfernt ebenbürtigen Musiker erzeugt hat, während es ihm bis auf die Gegenwart herab nicht an sehr bedeutenden Erscheinungen mannigfachster Art in der schönen Literatur, Malerei, Philosophie, Geschichte, den exakten Wissenschaften (Philologie, sämtliche Naturwissenschaften), Industrie und Handelspolitik fehlte. Vielleicht auch könnte in obiger Erwägung eine besser begründete Hoffnung für ein dereinstiges Wiederaufblühen einer beachtenswerten selbständigen englischen Tonkunst zu finden sein, als sie die an sich lobenswerten Bemühungen vermittels eifriger Pflege der besten neuen Musik, sowie Errichtung großer Konservatorien, Musikvereine usw. in dieser Hinsicht zu spenden vermögen. Denn dem britischen Volke als solchem die höhere Befähigung zur Musik schlechthin abzusprechen, verbietet die sich mehr und mehr vertiefende Kenntnis seiner musikalischen Vergangenheit des 14. und 15. Jahrhunderts.
1660 gelangte Karl II. zur Regierung und führte, wie in anderen Dingen, so auch in der Musik französische Sitten ein. Nach dem Muster der dem Leser von Frankreich her bekannten »24 violons du roy« richtete er sich eine Hofkapelle von ebenfalls 24 Köpfen ein, in die am 30. November 1661 auch der berühmte deutsche Violinist Baltzar (vgl. S. 220 f.) eintrat, aber nicht, wie fast überall angegeben wird, als ihr Leiter Vgl. W. Nagel in »Geschichte der Musik in England« (II, Kap. 9), sowie derselbe in »Monatshefte für Musikgeschichte« Bd. 28, S. 70.. Diese Kapelle musizierte, während der Hof speiste, und vom 21. Dezember 1662 ab wurde sie nach Evelyn auch zum Gottesdienst herangezogen, indem sie zwischen den Abschnitten der Anthems »Symphonien und Ritornelle« zu spielen hatte. Man empfand jedoch diese Neuerung zum Teil mißfällig, und nach Karls II. Tode verschwanden die Violinen wieder aus den Kirchen.
Es ist interessant genug, daß in dieser Periode des bereits im vollen Zuge befindlichen musikalischen Niederganges der bedeutendste Komponist Englands, Henry Purcell, von dem William Crotch in einem 1808 erschienenen Sammelwerk » Specimens of various Styles of Music« kühnlich behauptet, er sei zu Ende des 17. Jahrhunderts der größte Komponist, nicht nur Englands, sondern überhaupt gewesen Zu seinen Instrumentalsätzen, die dem Ausdruck nach mehr spröde und trocken als anmutig und wohlklingend sind, kann Purcell mit den gleichzeitigen italienischen Tonsetzern nicht rivalisieren., einen ausdrücklichen Protest gegen den französischen Einfluß erhob. Bessern konnte derselbe freilich ebensowenig als Purcells imponierende musikalische Wirksamkeit dies überhaupt tat. Purcell lebte von 1658-1695 (21. November) in London. Er veröffentlichte im Jahre 1683 zwölf Sonaten für zwei Violinen und Baß Drei derselben wurden neuerdings von G. Jensen neu herausgegeben (bei Augener in London).. In der Vorrede zu diesem Werk teilt Purcell mit, daß er die italienischen Muster den französischen vorziehe und hier eine treue Nachahmung der berühmtesten italienischen Meister versucht habe, um den Ernst und das Gewicht jener Musik an Stelle der leichtfertigen französischen Tonkunst bei seinen Landsleuten heimisch zu machen, von welch letzterer sie sich vielmehr mit Überdruß abwenden sollten.
Betrachten wir nunmehr die ausübenden englischen Künstler jener Epoche, so begegnet uns abermals alsbald die Abhängigkeit vom Auslande. Selbst Davey, der in seiner 1895 erschienenen History of English music an manchen Stellen den Ruhm der englischen Musik – und zwar lächerlicherweise auf Kosten unserer deutschen – übermäßig herauszuheben bemüht ist, gibt zu, daß England an der Entwicklung speziell der Violintechnik und der Violinkomposition keinerlei Anteil gehabt hat. Wenn von Frankreich, Italien, Deutschland her eine neue derartige Bereicherung über den Kanal drang, fanden die englischen Spieler es furchtbar schwer, sie nachzumachen, lernten es jedoch und warteten auf den nächsten Fortschritt. » But no one English Violinist discovered anything by himself.«
Auch begann, obwohl das Instrumentenspiel in England frühzeitig beliebt war, die kunstgemäße Pflege desselben erst verhältnismäßig spät. Besonders bevorzugt wurde ehedem in musikalischen Kreisen Englands das Viola- oder Gambenspiel, in welchem man dort zwei dem 17. Jahrhundert angehörende Größen besaß. Diese waren John Jenkins Die seit Hawkins oft bis in die neueste Zeit wiederholte Angabe, Jenkins habe im Jahre 1660 zwölf Sonaten für zwei Violinen und Baß veröffentlicht, scheint irrig zu sein. ( Davey, History of English music, S. 294.), geb. 1592 zu Maidstone, gest. 27. Oktober 1678 zu Kimberley, und Christopher Simpson, geb. zu Anfang des 17. Jahrhunderts, gest. um 1677. Den letzteren, welcher 1659 eine Violaschule veröffentlichte, haben wir schon als Verfasser einer Violinschule kennen gelernt Vgl. S. 100, Anm..
Von Violinisten jener Zeit werden genannt ein gewisser Paul Wheeler und Davis Mell.
Über den ersteren ist nur eine Notiz Evelyns vorhanden, nach welcher er neben Mell als der beste damalige englische Violinist bekannt war. Einige Stücke in der » Division violin« sowie in der » Virgin's Pattern« tragen die Namensbezeichnungen »Paulwheel« und »Polewheel«, womit aller Wahrscheinlichkeit nach dieser Musiker gemeint ist. Etwas mehr wissen wir von
Davis Mell. Er wurde geboren zu Wilton am 15. November 1604. Bis zu Baltzars Ankunft in England (1656) als der vorzüglichste Violinist in seinem Vaterlande geschätzt, mußte er freilich vor der überlegenen Technik des Deutschen, gleich Wheeler, die Waffen strecken. Doch genoß er die Entschädigung, hinsichtlich des Tones und des Ausdrucks sogar noch über Baltzar gestellt zu werden. Mell stand in Cromwells Diensten, unterzeichnete jedoch gleichfalls die oben von uns erwähnte, auf eine materielle Besserung der Musiker ausgehende Petition im Jahre 1556. Im nächstfolgenden Jahre besuchte er Oxford, woselbst damals Baltzar sich aufhielt. Nach den überlieferten Nachrichten war Mell nicht bloß Musiker, sondern zugleich ein guter Uhrmacher. Er starb wahrscheinlich bald nach der Restauration. Komponiert scheint er nicht viel zu haben, Stücke von ihm finden sich in Playfords » Court Ayres« sowie in der » Division Violin« (1685).
Um diese Zeit wurde in England noch das Violinspiel – wahrscheinlich nicht unverdientermaßen – als durchaus zweiten Ranges eingeschätzt. Die Violen standen dagegen im Vordergrunde von Rang und Achtung. Dieses Verhältnis erfuhr jedoch von der Mitte des 17. Jahrhunderts ab eine allmähliche Verschiebung, indem auch in England, wie anderwärts, die weit leistungsfähigere, aufstrebende Violine ihre Rivalinnen – mit Ausnahme der Viola da Gamba – überflügelte. Wesentlich maßgebend war hierfür die Erscheinung Baltzars. Mit seiner damals unerhörten Technik stellte er nicht nur alle Konkurrenten in Schatten, sondern verschaffte auch seinem Instrumente die Grundlage zu späterem gebührendem Ansehen. Aber auch von berufener produktiver Seite wurde die gleiche Richtung unterstützt: Purcell war den Violen abgeneigt, und sein Einfluß tat viel dazu, sie zu antiquieren.
Obwohl nun hierdurch der endliche Sieg der Violine bald entschieden sein mußte, fehlte es doch, gleichwie wir es in Frankreich früher sahen, auch hier nicht an Gegnern, die die Violen, besonders aber auch die Laute, vor der schönen Feindin zu beschützen und über sie zu erheben bemüht waren.
Als die Verkörperung dieser Bestrebungen in England kann der Lautenist Thomas Mace gelten, der 1613 geboren wurde und 1709 (nach Hawkins), also in dem respektablen Alter von 96 Jahren, starb. Dieser ehrwürdige Mann bemüßigte sich in seinem 1676 publizierten » Musicks Monument«, speziell die Laute gegenüber der » scolding violin« auf den Schild zu heben. Natürlich blieb sein Schelten ohne Erfolg.
Schließlich sei in diesem Zusammenhange noch an Nicola Matteis (vgl. S. 188 d. B.) erinnert, der gegen Ende des 17. Jahrhunderts nach London kam. Wenngleich nicht als erster, wie wir sahen, so doch als der erste hervorragende Violinist aus dem damals in dieser Hinsicht führenden Italien, hat auch er seinen Anteil an der der Violine in England fortan zugewendeten Gunst.
War somit von der Mitte, spätestens dem Ende des 17. Jahrhunderts ab durch meist fremde Bemühung die Bahn frei, so vermochte dies doch nicht aus dem spröden englischen Materiale eine Reihe hervorragender Violinisten herauszubilden. Nur wenige englische Geiger von Bedeutung machten sich seither geltend, sei es nun, daß der reichliche Zufluß fremder, namentlich aber italienischer und deutscher Spieler seit Beginn des 18. Jahrhunderts das berufsmäßige Studium der Violine entbehrlich erscheinen lassen mochte, oder daß es an ausgezeichneten einheimischen Talenten für dieses Instrument fehlte. Tatsache ist es, daß eine Erscheinung ersten Ranges unter den englischen Geigern bisher nicht existiert hat.
Wenn man sich vergegenwärtigt, daß der Privatmusikbetrieb Englands in Haus und Familie ein weitverbreiteter ist, so muß es auffallen, daß dort ein numerisch so starkes Kontingent ausländischer Künstler für die öffentliche Musikpflege benötigt wird. Dieser Umstand, welcher eben nicht zugunsten der englischen Musikbegabung spricht, hat, wie es scheint, dazu Anlaß gegeben, die Zahl der Londoner Musikinstitute noch um ein in großem Stil angelegtes Konservatorium zu vermehren, welches im Frühjahr 1883 unter dem Namen Royal College of Music eröffnet worden ist. Man knüpft an diese Anstalt weitgehende Hoffnungen für die musikalische Zukunft Englands. Ob dieselben in Erfüllung gehen werden, bleibt abzuwarten.
Unter den Orten, in welchen die Tonkunst bis heute eine Stätte fand, nahm London als Residenz und Hauptsammelplatz der vornehmen englischen Gesellschaft jederzeit den Vorrang ein. In dieser Weltstadt konzentriert sich eigentlich das musikalische England; sie hat nach dieser Seite imgrunde für das ganze Land dieselbe Bedeutung, wie Paris für Frankreich. Außerdem taten sich im 18. Jahrhundert vorzugsweise Worcester, Glocester, Hereford, im vorigen Jahrhundert Birmingham, Manchester, Liverpool und einige andere Städte durch Musikfeste hervor.
