Edgar Wallace
Feuer im Schloß
Edgar Wallace

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5

Tom Arkright, ein Arbeiter von der ›Waggin Farm‹, sagte später, er hätte den ersten Alarm geschlagen, aber Mr. Lorneys Wagen hielt bereits zehn Minuten vor Ankunft des Dorfpolizeibeamten vor dem Tor des brennenden Schlosses. Selbst in der mondhellen Nacht konnte man die züngelnden Flammen auf weite Entfernung sehen. Rauch drang aus den Fenstern des ersten Stocks, als Mr. Lorney den kurzen Weg zur Auffahrt zurücklegte. Er sprang aus dem Wagen und hämmerte gegen die Haustür.

Dick Mayford hatte einen leichten Schlaf. Er hörte das Hämmern, und es schien ihm auch, als ob er Brandgeruch spürte. Er stand auf und eilte aus seinem Zimmer.

»Ich glaube, ich weiß, in welchem Zimmer es brennt«, rief ihm Lorney zu, der gerade die Treppe in großen Sätzen hinaufrannte. »Es ist das sechste Fenster von der Ecke.«

Als sie um die Ecke bogen, stand Lord Arranways schon auf dem Gang.

»Hier schläft doch Keller!« sagte Arranways. »Dick, wecke Mary und bring sie nach unten. Sie soll sich nicht aufregen, es ist nicht gefährlich.«

Lorney wickelte sich sein Taschentuch um die Hand und versuchte die Tür zu Kellers Zimmer aufzumachen, aber er mußte sich mit aller Gewalt dagegenstemmen, bis das Holz splitterte und die Füllung brach. Dichter Rauch wirbelte Lorney entgegen. Er tastete durch das Loch und drehte den Schlüssel um.

»Warten Sie hier vorn und schließen Sie die Tür, wenn ich hineingegangen bin.«

Drinnen wurde er sofort von gelblichgrauen Wolken eingehüllt. Links von ihm flackerten Flammen auf, und er sah einen Mann auf dem Boden liegen. Rasch bückte er sich und richtete ihn auf.

Keller war nicht ganz bewußtlos. Er flüsterte Lorney ein paar bittende Worte zu, als dieser ihn zur Tür zog, und wies auf etwas Weißes, das in der Nähe des Bettes auf dem Boden lag.

Der Wirt war Kavalier. Er hatte keine Illusionen und nur wenige Ideale. Als er wieder auf den Gang hinaustrat, hatte sich nur der harte Ausdruck auf seinem Gesicht vertieft.

»Bringen Sie ihn schnell nach unten«, sagte er heiser zu den Leuten, die herumstanden.

Keller war auf dem Boden halb zusammengesunken, während sich der Lord über ihn beugte.

»Ist nichts in Ihrem Zimmer, das gerettet werden muß, Keller?« fragte Arranways besorgt.

»Nein, nichts . . . Bringen Sie mich . . . bitte fort«, murmelte Keller schwach.

In diesem Augenblick kam Dick heran. Er hatte Mary nicht in ihrem Zimmer gefunden. Vermutlich hatte sie den Alarm gehört und war hinaus in den Park gegangen. Er hatte einen warmen Mantel aus ihrem Zimmer mitgenommen.

»Geh nach unten!« sagte Lord Arranways kurz. »Kommen Sie, Lorney, hier oben ist niemand mehr. – Sehen Sie zu, daß alle Leute das Haus verlassen!« rief er dem Diener nach.

Der Lord selbst ging die Treppe hinunter – ohne eine Ahnung davon zu haben, daß Lorney ihm nicht folgte. Der Gastwirt stand an der Tür zu Kellers Zimmer und wartete, bis die anderen aus dem Gang verschwunden waren. Dann öffnete er die Tür und wagte sich noch einmal ins Zimmer.

Kam er noch zur rechten Zeit? Mit angespannten Sinnen lauschte er auf das leisteste Geräusch vom Gang. Aber es war ja gleich, ob der Ruf von Lady Arranways ruiniert war, vor allem mußte sie gerettet werden.

Er bückte sich, hob die leichte Gestalt vom Boden auf und trug sie auf den Gang hinaus. Mary war bewußtlos, und als er an einem Fenster vorbeikam, sah er, daß sie totenblaß war. Auf der ersten Stufe der Treppe hielt er an, als Lord Arranways in Sicht kam.

