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17.

Romana und Roxheim standen sich gegenüber. Ein schweres, schwüles Schweigen baute zwischen ihnen eine Schranke auf – und es schien kein Wort stark genug, sie niederzureißen …

Roxheim starrte auf Romana. Da stand sie – blaß und schön, der schwarze Samt ihres Gewandes ließ ihr Haar noch goldner aufglänzen, gestreift von einem Sonnenstrahl, der das halbdunkle Gemach gerade an der Stelle, wo sie stand, erhellte. War das dasselbe Mädchen, das er zuletzt in Knabengewandung unter den abziehenden Feinden gesehen hatte – aufgelöst in Jammer, weil er ihren Buhlen erschlagen hatte? – Er hatte nach ihren Zeilen eine Zitternde, Weinende, Aufgelöste zu finden erwartet – und vor ihm stand eine Frau, starre Ruhe im Blick, fest zusammengepreßt den vergrämten Mund … Und auf einmal wollte es ihm scheinen, daß seine Rolle als gnädig Verzeihender vielleicht doch nicht so leicht zu spielen sein werde, wie er es zuerst angenommen hatte.

Mechanisch hatte er gegrüßt. Jetzt suchte er nach dem richtigen Wort, das Gespräch zu beginnen. Aber sie kam ihm zuvor. Leben kam in sie – mit gefalteten Händen trat sie ihm einen Schritt näher.

»Das erste, was ich Ihnen in dieser Stunde sagen will,« hörte er sie reden, »soll das Bekenntnis meiner Schuld sein – und meine Bitte um Vergebung. Wir brauchen nicht viele Worte – beide wissen wir, was geschehen ist … Ich will nichts beschönigen – mich nicht besser machen. Schwer gefehlt habe ich gegen Sie, der mein vom Vater mir bestimmter Verlobter war – – Wenn es Ihnen möglich ist, so bitte ich Sie: vergeben Sie mir!«

»Sie haben mich tief gekränkt, Romana!« sagte jetzt, da sie innehielt, Roxheim. »Ich glaube, das habe ich nicht um Sie verdient … Immerhin – ich will versuchen, Ihnen zu vergeben …« Nun war es gesagt – nun konnte man allmählig aus dieser immerhin peinlichen Unterredung zurückkehren in weniger unangenehme Gesprächsbahnen, versuchen, den Ton von einst wiederzufinden.

Er gab sich Mühe, einen leichten Ton anzuschlagen. »Ihr Herr Vater hat mich sehr liebenswürdig zu einem Besuch aufgefordert, vor einigen Tagen empfing ich ein Billett von ihm. Darf ich ihm meine Aufwartung machen?«

Eine feine Röte stieg in ihre schmal gewordenen Wangen. »Vater spricht immer von Ihnen –« sagte sie. Und dann, mit einem scheuen Blick auf ihn: »Er weiß nichts – gar nichts – – Er war sehr krank …«

»Nun denn!« sagte Roxheim. Bis jetzt ging alles ganz glatt. Je mehr man tat, als ob nichts vorgefallen wäre, desto leichter kam man über diese ganze Sache hinweg. »Darf ich Sie bitten, mich zu ihm zu begleiten?«

Romana erwiderte seinen Blick, der sich zur Heiterkeit zwang, mit tiefem Ernst. Sie hob abwehrend die Hand. »Nein –« sagte sie. »Nicht so – nicht so! – Unsere Unterredung – sie ist noch nicht beendet … Wenn Sie mir in Wahrheit vergeben haben, dann darf ich es wagen, auch eine Bitte an Sie zu richten … Nicht für mich – für meinen Vater …«

Er war betroffen. Worauf wollte sie hinaus? »Ich stehe jederzeit zu Diensten meines väterlichen Freundes, den ich gar bald in Wahrheit meinen Vater hoffe nennen zu können,« sagte er. Und da er sie nun ansah, kam sie ihm so schön und begehrenswert vor, daß er es aufrichtig meinte, als er nun sagte: »Ich hoffe, daß dies sehr bald der Fall sein wird.«