Da Londoner Musikleben fand außer der Opernbühne hauptsächlich in öffentlichen Konzerten und in der Tätigkeit musikalischer Vereine Ausdruck Über diese Vereine, wie überhaupt über die musikalischen Verhältnisse Londons finden sich sehr detaillierte Mitteilungen in Pohls »Mozart und Haydn in London«. (Wien, Gerolds Sohn, 1867.) Die folgenden Notizen sind diesem interessanten Buche entnommen.. Das Konzertwesen der Themsestadt ist alt und verdankt seine Entstehung dem ersten namhafteren englischen Violinspieler John Banister, geb. 1630 bei London, gest. 3. Oktober 1679, welcher 1663 Leiter der mit 24 Violinen besetzten Hofmusik wurde. Man erzählt, daß Banister, von Karl II. zu seiner Vervollkommnung nach Frankreich geschickt, sich die Ungnade seines Gebieters zugezogen habe, weil er gegen denselben nach seiner Heimkehr die Meinung geäußert, daß die Engländer weniger Talent zum Violinspiel hätten als die Franzosen. Er ward dieserhalb um 1667 entlassen, ein unbedeutender Franzose namens Grabu nahm seine Stelle ein. Banister mietete nunmehr einen großen Raum in Whitefriars, nahe bei Templegate, und kündigte am 30. Dezember 1672 die ersten regelmäßigen Konzerte Londons an, deren Fortgang er weiterhin seine Tätigkeit hauptsächlich widmete. Werke von ihm finden sich in der » Division violin« sowie anderen ähnlichen Sammlungen. Mit Humphrey arbeitete er an einer Musik zu Shakespeares Sturm. Über seinen gleichnamigen Sohn siehe weiter unten.
Den von Banister eingeführten Konzerten folgten 1678 die Musikaufführungen des in den Straßen Londons herumziehenden Kohlenverkäufers Thomas Britton, der neben seinem Geschäft ein leidenschaftlicher Musikliebhaber war und in seinen Mußestunden mit Eifer dem Studium der Gambe und des Generalbasses oblag. Geboren um 1650, gestorben am 27. September 1714, veranstaltete er 36 Jahre hindurch bis zu seinem Tode regelmäßig Donnerstags in seiner Behausung Konzerte, die in einem schmalen und niedrigen, über dem Kohlenschuppen befindlichen Raume stattfanden, nichtsdestoweniger aber von der vornehmen Welt besucht wurden. Lange Zeit boten diese Konzerte für einheimische und auswärtige Künstler ein Hauptmittel, sich in London bekannt zu machen. Selbst Händel hielt es nicht unter seiner Würde, dort zu spielen.
Diesen Unternehmungen schlossen sich andere Konzerteinrichtungen von längerer oder kürzerer Dauer an, so besonders ein um 1680 begründetes Unternehmen in Villiers street. Auch Privatkonzerte mannigfacher Art kamen seit dem Ende des 17. Jahrhunderts in Aufnahme. Ein bedeutsamer Versuch zu regelmäßigen Abonnementskonzerten nach dem Modus des Pariser Concert spirituel ging von Corellis Schüler Geminiani aus. Mit ihm rivalisierte gleichzeitig der deutsche Violinspieler Michael Christian Festing Vgl. S. 103 d. B. (gest. 1752), welcher von 1739-1744 ebenfalls Subskriptionskonzerte veranstaltete.
Vom Jahre 1751 ab erhielt das Londoner Konzertwesen einen besonderen Aufschwung, zunächst durch die Tätigkeit des Violinspielers Giardini Vgl. S. 152 ff. d. B., sodann aber durch die Bach-Abel-Konzerte, welchen Wilhelm Cramer einen besonderen Glanz verlieh. Bald wurden auch die » professional Concerts« zu einem neuen Anziehungspunkt für die Künstlerwelt. Die bei weitem größte Bedeutung für das Londoner Musikleben gewannen aber die Salomonischen Konzerte, welche ihre Glanzperiode durch Haydns persönliche Mitwirkung feierten. Überhaupt hatte sich der Musikbedarf der englischen Hauptstadt zu Ende des 18. Jahrhunderts ungemein vervielfältigt und bis zu einer beispiellosen Höhe gesteigert. Pohl gibt darüber folgende Notizen: »London, das sich nun nach damaligen Begriffen enorm vergrößert hatte, sorgte auch für die feineren Kunstgenüsse der täglich an Zahl zunehmenden Bevölkerung. Es entstanden neue Konzertsäle, neue Theatergebäude. Zu Hanover Square rooms gab Salomon ›unter den Auspicien Haydns‹ 12 Subskriptionskonzerte und eben so viele für die Fachmusiker ( professional concerts) unter W. Gramer. Ferner waren in einem neuen Saale in Tottenham street die vom König besonders protegirten Konzerte für alte Musik ( Concerts of ancient Music) unter Joah Bates und W. Cramer; die Konzerte der Academy of ancient Music, unter Dr. Arnold und Salomon; die Anacreontic-Madrigal-Cecilian- und Handelian-Societies; der Catch-Club; Glee-Club; die Konzerte in den Gärten Vauxhall und Ranelagh. Dazu die häufigen Konzerte bei Hof in Buckingham-house oder zu Windsor, beim Prinzen von Wales in Carlton-house, bei der Herzogin von York in York-house. Endlich noch die an Sonntagabenden stattfindenden Nobility-concerts (Konzerte des Adels), die ladies-concerts (Damenkonzerte) an Freitag-Abenden; eine Anzahl Privatkonzerte einheimischer und fremder Virtuosen nebst den Musikabenden der Reichen im eigenen Hause. – Als Beweis, daß die Musikwut sich auch in den niederen Klassen der Bevölkerung ausbreitete, erwähnt Morning-Chronicle (Dezember 1791) Konzerte auf einem Heuboden, Eintritt 3 Pence; ferner Sonntagskonzerte zu 6 Pence in gewöhnlichen Bierstuben.«
Man ersieht aus diesen Angaben, wie sehr London schon gegen Ende des 18. Jahrhunderts von Musikproduktionen aller Art und Beschaffenheit überschwemmt war. Der größere Teil hiervon fand, wie auch jetzt noch, während der »Season«, also zu jener Zeit statt, welche die Fasten nebst den beiden darauf folgenden Monaten einschließt. In dieser kurzen Periode überläßt man sich dem geschäftsmäßigen Genusse sogenannter Monstre-Konzerte von oft mehrstündiger Dauer, die dem Publikum massenhaft geboten werden. Von nah und fern strömen dann Sänger und Virtuosen herbei, um Lorbeeren und Geld einzuernten; doch nur einem verhältnismäßig kleinen Teile derselben gelingt dies nach Wunsch; denn die Konkurrenz ist ungeheuer, und das verwöhnte Publikum bevorzugt, wie begreiflich, die Helden des Tages. Eine Erscheinung verdrängt die andere, und in diesem bunten Gewühl, welches einem musikalischen Sklavenmarkte gleicht, auf dem jeder sich wie eine Ware anbringt und zu festen Preisen an einen Unternehmer oder an eine Gesellschaft verkauft, hat die Existenzfrage ihre besondere Bedeutung. Viele von denen, welche mit schönen Hoffnungsträumen für Ehre und Gewinn über den Kanal schifften, kehrten enttäuscht in die Heimat zurück, wenn ihnen nicht etwa bei dauerndem Aufenthalt in London das herbe Los zuteil ward, selbst nach glänzenden Tagen in Not und Elend ihre Laufbahn zu beschließen, wozu die Geschichte des Violinspiele hinreichende Belege liefert.
Wie schwierig es schon in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts war, sich in der Gunst des Londoner Publikums festzusetzen und dauernd zu behaupten, davon sei hier noch ein eklatantes Beispiel angeführt.
Leopold Mozart war mit seinen beiden Kindern im Frühjahr 1764 nach London gegangen, und Wolfgang erregte durch sein wunderbares Talent das allgemeinste Aufsehen. Nachdem die Neugierde der Leute aber befriedigt worden, gehörte die deutsche Künstlerfamilie bald zu den abgetanen Dingen. Auf jede Weise bemühte sich Mozart, der Vater, das Interesse für die seltenen Leistungen seiner Kinder und namentlich Wolfgangs rege zu erhalten. Er ermäßigt das Eintrittsgeld. Er entschließt sich zu reklameartigen, seinem Wesen so fremden Anzeigen und Einladungen. Doch vergeblich! Endlich wird noch der verzweifelte Versuch gemacht, das fashionable Westend zu verlassen, um in der City in einem untergeordneten Lokale zu abermals herabgesetzten Preisen zu spielen. Mit folgenden marktschreierischen Worten bietet er die Leistungen seiner Kinder unterm 11. Juli 1765 förmlich aus: »Allen Freunden der Wissenschaften. – Das größte Wunder, dessen Europa oder die Menschheit überhaupt sich rühmen kann, ist ohne Zweifel der kleine Knabe, Wolfgang Mozart: ein Knabe, der im Alter von acht Jahren die Bewunderung nicht nur der ausgezeichnetsten Männer überhaupt, sondern auch der größten Musiker Europa's mit Recht erregt hat. Es ist schwer zu sagen, was mehr zu bewundern ist, seine Ausführung auf dem Klavier und sein prima vista Spielen und Singen oder seine Einfalle, Ideen und Kompositionen für alle Instrumente. Der Vater dieses Wunders, auf den Wunsch mehrerer Damen und Herren veranlaßt, seine Abreise von England auf eine sehr kurze Zeit zu verschieben, wird hiermit Gelegenheit geben, diesen kleinen Komponisten und seine Schwester, deren beider musikalische Kenntnisse keine Verteidigung bedürfen, zu hören. Sie spielen jeden Tag der Woche von 12-3 Uhr im großen Saal zum Schwan und Reifen, Cornhill. Eintritt jede Person 2 Sch. 6 p. Die zwei Kinder werden auch zu vier Händen zugleich auf ein und demselben Klavier spielen und dasselbe mit einem Handtuch bedecken, so daß sie die Tasten nicht sehen können.«
Doch auch dies Zugmittel wirkte nicht mehr, und die Mozartsche Familie mußte sich, um nicht vergeblich ihr Geld in London zu verzehren, zur Abreise entschließen.
Heute gibt es zwar für eine derartige Erfahrung keinen Mozart mehr, doch genug andere Künstler, denen es in London nicht besser ergeht. Erscheinungen, die sich etwa wie Spohr, Mendelssohn und Joachim, dauernd in der Gunst des Publikums zu erhalten vermochten, können im Hinblick auf das Heer der dort jahraus jahrein versammelten Sänger und Virtuosen nur als Ausnahmen gelten.