»Wo bleiben Sie denn, Lorney?« rief er ungeduldig. »Kommen Sie doch endlich herunter! Es ist ja niemand mehr dort oben –«

Da erblickte er seine Frau.

»Mary . . .! – Wo haben Sie sie gefunden?« fragte er leise.

»Am Ende des Ganges, unter dem Fenster«, entgegnete Lorney mit fester Stimme.

Nach kurzem Schweigen wandte sich der Lord ab und ging langsam die Treppe hinunter.

»Ich habe sie nicht dort gesehen«, sagte er gequält.

»Aber ich«, erklärte Lorney entschieden. »Auf jeden Fall sah ich etwas Weißes. Sie muß in der ersten Aufregung aus ihrem Zimmer gestürzt und nach der falschen Richtung gelaufen sein.«

Dick war die Treppe heraufgekommen und nahm nun Lorney die bewußtlose Frau aus den Armen.

Sie liefen die Stufen hinunter und durch die Eingangshalle ins Freie. Arranways nahm den Mantel auf, den Dick unten auf das Geländer der Terrasse gelegt hatte, und hüllte seine Frau darin ein.

Alle Bewohner von Sketchley waren mittlerweile vor dem Schloß zusammengekommen.

Diener und Landarbeiter liefen mit geretteten Gemälden, Teppichen, dem vielen alten Silber und anderen wertvollen Dingen aus dem Haus.

»Ich habe meinen Wagen hier und werde Mylady zu mir ins Gasthaus bringen«, sagte Lorney zu Lord Arranways. »Augenblicklich habe ich keine anderen Gäste als die junge Dame aus Kanada.«

Arranways nickte. Er setzte sich in den Fond und überließ es Dick, seine Schwester im Auto unterzubringen.

Als der Wagen durch das große Parktor auf die Straße hinausfuhr, glaubte der Lord einen hochgewachsenen, etwas korpulenten Herrn mit einer Brille am Straßenrand zu sehen. Das Gesicht kam ihm bekannt vor – es war derselbe Mann, den Mary in Wien und in Berlin bemerkt hatte.

»Wo ist eigentlich Keller?« erkundigte sich der Lord. Seine Stimme hatte einen harten Klang, und er hob den Blick nicht, als er sprach.

»Einer der Diener hat mir vorhin erzählt, daß man ihn ins Gasthaus gebracht hätte«, erwiderte Lorney.

Als sie ausstiegen und die Diele des Gasthauses betraten, kam Mary zu sich. Dick übergab sie einem Hausmädchen, während Lorney nach Mrs. Harris rief.

»Die habe ich beim Schloß gesehen«, warf Dick ein.

»Ich hätte mir auch denken können, daß sie nichts Besseres zu tun hat, als sich dort herumzutreiben! Die neugierige alte Hexe würde mitten in der Nacht aufstehen und zusehen, wenn ein Hund den Mond anbellt.«

Lorney erzählte Dick dann, daß er am Abend in Guilford gewesen war. Auf dem Rückweg fuhr er an ›Arranways Hall‹ vorbei und entdeckte Rauch und Flammen im Fenster von Kellers Zimmer. Der Brand mußte schon vor einiger Zeit ausgebrochen sein, denn als er ins Zimmer kam, hatte er schon weit um sich gegriffen.

Lorney ging mit Dick zu Fuß zum Schloß zurück. Zehn Minuten später trat Lord Arranways zu ihnen. Schweigend beobachtete er, wie das stattliche alte Haus niederbrannte, in dem zehn Generationen der Arranways gelebt hatten. Die Feuerwehr war machtlos. Motorspritzen kamen aus Guildford, aber als sie auf der Bildfläche erschienen, fanden sie nicht genug Wasser vor und konnten nur zusehen, wie die erbarmungslosen Flammen allmählich das ganze Haus einäscherten.

Der Morgen graute, als der Lord, Dick Mayford und John Lorney zum Gasthaus zurückgingen. Während der drei Stunden, die sie beim Brand zugesehen hatten, hatte der Lord kaum ein Wort gesprochen. Dick vermutete, daß der Verlust des Schlosses ihn so schweigsam machte, aber als er versuchte, seinen Schwager zu trösten, lachte Arranways bitter auf.

»Es gibt Dinge, die man nicht wieder aufbauen kann.«

Dick erschrak, denn diese Worte bestätigten seine schlimmsten Befürchtungen.


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