Edgar Wallace
Feuer im Schloß
Edgar Wallace

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6

Schon nach den ersten vierundzwanzig Stunden ihrer Bekanntschaft hatte Dick Mayford feststellen müssen, daß Anna Jeans ganz anders war als die jungen Damen, die er bisher getroffen hatte. Sie gab ihm selten recht und hatte überhaupt einen äußerst eigenwilligen Charakter. Das brachte ihn etwas aus der Fassung, denn bisher war er immer von einem Kranz bewundernder Weiblichkeit umgeben gewesen.

Eines Tages hatte er sich mit Anna verabredet, zu den Mailley-Ruinen zu reiten, und kam eine Viertelstunde zu spät zu dem ausgemachten Treffpunkt. Dort erfuhr er, daß sie pünktlich allein fortgeritten war. Als er sie nach einem scharfen Galopp eingeholt hatte, sah er sie vorwurfsvoll an und sagte, daß sie ruhig ein bißchen hätte auf ihn warten können.

Aber sie schaute ihn nur belustigt mit ihren grauen Augen an und bereute offensichtlich nichts.

»Daran werden Sie sich gewöhnen müssen«, meinte sie. »Ich habe mir schon in frühester Jugend geschworen, nie auf einen Mann zu warten. Wenn es Ihnen nicht gegen den Strich geht, sich für Ihr Zuspätkommen zu entschuldigen, können wir ja auch weiterreiten.«

Und Dick fügte sich tatsächlich und bat sie um Verzeihung, die ihm auch gewährt wurde.

»Ich habe die ganze Nacht fest durchgeschlafen«, erklärte sie, als er ihr von dem Brand im Schloß erzählte.

»Lorney hätte Sie aufwecken sollen –«, fügte er hinzu.

»Ach, warum denn das? Wozu soll ich mir ansehen, wie ein Haus abbrennt? Mrs. Harris hat mir so schon eine haarsträubende Schilderung davon gegeben. – Es muß entsetzlich gewesen sein für Ihre Schwester.«

Ihm kam es vor, als ob sie das etwas nüchtern und spöttisch gesagt hätte, und er warf ihr einen mißtrauischen Blick zu.

»Es war für uns alle unangenehm«, entgegnete er steif. »Glücklicherweise habe ich einen leichten Schlaf und hörte Mr. Lorney, wie er mit den Fäusten gegen die Tür schlug.« Nach einer Weile fragte er etwas zusammenhanglos: »Wie lange bleiben Sie eigentlich noch hier?«

»Ein paar Wochen.«

»Warum sind Sie überhaupt hergekommen?«

Sie sah ihn von der Seite an.

»Weil ich hoffte, Sie hier zu treffen«, sagte sie dann. »Ich habe Sie schon bewundert, als ich noch ein Kind war. – Es muß eigentlich herrlich sein, wenn man so heimlich verehrt wird. Ja, so bin ich nun einmal, wenn ich einen Mann sehe und ihn gern habe, dann kann mich nichts mehr von ihm abbringen.«

Dick räusperte sich unbehaglich, obwohl gar kein Grund zur Verlegenheit da war. Sie schien seine schwache Seite berührt zu haben. »Bitte, sagen Sie mir doch ehrlich, warum Sie hierhergekommen sind.«

»Erstens, weil ich Mr. Lorney gern habe; zweitens, weil mein Leben mehr oder weniger durch einen alten Rechtsanwalt bestimmt wird, der in London wohnt. Wenn er sagt: ›Gehen Sie in ein Internat!‹ dann muß ich in ein Internat gehen. Und wenn er mir rät, meine Ferien in einem Gasthaus in einer gottverlassenen Gegend zu verbringen, dann muß ich das auch tun.«

»Ist er Ihr Familienanwalt?«

Sie wandte sich im Sattel halb zu ihm.

»Habe ich Ihnen meine Lebensgeschichte noch nicht erzählt? Das ist aber wirklich nicht nett von mir . . .«

Und sie berichtete ausführlich, während sie weiterritten. Dick hatte kaum Gelegenheit, selbst etwas zu sagen, bis sie zum Gasthaus zurückkamen.

