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15.

Durch die Stieglitzgasse, die ehedem der Tummelplatz der kaiserlichen Turnierpferde gewesen war, lief Pranck raschen Schrittes zum Schloß empor. Er kam nicht gerade schnell vorwärts; überall Scharen von Soldaten, Troß- und Munitionswagen, Reiter und Offiziere aller Truppenkörper, ein sehr lebhaftes und nicht immer wohlgeordnetes Getriebe. Die Dunkelheit machte das ganze nicht übersichtlicher.

Gerade verließ General Minucci das Schloß – vorbei an den Grünen Husaren, die das erste, stadtwärts gelegene Schloßtor besetzt hielten. Pranck sah suchend umher: nirgends war ein Offizier zu sehen. Von Roxheim keine Spur. Kurz entschlossen wandte sich Pranck an einen der Soldaten und fragte ihn, ob er nicht wisse, wohin sich der Freiherr von Roxheim gewendet habe; ihm sei aufgetragen, etwas Wichtiges ihm zu übergeben. Er bekam zur Antwort, der Herr sei soeben mit einer Abteilung zur Donau hinabgeritten – wenn er rasch sei, könne er ihn noch einholen.

Also wieder hinab! – Pranck eilte wieder zurück – und jetzt glückte es ihm: den Hofberg hinab sah er einen Trupp Husaren gemächlich reiten, so daß er sie einholen konnte. »In Linz muß ich noch das Läuferhandwerk erlernen!« sagte er sich. Aber jetzt war keine Zeit zum Scherzen …

Schon stand er neben dem Grauschimmel, auf dem Roxheim saß. Sehr erstaunt sah er auf – was wollte dieser bayrische Offizier von ihm, der jetzt sehr höflich grüßte und in dringendster Angelegenheit um eine Unterredung bat?

Roxheim erwiderte sehr gemessen den Gruß. Pranck stellte sich rasch vor. Ein eigentümliches Gefühl ergriff ihn, als er nun Petronellas Brief aus der Tasche seines Mantels hervorzog.

»Ich hatte die Ehre,« sagte er, »während der ganzen Zeit unserer Stadtbesetzung bei Ihrem hochverehrten Herrn Schwiegervater, dem Ratsherrn von Tann, in Quartier zu liegen … Viel Freundliches habe ich in diesem Hause erfahren – und auch Ihr Name ist mir nicht fremd geblieben. Umstände, die ich Ihnen später erklären werde, bringen es mit sich, daß ich in eine Angelegenheit verwickelt worden bin – – wenn auch vorerst nur als Bote, die –« er sah Roxheim offen und freundlich an, »ich Sie bitte, möglichst ruhig entgegenzunehmen.« Er atmete tief auf; so viel hatte er schon lange nicht mehr gesprochen … Und nun hielt er Roxheim den Brief hin. »Hier – ein Schreiben von Fräulein Petronella von Tann … Sie gab es mir vor einer halben Stunde – ich sollte es Ihnen sofort überreichen. Ich habe Sie bis jetzt gesucht.«

Als Roxheim den Brief sah, überkam ihn ein unbehagliches Gefühl. Warum schrieb man ihm? War dem alten Herrn etwas zugestoßen? Oder Romana? Er brach das Siegel auf – da hörte er den Bayern sagen: »Ich halte es für meine Pflicht, Ihnen zu sagen, daß ich den Inhalt dieses Schreibens kenne … Fräulein von Tann hat mir die Ehre ihres Vertrauens erwiesen – –« Er brach jäh ab: Roxheims braunes Gesicht war fahl geworden, während er las. Dann schob er, sichtlich nach Fassung ringend, den Brief in die Brusttasche seines Waffenrockes.

»Ich danke Ihnen, Herr von Pranck!« sagte er mit gepreßter Stimme. »Sie haben mir einen großen Dienst erwiesen …« Er glitt vom Roß. »Aber jetzt heißt es handeln … Darf ich Sie bitten, mir weiterhin in dieser üblen Angelegenheit zur Seite zu stehen?«

»Gern –« sagte Pranck. »Aber bitte, vergessen Sie nicht, daß ich als feindlicher Offizier verpflichtet bin, um sechs Uhr mit meinen Kameraden diese Stadt zu verlassen. Und es ist höchste Zeit – –«

»Einen Augenblick!« Roxheim rief es rasch; dann winkte er einem andern Offizier, der an der Spitze der Abteilung, die während ihres Gesprächs in einiger Entfernung halt gemacht hatte, geritten war, zu sich heran. Ein paar kurz geflüsterte Worte – dann setzte sich der kleine Zug in Bewegung, Roxheims Tier mit sich nehmend.

