Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++
Weitab von den letzten Häusern der Vorstadt Neuhäusl, wo es im Frühling zur Zeit der Baumblüte in den vielen Obstgärten so anmutig aussah und jetzt der kahle, traurige Winter Besitz von den Bäumen ergriffen hatte, stand ein stattlicher Bauernhof – ein Vierkant mit Nebengebäuden, der Taschelbauer. Dorthin hatte am Morgen des Tages, der über Linz die Schrecknisse einer Beschießung brachte, Herzog Franz Stephan sein Hauptquartier verlegt.
Der hohe Herr nahm die Meldungen, die ihm über den Erfolg der Operationen gemacht wurden, nur mit lauer Zufriedenheit entgegen. Es ging ihm alles viel zu langsam. Es war jetzt Mittag – und was hatte man eigentlich, wenn man es bei Lichte besah, schon erreicht? In diesem Tempo konnte es noch ein paar Tage fortgehen. Und hatte man im Kriege nicht schon die allerunwahrscheinlichsten Überraschungen erlebt? Wie, wenn Karl Albrecht Entsatztruppen auf die Beine brächte? Was dann? So nahe am Ziel sich die begehrte Siegesfrucht entrissen sehen? –
Khevenhiller, zu dem der junge Herzog so sprach, schüttelte das alterfahrene Haupt. Und begann seinem Gebieter beruhigende Erklärungen zu geben: auch nicht die geringste Wahrscheinlichkeit sei vorhanden, daß der Kurfürst auch nur an die Entsendung eines Entsatzheeres dächte … Der sitze jetzt, wie die Königliche Hoheit selber gut wisse, fest in Frankfurt, ganz berauscht und benommen von dem Bewußtsein, daß er nun bald – nach seiner Krönung – den Titel eines Kaisers des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation werde führen können … Zu welcher Bemerkung sich das schöne Gesicht des Herzogs in verdrossene Falten legte. O weh, dachte Khevenhiller – da habe ich den wunden Punkt berührt: daß er nach seinem kaiserlichen Schwiegervater nicht die geringste Aussicht darauf hatte, als Kaiser gewählt zu werden, das tut ihm bitter weh – und erst der Königin, der für ihren Gemahl alle Ehre und Würde der Welt gerade gut genug dünkt! Nun ja – aber ich habe es ihm sagen müssen! Zur Beruhigung …
Franz Stephan gab sich Mühe, wieder gelassen und zufrieden auszusehen. Huldvoll ließ er sich weiter von dem alten Feldmarschall erklären, wie die Belagerung stand. Nun ja, es war alles gut und in Ordnung. Sie sind eben drinnen noch sehr stark und haben weniger Verluste, als wir hier heraußen … Dafür sind wir die Angreifer – und werden bald die Sieger sein.
»Und wenn wir heute die Stadt nicht mehr bekommen?« fragte der Herzog und spielte nervös mit der feinen venetianischen Goldkette, an der das in Brillanten gefaßte Miniaturportrait seiner blonden Königin hing. »Was werden wir dann unternehmen?«
»Königliche Hoheit – wenn Sie, als der Oberbefehlshaber, meine Meinung einzuholen die Gnade haben –« sagte Khevenhiller, und dachte dabei, daß der Umgang mit Purpurgeborenen wirklich manchmal etwas umständlich sei, »dann erlaube ich mir, mit einem einzigen Worte zu antworten: abwarten …«
»Sie meinen also: aushungern?« fragte Franz Stephan zurück. Und wartete die Antwort nicht ab, sondern gab sie sich gleich selber: »Ja – dann – das kann aber noch ein paar Tage dauern!«
»Abwarten!« sagte der alte Feldherr nochmals, indem er sich vor dem Herzog verbeugte. Und dann ging er …
»Abwarten –« sagte Khevenhiller. Aber Franz Stephan sagte: »Stürmen!« Er wollte die Stadt um jeden Preis haben – und das rasch! Ein jäher Gedanke blitzte in ihm auf: nicht durch Hunger – durch Feuer!