Sie sah ihn mit großen Augen an. »Was Sie da sagen – es kann nicht sein …« Und als er überrascht näher trat: »Hören Sie mich an – und Sie werden alles begreifen … Ich habe mich entschlossen, ins Kloster einzutreten und den Schleier zu nehmen.«

Jetzt fuhr er auf. Das kam so unerwartet, so unfaßbar, daß er nach Worten rang. Dann stammelte er: »Romana – was soll das heißen? – Sind Sie nicht nach dem Willen des Vaters meine verlobte Braut? – Habe ich Ihnen nicht vergeben, was Sie, betört von einem Nichtswürdigen, gefehlt haben …«

Aber jetzt hob sie abwehrend die Hand. Leidenschaftliche Trauer glühte auf in ihren goldbraunen Augen, als sie nun sagte: »Halten Sie ein! – Kein Wort weiter … Nichts über ihn! Für seine und meine Schuld will ich büßen – aber ich flehe Sie an: seien Sie nicht grausam – –«

Er starrte sie verständnislos an, als sie nun fortfuhr: »Unsere Verbindung?! – Sie ist gelöst auf immerdar – Glauben Sie, ich könnte je vergessen, was gewesen? Nicht meine Schuld – aber auch nicht meine Liebe. –« Wie ein Hauch nur klangen die letzten Worte.

Roxheim hatte sie gehört. Er biß sich auf die Lippen. Wie kam jetzt mit einem Male alles so ganz anders, als er es sich vorgestellt hatte! Sie ins Kloster – und er der abgewiesene Freier, dem das reiche Erbe entgeht … Er wollte etwas sagen, aber schon sprach sie weiter:

»Auch Sie würden nie vergessen können … Wenn Sie mir in Wahrheit vergeben haben, dann helfen Sie mir, einen Teil meiner Schuld abzutragen und gutzumachen. An Ihnen und an meinem Vater …«

Unmutsvoll sah er sie an. »Sie wissen, Romana, daß Ihr Vater stets und aufs lebhafteste unsere Verbindung gewünscht hat,« sagte er nach kurzem Nachdenken. »Gerade wenn Sie seinen Lieblingsplan zerstören, tun Sie neues Unrecht an ihm. Und so denke ich – –«

»Sie sollten sein Sohn sein …« Romana sagte es mit dem Versuch eines Lächelns. »Aber bedenken Sie, daß mein Vater – zwei Töchter hat –«

In fassungslosem Staunen stand Roxheim da. Und Romana redete weiter: »Sie wissen, daß mein Vater einer jeden von uns einen anderen Lebensweg zugewiesen hat: mir die Ehe mit Ihnen, der Schwester das Klosterleben. Es war der Wunsch meiner sterbenden Mutter, daß eine ihrer Töchter als Nonne für das Heil ihrer Seele bete … Und wenn es eine geheime Schuld war, die meine Mutter zu dieser Bitte bewog – nun hat es das Schicksal dahingebracht, daß auch ich schuldig ward – und darum bin ich es, die berufen ist, zu büßen …«

Und nach einer kurzen Pause: »Und das ist die Bitte, die ich für meinen Vater an Sie richte … Werden Sie meines Vaters Sohn – an meiner Schwester Seite … Dann werden seine beiden Wünsche erfüllt sein: Sie sein Sohn – und ich den Wunsch der Toten erfüllend – –«

Sie brach ab. Sie fühlte es in ihrem wunden Herzen, daß die Lösung, die sie gefunden hatte, die einzige war, die ein wenig in Zukunft ihr Gewissen entlasten konnte. –

Beide schwiegen. Rasch jagten die Gedanken in Roxheims Sinn. Was Romana da vorschlug – es kam für ihn eigentlich auf eins hinaus. Auch Petronella war schön und eine reiche Erbin … Es fragte sich nur, ob der alte Tann dem Willen der Töchter sich fügen würde.