Es ist leicht begreiflich, daß die Musikbedürfnisse Londons und der übrigen hier in Frage kommenden Städte des Königsreichs bis zu einer der inzwischen gewaltig gestiegenen Bevölkerung entsprechenden Höhe angewachsen sind. London besaß allein im Jahre 1868 bei mehr als 3 000 000 Einwohnern 80 Musikvereine, über 100 Musikalienverleger und Musikinstrumentenhändler; gegen 200 Klavier- und 30 Orgelbauer; über 100 Blas- und Streichinstrumentenmacher, 20 Notenstechereien, 7 Musikaliendruckereien, 9 Musikschriftgießereien und etwa 1900 Musik-Lehrer und -Lehrerinnen Signale f. d. mus. Welt. Jahrg. 26, Nr. 25.. Seitdem ist London zu einer Stadt von mehr als fünf Millionen Einwohner angewachsen, und im Verhältnis hierzu mögen auch die vorgenannten Ziffern sich inzwischen erhöht haben. Diesen ist in der Hauptsache indessen nur eine quantitative Bedeutung beizumessen. Sie beweisen wohl, daß der Musikbetrieb in London enorme Dimensionen angenommen, nicht aber zugleich, daß das tonkünstlerische Vermögen der Engländer sich dadurch in bemerkenswerter Weise gesteigert hat. Sehr bezeichnend für die wenig belangreiche Musikbegabung der Briten bleibt es immer, daß sie auch in neuerer Zeit noch keinen einzigen wahrhaft bedeutenden Komponisten hervorgebracht haben. Sterndale Bennett, wohl der namhafteste englische Tonsetzer des 19. Jahrhunderts, erscheint als eine abgeblaßte Kopie Mendelssohn -Bartholdys und hat sich zu einer selbständigen Produktivität nicht zu erheben vermocht. In der Gegenwart ist Villier Stanford, der in Leipzig und Berlin studiert hat, ein fleißiger und talentvoller Komponist, doch gleichfalls keine bahnbrechende Erscheinung. Auch als ausübende Musiker zeichneten sich bisher nur verhältnismäßig wenige Engländer aus. Unter den Violinspielern haben wir seit Ende des 17. und Anfang des 18. Jahrhunderts an hervorragenderen Persönlichkeiten zu verzeichnen: Banister den jüngeren, William Corbett, Dubourg, Clagg, Fisher, Linley, Ashley, Bridgetower, Blagrove, die Gebrüder Holmes sowie Carrodus. Von ihnen sind Dubourg, Clagg, Linley, Ashley, Blagrove und Carrodus bei den verschiedenen Schulen, denen sie angehören, bereits besprochen worden, so daß wir uns an dieser Stelle auf die übrigen beschränken.
John Banister der jüngere, geb. gegen 1663 zu London, ein Sohn des schon (S. 608) erwähnten Violinisten gleichen Namens, war der Schüler seines Vaters und gehörte nach vollendeter Ausbildung dem Orchester des Drury Lane-Theaters an. In demselben wirkte er bis 1720 mit. Im Jahre 1735 starb er. In der Sammlung » Division Violin« veröffentlichte man von seiner Komposition variierte »Capricen«. Außerdem gab er um 1690 im Verein mit dem deutschen Tonsetzer Gottfried Finger, welcher damals in London lebte, folgendes Werk heraus: » Ayres, Chacones, Divisions, and Sonatas for Violins and flutes.«
William Corbett, ein für seine Zeit namhafter Violinist, war mehrere Jahre hindurch Orchesterchef des Hay-Market-Theaters. 1710 begab er sich nach Rom, von wo er nach Gerber 1724 (nach Fétis 1740) zurückkehrte und in London in einem Konzert auftrat. Im übrigen ist von seiner Tätigkeit als ausübender Künstler nichts bekannt. 1748 starb er. Unter den von ihm herausgegebenen Kompositionen befindet sich ein Kuriosum. Der Titel desselben lautet: » XXXV Concertos or universal bizzaries in 7 parts, in 3 books, op. 5.« Die Vorrede desselben besagt, daß der Verfasser sich die Aufgabe gestellt habe, den in den verschiedenen europäischen Königreichen sowie in den Hauptstädten oder Provinzen Italiens üblichen Stil nachzuahmen. Gerber bemerkt dazu, daß diese Kompositionen »Ladenhüter« blieben, also keine Abnehmer fanden.
Joh. Abraham Fisher, geb. 1744 in Dunstable, erhielt seine Erziehung im Hause des Lord Tyrawly. Sein Name wird zuerst 1765 genannt. Er bereiste als Konzertspieler Deutschland und Rußland und erregte Aufsehen durch seine Fertigkeit und das Feuer seiner Vortragsweise. Über seine auffallende äußere Erscheinung berichtet Pohl: »Ein ausländischer Bedienter in glänzender Livree mit einem prächtigen carmoisinrothen, reich vergoldeten Violinkasten war gefolgt von dem berühmten Virtuosen, der auf den Fußspitzen einherschritt, in ein braunseidenes Kamelotgewand gekleidet, mit scharlachfarbener Einfassung und mit glänzenden Knöpfen besetzt. So hoch war sein gepudertes und parfümirtes Toupee, daß seine kleine Gestalt dadurch in zwei Hälften erschien. Sein Unterkleid war an den Knieen mit Diamantknöpfen befestigt und die Atmosphäre des Zimmers war erfüllt von Parfume.« In Gerbers altem Lexikon befindet sich (nach einer Mitteilung Neefes) die Bemerkung, Fishers Vortrag sei rauschend und wild gewesen, und er habe zu sehr den Gambenton nachgeahmt. Gerber fügt dem hinzu, daß er mit seiner Kunst »viel Scharlatanerie« verbunden habe. Über Fishers Lebenslauf fehlen sonst alle näheren Nachrichten. Werke seiner Hand für Violine, Klavier, Oboe, auch Opern, verzeichnet Gerber (a. u. n. Lex.).
Über George Augustus Polgreen Bridgetower, welcher nach Angabe Groves in dessen Musiklexikon der Sohn eines Afrikaners und einer Europäerin, mithin ein Mulatte war, sind die Nachrichten teilweise ungewiß. Sein soeben genannter Biograph berichtet, daß es scheine, als ob Bridgetower 1779 oder 1780 in der polnischen Stadt Biala geboren und zuerst im Februar 1790 im Londoner Drury Lane-Theater als Solist aufgetreten sei. Hierzu ist zu bemerken, daß er nach Brenet ( Les concerts en France) bereits im Frühjahr 1789 im Concert spirituel in Paris mit Beifall auftrat. Am 2. Juni des Jahres 1790 gab er mit dem gleichaltrigen Wiener Geiger Franz Clement unter dem Protektorat des Prinzen von Wales ein Konzert, worauf er Schüler Giornovicchis und Barthelemons im Violinspiel und Attwoods in der Komposition wurde. Dann erhielt er eine Stelle als erster Violinist bei dem Prinzen von Wales. Außerdem war er mitwirkend bei den Haydn-Salomon-Konzerten in London beteiligt. 1802 ging er zu seiner Mutter nach Dresden und gab dort im Juli desselben Jahres sowie im März 1803 Konzerte. Zwei Monate später (17. oder 24. Mai) trat er in Wien, von Beethoven unterstützt, der mit ihm seine Sonate Op. 47 spielte, öffentlich auf. Diese Tatsache spricht für eine ungewöhnliche Künstlerschaft Bridgetowers; denn Beethoven hatte sich schwerlich dazu verstanden, mit einem Violinisten vom gewöhnlichen Schlage gemeinschaftliche Sache zu machen. Man glaubt, daß Bridgetower zwischen 1840 und 1850 gestorben sei. In London hatte er Thayer (Beethovenbiographie II, Anhang 6) gibt an, daß der Vater Bridgetowers so benannt worden sei, der sich zu London in hohen Kreisen bewegt habe. den Spitznamen: »abessinischer Prinz«. Wie er zu seinem englischen Namen gekommen ist, weiß man nicht, wie denn auch sonst weitere Nachrichten über ihn fehlen.
Die Gebrüder Alfred und Henry Holmes, ausschließlich durch ihren Vater ausgebildet, gehören zu den begabtesten englischen Violinspielern der Neuzeit. Beide versuchten sich auch mehrfach in den höheren Kompositionsgattungen, und der jüngere Holmes veröffentlichte Violinsonaten von Händel, Goretti und Tartini in eigener Bearbeitung. Alfred Holmes, geb. am 9. November 1837 in London, starb schon am 4. März 1876 in Paris, wogegen sein Bruder Henry, welcher ebendaselbst am 7. November 1839 geboren wurde, noch lebt. Beide Brüder produzierten sich vereint zum erstenmal im Juli 1847 in einem Konzert im Hay-Market-Theater zu London und machten dann nach mehrjähriger Pause, inzwischen ihrem Studium weiterlebend, von 1855 ab mehrfache erfolgreiche Kunstreisen, die sie durch Deutschland, Österreich, Schweden, Dänemark, Holland und Frankreich führten. Henry Holmes wählte, nachdem er 1865 von Paris aus nochmals allein die skandinavischen Länder bereist hatte, London zu seinem ständigen Aufenthaltsort. Dort war er von 1883 bis 1893 als Lehrer des Violinspiels an dem neueröffneten Royal College of Music angestellt. Auch als Solist, Quartettspieler und Komponist ist er erfolgreich tätig.
Vorstehenden Männern sei noch ein in England geborener Künstler fremder Nationalität hinzugefügt. Es ist Thomas Pinto Georg Frederic Pinto und Carl Weichsel, die in früheren Auflagen ebenfalls hier ihren Platz hatten, wolle man jetzt unter ihren Lehrern Salomen und Cramer aufsuchen. G. F. Pinto angehend, wäre dem auf S. 263 über ihn Gesagten noch hinzuzufügen, daß Sandys und Forster ( History of the violin) ihn auch als Schüler Viottis bezeichnen, worüber jedoch, wie es scheint, seine Gewißheit herrscht. Dagegen wird von mehreren Seiten übereinstimmend angegeben, daß Pintos frühzeitiges Ende im wesentlichen seinem ausschweifenden Lebenswandel zuzuschreiben sei..
Thomas Pinto war einer portugiesischen, nach Neapel übergesiedelten Familie entsprossen, die sich politischer Rücksichten halber nach England wandte. Schon vor Ablauf des 9. Lebensjahres spielte er nicht nur Corellische Stücke, sondern leitete auch das Orchester in Cecilia Hall zu Edinburg mit Geschick. Seit 1750 trat er in London häufig als Solospieler auf. Nach Gerbers Angabe war es Giardinis damals in London epochemachende Erscheinung (vgl. S. 154 d. B.), die Pintos Ehrgeiz für einige Zeit entflammte. Wirklich habe er in dieser Periode rasche Fortschritte gemacht und die schwersten Sachen vom Blatte spielen können. – Gerber fügt hinzu »ja gewöhnlich besser, als zum zweiten Male«, was alles das sprunghafte, unmethodische Wesen Pintos ebensosehr wie sein violinistisches Talent kennzeichnet.
Pinto war auch Violinspieler im Kings-Theatre und Drury-Lane-Theatre. Weiterhin begab er sich nach Schottland. Hier starb er gegen 1780. Der Künstler gebot über ein ungewöhnliches Talent, zog es aber vor, statt ausdauernden Studien sich den noblen Passionen hinzugeben. Pohl berichtet von ihm, daß er an Stelle des Bogens nur zu häufig die Reitpeitsche schwang. Auch verstand er sich auf das Kunststück, das Notenblatt auf den Kopf zu stellen und die Noten in umgekehrter Ordnung und von unten nach oben zu lesen.
Über die von Pohl genannten englischen Violinspieler Jackson, Brown, Richards, Oliver, Smart, Abrams, Shaw, Shield, Crotch, Mason, Smith, Taylor und andere sind keine Nachrichten vorhanden.