»Bitte, kommen Sie jetzt mit mir –« sagte der Österreicher rasch. Und das Zögern Prancks bemerkend, »nur die paar Schritte hier herein – in das Quartierhaus der Stadt … Ich muß mit Grafen Gerani sprechen, meinem Obersten … Er ist drinnen.«

Sie traten in das altertümliche Haus; erstaunt sah man auf den Bayern. Roxheim bat ihn, einen Augenblick zu warten. Diese Minuten dünkten dem Freiherrn endlos; wie, wenn inzwischen das Paar entkam?! –

Aber jetzt trat aus der Türe ein älterer, sehr vornehm aussehender Offizier, gefolgt von Roxheim. Rasche Worte der Vorstellung wurden gewechselt – dann sagte der Graf: »Roxheim benötigt Ihre Dienste in einer Ehrenangelegenheit. Er wünscht, daß Sie noch ein paar Stunden in dieser Stadt zubringen dürfen. Geben Sie mir ihr Wort als Edelmann und Offizier, daß Sie auf demselben Wege wie die übrigen feindlichen Truppen Stadt und Land verlassen werden, wenn jene Sache, zu welcher Roxheim Sie benötigt, beendet ist – wenn er Sie nicht mehr braucht – dann natürlich ohne weiteres Zögern?«

»Sie haben mein Ehrenwort, Graf!« sagte Pranck sehr ernst. »Und ich glaube und hoffe, daß ich in kurzer Frist meinen Kameraden werde folgen können.«

Oberst Gerani empfahl sich kurz von den Beiden, die jetzt wieder auf die Straße traten. Es war ein naßkalter Morgen, das tiefste Dunkel der Nacht hatte einem fahlen Zwielicht Platz gemacht – aber der erste Dämmerschimmer war noch fern.

Stumm eilten sie der Brücke zu. Vom Stadtpfarrturm herüber ertönten gerade sechs Schläge, als sie dort ankamen …

*

Ein unbeschreibliches Gewühl herrschte in allen Straßen, die zur Brücke führten. Aus allen quollen die Scharen heraus, die vor Monaten stolz und gehobenen Mutes in diese Stadt eingezogen waren, und die sie nun als Besiegte räumen mußten.

Die französische Kavallerie war schon über die Brücke gezogen – drüben auf dem kleinen Platz, wo sonst die friedlichen Mühlviertler Bauern ihren Markt abhielten, um die Leute von Urfahr mit allerlei ländlichen Waren zu versorgen, ordneten sich die Scharen und schwenkten zur Straße ab, die an der Donau entlang, vorbei an Ottensheim, dahinführte. Dann würden sie einen Teil des Mühlviertels durchziehen – und dann kam Passauisches Gebiet und endlich das Bayerland – und sie waren wieder daheim … Das heißt, die Franzosen – die hatten wohl noch einen viel weiteren Marsch vor sich. Wer weiß, wohin ihr König sie senden mochte! –

So dachten viele von den bayrischen Soldaten, die der Kavallerie gefolgt waren; mehr als achttausend Mann waren es, die so dahinzogen. Dann kamen die französischen Truppen – dann der Stab, die Generale Segur und Minucci an der Spitze. Dann der Zug der Troßwagen – und noch eine Abteilung französischer Infanterie. Diese Nachhut führte Prinz Tingry an. Dieser Ritt durchs Halbdunkel erweckte melancholische Gedanken in dem Prinzen, schade, daß er Kersaint nicht an seiner Seite hatte – seine besondere Sympathie galt von je dem jungen Vicomte, einem seiner fähigsten Offiziere. Aber der war zu guter Letzt noch marode geworden – hatte gebeten, sich den Krankenwagen, die das allerletzte Ende des Zuges bildeten, anschließen zu dürfen. Auch sein Nicole habe einen verwundeten Fuß …