Eine vortreffliche Idee! dachte er. Mit langen Schritten ging er in der guten Stube des Bauernhofes, die im ersten Stock gelegen war, auf und ab. Wozu habe ich die Kroaten und Panduren? Dieser Teufel, der Trenck, der sie anführt – das ist der richtige Mann, um rasch zu einem Ende zu kommen mit dieser Stadt …
Ein Offizier der Suite wurde entsandt, um den Pandurenführer herbeizuholen. Die Kroaten und Ungarn hatten ihre Stellungen im Abschnitt von Neuhäusl. Und gar bald sprang der Freiherr von Trenck von seinem feurigen ungarischen Rappen, beugte sich tief vor dem Herzog und wartete auf den allerhöchsten Befehl.
Der Herzog sah ihn wohlgefällig an. Dieser große, verwegen dreinschauende Kriegsmann in der blauen, goldverschnürten Attila und der rot-weiß-grünen Kokarde am kecken Dreispitz stand ihm zu Gesicht. Und so sagte er ohne Umschweife: »Baron – Sie sind ein Mann von Energie und Rücksichtslosigkeit. Die braucht man in Kriegszeiten … Nehmen Sie Ihre Kroaten zusammen und Ihre Panduren – und zünden Sie mir die Vorstädte an. Das Feuer wird Ihren Kerls den Weg bahnen – und dann den unsern auch … Aber rasch – ich wünsche meinen Befehl allsogleich zur Ausführung gebracht!«
Trenck salutierte und klirrte mit den Sporen. So etwas war ganz nach seinem Geschmack. Nicht dies langweilige, taktische Hin und Her, diese Strategie des grünen Tisches – nein, lustig drauflos geschlagen, wild und toll … Er ließ seinen schweren Pallasch klirren. »Euer königliche Hoheit machen mich stolz und froh durch höchstdero Befehl – ich fliege, ihn zu vollziehen!« Und er wandte sich zum Gehen, seinem Rappen zu, der im Hofe schon ungeduldig auf dem Boden scharrte.
Der Herzog war mit ihm vor die Türe getreten, um ihn abreiten zu sehen. Wie sich Trenck nun aufs Roß schwang, rief ihm Franz Stephan lachend nach: »Halt, Herr Baron!« Und als Trenck seinen Rappen mit einem starken Schenkeldruck parierte: »Sagen Sie Ihren Burschen, daß sie zweihundert gute Dukaten von mir bekommen, wenn es ihnen gelingt, die Vorstädte anzuzünden, so daß wir endlich eindringen und den Feinden den Garaus machen können!«
»Eljen, Eljen!« schrie Trenck zu dem jungen Gebieter hinauf. Und warf die Hand hoch zum Gruß – dann gab er dem Pferd die Sporen, daß es dahinflog und rasch den Blicken des Herzogs entschwand …
Franz Stephan trat in die Stube zurück. Jetzt war er zufrieden: in Trencks Händen war sein Auftrag wohlgeborgen – jetzt würde es anders heruntergehen, als bisher! Brennen einmal die Vorstädte, dann müssen sie sich ergeben – und ich habe die Stadt!
Er blieb erwartungsvoll am Fenster stehen. Binnen kurzem mußte ihm aufsteigender Rauch zeigen, daß sein Plan ausgeführt ward …
*
»Die Vorstädte brennen!« –
Es war bald nach der ersten Nachmittagsstunde, als sich dieser Ruf mit Windeseile in der ganzen belagerten Stadt verbreitete. Überall konnte man es sehen: im südwestlichen Teil der Vorstadt, in Neuhäusl und im Kapuzinerfeld, stieg es schwarz auf von Rauchgewölk – und brandiger Geruch verbreitete sich überall.