Musikbegabter als Albions Söhne sind die skandinavischen Volksstämme. Wenn sich das Musikleben dieser Bewohner des nördlichen Europas im höheren künstlerischen Sinne erst verhältnismäßig spät entwickelte, so dürfte die Ursache davon wohl vornehmlich in der geographisch wenig begünstigten Lage zu suchen sein, welche eine schnellere Vermittelung der künstlerischen Errungenschaften Deutschlands, Italiens und Frankreichs wesentlich erschwerte. Für Dänemark allein lagen die Verhältnisse durch die Nachbarschaft Deutschlands und eine im Vergleich mit Schweden und Norwegen dichtere Bevölkerung günstiger. Nachdem die Dänen zu Anfang des 19. Jahrhunderts in verschiedenen Fächern der Kunst und Wissenschaft – es sei nur an Thorwaldsen, Oehlenschläger und Oerstedt erinnert – einen bedeutsamen Aufschwung genommen, ging aus ihrer Mitte, um sogleich die tüchtigste Kraft zu nennen, Niels W. Gade hervor, der unstreitig zu den besten Instrumentalkomponisten um die Mitte des 19. Jahrhunderts zählt.
Schon im 16. Jahrhundert war der Kopenhagener Hof bemüht, durch Herbeiziehung fremder, insbesondere niederländischer Künstler eine musikalische Pflanzschule in Kopenhagen zu gründen. Und auch im 17. Jahrhundert geschah dieses, zugleich mit besonderer Berücksichtigung der ausübenden Tonkunst. Nachdem der Sinn für Musik sich mehr und mehr verallgemeinert hatte, entstanden um die Mitte des 18. Jahrhunderts in Kopenhagen auch stehende musikalische Vereine, welche zur Pflege der Kunst wesentlich beitrugen. Unter ihnen ist die 1744 errichtete »musikalische Societät« zu erwähnen, welcher die »harmonische Gesellschaft«, der »Musikverein«, der »Cäcilienverein« und endlich noch der »Konzertverein« folgten. Die Entstehung der letzten vier Institute gehört dem vorigen Jahrhundert an. Seit 1865 besitzt Kopenhagen auch eine staatliche Musikschule.
Wie es scheint, wurde für die Kunst des Violinspiels in Dänemark der aus Schlesien herstammende und in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts geborene deutsche Geiger Joh. E. Hartmann von belangreicher Bedeutung. Dieser Künstler, welcher nach Gerbers Bericht anfangs Konzertmeister in der herzoglichen Kapelle zu Plön war und 1768 mit derselben nach Kopenhagen in die Dienste des dortigen Hofes kam, starb 1791. Hartmann ist der Stammvater einer dänischen Musikerfamilie, deren Sprößlinge bis in die Gegenwart reichen und in der musikalischen Welt einen Namen von gutem Klang haben. Sein Sohn August war von 1800-1850 Organist an der Kopenhagener Garnisonkirche. Dieser ist der Vater des als Tonsetzer von seinen Landsleuten hochgeschätzten Johann Peter Emil Hartmann (geb. in Kopenhagen am 14. Mai 1805), Schwiegervater N. W. Gades. Und wiederum ein Sohn desselben ist der Komponist Emil Hartmann, geb. 21. Februar 1836 in Kopenhagen, gestorben ebenda am 18. Juli 1898, der mit einzelnen seiner zwar nicht durchaus eigenartigen, aber doch wohlgestalteten Werke auch in Deutschland Anerkennung gefunden hat.
Es ist nicht unwahrscheinlich, daß aus der Lehre des Seniors der Hartmannschen Familie Claus Schall, der erste bedeutende dänische Violinspieler, hervorging. Denn als Hartmann nach Kopenhagen kam, war Schall, geb. 1760, noch ein Knabe.
Claus Schall hatte über die Grenzen seines Vaterlandes hinaus nicht nur als Violinist, sondern auch als Tonsetzer guten Ruf. Er bereiste Deutschland, Italien und Frankreich und wurde, heimgekehrt, zum Konzertmeister der königl. Kapelle ernannt. 1836 starb er in seinem Geburtsorte Kopenhagen. An Violinkompositionen gab er fünf Konzerte, Duetten und ein Heft Etüden heraus.
Unter seinen zahlreichen Schülern, von denen die meisten angeblich Mitglieder der Kopenhagener Kapelle wurden, ist Johannes Frederik Fröhlich hervorzuheben Wexschall, der in früheren Auflagen hier behandelt war, ist jetzt unter Spohrs Schülern zu finden (S. 466)..
Johannes Frederik Fröhlich, geb. 1806 zu Kopenhagen, hielt sich von 1829-31 im Auslande auf und wurde 1835 als Konzertmeister in der königl. dänischen Hofkapelle angestellt. Ein nervöses Leiden nötigte ihn, bereits 1844 ins Privatleben zurückzutreten. Er starb 1860.
Außer diesen beiden Künstlern haben sich unter den Dänen in neuerer Zeit noch die Geiger J. F. Bredal, Lern, Lemming und H. Paulli hervorgetan.
Ivar Frederik Bredal wurde am 17. Juni 1800 zu Kopenhagen geboren, war zuerst Bratschist an der königl. Kapelle, von 1843 an jedoch Konzertmeister und 1850 Chordirektor am Theater. Im Jahre 1863 pensioniert, starb er in seiner Vaterstadt am 25. März des folgenden Jahres.
Über Lem, Lemming und Paulli fehlen derzeit nähere Nachrichten.
Der früher an dieser Stelle erwähnte bedeutende dänische Geiger Waldemar Tofte ist jetzt bei den Schülern Joachims zu suchen.
Schweden besaß seit Mitte des 18. Jahrhunderts zur Pflege der Tonkunst eine »harmonische Gesellschaft«. In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts kamen dann noch ein Verein gleichen Namens, sowie seit 1860 eine »neue harmonische Gesellschaft« und endlich auch noch ein »Musikverein« hinzu. Alle diese Institute entstanden in Stockholm, wo auch seit 1771 die königl. Musikakademie ihren Sitz hat. Eine Oper wurde dort, gleichwie in Kopenhagen, zu Anfang des 18. Jahrhunderts eingerichtet. Vorzugsweise zeichnete sich Schweden seither in gesanglicher Beziehung aus: es gab der musikalischen Welt den Liederkomponisten Lindblad, sowie die in ihrer Art einzige Jenny Lind. Nicht gleiche Bedeutung erlangte es auf instrumentalem Gebiet, namentlich aber hinsichtlich des Violinspiels, wenn auch angenommen werden darf, daß in der Stockholmer Hofkapelle tüchtige Kräfte vereinigt waren und noch sind. Einen namhaften Geiger besaß Schweden ehedem in
Johann Friedrich Berwald, welcher am 4. Dezember 1787 in Stockholm geboren wurde und bei seinem als Fagottist in dem dortigen Hofopernorchester angestellten Vater Violinunterricht erhielt. Dieser begann vor Ablauf des fünften Lebensjahres und entwickelte das Talent des Knaben so schnell, daß er schon nach dreizehn Monaten öffentlich auftreten konnte. Bald darauf unternahm Berwald in Begleitung seines Vaters eine Kunstreise durch Schweden, Norwegen und Dänemark. Auch für die Komposition zeigte er frühzeitig gute Anlagen. Unter Anleitung Abt Voglers, der von 1786-1799 Hofkapellmeister in Stockholm war, schrieb er eine Symphonie, die in Ansehung seiner großen Jugend (Berwald war erst 9 Jahre alt) so gut ausfiel, daß sie nicht allein zu öffentlicher Aufführung gelangte, sondern auch die Belohnung des jugendlichen Komponisten mit einer eigens für ihn geprägten goldenen Medaille seitens der Stockholmer Musikakademie zur Folge hatte. Neben seinen Kompositionsversuchen setzte Berwald das Geigenstudium mit Vorliebe fort. Seine Fortschritte waren so bedeutend, daß sein Vater gegen Ende des 18. Jahrhunderts mit ihm eine Kunstreise ins Ausland antreten konnte, die ihn nach Rußland, Polen und Deutschland führte. 1806 wurde er zum königl. schwedischen Kammermusikus und 1834 zum Hofkapellmeister ernannt. Er starb am 28. Juni 1861 in Stockholm. Als Komponist hielt Berwald nicht, was er anfangs versprochen. Die wenigen von ihm erschienenen, meist der Kammermusik angehörenden Werke sind längst vergessen.
Der schwedische Geiger Tor Aulin hat als Schüler Saurets bereits früher Berücksichtigung gefunden (S. 596).
Später noch als das tonkünstlerische Leben Dänemarks und Schwedens kam dasjenige Norwegens in Fluß. Von Hause aus ist das Volk dieses Landes musikalisch wohl beanlagt. Zeugnis davon geben die norwegischen Tonsetzer Edvard Grieg und Johann Severin Svendsen. Vor allem der erstere, ein sehr begabter Komponist und bewußter Führer der jungen nordischen Schule auf Grund der von ihm stark betonten eigenartigen, national-musikalischen Elemente seines Landes und Volkes, steht auch bei uns in hohem und verdientem Ansehen. Indessen gehören diese Männer der neuesten Zeit an, wie denn auch erst im vergangenen Jahrhundert musikalische Vereine in der Landeshauptstadt Christiania entstanden. Als solche sind anzuführen: das »musikalische Lyceum«, die »philharmonische Gesellschaft« und der 1871 gegründete »Musikverein«.
Eine besondere Vorliebe besaßen die Norweger von jeher für die Streichinstrumente, von denen die »Handangerfen«, sowie die »Gigja« und »Fidla«, sämtlich geigenartige Tonwerkzeuge, zu nennen sind. Dennoch verblieb die Behandlung dieser Instrumente, welche die Spieler sich angeblich mehrenteils selbst verfertigen sollten, lange auf einem naturalistischen Standpunkt. Daß aber eine ungewöhnliche Begabung gerade für eine derartige musikalische Betätigung im Volke steckt, beweist die Erscheinung eines Geigers von so außerordentlichem Talent, wie Ole Bull es war.
Ole Bornemann Bull, geb. 5. Februar 1810 zu Bergen in Norwegen, gehörte zu den renommiertesten Virtuosen der Neuzeit. Man hat ihm häufig den Hang zu gewissen Charlatanerien vorgeworfen. Freilich war dieser Kraftmensch weder ein normaler Violinspieler, noch ein guter Musiker in des Wortes eigentlicher Bedeutung. Ole Bull, ein Autodidakt von durchaus eigentümlicher Färbung, hatte sich sein eigenes Ideal gebildet und dasselbe so rücksichtslos verfolgt, daß er im Streben nach Originalität auf Seltsamkeiten und Spielereien geriet, die mit der gediegenen tonkünstlerischen Richtung stark kontrastieren. Sein Talent für die Violine war ohne Frage höchst bedeutend; er besaß eine glänzende Technik, die er übrigens trotz aller gegen seine Leistungen erhobenen Bedenken nicht selten auf schöngeistige Art zu verwerten wußte. In seiner Kantilene – wie diese an sich in musikalischer Hinsicht auch immer beschaffen sein mochte – gebot Ole Bull über einen schwärmerisch elegischen Ausdruck, der in seiner warm empfundenen Sinnigkeit etwas Gemütbestrickendes hatte. Hier erschien er wie eine Art Volkssänger, der in geistig belebten Weisen von nordischer Naturpoesie erzählte. Sonsthin ließen seine Leistungen, in mancher Beziehung an Paganini erinnernd, den Hang zu abenteuerlich Phantastischem erkennen, der auch sein äußeres Leben und Treiben charakterisierte. Schon die aparte, vom Herkommen abweichende Einrichtung seiner Violine, deren Aptierung durch den flach geschnittenen Steg das mehrstimmige Spiel, allerdings auf Kosten eines voluminösen und energischen Tones, begünstigte, sowie der ungewöhnlich lange und schwere Bogen legten Zeugnis davon ab. Bemerkenswert ist hierbei, daß Ole Bull diese Abnormitäten nicht nur seiner Individualität angemessen fand, sondern sie überhaupt für allein richtig und zweckmäßig hielt.