»Ich kann diesen Romeo nicht ausstehen«, erklärte sie plötzlich ohne jeden Zusammenhang.

»Welchen Romeo?«

»Ich mag ihn einfach nicht«, fuhr sie fort, ohne auf seine Frage einzugehen, »selbst wenn er noch so schicke Pyjamas hat und mir die schönsten Rosen aus Mr. Lorneys Garten zuwirft. Das gibt noch was, wenn er erfährt, daß sie abgerissen worden sind. – Die ganze Sache war beinah romantisch: Ich schaute heute morgen so gegen sieben Uhr zum Fenster hinaus. Allerdings hatte ich ein süßes hellblaues Nachthemd an, und so kann man natürlich dem jungen Mann keinen großen Vorwurf machen. Jung ist andererseits auch wieder übertrieben: Am Hinterkopf hat er schon eine ganz schön dünne Stelle. Männer sollten doch lieber einen Hut aufsetzen, wenn man auf sie herunterschauen kann.«

»Ach, meinen Sie Keller?« fragte Dick überrascht.

»Ja, so heißt er wohl.«

»Warum mögen Sie ihn denn nicht?«

Sie schüttelte den Kopf.

»Ach, ich weiß nicht. Wahrscheinlich ist es ein Instinkt, der mich vor ihm warnt. Ich möchte nicht wissen, was er von mir dachte, als ich die Rose auffing und sie ihm wieder zuwarf. – Gefällt er Ihnen denn?«

Dick sagte nichts, aber plötzlich wurde er sich vollkommen bewußt, daß er diesen Keller ohne weiteres hätte umbringen können.

»Eigentlich sieht er gar nicht so schlecht aus, nicht wahr? – Haben Sie übrigens den ›Alten‹ zu Gesicht bekommen? Mrs. Harris sagt, er wäre in der vergangenen Nacht draußen auf dem freien Platz vor dem Schloß gesehen worden. Wollen wir nicht einmal die Höhlen durchsuchen, ob wir ihm begegnen? Es heißt, er wäre total verrückt und hätte seinen Wärter mit dem Hammer erschlagen. Aber mir kann ja nichts passieren, wenn Sie dabei sind!«

»Nehmen Sie überhaupt irgend etwas ernst?« fragte er gereizt. Sie schaute ihn bewundernd an.

»Sie nehme ich ernst. Viel ernster als sonst jemanden, der mir bisher den Hof gemacht hat.«

»Aber ich denke ja gar nicht daran, Ihnen den Hof zu machen«, protestierte er entrüstet.

»Nein, dazu hatten Sie ja niemals Gelegenheit. Man kann eine junge Dame schließlich nicht auf dem Tennisplatz umarmen, und auch ein Ritt in die schöne Gegend ist zu dem Zweck nicht gerade praktisch. Nein, hätte heute morgen der Mond statt der Sonne geschienen, so hätte ich wahrscheinlich eine tadellose Julia abgegeben – das heißt, wenn mein Partner nicht gerade Mr. Keller gewesen wäre.«

Kurz vor dem Gasthaus wurde sie wieder ernst und erzählte Dick, wie nett Mr. Lorney zu ihr war. Sie konnte sich erinnern, daß er jedesmal an ihren Geburtstag gedacht hatte, als sie noch ein kleines Kind war, und ihr auch später immer wieder Geschenke geschickt hatte, oft ohne äußeren Anlaß.

Auch im vorigen Jahr hatte sie ihre Ferien bei ihm verbracht. Sie merkte, daß er auch abweisend und rauh sein konnte, aber ihr gegenüber war er immer von der gleichen Freundlichkeit. Es war eine seiner hervorstechendsten Eigenschaften, daß er alten Freunden unbedingt treu war.

»Meiner Meinung nach kann er Mr. Keller nicht leiden«, sagte sie abschließend.

Dick wunderte sich darüber, denn er konnte nicht wissen, daß die beiden sich schon von früher kannten.