Die Kroaten und Panduren hatten ganze Arbeit gemacht – und jeder von ihnen sah in den nun aufzüngelnden Flammen den Widerschein der goldroten Dukaten, die als Dank des Herzogs unter sie verteilt werden sollten. Jammernd flüchteten die Bewohner dieses Stadtteiles der inneren Vorstadt zu, oder versuchten durch die innere Herrengasse bis zu den Stadttoren vorzudringen, um Einlaß flehend. Es begann eine ungeheure Verwirrung – und immer mehr dehnte sich der Brand aus: schon standen 189 Häuser in Flammen …
Bleich vor Zorn gab Segur seine Befehle: höchste Vorsicht, schärfste Wachsamkeit an allen Eintrittsstellen in die Stadt! Das Schlimmste war, daß das Feuer bereits die meisten Palisaden ergriffen hatte: wenn die einmal niedergebrannt waren, dann konnten die Belagerer bis an die Stadttore sich vorschieben, diese nehmen – und aus wars mit des Kurfürsten Herrschaft über Linz!
Die Bürger von Linz zitterten. Wohl waren sie aufrichtig ihrer Königin ergeben, wohl hatten sie seit langen Wochen das Ende der feindlichen Besetzung herbeigewünscht – aber wenn jetzt dieser Brand sich ausbreitete, auf die innere Stadt übergriff?! – Wenn sie ihre Wohnstätten, ihren Besitz einbüßten, wie es so vielen in den Vorstädten ergangen war, die jetzt zurückschauten in Rauch und Flammen und dabei denken mußten: da verbrennt mein Hab und Gut? –
Ein Glück im Unglück: dieser trübe, sonnenlose Tag war gänzlich windstill. Wäre die Luft von Südwesten hergestrichen, so wäre unaufhaltsam auch die innere Stadt vom Brandgespenst ergriffen worden. Aber man mußte gefaßt sein darauf, daß das Wetter umschlagen würde – und dann – –
Bürgermeister und Ratsherren traten zusammen, um alles ins Werk zu setzen, was zur Dämpfung von allenfalls ausbrechenden Bränden nötig sein würde. Ein Bote Segurs kam mit einem gleichen Befehl zu ihnen. Sich bereithalten! Aber dabei in keiner Weise die Maßnahmen des Militärs hindern! Die Stadt wird gehalten …
Aber während die Stadtväter von Linz diese Botschaften entgegennahmen, kamen schon ganz andere zum General, solche, die ihm klarmachten, daß sein stolzes Wort vom Halten der Stadt bald eine Unmöglichkeit darstellen würde … Die Kroaten, angefeuert durch ihre bisherigen Erfolge, waren bis zum Kloster der Karmeliterinnen in der äußeren Herrengasse vorgedrungen. Die Brände in den Vorstädten hatten eine ziemliche Verwirrung unter den Bayern und Franzosen hervorgerufen. Man zog sich hinter die inneren Befestigungen zurück. Und es hieß rasch sein – damit die Feinde ja nicht nachrückten! Man befürchtete einen allgemeinen Sturm. Und wie der enden würde, da ja an so vielen Stellen die Palisaden verbrannt waren, darüber konnte kein Zweifel sein. Und immerfort spielten die Batterien, schwere Kugeln, Siebzigpfünder, Bomben, die Feuer spien, flogen in die Stadt. An die Hunderte und Hunderte …
Segur hielt Kriegsrat im Refektorium der Karmeliter. Alle seine Unterführer waren um ihn versammelt, General Minucci, der das Schloß besetzt hielt und dort befehligte. Tingry und der verwundete General Jacques, der sich herbeitragen hatte lassen, obschon er wie ein einziges Bündel Verband aussah. Es war nicht mehr viel zu beraten: Übergabe der Stadt – nichts anderes blieb mehr übrig – so hart es auch ankam, dies Wort auszusprechen.