Über seine Leistungen besitzen wir ein Urteil Spohrs aus dem Jahre 1838, welches folgendermaßen lautet: »Sein vollgriffiges Spiel und die Sicherheit der linken Hand sind bewundernswürdig, er opfert aber, wie Paganini, seinen Kunststücken zu viel Anderes des edlen Instrumentes. Sein Ton ist bei dem schwachen Bezug schlecht, und die A- und D-Saite kann er bei dem fast ganz flachen Stege nur in der unteren Lage und pp gebrauchen. Das giebt seinem Spiel, wenn er nicht seine Kunststücke loslassen kann, eine große Monotonie. Wir erfuhren dies bei zwei Mozartschen Quartetten, die er bei mir spielte. Er spielt übrigens mit vielem Gefühl, doch nicht mit gebildetem Geschmack.«
Ole Bull, von seinen Eltern für die theologische Laufbahn bestimmt, zeigte schon im zarten Kindesalter große Anlage und Neigung für das Violinspiel. Um die Vorliebe zur Musik nicht überwiegend werden zu lassen oder gar stillschweigend zu begünstigen, nahm sein Vater ihm das Instrument weg, auf dem er seine Übungen anstellte. Allein dies hatte nur zur Folge, daß des Knaben Leidenschaft für die Tonkunst wuchs, und daß er heimlich musizierte. Unter diesen Umständen erreichte Ole Bull das 18. Lebensjahr, in welchem er die Universität Christiania bezog. Hier gewann das Violinspiel erst recht die Oberhand; das Brotstudium wurde vernachlässigt, und der Student konnte sich kaum bis zum Bakkalaureat emporschwingen. Inzwischen war er so weit auf der Geige vorgeschritten, um sich öffentlich hören lassen zu können. Dies geschah mit so gutem Erfolg, daß der junge Mann lauten Enthusiasmus bei seinen Landsleuten erregte, und dieses scheint die weitere Gestaltung seines Lebens entschieden zu haben. Denn von nun ab gab er sich offen und ohne Rückhalt der Kunst hin. Im Jahre 1829 ging er gegen den Willen seiner Eltern zu Spohr nach Kassel, dessen Gönnerschaft er für seine künstlerische Ausbildung in Anspruch zu nehmen beabsichtigte. Der kühle Empfang jedoch, den er im Hinblick auf seine eigentümliche, damals schon zum Durchbruch gekommene Richtung bei dem Großmeister des deutschen Violinspiels fand, bewog ihn, diesen Gedanken aufzugeben. So blieb Ole Bull auch ferner, wenn man von der kurzen Lehrzeit absieht, die er bei Wexschall in Kopenhagen genossen, auf die autodidaktische Förderung angewiesen. Er vermochte sich indessen dabei nicht den Nachteilen der Einseitigkeit und Exklusivität zu entziehen, welche die Selbstbelehrung in gewissen Jahren nicht selten mit sich bringt, und dieses um so weniger, als er die Traditionen der methodischen Violinbehandlung nur bedingungsweise berücksichtigte.
Unschlüssig, ob er die Kunst wirklich noch als Lebensberuf weiter treiben solle oder nicht, wandte Ole Bull sich von Kassel nach Göttingen. Zu jener Zeit war Paganini in Deutschland erschienen, der den Jüngling mächtig anzog. Ole Bull verfolgte ihn auf seinen Reisen und kam auf diese Weise 1831 nach Paris. Über seinen ersten Aufenthalt daselbst sind die Nachrichten wenig zuverlässig. Man weiß nur, daß der Fremdling, entblößt von pekuniären Mitteln, dort längere Zeit hindurch mit der Misere des Daseins zu kämpfen hatte. Es wird erzählt, er sei nach mannigfachen Mißgeschicken eines Tages seiner geringen Habe, zu welcher vor allem seine Violine gehörte, beraubt worden. Dieser Vorfall habe ihn zu dem verzweifelten Entschluß gebracht, seinem Leben in den Fluten der Seine ein Ende zu machen. Wirklich sei er ins Wasser gesprungen, doch von Vorübergehenden gerettet worden. Eine zufällig hinzugekommene Dame von Stande habe sich dann wegen einer auffallenden Ähnlichkeit mit ihrem verstorbenen Sohne seiner angenommen und ihm eine sorgenfreie Existenz gewährt. Gewiß ist, daß Ole Bull, nachdem er längere Zeit in Paris gelebt, dort mit Glück öffentlich auftrat und dann die Schweiz und Italien bereiste. 1835 lehrte er nach Paris zurück, ging darauf nach England, Belgien, Spanien, Deutschland und Rußland und begab sich endlich 1838 wieder mit erklecklichem, aus seinen Konzerten gezogenem Gewinn in die nordische Heimat.
Im Jahre 1840 erschien Ole Bull neuerdings in Deutschland. Auch Dänemark und Schweden besuchte er. Dann zog er 1844 nach Amerika und erwarb dort während eines mehrjährigen Aufenthaltes als Konzertspieler ein bedeutendes Vermögen. 1847 tauchte der Virtuose wieder in Paris auf, und 1848 begab er sich aufs neue nach seiner Vaterstadt, für die er ein Nationaltheater ins Leben zu rufen bemüht war. Differenzen, die er dabei mit der Behörde hatte, bewogen ihn, sich von dem Unternehmen zurückzuziehen und 1852 wiederum nach Amerika auszuwandern. Diesmal hielt er sich längere Zeit in Pennsylvanien auf, um eine Kolonie für skandinavische Auswanderer zu gründen. Zu diesem Zweck erwarb er große Strecken Landes für seine Rechnung, wurde aber dabei um den größten Teil seines Vermögens gebracht, indem der betrügerische Agent ihm Grund und Boden verkauft hatte, ohne darüber disponieren zu können.
Vom Jahre 1857 ab lebte Ole Bull in seiner Heimat völlig abgeschieden von der musikalischen Welt. Seit 1865 trat er indessen wieder hier und da, namentlich in Deutschland, aber auch in Frankreich und Spanien als Konzertspieler auf, ohne jedoch den Enthusiasmus, welchen er früher erregt, noch einmal wachrufen zu können. Ende 1867 schiffte er sich zum dritten Male nach Amerika ein, wohin er sich, nachdem er in die Heimat zurückgekehrt war, weiterhin noch wiederholt begab. Er starb am 17. August 1880 auf seiner Villa Lysoén bei Bergen.
Ole Bulls Kompositionen, die zum Teil veröffentlicht wurden, sind, mit besonderer Berücksichtigung der Individualität des Autors, lediglich auf den virtuosen Effekt berechnet.
Vorzügliche musikalische Anlagen, namentlich in betreff des Violinspiels, zeigen die slavischen Völker. Weltbekannt und berühmt ist das Musiktalent der Böhmen, welche sich auch vor allen Stämmen der slavischen Nationalität durch eine stattliche Reihe bedeutender Tonkünstler auszeichneten.
Die Blüte der böhmischen Tonkunst begann sich auf hervorragende Weise jedoch erst im Laufe des 18. Jahrhunderts zu entwickeln. Damals entstanden in Nacheiferung des Wiener Kunstmäcenatentumes die Privatkapellen des böhmischen Adels Vgl. S. 289 f., welcher sich späterhin noch das Verdienst erwarb, die am 30. März 1811 eröffnete Prager Musikschule ins Leben zu rufen.
Zu den bemerkenswertesten Komponisten Böhmens gehören Johann Dismas Zelenka, Johann Wenzel Tomaczek, Wenzel Heinrich Veit, Johann Friedrich Kittel, Smetana und gegenwärtig Anton Dvoák.
Noch glücklicher als in der Tonsetzkunst waren die Böhmen bezüglich des Instrumentenspiels. Aus ihrer Mitte ging eine Reihe vorzüglicher Bläser, Klavierspieler, Violoncellisten und Geiger hervor. Einige ihrer Violinisten des 18. Jahrhunderts, wie die Bendas und Stamitz', haben bereits in den vorhergehenden Abschnitten über Deutschland Berücksichtigung gefunden, teils weil sie sich unter den Einflüssen des germanischen Geistes heranbildeten, teils weil sie in den Entwicklungsgang des deutschen Violinspieles bestimmend mit eingriffen. Außer denselben sind noch zu verzeichnen: Czarth (Zarth), Praupner, Kalliwoda, Slawjk, Pechatschek, Bennewitz, Høimaly, Rebièek, Zajic, Skalitzky, Weber, Haliø und Ondrièek.
Georg Czarth (auch Tzarth, Zarth), geb. 1708 in dem böhmischen Orte Deutschbrod, hatte zuerst bei einem Musiker namens Timmer und dann bei Rosetti Violinunterricht, wozu noch der Flötenunterricht Biarellis kam. In Begleitung Franz Bendas, mit dem er befreundet war, begab er sich nach Warschau, wo er beim Starost Suchaczewski in Dienst trat Vgl. S. 251 f.. 1733 wurde er in der Kapelle des Königs von Polen angestellt; doch blieb er in derselben nur ein Jahr, nach dessen Ablauf er in das Orchester des Kronprinzen von Preußen trat, von dem er bei Friedrichs Thronbesteigung 1740 der Berliner Hofkapelle zugeteilt wurde. 1760 folgte er einer Berufung als erster Violinist des Kurfürsten von der Pfalz nach Mannheim. Hier blieb er bis zu seinem 1774 erfolgten Tode. Es erschienen von ihm verschiedene Violinkompositionen, auf deren Titel sein Name in verdeutschter Schreibweise als »Zarth« figuriert.
Wenzeslaus Praupner, am 18. August 1744 zu Leitmeritz geboren, zeichnete sich schon in jungen Jahren als Violinspieler aus. Später widmete er sich, nachdem er seine Absicht, Theologie zu studieren, aufgegeben hatte, vorzugsweise dem Kompositions- und Direktionsfach. 1794 wurde er Chorregent bei der Theinkirche in Prag. Er starb am 2. April 1807.