Romana las ihm diese Gedanken vom Gesicht ab. Ganz nahe trat sie zu ihm heran. »Lambert –« sagte sie, und ihre Stimme war inständigster Bitte voll. »Sprechen Sie! – Lassen Sie es so sein, wie ich sagte. Es wird zu unser aller Besten sein – –«

Sie hat recht! – Jetzt war Roxheim entschlossen. »Weiß Ihre Schwester von diesem Ihrem Plan, Romana?« fragte er.

»Noch nicht,« erwiderte sie. Jetzt glitt sogar der Schatten eines Lächelns über ihr Gesicht. »Aber ich weiß es: sie wird gern einwilligen … Sie wünscht sich nichts mehr, nichts lebhafter, als Ehe und das Leben in der großen Welt. Sie werden an ihr eine vortreffliche Gemahlin haben, Lambert. Eine bessere, als ich es gewesen wäre – –«

»Und Ihr Vater?« Roxheim fragte es zögernd. Romana sah es: er stimmte bereits zu. »Beruhigen Sie sich –« sagte sie. »Ich werde es beim Vater erreichen, daß er in Ihre Verbindung mit meiner Schwester einwilligt …« Und dann dringlich und ernst: »Und nun – Lambert – sprechen Sie: soll ich Nella hereinholen?«

Jetzt war Roxheim entschlossen. Es ging also eigentlich doch noch alles gut für ihn hinaus. Er verneigte sich vor Romana. »Ja!« sagte er fest. »Ich füge mich vollkommen Ihrem Willen. Sie haben recht …«

Es war ihm dann doch seltsam und beklemmend zu Mute, als nun Romana, die rasch das Gemach verlassen hatte, mit Nella, die sie an der Hand führte, wieder hereinkam. Stumm verneigte er sich.

Jetzt wandte sich Romana an die Schwester. »Nella –« sagte sie. »Wir haben alle beide etwas gutzumachen … Ich am Vater und Lambert – du an mir … Ich habe auch den Weg dazu gefunden … Du weißt, was der Vater für uns beide gewollt hat. Es wird geschehen – nur mit einer kleinen Abänderung.«

Petronella sah sie groß an. Sie begriff zuerst nicht. Aber dann zuckte sie in jähem Erschrecken zusammen, als Romana fortfuhr: »Ich werde ins Kloster gehen und dort deine Stelle einnehmen … Und du, Nella –« sie sah auf Roxheim und winkte ihn heran.

»Herr von Roxheim bittet um deine Hand, Nella!« sagte sie einfach und ruhig. »Führe ihn unserm Vater als Sohn zu …«

Nella blickte von einem zum andern. War das die Frucht ihrer Tat? – Lag jetzt auf einmal der Weg in die Freiheit, in die Welt offen vor ihr? Aber die Schwester? – Ihr bräunliches Gesicht erblaßte und ihre Augen weiteten sich groß und dunkel …

Romana ergriff Roxheims Hand und legte sie in die Nellas. »Es ist nun alles im Reinen zwischen uns!« sagte sie ruhig und fest. Und jetzt fand Roxheim wieder Worte. Er wandte sich an Nella. »Von ganzem Herzen bin ich mit dem Willen Ihrer Schwester einverstanden –« sagte er. »Ich bitte Sie, Petronella, mich von jetzt an als Ihren verlobten Bräutigam zu betrachten.« Und er beugte sich über Nellas Hand, die noch in der seinen lag und küßte die eiskalten Fingerspitzen des Mädchens, das nicht wußte, wie ihm geschah …

Aber auf einmal riß es sie hin. Sie entzog sich Roxheim und warf sich an der Schwester Brust. Und leise, nur ihr hörbar, stammelte sie: »Roma – Roma – – kannst du mir verzeihen?«

Und ebenso leise kam die Antwort: »Wenn du trachtest, daß der Vater nie mehr in seinem Leben Kummer haben muß …« Und dann schob sie Nella sanft von sich weg und sagte: »Und jetzt laßt uns zum Vater gehen!«