Segur stand da, stumm und verbissen nagte er an den Lippen. »Übergabe?« sagte er, »Meine Herren – Sie sprechen dies Wort aus – und ich kann Ihnen nicht widersprechen … Das Glück hat uns verlassen – hélas! Aber noch sind wir nicht so weit, daß wir uns auf Gnade und Ungnade ergeben müßten! Bedenken Sie: noch immer sind wir zehntausend Mann stark. Sie sollen uns frei abziehen lassen: dann räumen wir ihnen das halbverbrannte Nest. Wenn nicht – dann – –«
Ein fürchterliches Krachen ließ ihn nicht zu Ende sprechen. Der Boden wankte unter ihren Füßen, die Türe in den Gang ward aus den Angeln gehoben, der Stuckbelag klatschte in großen Platten vom Plafond. Ein klägliches Schmerzensgeschrei ertönte von draußen herein; eine Bombe hatte eingeschlagen – unmittelbar vor dem Speisesaal …
Sie eilten rasch hinaus, Segur voran. Da lag ein junger Franzose, ein halbes Kind noch: dem armen Burschen war der Oberschenkel abgerissen, hilflos verströmte sein Blut, und als sich der Feldherr über ihn beugte, verröchelte er gerade. Und neben ihm lag einer, wand sich in grimmiger Qual am Boden, mit zerschmettertem Unterkiefer … daneben lehnte einer an der Wand und hielt die Hand vor sich hin – es war nur mehr ein blutender, zermalmter Stumpf …
Der Tote wurde weggetragen, den Schwerverletzten Hilfe geschafft, so gut es gehen wollte. Unter den Leichtverletzten – auch ein ziemlich großes Häuflein – befanden sich Kersaints lustiger Pariser und Pranck, der gerade im Augenblick des Einschlags als Ordonnanz von seiner Abteilung zum Kriegsrat geschickt worden war. Ihm hatten herumfliegende Trümmer nur etliche Schrammen im Gesicht und an den Händen zugefügt.
Kersaint riß sein Taschentuch heraus, seine Halsbinde herab und verband seinen Burschen, dessen Knie einen tüchtig blutenden Treff abbekommen hatte. Pranck wischte sich das Gesicht ab – er sah verschmiert und schwarz von Rauch aus. »Es ist nichts dahinter bei mir –« sagte er. »Aber wenn dieser Treffer ein wenig besser gezielt gewesen wäre, so wären wir jetzt alle, wie wir da sind, in der Hölle oder im Himmel – je nachdem …« Er sagte es mit einem Versuch zu scherzen. »Ein Wunder, daß es euch drinnen nicht erwischt hat! Was wird Segur jetzt tun?«
»Schluß machen«, sagte der Vicomte und betrat neben Pranck wieder das Refektorium, in das der General seine Herren zurückwinkte. »Wofür bin ich aufgespart?« zuckte es durch Kersaints Gedanken, als er nun den Ausführungen Segurs zuhörte, der wieder seine Auseinandersetzungen begonnen hatte. »Auf dem Turm war es gefährlich genug – nichts … Auch hier ist mir nichts geschehen … Ich komme davon, um weiterzuleben – getrennt von Romana …«
»Wir bieten also Übergabe der Stadt an – gegen freien Abzug mit allen Ehren!« erklärte gerade der General. »Wenn sie das nicht annehmen – dann sollen sie weiter brennen und stürmen. Wir können uns dann vielleicht über die Brücke werfen, diese abbrechen und uns gegen Passau zurückziehen … Sehr gewagt – ich gebe es Ihnen gern zu –« unterbrach er sich, als er das Kopfschütteln Tingrys und Minuccis sah. »Aber ich bin fest überzeugt, daß Khevenhiller schließlich annehmen wird, was wir bieten. Denn was haben sie von einer Stadt, die ein Aschenhaufen ist?« Er warf einen Blick durchs Fenster; der Nachmittag war weit vorgerückt, die Wolken begannen heller zu werden. »Wenn es aufheitert, wenn wir vorher Wind bekommen – dann Gnade Gott dieser Stadt!« sagte Segur. »Aber sie werden es nicht darauf ankommen lassen.«
Man setzte rasch einen Brief an Khevenhiller auf, der die von Segur vorgeschlagenen Übergabsbedingungen enthielt. Inzwischen kamen neue Unheilsbotschaften. Trenck hatte mit dreihundert Kroaten das Kloster der Karmeliterinnen besetzt und hielt dort die ganze Gegend in seiner Gewalt. Von dort kamen schon einzelne Trupps Kroaten herüber bis in die mittlere Vorstadt. Man konnte schon den rauhen Gesang ihrer Kehlen vernehmen.