Franz Pechatschek, der Sohn des zu Wildenschwert in Böhmen 1763 geborenen Violinspielers und Walzerkomponisten Pechatschek, welcher Orchesterdirektor am Kärnthnertortheater zu Wien war und 1821 starb, gehörte zu den beliebtesten Geigern der Kaiserstadt im Anfange des vorigen Jahrhunderts. Er wurde 1795 (nach Hanslick 1793) in Wien geboren, war der Schüler seines Vaters und trat mit demselben schon 1803 zu Prag öffentlich auf. Zwei Jahre später debütierte er mit Glück in Wien in einem Praterkonzert. Nachdem er eine Zeitlang zweiter Konzertmeister im Theater an der Wien gewesen, wurde er 1818 Mitglied der Hannoverschen Kapelle. Während der Jahre 1824-1825 befand er sich auf Kunstreisen, namentlich in Süddeutschland, und 1827 folgte er dem Rufe als Konzertmeister nach Karlsruhe. In dieser Stellung verblieb er bis zu seinem Todestage, dem 15. September 1840. Pechatschek vertrat als Violinspieler, wie aus seinen schnell veralteten Kompositionen ersichtlich ist, die virtuose Richtung. An seinem Spiel wurde die Keckheit und Unfehlbarkeit der Technik gerühmt. Doch vermochte er in Paris (1832) nach Paganini nicht durchzudringen, wie Fétis berichtet.
Miroslaw Weber, zu Prag am 9. November 1854 geboren, war vom sechsten Jahre an der Schüler seines Vaters, des geschätzten Orchesterdirektors am königl. Landestheater der böhmischen Hauptstadt. Schon nach zweijähriger Übung konnte er vor dem Kaiser Ferdinand auf Schloß Reichstadt spielen. Durch dieses geglückte Debüt ermuntert, unternahm er mehrfach während der Wintermonate 1863-1864 kleinere und größere Kunstreisen im engeren und weiteren Vaterlande. Dann besuchte er bis zum Jahre 1868 die Prager Orgelschule, in welcher er auch Kompositionsunterricht erhielt, und hierauf noch die obere Klasse des Prager Konservatoriums. 1873 mit dem Zeugnis der Reife entlassen, fand Weber zunächst als Solospieler ein Engagement in der Hofkapelle zu Sondershausen. Dort erhielt er durch den Konzertmeister Uhlrich Anregung, sich mit den Schätzen der Kammermusik gründlich bekannt zu machen. Nach vorübergehender Tätigkeit als Orchesterdirektor beim königl. böhmischen Theater seiner Vaterstadt im Sommer 1874 nahm er seinen Aufenthalt nochmals in Sondershausen, worauf er im September 1875 als erster Konzertmeister an das Darmstädter Hoftheater berufen wurde. Von 1880 ab versah er hier auch zugleich das Amt des zweiten Operndirigenten. Am 1. Juni 1883 trat er als erster Konzertmeister und zweiter Operndirigent beim Wiesbadener Hoftheater in die bis dahin von Rebièek bekleidete Stellung, welche ihm unter etwa dreißig Bewerbern zuerkannt wurde. 1889 wurde er dort königl. Musikdirektor. Doch gab er 1893 seine Stellung auf und ging als königl. Konzertmeister nach München, wo er bis zu seinem am Neujahrstage 1906 in München erfolgten Tode wirkte. Auch als Leiter eines daselbst von ihm gegründeten Streichquartettes sowie als Komponist hatte er Erfolge aufzuweisen.
Die früher hier genannten weiteren Geiger böhmischer Abkunft, Kalliwoda, Slawjk, Bennewitz, Rebièek, Høimaly, Zajic, Skalitzky, Ondrièek und Haliø sind jetzt mit Ausnahme des letzteren (neue Berliner Schule) sämtlich bei der Prager Schule zu suchen.
Kaum minder musikbegabt als die Böhmen sind die Polen Eine Geschichte der polnischen Musik von Alexander Polinsky erschien 1908 in Warschau. Ihre nationale Glanzepoche scheint früh, ins 16. Jahrhundert, zu fallen.. Wenn sie bisher nicht vermochten, sich in einer ihrer Befähigung entsprechenden Weise geltend zu machen, so lag dies hauptsächlich im Mangel eines dauernden nationalen Kunstlebens von höherer Bedeutung, der seinen Grund wiederum in der durch eine unglückliche politische Vergangenheit bis zu einem gewissen Grade gehemmten Geisteskultur hatte. An Versuchen, die Musikpflege in Polen zu heben und zu fördern, hat es freilich in der Neuzeit nicht gefehlt. So bildete sich zu Warschau im 19. Jahrhundert ein Musikverein, und auch eine Musikschule wurde dort 1821 errichtet. Doch waren die Erfolge dieser Anstalten bis jetzt nicht durchgreifend. Immer nur vereinzelte Talente machten sich geltend. Unter ihnen bildet Fr. Chopin einen Glanzpunkt. Wie wenig diesen Künstler die musikalische Atmosphäre seines Vaterlandes anmutete, beweist der Umstand, daß er dasselbe als Jüngling verließ, um für immer in Paris seinen Wohnsitz zu nehmen.
In neuerer Zeit machte sich unter den Polen Stanislaus Moniuszko als Komponist vorteilhaft bekannt. Doch war sein Talent nicht stark genug, um den Weg über die Grenzen seines Vaterlandes hinaus zu finden. Dagegen haben die Polen eine Reihe namhafter ausübender Künstler aufzuweisen, unter denen als Violinisten hervorzuheben sind:
Wanski, Yaniewicz, Lipinski, Serwaczynski, Baranowski, Kontski, Taborowski, Wieniawski, Maszkowski, Lotto, Barcewicz, Maciciowski, Frieman, Lada, Krankowicz und Biernacki Von diesen sind Wanski, Taborowski, Wieniawski, Lotto und Frieman bereits in der Pariser Schule besprochen worden, Maszkowski und Maciciowski haben bei der Kasseler, Barcewicz bei der Prager Schule Aufnahme gefunden. Die übrigen folgen hier..
Felix Yaniewiez, geb. gegen 1750 zu Wilna, wirkte einige Zeit am Hofe des Königs Stanislaus zu Nancy. Gegen 1770 ging er nach Paris, 1776, nachdem er in Italien gewesen, wandte er sich nach London; dort wurde er Orchesterchef bei der italienischen Oper. 1787 trat er im Concert spirituel in Paris auf. Nach Pohls Mitteilungen wäre Yaniewicz noch beim Ausbruch der Revolution in Paris gewesen und hätte durch sie seine ganze Habe verloren.
Es wird Yaniewicz ein solides, warm empfundenes Spiel mit dem Bemerken nachgerühmt, daß er besonders stark in Oktavenläufen gewesen sei.
Weitaus der bedeutendste polnische Violinist war Carl Josef Lipinski, gleich ausgezeichnet durch imponierende Geigenbehandlung wie durch Originalität des Ausdrucks. Geboren am 30. Oktober oder am 4. November 1790 zu Radzyn, einem Städtchen in der Woiwodschaft Podlachien (Gouvernement Lublin), bildete er sich auf dem Wege des Selbststudiums; denn die Anleitung, welche er in früheren Jahren von seinem Vater, einem Naturalisten auf der Violine, erhielt, ist kaum in Anschlag zu bringen Die obigen Angaben wurden mir von Lipinski selbst einige Jahre vor seinem Tode zuteil.. Bald war der talentvolle Knabe seinem Lehrmeister entwachsen und damit einzig auf die eigene Kraft angewiesen. Sein glücklicher künstlerischer Instinkt bewahrte ihn hierbei vor jenen Fehlgriffen, denen gerade begabte Naturen unter solchen Umständen so leicht ausgesetzt sind. Als er das zehnte Jahr erreicht hatte, fand eine zeitweilige Unterbrechung seiner Violinübung statt, ohne indes seine musikalische Entwicklung zu benachteiligen. Er griff plötzlich zum Violoncell, dessen kräftiges Tonvolumen ihn besonders anzog. Jedoch kam ihm gelegentlich der Gedanke, daß ein Violinspieler bessere Aussichten auf Erfolg habe als ein Cellist, und so kehrte er alsbald wieder zu dem ersteren Instrumente zurück. Übrigens hegte er die Überzeugung, daß er der Beschäftigung mit dem Violoncell die energische Bogenbehandlung zu verdanken habe, welche seinem Spiele eigen war.
Im 20. Lebensjahre hatte sich Lipinski so weit ausgebildet, daß ihm das Konzertmeisteramt am Lemberger Theater anvertraut werden konnte. Zwei Jahre später (1812) vertauschte er diese Stellung mit dem Kapellmeisterdienst an derselben Anstalt, den er bis 1814 versah. Während dieser vierjährigen Lemberger Wirksamkeit fand er reichlich Gelegenheit, seine künstlerischen Anlagen allseitig zu entwickeln und zu steigern. Ganz seinem Berufe hingegeben, studierte er alle neuen deutschen, französischen und italienischen Opern der damaligen Zeit aufs sorgfältigste ein. Da dies, wie früher vielfach üblich, mit Hilfe der Violine geschah, so war er, um seinem Sängerpersonale die Harmoniefolgen anzudeuten, häufig genötigt, von dem doppelgriffigen Spiel Gebrauch zu machen. Diesem Umstande verdankte er nach und nach eine ungemeine Gewandtheit und Sicherheit im mehrstimmigen Spiel, welches eine Hauptstärke seiner Leistungen war.
Nachdem Lipinski von seiner Wirksamkeit am Lemberger Theater zurückgetreten war, widmete er sich mit erneutem Eifer dem Studium der Geige. Hierzu dienten ihm vorzugsweise die Violinkonzerte der gediegenen Richtung, namentlich aber Tartinis und Viottis Sonaten und Konzerte. Auch selbstschöpferisch versuchte er sich durch Anfertigung von Solostücken, Ouvertüren und Operetten. Unter diesen Umständen kam das Jahr 1817 heran, in welchem die Kunde von Paganinis aufsteigendem Stern aus Italien nach dem nördlichen Europa herüberscholl. Auch nach Lemberg drang sie, und Lipinski wurde so sehr davon berührt, daß er sofort beschloß, sich auf den Weg nach dem Süden zu machen, um selbst die Wunder zu sehen und zu hören, welche von dem Italiener berichtet wurden. In Mailand angelangt erfuhr er, daß Paganini in Piacenza war. In letzterer Stadt traf er gerade zu einem Konzert desselben ein. Lipinski hörte und staunte, während das zahlreich anwesende Publikum die frappanten Leistungen des Virtuosen bejubelte. Als aber Paganini ein Adagio gespielt hatte, war er der einzige, welcher seinen Beifall kundgab. Dies zog die Augen aller auf den Fremdling; man sprach ihn an, und als er gemeldet, daß er aus weiter Ferne hergekommen sei, um Paganini zu hören, begleitete man ihn sogleich zu dem Maestro, um diesem einen so enthusiastischen Kunstgenossen zuzuführen. Des folgenden Tages machten beide Männer nähere Bekanntschaft, und nachdem Paganini seinen Bewunderer gehört, musizierte er nicht allein täglich mit demselben, sondern trug auch in zweien seiner öffentlichen Produktionen mit ihm Doppelkonzerte vor, eine Tatsache, die wesentlich dazu beitrug, daß Lipinski nach erfolgter Heimkehr überall mit besonderer Auszeichnung empfangen wurde. Welche Schätzung ihm aber Paganini zuteil werden ließ, geht daraus hervor, daß Lipinski die Aufforderung erhielt, mit ihm vereint eine Kunstreise durch ganz Italien zu machen. Hiervon sah er indessen ab, da es ihn länger als erwünscht von der Heimat und seiner Familie entfernt gehalten hätte.