Sie schritt voran; wie im Traum folgte ihr Nella, in sicherer Haltung Roxheim. Wenn er es recht bedachte, so hatte er doch keinen schlechten Tausch gemacht – und alles war wieder im Geleise. –

*

Der alte Herr ließ es sich nicht nehmen, aufzustehen und Roxheim ein paar Schritte entgegenzugehen, als ihm der Diener den so lang ersehnten Besuch anmeldete. Wohlgefällig betrachtete er, nachdem er sich wieder gesetzt hatte, den schmucken Grünen Husaren, der jetzt vor ihm stand und ein wenig anders aussah, als sonst, etwas befangen, wie es Herrn von Tann scheinen wollte. Und auch seine Töchter sahen anders aus – Nellas Gesicht hatte einen gespannten Zug und Romana einen feierlich ernsten …

Ein paar höflich-alltägliche Fragen nach Befinden und Ergehen waren hin und her gegangen – aber jetzt blickte Romana die beiden andern an und machte ihnen ein Zeichen. Verwundert hörte ihr Tann zu, wie sie nun anhob zu sprechen. Sie war neben seinem Lehnsessel niedergekniet und hatte seine Hände ergriffen.

»Vater – lieber guter Vater –« sprach sie. »Wir haben dir Wichtiges mitzuteilen – oh, sei unbesorgt – nichts, das dich betrüben könnte … Schon seit Tagen wollte ich es dir sagen – aber erst heute hat sich alles so schön gelöst, was bisher wirr und unklar gewesen …«

Sie zauderte einen Augenblick, nach den rechten Worten suchend. Die beiden andern hatten sich unwillkürlich gegen den Hintergrund des Gemachs zurückgezogen. Tann sah es mit Erstaunen. Was wollte sein Kind?

Jetzt sprach sie wieder. »Oft und oft, liebster Vater, hast du davon gesprochen, daß man, wenn man nach strenger Prüfung seiner selbst sich zum klösterlichen Stande bestimmt fühlt, man sich auch durch keinerlei weltliche Bedenken davon abhalten lassen soll, der inneren Stimme zu folgen … So ist es mir ergangen. Diese letzte Zeit der Gefahr und Not – sie hat etwas in mir wachsen und reifen lassen – und das will nun ans Licht … Vater – ich fühle nicht den Beruf zum Ehestand – ich bitte dich inständig, bei aller Liebe und Güte, die du mir stets gezeigt: erlaube es, daß ich ins Kloster der Klarissinnen eintrete … Es war der Wunsch unserer seligen Mutter – – Eine ihrer Töchter sollte es sein – – Ich wills sein …«

Eckhard von Tann beugte sich in fassungslosem Erstaunen vor und sah seiner Tochter in die Augen, die groß und klar zu ihm aufsahen. »Kind – Romana –« stammelte er dann, »was ist über dich gekommen? – Hier steht dein Verlobter – nach langer Trennung in schwerer Zeit kehrt er wieder zu dir zurück – was wird er zu deiner Abkehr von ihm sagen? – – Hast du dich geprüft, meine Tochter? – Tue es – ehe du entscheidest!«

»Ich habe mich geprüft – und ich habe entschieden!« Romana sagte es – und ihre Stimme hatte einen dunkel-entschlossenen Klang. »Und ich weiß: du wirst mir deinen Segen nicht versagen – –«

Der alte Mann legte die Hände auf ihre Schultern. »Weißt du, daß du mir einen Lieblingswunsch vieler, vieler Jahre zerstörst?« sagte er leise. »Lambert Roxheim – der Sohn der Frau, die ich geliebt – er sollte auch mein Sohn sein – –«

»Er wird es, Vater –« sagte sie – und bittend sah sie zu dem alten Manne auf. »Er wird es sein – aber nicht meine Hand führt ihn dir zu, sondern die Hand meiner Schwester … Lambert und Nella sind einig – und ich habe aus tiefstem Herzensgrund ihren Bund gesegnet … Tu's auch du, guter, allerbester, geliebter Vater!«