Unheimlich schwarz und schwer rauschten die Wellen der Donau. Eisige Feuchtigkeit lag in der Luft. Vielleicht kam später Schnee. –

Hart an dem hochgezogenen Gitter, das die Brücke gegen die Stadt zu abschloß, standen Roxheim und Pranck. Immer wieder, so oft ein französischer Offizier vorüberschritt, hatte Roxheim in stummer Frage auf Pranck geblickt und dieser mit Kopfschütteln verneint. Tiefe Enttäuschung malte sich in Roxheims Zügen. War er zu spät gekommen? Nun kamen schon die Nachzügler – –

Auf einmal drückte Pranck den Arm des Österreichers und wies zugleich auf eine kleine Gruppe, die sich jetzt dem Brückentor näherte. Es war ein hochgewachsener, schlanker Mann, der daherschritt; etwas hinter ihm gingen zwei Burschen, einer hinkte arg, versuchte aber dennoch, den andern, der etwas kleiner war, zu stützen – dieser zweite schien krank zu sein: sein mit einem Tuch umhüllter Kopf, von einer Pelzmütze bedeckt, vergrub sich noch in dem hochgeschlagenen Kragen seines Soldatenmantels.

Der französische Offizier machte eine Bewegung zu seinen Begleitern und bedeutete ihnen, die Brücke zu betreten – da vertrat ihm Roxheim mit einer jähen Bewegung den Weg. Zugleich mit ihm schnitt Pranck der kleinen Gruppe den Weg ab.

»Was soll das heißen?« Der Franzose rief es unwillig. »Lassen Sie mich passieren! Ich bin krank und …«

»Halt!« sagte Roxheim jetzt. Es war das erste Wort, das er sprach. »Sie sind der Vicomte de Kersaint – mit Ihnen werde ich später abrechnen … Jetzt will ich mir einmal Ihren Diener da« – und mit einem verächtlichen Lachen wies er auf den Vermummten – »ein wenig näher besehen!«

Er streckte die Hand aus, um den Mantel des angstvoll sich Duckenden zu ergreifen – aber blitzschnell hatte Kersaint ihn zurückgestoßen. »Was soll das heißen?« fragte er in drohendem Ton. »Wissen Sie nicht, mein Herr, daß wir freies Geleit von Ihrem Herzog erhalten haben und ungekränkt abziehen dürfen? Wir halten unser Wort – halten auch Sie das Ihre … Und was geht Sie mein Diener an? – Er steht unter meinem Schutz …«

Jetzt versuchte der andere Bursche den kleinen Vermummten rasch mit sich zu ziehen – gerade ratterte der letzte Troßwagen vorbei, und Nicole wollte schnell dem Kutscher winken stillzuhalten – da vertrat ihm Pranck den Weg. »Mach kein Aufsehen, Nicole!« sagte er leise und drohend – »es wird für deinen Herrn und dich besser sein …«

Aber indessen hatte Roxheim den Stoß seines Gegners schon pariert. Und während Pranck ausrief: »Maurice – um Himmelswillen – was haben Sie getan?!« hatte Roxheim mit einer raschen Bewegung Mütze und Tuch vom Haupte des Vermummten gerissen, dem nun kastanienbraunes Gelock, wirr und schimmernd, über die blassen Wangen und das angststarre Gesicht rollte …

Einen Herzschlag lang Schweigen – dann wandte Roxheim sich verächtlich von Romana ab, die sich hilflos an Kersaints Arm klammerte. »Dirne!« sagte er. Es war leise gesprochen – und sie zuckte zusammen, wie unter einem Peitschenhieb …

Kersaint hielt mit dem linken Arm Romana fest an sich gedrückt, mit der anderen Hand lockerte er den Degen. »Geben Sie den Weg frei!« sagte er, und seine Augen funkelten Roxheim an. Der Mut der Verzweiflung war in ihm. So nahe am Ziel zu scheitern … »Romana folgt mir aus freiem Willen – um der erzwungenen Ehe mit Ihnen zu entgehen. Wollen Sie wirklich mit Gewalt eine Frau festhalten, die von Ihnen nichts wissen will?!«