Während seines Aufenthaltes in Italien war Lipinski bemüht, die nur noch spärlich vorhandenen Traditionen der Paduaner Schule zu eigener Belehrung zu sammeln. Daß er in Triest die Bekanntschaft eines Tartinischen Schülers machte und durch diesen Aufschlüsse über des Meisters Spielweise erhielt, von der er einen klaren, mitteilbaren Begriff hatte, ist bereits früher gesagt worden Vgl. S. 138..
Nachdem Lipinski wiederum einige Zeit in Lemberg zugebracht, begab er sich auf größere Kunstreisen. 1821 war er in Deutschland, 1825 in Rußland. Überall erntete er ungeteilte Anerkennung, und bald wurde sein Name mit Auszeichnung in der europäischen Kunstwelt genannt. Im Jahre 1829 traf er durch Zufall zum zweiten Male mit Paganini in Warschau zusammen. Doch war diese Begegnung beider Künstler keine so angenehme wie die erste. Zu jener Zeit lebte in Polens Hauptstadt ein italienischer Gesangslehrer namens Soliva. Dieser machte zugunsten seines Landsmannes Partei gegen Lipinski und suchte namentlich dessen Auftreten durch mancherlei Intriguen zu verhindern, angeblich, um hinterher behaupten zu können, Lipinski habe die Rivalität seines Kunstgenossen gescheut. Lipinski beeilte sich um so mehr, ein eigenes Konzert zu veranstalten, als er sich sagen durfte, daß seine von Paganinis Kunst völlig abweichende Richtung jede Nebenbuhlerschaft ausschloß, worauf ihm von der anderen Seite bemerkt wurde, er möge sich's wohl überlegen, einen Wettkampf zu wagen, da Paganini als ein siegreicher »Achilles« unter den Violinspielern anerkannt sei. Lipinski ließ sich dadurch nicht einschüchtern, sondern antwortete: »Man wisse wohl, Achilles sei ein starker Held gewesen, habe aber eine verwundbare Ferse gehabt.« So ließen sich beide Männer hören. Ein Wortstreit in den Warschauer Zeitungen darüber, wem die Palme des Vorranges gebühre, bildete das Ende dieser Parteiplänkelei.
Bis zum Jahre 1835 verweilte Lipinski abermals in Lemberg, mit ganzer Hingebung seinen Studien lebend. Alsdann trat er eine zweite größere Kunstreise an, die ihn nach Deutschland, Frankreich und England führte. Im Jahre 1836 kehrte er über Leipzig in seine Heimat zurück. In der genannten Stadt beteiligte er sich bei der Konkurrenz um die durch Matthäis Tod erledigte Konzertmeisterstelle, jedoch ohne Erfolg, da man sich zugunsten Ferdinand Davids entschied. Dann machte er in der Folgezeit Konzertreisen durch Rußland und Österreich. Im Jahre 1839 erhielt er die Berufung als Hofkonzertmeister nach Dresden. Er trat seine Stellung am 1. Juli desselben Jahres an und widmete sich ihr mit voller Hingebung. Gegen 1860 begann seine Leistungsfähigkeit und Lebenskraft merklich zu sinken. Er wurde von einem Gichtleiden befallen, welches ihn endlich völlig am Violinspiel hinderte. Vergeblich brauchte er wiederholt die Teplitzer Bäder, und obwohl geistig immer noch rege, ging er doch unverkennbar seinem Ende entgegen. Er starb am 16. Dezember 1861 auf seinem Landgute Urlow bei Lemberg, wohin er sich im Sommer zuvor begeben hatte.
Lipinski war ein sehr hervorragender Violinspieler von eigentümlichster Begabung. Zwar gebot er weder über einen schönen, schnellen Triller noch über das Staccato, doch wurden diese Mängel bei seinen Leistungen weniger fühlbar, da er sie teils durch geistige, teils durch gewisse technische Vorzüge zu ersetzen wußte. Dahin gehörten ein breiter, markiger Ton von durchdringendem Timbre, eine große Gewandtheit in Doppelgriffen, Oktavengängen und Akkorden, sowie eine schöne Intonation. Die Bogenführung hatte etwas langsam Gewichtiges, wie dies bei allen Geigern bemerkbar ist, die auf die Erzeugung großer Tonbildung bedacht sind. Und gerade in dieser Beziehung leistete Lipinski Außerordentliches. Der »große Ton« war sein Ideal: er wurde in seinen späteren Lebensjahren zu einer Art Monomanie für ihn, da er fast alles, selbst dasjenige, was eine entgegengesetzte Behandlung erfordert, mit breitem, wuchtigem Strich spielte. Dies beeinträchtigte denn auch schließlich, als die Elastizität und Geschmeidigkeit des Handgelenks nachließ, einigermaßen seine Vorträge, welche dadurch etwas Schwerfälliges, Sprödes annahmen.
Seit seiner Niederlassung in Dresden war Lipinski neben den dienstlichen Pflichten hauptsächlich als Interpret der klassischen Kammermusik tätig. Er bereicherte das Musikleben der sächsischen Residenz während einer langen Reihe von Jahren durch regelmäßige Quartettakademien. Vorzugsweise glänzte er in der Wiedergabe Beethovenscher Schöpfungen, denen er sich nebst der Bachschen Musik mit ausgesprochener Vorliebe hingab. Die Werke dieser Meister gewährten ihm mehr als andere die Möglichkeit, seine individuellen Eigenschaften in wirksamer Weise zu entfalten, insbesondere die Neigung zu subjektiver, mystisch gefärbter Gefühlsvertiefung, zu starken Akzenten und Betonungen, sowie zu überwallendem, pathetisch gehaltenem Ausdruck. Sein phantasieanregendes Spiel eignete sich deshalb weniger für das harmonisch Vollendete, plastisch Abgerundete, als für den geistreichen Vortrag des Einzelnen, Besonderen. Einen ähnlichen Eindruck empfing man auch im persönlichen Verkehr mit Lipinski. Er ließ es im Laufe der Unterhaltung nie an ungewöhnlichen Gedanken, sowie an geistreichen Parallelen und Antithesen fehlen, ohne doch in einen gleichmäßigen Redefluß zu geraten. Dabei waren seine oft treffenden Vergleiche und originellen Äußerungen über Musik und Musiker nicht frei von Schroffheit und einseitiger Übertreibung. Doch lag jeder Bemerkung seinerseits ein tieferer Sinn zugrunde, der zugleich Zeugnis von einer echt künstlerischen und edlen Richtung gab Vgl. über Lipinski auch des Verfassers: »Aus siebzig Jahren« (Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart u. Leipzig 1897)..
Unter den Violinkompositionen, welche Lipinski veröffentlichte, heben sich das Militärkonzert ( d-dur) durch die interessant und wirksam geführte Solostimme, sowie die charakteristischen g-moll-Variationen vorteilhaft hervor. Die von ihm im Verein mit Klengel veranstaltete Ausgabe der Bachschen Sonaten für Klavier und Violine Leipzig bei Peters. läßt in betreff der Bezeichnungen überall den denkenden Künstler erkennen, doch entsprechen die hinzugefügten Vortragszeichen und Stricharten nicht durchaus dem Geiste der Bachschen Musik.
Stanislaus Serwaczyñski, geb. 1791 zu Lublin, erhielt frühzeitig von seinem Vater Violinunterricht. Nach seiner Ausbildung wirkte er in Lemberg. Von dort begab er sich 1831 über Wien nach Italien, vielfach als Konzertspieler auftretend. 1833 übernahm er am Pester Theater die Konzertmeisterstelle. Nächst dem Solospiel ließ er es sich dort auch angelegen sein, die Meisterwerke der Kammermusik in regelmäßigen Quartettakademien zur Geltung zu bringen. Im Jahre 1837 kehrte der Künstler nach seinem Vaterlande zurück und war in demselben weiterhin hauptsächlich als Konzertist tätig. Er starb zu Lublin 1862. In der Wiener Musikzeitung vom Jahre 1821 (S. 588) findet sich über ihn die Bemerkung, daß sein Spiel tändelnd, mehr brillant und mit vielen Verzierungen geschmückt gewesen sei, sowie daß er besonders Maysedersche Kompositionen mit Geschmack und Fertigkeit vorgetragen habe. Als Komponist machte sich Serwaczyñski nur durch die Veröffentlichung einiger Violinsolos, sowie einer Operette »Tadeusz Chwalibóg« bekannt. Serwaczyñski war der erste Lehrer Joachims.
Kazimir Baranowski, geb. 1820 zu Warschau, ein tüchtiger, solider Violinist und Konzertmeister am Theater seiner Vaterstadt, starb 1862.
Apollinaire de Kontski, gleichfalls in Warschau am 23. Oktober 1823 (oder 1825) geboren, machte seine Studien in Paris unter Leitung seines ältesten Bruders. Später gab er sich der Paganinischen Richtung hin. Seine Technik war sehr bedeutend, wurde aber von ihm ohne Geschmack und künstlerische Würde zu ausschließlich virtuosen Effekten gebraucht. 1848 war er auf einer größeren Kunstreise, die ihn auch nach Deutschland führte. Nachdem er dann von 1853-1861 als kaiserl. Kammervirtuos in Petersburg tätig gewesen war, übernahm er die Leitung der Warschauer Musikschule, welcher er bis zu seinem am 29. Juni 1879 erfolgten Tode verstand. Seine Violinkompositionen sind wertlos.
Über die drei letztgenannten polnischen Violinspieler Lada, Krankowicz und Biernacki sind Nachrichten nicht vorhanden.
Auch die Russen entbehrten bis in die Neuzeit hinein eines wahrhaft nationalen Kunstlebens: Männer wie Bortnianski (für den Kirchenstil) und Glinka (für die weltliche Musik) waren vereinzelte Erscheinungen, welche keinen nachhaltigen allgemeineren Aufschwung ihres Vaterlandes in tonkünstlerischer Beziehung zuwege zu bringen vermochten. Die Musik, welche allerdings in gewissen Kreisen der vornehmen russischen Gesellschaft eine bedeutende Rolle spielte, befand sich zur Hauptsache in den Händen fremder Künstler. Insbesondere war Petersburg in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, gleich Paris und London, ein Sammelplatz für ausländische Kunstzelebritäten. Aber auch Orchestermusiker, namentlich deutsche, zogen in großer Zahl dahin, weil ihnen in Ermangelung ausreichender einheimischer Kräfte sehr günstige Bedingungen gestellt wurden. Die russische Hauptstadt besaß infolgedessen ein reges musikalisches Treiben, es war aber eben zum großen Teil ein erborgtes und künstliches. Inzwischen ließ man es nicht an Versuchen fehlen, einheimische Talente heranzubilden, um sich vom Auslande mehr und mehr unabhängig zu machen. Hierzu gehörte die 1772 erfolgte Begründung eines »musikalischen Klubs« in Petersburg. Ihm schloß sich die 1802 begründete »Philharmonische Gesellschaft« an. Dieses Institut löste sich 1851 auf, wurde aber 1859 unter der Bezeichnung »Russische Musikgesellschaft« wiederum ins Leben gerufen. Dasselbe stellte sich die Aufgabe, einheimische Kräfte im Lande auszubilden oder auch zur Ausbildung in die Fremde zu schicken, sowie durch Aufführung guter Musik den Sinn für dieselbe in weiteren Kreisen zu verbreiten. In den größeren Städten des Reiches richtete die Russische Musikgesellschaft Zweigvereine ein. Auch wurden in Petersburg (1862) und in Moskau (1866) Musikschulen eröffnet.