»Wenn Mr. Lorney Mr. Keller zufällig irgendwo sieht, wendet er kein Auge von ihm. Wenn er erst herausbekommt, daß er seine Rosen abgerissen hat, gibt es Krach.«

Keller stand in der Diele, als die beiden zurückkamen. Wie gewöhnlich war er äußerst elegant angezogen. Dick suchte auf seinem Hinterkopf nach Anzeichen einer beginnenden Glatze, konnte aber nichts dergleichen feststellen.

»Hallo, sind Sie ausgeritten?« fragte Keller unnötigerweise, nickte Dick zu und wandte sich dann mit einem gequälten Lächeln an Anna.

»Ich habe Sie heute morgen schon gesehen.«

Anna übersah seine ihr entgegengestreckte Hand.

»Essen Sie im großen Speisezimmer zu Mittag?« fragte sie.

»Ja«, entgegnete Keller schnell.

»Na, dann sehen Sie mich heute noch dreimal«, tröstete sie ihn und ging die Treppe hinauf, um sich umzuziehen.

Keller sah ihr nach, bis sie oben angekommen war.

»Wer ist das eigentlich?« erkundigte er sich dann bei Dick.

Aber es hörte ihm niemand zu, denn Dick war nach draußen gegangen. Mr. Keller nahm solche Abfuhren nicht übel. Er lächelte gutmütig, ging in die Gaststube, wo das Fremdenbuch lag, und blätterte darin herum, als der Wirt hereintrat.

»Ah, guten Morgen, Mr. Lorney. – Wer ist denn die hübsche junge Dame, die hier im Haus wohnt?«

Mr. Lorney fuhr sich mit der Hand durchs Haar und sah den jungen Mann fest an.

»Mr. Keller, ich habe gehört, daß Ihnen Ihr Zimmer nicht gefällt. Ich stelle Ihnen jetzt Nummer drei zur Verfügung. Die Mädchen haben Ihnen leider ein wenig komfortables Zimmer gegeben.«

»Wer ist denn nun die junge Dame?« wiederholte Keller. »Hat sie Verwandte hier? – Das ist sie doch wohl: Miss Anna Jeans aus Lausanne.«

»Ja, Miss Jeans wohnt hier.«

»Wer ist sie denn?«

»Ein Gast.«

»Sind ihre Angehörigen auch hier?«

Mr. Lorney hatte es satt. »Soviel ich weiß, hat die junge Dame keine Angehörigen, wenn Sie ihre Eltern meinen sollten. Ich kannte ihren Vater, und ich kenne ihren Rechtsanwalt. Sie kommt hierher, um ihre Ferien hier zu verbringen. – Wollen Sie sonst noch was wissen?« fragte er in geradezu beleidigendem Ton.

Mr. Keller lachte unbekümmert.

»Dann können Sie mich ihr eigentlich mal vorstellen.«

»Anscheinend haben Sie sich bereits selbst mit ihr bekannt gemacht. Ich fand eine meiner Rosen unten auf dem Gartenweg. Im allgemeinen ist es nicht nötig, Verbotstafeln anzubringen, daß keine Blumen gepflückt werden dürfen, denn ich habe nur Leute im Haus, die wissen, was sich gehört.«

Keller überhörte diese Grobheit.

»Wie lange haben Sie das Gasthaus eigentlich schon?«

»Zwei Jahre und neun Monate. Ich kann Ihnen das genaue Datum sagen, wenn es Sie interessiert. Viertausendsechshundert Pfund habe ich dafür gezahlt und außerdem fünftausend für Renovierung und Einrichtung ausgegeben. Sind Sie nun zufrieden?«

Keller lachte laut.

»Mit diesem Benehmen werden Sie keine Gäste anlocken. Ich glaube, ich muß Ihnen mal beibringen, etwas höflicher zu sein.«

Lorney sah ihn ruhig an, ohne mit der Wimper zu zucken.

»Man hat mir gesagt, daß Sie ein reicher junger Mann aus Australien sind. Derartige Leute verliere ich nicht gern als Gäste, aber ich fürchte, bei Ihnen muß ich eine Ausnahme machen.«

Er klingelte, und der Kellner Charles kam herein.

»Zeigen Sie Mr. Keller das neue Zimmer. Wenn er etwas haben will, dann besorgen Sie es. Geben Sie ihm auch andere Möbel, wenn er es verlangt. – Wir müssen alles tun, um ihn zufriedenzustellen«, fügte er ironisch hinzu.