Es lag ein so inniges Flehen in ihrer Stimme, in ihren Blicken, daß es Tann unmöglich wurde, noch irgend eine Einwendung vorzubringen. Schwer konnte er sich in all dies Neue, Unerwartete, das da nun vor ihm stand, finden – aber es mußte wohl so das Richtige sein, wenn seine Romana es wollte …

Sie hatte sich erhoben, winkte den beiden, die sich scheu zurückgezogen hatten. Tann sah um sich – da stand vor ihm Lambert Roxheim und hielt Nellas Hand. Und mit seiner festen, hellen Stimme sagte er: »Vater Tann – ich bitte Sie um Nellas Hand … Lassen Sie mich Ihren Sohn sein und bleiben!« –

»Ihr habt mir eine große Überraschung bereitet –« sagte endlich der alte Mann, der es noch immer nicht fassen konnte, wie sich nun alles gewendet hatte. Mit einer müden Bewegung streifte er über seine Stirne. »Aber es sei fern von mir, euch im Wege zu stehen –«

»Sie willigen also ein?« rief Roxheim, der sich nun wieder ganz befreit und gesichert fühlte. Und Tann nickte ihm zu.

»Ja!« sagte er. »Lambert – mein Segen soll über Sie und Nella kommen!« – Und zu seiner jüngeren Tochter gewandt: »Petronella – sei ihm eine gute, getreue Gattin!« Sie knieten vor ihm nieder und er legte seine Hände auf ihre Häupter. Romana stand daneben – und als die beiden sich erhoben, faßte der Vater nach ihrer Hand und zog sie an sich.

»Du hast den edleren Weg gewählt, meine Tochter!« sagte er leise, nur ihr vernehmbar. »Es hat wohl so kommen müssen – der Himmel hat es so bestimmt …«

Romana küßte stumm seine Hand. Wenn sie gefehlt hatte – nun hatte sie wieder gut gemacht. Roxheim hatte, was er wollte. Nella war auf dem Weg, den sie stets erstrebt – und sie? –

Ach – für sie würde die stille Einsamkeit der Klosterzelle ein Zufluchtsort sein, wo sie ihrem Schmerz und – ihrer Erinnerung leben konnte. Und ihr ganzes Leben würde ein einziges Gebet sein für Maurice, der um ihrer Liebe willen hatte sterben müssen …

*

Aus dem Winter wurde Frühling, aus dem Frühling Sommer. Siegreich hatte die Königin ihre Heere nach Bayern gesendet, Khevenhiller hatte Karl Albrechts Land zu Boden geschmettert. Manche Waffentat vollbrachten die Grünen Husaren – aber heil und gesund kehrte Lambert Roxheim zurück in die schöne Stadt an der Donau, die inzwischen wieder aufgebaut und von den Wunden des Krieges geheilt worden war.

Und als sich der tiefblaue Sommerhimmel in den sanftgekräuselten Wellen der Donau spiegelte, als die Wiesen bunt in Blüte standen und vom Kürenberg herüber süß und lockend die Drossel rief, da trat in der schönen alten Stadtpfarrkirche von Linz der Freiherr Lambert von Roxheim, der vor kurzem seinen Abschied als Rittmeister genommen hatte, mit seiner Braut Petronella von Tann vor den Altar – und der würdige Stadtpfarrer Max Gandolf Steyrer gab sie zusammen.

Es war ein großes Fest und aller Prunk, den ein reiches und angesehenes Patrizierhaus aufzubieten vermag, war an Lamberts und Nellas Ehrentag gewendet worden. Die ganze Stadt nahm Anteil an dem Feste; Paul Payrhuber und seine Frau schauten fröhlich auf ihr Patenkind und Eckhard von Tann, der sich wieder von seiner schweren Krankheit erholt hatte, nahm würdig und selbstbewußt nach der kirchlichen Feier die Glückwünsche entgegen, die ihm und dem jungen Paar in wohlgesetzten und wortreichen Reden dargebracht wurden.