Alle diese Unternehmungen waren, wenn auch nur sehr allmählich, von Erfolgen begleitet. Wie der russischen Literatur, hat man im westlichen Europa neuerdings begonnen, auch der russischen Tonkunst mehr und mehr Aufmerksamkeit zu schenken. Gilt dies auch vorläufig noch nicht von der Oper (wie z. B. Alexander Serow [1820-1871] noch wenig bei uns genannt wird), so doch desto mehr von der Instrumentalmusik, wie eine Erinnerung an die Namen Glasunow oder Rimsky-Korsakow, besonders aber Peter Tschaikowski (geb. 25. Dezember 1840, gest. 6. November 1893) deutlich macht. Des letzteren Konzerte, Kammermusik (drei Quartette, ein Klaviertrio, ein Streichsextett u. a. m.), Symphonien (6, darunter die fünfte [ e-moll] und insbesondere die letzte [ h-moll] viel bei uns gespielt), haben seinen Namen auch in Deutschland populär gemacht, während seine Opern, 11 an der Zahl, hier bei uns noch so gut wie unbekannt sind.
Zweifelsohne ist Tschaikowski, obwohl er dem Rohen und Trivialen selbst in seinen besten Werken durchaus nicht stets aus dem Wege geht, eine musikalische Kraft von nicht zu unterschätzender Bedeutung. Man darf auf die weitere Entwicklung der russischen Musik, die bisher in der Hauptsache von Ausland, namentlich Deutschland, abhängig sich darstellt, wohl gespannt sein.
Was die ausübende Kunst, speziell die Violinspieler betrifft, so haben wir hier die Namen Lwow, Gulomy, Yussupow, Besekirski, Galkin, Brodski, Kotek, Grigorowitsch, Kolakowski und Petschnikow zu nennen. Von ihnen haben Yussupow, Besekirski, Brodski und Kotek bereits bei der belgischen, Pariser, Wiener und neuen Berliner Schule Erwähnung gefunden. Die übrigen sollen hier besprochen werden.
Alexis v. Lwow, geb. am 6. Juni 1799 in Reval, trieb seit seinem siebenten Jahre das Violinspiel als Liebhaber, erhob sich aber durch Talent und eindringliches Studium namentlich im Quartettspiel weit über den dilettantischen Standpunkt. Sein Vater, ein russischer Beamter, ließ ihm eine in künstlerischer wie in jeder andern Hinsicht ausgezeichnete Erziehung zuteil werden. Für den Soldatenstand bestimmt, avancierte er im Laufe der Jahre bis zum Generalmajor und kaiserl. Adjutanten. In dieser Stellung wurde es ihm leicht, zugunsten musikalischer Interessen seines Vaterlandes einzutreten, und dies um so mehr, als man ihm im Hinblick aus seine künstlerische Einsicht und Leistungsfähigkeit eine entsprechende amtliche Tätigkeit zuwies. 1836 wurde er zum Direktor der kaiserl. Hofkirchensängerkapelle ernannt. Eine Frucht seines Wirkens in diesem Fache ist die Schrift: »Über den freien und nicht symmetrischen Rhythmus des altrussischen Kirchengesanges (Petersburg 1859).« Lwow war auch als Tonsetzer tätig und schrieb Kirchenkompositionen, Violinstücke, Militärmärsche, sowie mehrere Opern, darunter eine »Undine«, die nächst ihrer Aufführung in Petersburg eine Darstellung in Wien erlebte. Die an das Volkslied » O sanctissima« erinnernde russische Nationalhymne ist gleichfalls von ihm gesetzt. In höherem Alter traf ihn das Unglück gänzlicher Ertaubung. Er starb am 28. Dezember 1870 auf seinem Gut im Gouvernement Kowno.
Über Jerôme Louis Gulomy fehlen nähere Nachrichten. Man weiß nur, daß er am 22. Juni 1821 in Pernau geboren wurde, sowie daß er zu Anfang der vierziger Jahre in Deutschland mit Erfolg als Solospieler reiste. Seit 1853 war er Hofkapellmeister in Bückeburg. Dort starb er am 18. Oktober 1887.
N. T. W. (von) Galkin, der die erste Violinprofessur am kaiserl. Konservatorium zu Petersburg bekleidete, wurde daselbst am 6. Dezember 1850 geboren. Im Petersburger Konservatorium unter L. v. Auer im Violinspiel ausgebildet (seine theoretischen Studien leiteten Johansen und Laroche), genoß er weiterhin noch die Unterweisung von Joachim (1875) in Berlin und Wieniawski (1876) in Brüssel. Um die gleiche Zeit unternahm er Konzertreisen in Frankreich, den Niederlanden und Deutschland, wo er auch einige Zeit als Solist des Bilseschen Orchesters tätig war.
1877 als Solist am Ballet, später als Chef-Kapellmeister am Alexandertheater in Petersburg angestellt, trat Galkin 1880 zunächst als Assistent von Auer, später als Professor der Violinklasse ins Konservatorium daselbst. Seit 1890 leitete er auch das Orchester und die Dirigentenklasse dieses Instituts. Außerdem war er von 1892-1903 Direktor der Symphoniekonzerte in Pawlowsk. 1906 starb er in Petersburg.
Galkin hat nur wenige Violinkompositionen veröffentlicht, desto bedeutender war seine Lehrtätigkeit, wie denn viele hervorragendere Schüler des Petersburger Konservatoriums ihm ganz oder teilweise ihre Ausbildung verdanken. Unter ihnen werden genannt Alexander Roman (Hofkonzertmeister in Moskau), Boris Lifschütz (in Paris), Alexander Sapelnikow (in Berlin), Seligmann und andere.
Charles Grigorowitsch, geb. am 25. Oktober 1867 zu Petersburg, zeigte schon als Kind ein so hervorragendes Talent zum Violinspiel, daß sein Vater, ein musikalisch gebildeter Liebhaber, sich bewogen fand, ihm selbst die erste Lehre angedeihen zu lassen. Weiterhin genoß Grigorowitsch bis zu seinem 15. Lebensjahre den Unterricht Besekirskis in Moskau und dann denjenigen Wieniawskis, dessen letzter Schüler er war. Sodann begab er sich nach Wien, um dort noch unter Jac. Dont zu studieren. Auch Joachims Unterweisung genoß er eine Zeitlang. Sodann produzierte er sich mit großer Auszeichnung in Paris, Lissabon, Dresden, Leipzig und an anderen Orten. Seit 1886 lebt er in Berlin, von wo aus er seine Konzertreisen unternimmt. An dem Spiele Grigorowitschs werden weicher, voller Ton, makellose Reinheit, sowie große Herrschaft über Bogen und Griffbrett gerühmt. Man rechnet ihn zu den vorzüglichsten Geigern der Gegenwart.
Über Kolakowski, der einer Nachricht zufolge in Kiew oder in Tiflis wirkt, fehlen nähere Mitteilungen.
Alexander Sergewitsch Petschnikow endlich, ein jüngerer vielgenannter, hervorragender Violinist, wurde am 8. Januar 1873 in Jeletz (Gouvernement Orel) geboren. In Moskau, wohin seine Mutter nicht lange nachher ihren Wohnsitz verlegt hatte, hörte ihn ein Musiker namens Solotarenko, der, von der natürlichen musikalischen Anlage des zehnjährigen Knaben überrascht, riet, ihn aufs Konservatorium zu schicken. Durch ein ihm zugewandtes Stipendium wurde dies seiner Mutter, die in bescheidenen Verhältnissen lebte, ermöglicht. Petschnikow machte den ganzen Kursus dieser Anstalt durch, und seine Leistungen waren so vorzügliche, daß er bei seiner Entlassung durch die goldene Medaille ausgezeichnet wurde. Seine Lehrer waren zunächst Arno Hilf, sodann Høimaly, welch letzterem vorzüglich er seine Ausbildung dankt.
Nach Verlassen des Konservatoriums verweilte Petschnikow einige Jahre in Paris. Doch sagte die Richtung der Pariser Schule seinem Wesen weniger zu, so daß er, nachdem er mehrere Konzertreisen durch Frankreich unternommen, im Jahre 1895 sich nach Deutschland wendete. Sein erstes Konzert in Berlin hatte am 11. Oktober 1895 statt. Die Aufnahme war so glänzend, daß rasch mehrere weitere Konzerte folgten und der Künstler schließlich seine ursprüngliche Absicht, wieder nach Petersburg zurückzukehren, aufgab und in Berlin verblieb, wo er noch jetzt wohnt. Von hier aus durch ganz Europa unternommene Konzertreisen haben seinen Ruf befestigt und weit ausgebreitet. Auch Amerika hat er besucht.
Petschnikow, der eine berühmte, einst Ferdinand Laub gehörende Stradivarigeige besitzt, die ihm vorzüglich durch Vermittlung seiner Gönnerin, der russischen Fürstin Urussow, zuteil wurde, ist einer der trefflichsten derzeitigen Violinisten. Seine Tongebung ist, ohne besonders voluminös zu sein, doch von bedeutender Intensität, dabei sehr geschmeidig, süß und singend. Die technische Durchbildung erweist sich, wie heute beinah selbstverständlich, als tadellos und sehr beträchtlich. Wenn seine Individualität sich einigermaßen dem lyrisch Zarten zuzuneigen scheint, so beweist andererseits der Umstand, daß er mit Vorliebe Bachs Solosonaten auf seine Programme setzt, die Vielseitigkeit seines reproduktiven Vermögens, welch letztere auch durch die Tatsache bestätigt wird, daß er, was heute mehr bedeutet als vor hundert Jahren, ein ganz vortrefflicher Mozartspieler ist.
Über den jungen, in letzter Zeit öfters genannten russischen Violinisten Efrem Zimbalist waren Nachrichten nicht erhältlich.
Auch in Ungarn hat man es sich neuerdings angelegen sein lassen, für die Pflege eines allgemeineren öffentlichen Musiklebens tätig zu sein. Zu diesem Zwecke wurden in Pest und Ofen eine »Landesmusikakademie« und ein »Nationalkonservatorium« gegründet. Daß die Wirksamkeit dieser Institute keine vergebliche sein wird, ist im Hinblick auf die seither schon in ganz eigenartigen Gesängen und Tanzweisen zutage getretene Musikbegabung des ungarischen Volkes kaum zu bezweifeln. Sind doch aus der Mitte desselben seit der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts bereits manche bedeutende Talente hervorgegangen, von denen hier nur an die für das Klavierspiel epochemachende Erscheinung Franz Liszts erinnert sei. Als Violinspieler, deren Heimat Ungarn ist, haben sich, von Joachim, Ludwig Straus, Singer, Böhm, Hauser und Auer abgesehen, in neuerer Zeit bekannt gemacht: Reményi, Berzon, Csillag, Jenö Hubay und Tivadar Nachéz. Dieselben haben ebenfalls bereits sämtlich an anderen Orten dieses Buches Erwähnung gefunden, und zwar die drei ersten unter der Wiener, Hubay unter der neuen Berliner und Nachéz bei der Pariser Schule.