Mr. Lorney konnte sehr unangenehm werden. Auch Lord Arranways erfuhr das. Aber als er hörte, wie sehr sich Lorney bei den Rettungsarbeiten eingesetzt hatte, und daß er unter anderem den kleinen Koffer mit den für ihn wichtigen Privataufzeichnungen über die indische Regierung gerettet hatte, beschloß er doch, vorerst im Gasthaus zu bleiben. Außerdem hatte er andere Sorgen. Und das Haus war auch ausgesprochen bequem und weiträumig, so daß man sich darin wohlfühlen konnte. Die altertümlichen Räume waren mit schwerer Eichentäfelung ausgekleidet, und Mr. Lorneys Vorgänger hatte einen großen umlaufenden Balkon um den ganzen ersten Stock ziehen lassen. Eine breite hölzerne Treppe führte vom Garten hinauf. Mr. Keller untersuchte das alles, ging den Balkon entlang und stellte fest, welche Zimmer von dort aus zugänglich waren. Als methodischer Mann überließ er nichts dem Zufall, und er war noch nicht einen Tag im Gasthaus, als er auch schon alle Zimmer kannte, die Türen zum Balkon hatten.

Die Räume von Lord und Lady Arranways lagen mehr in der Mitte, während Dick Mayford am äußersten Ende wohnte. Das war natürlich schlecht, denn er hatte nur einen leichten Schlaf und würde bei dem leisesten Geräusch wach werden. Sehr gefährlich, dachte Keller.

Er sprach auch mit dem hübschen Zimmermädchen – zu netten kleinen Mädchen fühlte er sich immer hingezogen. – Nur die Geschichten von dem ›Alten‹, die unweigerlich bei jedem Gespräch mit Leuten dieser Gegend auftauchten, langweilten ihn. Trotzdem ging er am Nachmittag die Landstraße entlang, bis er die Nervenheilanstalt oben auf dem Hügel liegen sah. Der Anblick beunruhigte ihn ziemlich, denn plötzlich fiel ihm wieder die junge Frau in St. Louis ein . . . Er verzog das Gesicht. Das war ausgesprochen peinlich gewesen, aber seiner Meinung nach hatte man ihm zu Unrecht die Schuld an der Entwicklung der Dinge gegeben. Sie war von Anfang an etwas aufgeregt und ständig nervös und gereizt gewesen. Hätte ihre zarte Schönheit nicht so starken Eindruck auf ihn gemacht, so wäre es wahrscheinlich nie zu einer Annäherung zwischen ihnen gekommen. Sie weinte bei jeder Gelegenheit, und er konnte noch jetzt ihre zitternden Lippen und roten Augenlider sehen. Rasch wandte er sich um, als ob er dadurch die Erinnerungen verscheuchen könnte.

Er hatte nicht geglaubt, daß es so weit kommen würde, bis sie ihm eines Abends beim Essen eine heftige Szene machte, furchtbar schrie und mit dem Messer nach ihm stach. Die ganze Sache war sehr peinlich für Mr. Keller gewesen, denn Nachforschungen, die ihr Vater anstellte, weil ihm das seltsame Benehmen seiner Tochter nicht ganz unbegründet erschien, hatten ergeben, daß sie nicht die einzige Frau war, die Ansprüche an Keller stellte. Deshalb hatte Keller es für besser gehalten, St. Louis zu verlassen.

Trotz dieses unangenehmen Ausgangs des Abenteuers war die Sache doch recht lukrativ gewesen, wenn er es sich so überlegte, denn er hatte sich den größten Teil ihrer Mitgift gesichert und war damit entkommen.

Keith Keller ging langsam zum Gasthaus zurück. Auf halbem Wege sah er die junge Dame auf sich zukommen, auf die er schon so lange neugierig war. Er ging schneller.

Anna machte nicht den Versuch, ihm auszuweichen. Sie grüßte mit einem Kopfnicken und wäre an ihm vorbeigegangen, wenn er sie nicht angesprochen hätte.