Ein Major und ein Tambour wurden als Parlamentäre abgesandt. Aber die weiße Fahne, die sie trugen, schützte nicht vor den Kugeln, die umherflogen: der Major sank tot vom Pferde, der Tambour fühlte sich nicht berufen, seine Botschaft allein auszurichten und kehrte zum General zurück. Der erste Versuch war gescheitert.
Aber er mußte wiederholt werden. Wer meldet sich? Segur entsandte diesmal vier Offiziere, wieder mit einem Tambour. Es war ein gefahrvoller Auftrag. Unter den Vieren, die sich freiwillig gemeldet hatten, war auch Kersaint. Und diesmal gelang es: unter dem Schutze der weißen Fahne gelangte die kleine Schar hinüber in die äußere Herrengasse und verlangte am Klostertor der Karmeliterinnen Einlaß.
Trenck empfing die Abgesandten in stolzer Siegerlaune. Jetzt waren sie so weit – und wem war es zu verdanken, als seinen braven Kroaten, die die Feinde nun wirklich herausgeräuchert hatten, wie Wespen aus ihrem Nest? Aber als der Freiherr die Bedingungen der Übergabe vernahm, mußte er ihnen sagen, daß er so weittragende Beschlüsse nicht fassen könne – er habe keine Ordre vom Herzog …
»Ich werde sofort Seiner Königlichen Hoheit, meinem Allergnädigsten Herrn, den Vorschlag Ihres Generals berichten lassen«, sagte er. »Melden Sie das!«
»Also Waffenruhe für eine Stunde?« versuchte Kersaint etwas zu erreichen. Aber Trenck schüttelte steif den Kopf.
»Auch darüber zu bestimmen bin ich nicht in der Lage«, gab er zur Antwort. »Leben Sie wohl, meine Herren – Sie selbst sind ja als Parlamentäre sicher – aber unsere Operationen werden wir auch nicht für eine Minute aufgeben … Und kommen Sie gut zurück zu Ihrem General …«
»Der hat gut reden –« sagte einer der Offiziere, die Kersaints Begleiter waren. »Gut zurückkommen, wo es um uns her von Geschoßen nur so stöbert!« Aber schließlich kamen sie dann doch unverwundet im Kloster wieder an.
Aber es war nahezu ein Wunder zu nennen, daß ihnen diese Rückkehr gelungen war. Denn die Kroaten waren inzwischen bis in die allernächste Nähe des Klosters vorgerückt und waren gerade beschäftigt, den Meßbachhof anzuzünden, einen ansehnlichen Landsitz, der unmittelbar an die langgedehnte Mauer stieß, die den großen Garten des Klosters gegen die Landstraße zu abgrenzte. Schon schlugen die Flammen hellauf und durchleuchteten schauerlich die immer mehr herabsinkende Dämmerung.