Petronella war zu einer stolzen Schönheit erblüht. Und Roxheim sah mit Befriedigung auf seine Gemahlin. Längst hatte er sich ausgesöhnt mit der Entwicklung, die die Dinge genommen hatten. Es war alles gut so, wie es war.

Dann sah das Haus in der Altstadt ein fröhliches Gastmahl. Der Altgesell Franz bei Meister Rolin hatte noch Tage lang davon zu erzählen, wie die verschiedenen Herrschaften vorgefahren waren – allerhand Onkels und Tanten, auch aus der Roxheimschen Verwandtschaft. Die Leute in der Nachbarschaft hatten tagelang reichlichen Gesprächstoff – und immer wieder wagten sich Fragen und Vermutungen hervor, wie es denn gekommen sein möge, daß der Herr Baron, der doch zuerst um die ältere Schwester geworben hatte, nun doch die jüngere gefreit hatte …

Nur eine hatte gefehlt bei dem glänzenden Familienfest, gleichsam als ein Sinnbild des Friedens, der wieder in die Stadt eingezogen: und das war Romana gewesen. Eine Woche vor dem Hochzeitstag wurde sie in Wien im Kloster der Klarissinnen eingekleidet.

Der Vater, die Schwester und deren Bräutigam hatten an der Zeremonie teilgenommen. Petronella mit einem seltsam beklommenen Gefühl. Als das schimmernde Haar der Schwester unter der Schere fiel, da dachte sie daran, wie nahe sie daran gewesen war, ein gleiches Los tragen zu müssen – und ein leiser Schauer überlief sie … Aber es hatte nicht sein sollen – es war ihr erspart geblieben. Und die Schwester schien ja ganz zufrieden mit ihrem Geschick. Nur, als sie sich zum Abschied, ehe sich die Türe des Klosters hinter ihr schloß, in den Armen gehalten hatten, da hatte Romana als allerletztes Wort Nella zugeflüstert: »Nella – geh auf den Barbara-Friedhof. Und sage Maurice meinen Gruß – und daß auch er dir verzeihen soll, wie ich es tue …« Und es dauerte Tage, bis Nellas eigensüchtiges Herz den dunklen Jammer vergessen hatte, der dabei in Romanas Stimme gebebt hatte …

Ludmilla, die Neugierige, hatte mit nach Wien reisen dürfen, um ihrer jungen Herrin die letzten Dienste als Zofe zu leisten. Und immer wieder konnte sie davon erzählen, beim Krämer und auf dem Markte, wie unsagbar schön Romana in Kranz und Schleier dagestanden war.

Auch Eckhard von Tann dachte beim Hochzeitsmahle an diese Eine, die fehlte – die nun immer fehlen würde. Tot war sein Kind für ihn, für die Welt … Nie hatte sein Sinn gezaudert, den Willen der toten Gattin auszuführen – aber jetzt und heute wußte er es, daß er Nella, die jetzt so stolz und glückstrahlend an der Seite ihres stattlichen Gemahls im bräutlichen Schmuck dasaß, weniger vermißt haben würde, als seine Romana …

Er blickte in sein Weinglas, in dem der Wein schwer wie dunkles Blut glühte – und zerdrückte eine Träne in seinen alten Augen, ehe er sich erhob, um den ersten Trinkspruch auf die Neuvermählten auszubringen. Und er schloß mit einem Rückblick auf die vergangenen schweren Wochen, die Linz durchzumachen gehabt hatte. »Dank der Gnade des Himmels und der tatkräftigen Hilfe unserer Königin, die der Herr segnen und erhalten möge,« schloß er, »ist unsere Stadt aus den Kriegsflammen neu gestärkt und aufgerichtet hervorgegangen. Diesen Kriegsflammen sind wir nun entronnen – aber die Liebesflammen in unsern Herzen – die sollen niemals erlöschen!«

Er sprach und ahnte nicht, daß auch seines liebsten Kindes Herz, so wie die Stadt, in Flammen gestanden war … Aber für dies arme Herz gab es kein Auferstehen mehr aus Schutt und Asche.

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