»Ich habe schon den ganzen Nachmittag darauf gewartet, Sie zu sehen. – Wohin wollen Sie gehen?«

Sie sah ihn mit ihren grauen Augen kühl an.

»Das kommt ganz darauf an«, sagte sie. »Ursprünglich hatte ich vor, einen Spaziergang in den Thicket-Wald zu machen, aber wenn ich Sie nicht davon abbringen kann, mich zu begleiten, möchte ich doch lieber wieder ins Gasthaus zurück.«

»Das klingt ja nicht sehr ermutigend«, sagte er lächelnd.

Sie nickte.

»Ich hoffte, Sie würden verstehen, was ich damit sagen will.« Damit ging sie weiter.

Keith Keller war unangenehm berührt, aber sein Interesse an dem Mädchen stieg. Frauen behandelten ihn für gewöhnlich nicht derartig gleichgültig. Er sah ihr eine Weile nach, dann kehrte er zum Gasthaus zurück. Dabei fiel ihm Lady Arranways wieder ein.

Den ganzen Tag hatte er Mary nicht gesehen, und Lord Arranways schien für nichts Sinn zu haben als für seine blöden Pläne bezüglich der indischen Verwaltung.

Am Abend ging Keller etwas gelangweilt in den Speisesaal hinunter. Zum erstenmal, seit er die Arranways kannte, waren seine Beziehungen zu ihnen getrübt. Ohne dazu aufgefordert zu sein, setzte er sich zu Dick Mayford an den Tisch und begann ein Gespräch mit ihm.

»Da stehen ja ein paar Koffer in der Diele – wer ist denn angekommen?«

»Fragen Sie doch Mr. Lorney«, erwiderte Dick unliebenswürdig. Er hatte gehofft, mit Anna essen zu können, aber als er um halb acht herunterkam, erfuhr er, daß sie schon auf ihr Zimmer gegangen war.

»Nach der ganzen Aufmachung scheint es ein Amerikaner zu sein.«

Keith Keller ließ sich nicht so leicht abwimmeln.

Dick winkte dem Kellner.

»Bringen Sie mir den Kaffee in den kleinen Salon.«

Es war nichts zu machen! Mr. Keller war an diesem Abend dazu verurteilt, sich sterblich zu langweilen. Etwas später schlenderte er im Haus und im Garten umher, in der Hoffnung, wenigstens das hübsche Zimmermädchen zu finden. Aber umsonst.

Um halb elf legte er sich ins Bett, las noch eine halbe Stunde, machte dann das Licht aus und trat hinaus auf den Balkon.

Er konnte niemanden sehen. Vorsichtig schlich er zu Marys Fenster. Die obere Hälfte war geöffnet, aber sonst fand er alle Türen verschlossen und alle Vorhänge zugezogen. Er lauschte, konnte aber nichts hören. Leise klopfte er an ihr Fenster, aber es kam keine Antwort. Dann vernahm er ein Geräusch in Dicks Zimmer und ging hastig zu seiner Tür zurück.

Vielleicht würde sie doch noch zu ihm kommen. Wieder las er eine Viertelstunde, drehte das Licht aus, ging noch einmal zur Tür, öffnete sie leise und ließ sie angelehnt.

Er fiel in einen unruhigen Schlaf, und als er aufwachte, fühlte er einen kalten Zug von der Tür her. Mit einem Fluch stand er auf und schloß sie ab. Dann legte er sich wieder hin und schlief sofort ein.

Eine Viertelstunde später, als die Kirchenuhr drei schlug, schlich eine dunkle Gestalt langsam die Treppe zum Balkon hinauf, ging vorsichtig bis zu Kellers Tür, blieb davor stehen und versuchte sie zu öffnen. Als es ihm nicht gelang, schlich er die Treppe wieder hinunter.

Dick hörte das Geräusch und kam auf den Balkon hinaus. Er sah, daß sich am Fuß der Treppe etwas bewegte.

»Wer ist da?« rief er scharf.

Der Fremde drehte sich um.

Dick sah einen Augenblick eine etwas gebeugte Gestalt mit einem unordentlichen weißen Bart und wirrem Haar. Er lief die Treppe hinunter, aber als er unten ankam, war der ›Alte‹ verschwunden.


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