»Nun heißt es sich in Geduld fassen –« sagte Segur, als ihm Kersaint und seine Gefährten Trencks Antwort gemeldet hatten. »Inzwischen aber –« und er deutete gegen den Garten hin, in dem bereits ein Schuppen und ein Gartensaal von den herüberfliegenden Funken an etlichen Stellen zu brennen begonnen hatten – »löschen wir diesen Brand dort. Wir haben diesen frommen Vätern soviel Schaden und Unannehmlichkeiten zufügen müssen, daß es nicht mehr als billig ist, wenn wir ihnen jetzt wenigstens in dieser Hinsicht beispringen. Zumal es ja auch unser eigener Vorteil ist, wenn wir das Kloster retten!« schloß er mit einem grimmigen Auflachen. »Denn je mehr wir von der Stadt erhalten, desto geneigter wird man beim Herzog sein, unsere Bedingungen anzunehmen. Seine eigenen Kroaten haben ihm ohnehin schon einen Schaden gemacht, der sich sehen lassen kann! –«
Es war jetzt ganz dunkel geworden – unheimlich erhellte die Brandröte, die aus den Vorstädten kam, den düsteren Abend. Es war um die sechste Stunde – da stellten die Batterien ihr Feuer ein. »Sie sehen nicht mehr genug –« sagte Segur befriedigt. »Sie hätten nicht so lange schießen können, wenn ihnen das Feuer nicht geleuchtet hätte – aber jetzt geht es eben doch nicht mehr … En avant, meine Herren!« rief er und setzte seinen verbeulten Dreispitz auf, den er in der Hand gehalten und in der Erregung oft unbarmherzig zusammengeballt hatte. »Jetzt ist es an uns, sorgfältigste Wache zu halten, auf alles gefaßt zu sein, damit, wenn der Herzog unser Anerbieten ablehnt, und dann am Morgen der Sturm einsetzt, wir an allen gefährdeten Punkten der Stadt bereit und gerüstet sind … Die Vorstädte – die sind verloren: aber die eigentliche Stadt – die haben wir noch!«
Sie wandten sich zum Gehen – da erklang eine Trompete: das österreichische Signal. »Antwort vom Herzog!« rief Segur aufatmend. Und wirklich – so war es: ein Major und ein Hauptmann von den Grenadieren kamen geritten. Sie brachten zwar keine Entscheidung – aber wenigstens auch keinen Abbruch der Verhandlungen.
Es sei der Wille des Herzogs, setzte der Major, ein alter Haudegen mit einem zerfurchten Gesicht, dem General auseinander, mit dem Befehlshaber der Feinde, dem General Segur, zu verhandeln. Er möge drei Offiziere als seine Unterhändler zum Herzog entsenden; freies Geleit hin und zurück sei ihnen selbstverständlich gesichert. Sie müßten aber sogleich mit ihnen kommen, fügte der Hauptmann, ein junger Mann, der sehr schneidig aussah, bei. Denn wenn man zu keiner Einigung kommen sollte, so würde in den ersten Morgenstunden sofort mit der Erstürmung der Stadt begonnen werden … Noch in dieser Nacht müsse sich alles entscheiden. –
Segur sah sich im Kreise der Seinen um. Gut! Er war einverstanden … »Ich bitte Sie also«, sagte er, indem er Tingry und Minucci zuwinkte, »mit diesen Herren zu reiten. Noch einen Dritten. Nun, Vicomte – Sie waren auch bei unserm ersten Angebot dabei – begleiten Sie den Prinzen und den General … Ich bevollmächtige Sie hiemit, dem Herzog und dem Feldmarschall unsere Übergabebedingungen, die Sie ja kennen, vorzutragen. Aber keine andern –« fügte er bestimmt hinzu, als er in Tingrys Zügen eine Frage zu lesen glaubte. »Ich werde mich jetzt ins Landhaus zurückbegeben – dort erwarte ich die Nachrichten, die Sie mir zurückbringen werden.«
Mit höflichem Gruße trennte man sich. Die österreichischen Herren nahmen die drei Franzosen in die Mitte. Rasch ging es durch die brennenden Vorstädte, wo viele Häuser nur mehr glühende Aschenhaufen waren, hinaus ins Freie. Nach Osten schwenkten sie ab, dem Taschelbauernhof zu. Dort erwartete sie der Herzog …