»Nein,« sagte Roxheim; seine Stimme klang scharf wie klirrender Stahl … »Mit dieser da« – und er wies verächtlich auf Romana – »habe ich nichts mehr zu schaffen … Aber meinen Sie, daß ich dem elenden Verführer, dem Mädchenräuber, seine Züchtigung schenken werde?!«

Dunkelflammende Röte stieg in Kersaints Wangen. »Sie werden mir Genugtuung geben!« stieß er hervor. Und Roxheim: »Sind Sie dessen wert?«

Kersaint riß seinen Degen aus der Scheide und drang auf Roxheim ein. Gellend schrie Romana auf – wollte sich an Kersaint drängen, ihn vor Roxheim schirmen, der jetzt ebenfalls seine Waffe gezogen hatte und den fürchterlichen Stoß des Bretonen eben noch parieren konnte. Pranck riß sie zurück. In diesem Augenblick bereute er es, daß er Petronellas Bitte Folge geleistet hatte …

Während sich Romana verzweifelt in Prancks Armen, die sie festhielten, krümmte, fochten Kersaint und Roxheim. Sie waren ebenbürtige Gegner – beide geschmeidig und gewandt, der Österreicher vielleicht ein wenig stärker als der Bretone. Der treue Nicole stand daneben – ohne die geringste Möglichkeit, seinem Herrn zu Hilfe zu kommen …

Jammervoll weinte Romana auf. Pranck versuchte, sie mit sich fortzuziehen. »Um Gott, Romana – kommen Sie mit mir! – Denken Sie an Ihren alten Vater – er weiß noch nichts – treubesorgt hat Ihre Schwester bisher alles zu verhehlen gesucht, was Ihre Unbesonnenheit angerichtet hat …« Er konnte nicht ausreden – Romana schrie auf: »Meine Schwester – – also sie ist es, die uns verraten hat …« In einer fürchterlichen Sekunde war ihr hellsichtig alles klar geworden.

Kersaint hörte ihren Aufschrei – für einen Augenblick ließ er den Gegner aus den Augen – sein Blick irrte zu ihr hinüber … »Roma – Roma –« stöhnte er … Da traf ihn ein Hieb über die Stirne. Von rieselndem Blut geblendet, gab er sich eine Blöße – und schon durchbohrte Roxheims Degen seine Brust …

Kersaint stand einen Moment starr da – der Degen entglitt seinen kraftlos werdenden Fingern – dunkel wurde es vor seinen Augen …

.

»Romana –« wollte er noch sagen – er konnte es nicht mehr. Ein kurzes Aufstöhnen – dann verließ das Leben den Zusammensinkenden …

Roxheim steckte den Degen in die Scheide. Unbewegt war sein Gesicht, mit dem er auf den Toten niedersah. »Führen Sie das Mädchen weg!« sagte er zu Pranck, der in sprachloser Erschütterung noch immer Romana festhielt.

Die hatte jetzt begriffen, was geschehen war. »Maurice –« wie das Stöhnen eines Sterbenden klang es, wie sie immer wieder den geliebten Namen wiederholte. Sie strebte zu dem Toten hin – auf einmal verließen sie Kräfte und Bewußtsein. Pranck hob sie auf und hüllte sie fester in den Mantel, der halb von ihren Schultern geglitten war.

»Ich bringe sie heim,« sagte er zu Roxheim. »Arme Romana …« Und gefolgt von dem bitterlich weinenden Pariser schritt er mit seiner leichten Last den Weg zurück, den er gekommen war.

Roxheim rief ein paar von seinen Leuten herbei, die er in einiger Entfernung hatte warten lassen, und gebot ihnen, Kersaints Leiche wegzutragen. In die Totenkammer des Barbarafriedhofs … Dann folgte er hocherhobenen Hauptes Pranck nach. –

Im Hause Tann angekommen, klingelte Pranck den Diener Johann heraus. »Ihr seid ein alter Mann und habt gewiß manches erlebt und gesehen,« sagte er hastig. »Fragt nicht lang – nur so viel: ein großes Unglück ist geschehen … Der alte Herr darf nichts erfahren, es möchte sein Tod sein – und Fräulein Romana ist schwer krank … Helft mir, daß wir sie in ihr Zimmer bringen, ohne daß jemand etwas merkt!«

Der Diener bebte vor Aufregung – aber er brachte es doch fertig, so leise und flink zu sein, daß Pranck mit der noch immer ohnmächtigen Romana durch den Flur und hinauf kam, ohne daß Barbara und Ludmilla, die noch immer in der Küche saßen, etwas merkten. Und dann pochte Pranck an Petronellas Türe.

»Offnen Sie!« sagte er leise, aber bestimmt. »Ihre Schwester ist auf den Tod krank … Rasch – es darf niemand etwas merken – verstehen Sie?«

Petronella öffnete – wich einen Schritt zurück, als sie Prancks Blick mit schwerem Vorwurf auf sich ruhen fühlte. Dann führte sie ihn ins Gemach, verriegelte die Türe, half ihm, Romana auf ihr Lager zu betten. Wie eine Tote lag sie da – seltsam anzusehen in der dunklen Dienerkleidung – eine schauerliche Maskerade …

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Kein Wort wechselten die beiden. Dann wandte sich Pranck zum Gehen. Und da brach es aus ihm hervor: »Kersaint ist tot – von Roxheims Hand gefallen … Ich weiß nicht, ob das, was Sie taten, vor Ihrem Gewissen wird bestehen können … Ich für meinen Teil bereue, daß ich mich als Ihr Werkzeug brauchen habe lassen … Verantworten Sie Ihre Tat, so gut Sie es können!« –

Noch einen mitleidigen Blick zurück auf Romana – und dann war er gegangen. –

Petronella sah ihm nach – mit einem Blick, in dem sich Trotz und Grauen unheimlich mischten.

*

Um die Mittagsstunde – es war inzwischen ein heller, frischer Morgen heraufgestiegen – bekamen die Linzer ein erfreuliches Schauspiel zu sehen: der Gemahl der Königin, Herzog Franz Stephan, ritt feierlich in der neugewonnenen Hauptstadt Oberösterreichs ein und nahm im Landhaus Quartier. Jubel umsäumte den Weg, den er ritt – Tücher wehten, die Glocken läuteten – und überall vernahm man die Rufe des Volks: »Hoch lebe unsere Königin Maria Theresia! Hoch lebe ihr siegreicher Gemahl, der Herzog Franz Stephan – der Befreier unserer Stadt vom Joch der Feinde!«

Und als die festlichen Glocken des Einzugs ausgeläutet hatten, erklang vom Türmchen der Kapelle des Barbarafriedhofs das Zügenglöcklein. Still und ohne weiteres Geleit wurde einer zu Grabe getragen … Einer, dem diese Stadt zum Schicksal geworden war.

Pranck ging mit dem kleinen Pariser hinter Kersaints Sarg. Sonst war niemand anwesend. Und ein schauerliches Gefühl der Vergänglichkeit überkam ihn. Gestern um diese Zeit stand diese Stadt in Flammen – und auch dies junge Herz, das nun auf ewig ruhen durfte in der kalten Erde. Und die Flammen einer unheilvollen Liebe hatten auch ein anderes junges Herz versehrt – ob es je wieder genesen würde? –

»Arme Romana!« Pranck sagte es an Kersaints Grab vor sich hin – es war sein letzter Gruß an den toten Kameraden. –

Zwei Stunden später überschritt er, gefolgt von Nicole, die Brücke. Scheu wandte er den Blick ab von der Stelle, wo Kersaint geendet hatte …

Drüben am andern Ufer warf er noch einen Abschiedsblick auf die Stadt, über die sich blaue Schatten der Dämmerung senkten. Ein matter violetter Schein breitete sich über die Hänge des Pfenningberges – die Umrisse des Schlosses verschwammen im leise aufsteigenden Nebel, der den geheimnisvoll raunenden Wellen der Donau entquoll. Im Südwesten lag über der Stadt eine dunkle Wolke – Rauch von den Brandstätten – Zeuge der Schrecknisse des vergangenen Tages …

Zur selben Stunde schmetterten in Frankfurt die Trompeten, jauchzte das Volk und entfaltete sich aller Prunk der uralten Krönungsstadt. Karl Albrecht war im Dom zum deutschen Kaiser gekrönt worden …

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