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. Die blaßgoldene Sonne des Septembertages stand schon hoch über dem Pfenningberg und doch war es noch empfindlich kühl. Es war ein früher Herbst ins Land gezogen. Aber von diesem leichten Frösteln, das die klare Luft durchzog, merkten all die Menschen nichts, die um das alte Schloß von Linz und drinnen herumwerkten. Sie hatten gar zu viel zu schaffen. Schon seit etlichen Tagen ging es so dahin.

Die Bürger von Linz, die um das Schloß herum wohnten, hatten zu schauen gehabt. Alle Türen und Tore waren offen gestanden, das Schloß wurde ausgeräumt. Offene Karren mit kostbaren Schränken, Truhen, Tischen und Lehnstühlen, deren feine Einlegearbeit ihr Perlmutter und Metall in der Sonne aufblitzen ließ, waren hinabgeschafft worden – über den Bruckboden mit seinem Holzprügelbelag ans Ufer der Donau: dort standen Frachtschiffe, in die alles eingeladen wurde: und dann wurden sie donauabwärts gelenkt – fuhren dahin und entschwanden den neugierigen Blicken.

Oben im Schloßhof trugen gerade etliche baumstarke Tischlergesellen die schweren geschnitzten Türen, die einst Kaiser Friedrichs Festsaal verschlossen hatten, herab. Erst vor kurzem war das gotische Rankenwerk, waren die kunstvollen Schlösser und die zierlichen Eisenbeschläge ausgebessert worden. Sie lehnten sie vorsichtig an die altersgraue Mauer, neben die neumodischen Lambris aus vergoldetem Holz, das in seinen reichen Barockgeschnörkel sich in dieser Umgebung, in dem ernsten, strengsteinernen Hof, seltsam genug ausnahm. Die Männer schnauften ein wenig; schwer waren diese Sachen zu tragen gewesen.

»Gebt mir nur gut Acht, daß ihr mir nichts zusammenschlagt – noch zu guter Letzt!« rief Meister Peter Rolin, der Schlosser beim Wassertor, seinen Gesellen und Lehrbuben zu, die ein trotz seiner anscheinenden Zierlichkeit ziemlich schweres Kamingitter herbeischleppten. »Nicht so nahe zu den Öfen hin – wenn was ins Rutschen kommt und schlagt das Kachelwerk zusamm –«

»Das Kachelwerk …« lachte Meister Hans Puppenlaub, der Hafner aus der Lederergasse; sein Blick überflog dabei ein paar mächtige Öfen und einen Kaminmantel aus rotem Marmor – das alles stand nun im Schloßhof herum und sah, aus seinem Zusammenhang gerissen, mit dem Wohnganzen, das es einst geschmückt hatte, etwas trübselig aus … »Das Kachelwerk – – das ist ja noch nicht einmal bezahlt! Steht schon seit dem Frühjahr da – – Und was solls jetzt werden damit? Gehört ja teilweis dem Herrn Landeshauptmann selber … Will er das auch nach Wien verschiffen lassen?«

Ein anderer Handwerksmeister war zu dem Hafner und dem Schlosser getreten; er wiegte bedächtig den Kopf hin und her. »Unbezahlte Arbeit und Müh liegt da herum –« sagte er bedächtig. »Wie sich jetzt die Zeiten anlassen – kann sein, daß wir uns unsern Lohn im Mondschein suchen können …«

»Recht hast, Hans!« nickte ihm Meister Rolin zu. Er war mit dem Sprechenden, dem Malermeister Hans Dürrenschwamm, der in der Altstadt seinen Laden hatte, verschwägert. »Dir gehts so – mir gehts so – und dem Puppenlaub und dem Thomerl –« und er wies auf einen Mann, der gerade gekommen war und mit besorgtem Gesicht der Gruppe der Redenden zustrebte, »auch nicht anders … Ja, Thomerl, komm nur her – was sagst?« wandte er sich an den Ankömmling, einen kleinen mageren Mann, auf dessen Gesicht Sorge geschrieben stand. Thomas Meischinger, der Maurer, mit seinem Haufen Kinder und der stets kranken Frau – der hatte wahrlich nichts zu lachen, wenn er, wie es nun den Anschein hatte, auch zu Schaden kommen sollte.

»Was soll man denn da sagen?« Der Maurer sprach es mit verdrossener Ängstlichkeit. »Schlimme Zeiten sind es halt, die wir jetzt kriegen werden. Die Herren werden sich schon durchfretten – aber unsereins – –«

»Wir müssen uns halt auch rühren!« Ein langer dürrer Mann, der bisher bei der Gruppe der Gesellen gestanden war und versonnen die nebeneinander aufgereihten Türen betrachtet hatte, war zu den andern Handwerksmeistern getreten. Aber so dünn er war, so kräftig und bärenhaft klang seine Stimme, als er jetzt ausrief: »So wahr ich der Michel Ehmayr bin, der Tischler aus dem Hahnengaßl, tun müssen wir was – nicht nur herumstehen und raunzen!«

Er nickte den andern lebhaft zu. »Maul aufmachen! Wir verlangen nichts Unrechts … Wenn der Herr Graf jetzt herauskommt – dann heißts halt reden!« Und er wies gegen die offene Türe hin, die ebenfalls ihrer schweren Eichenflügel beraubt, ins Innere des Schlosses führte.

Meister Rolin wiegte den klugen Kopf bedächtig hin und her. »Willst du unsern Sprecher machen, Michel?« fragte er den Tischler. Dieser nickte. »Ich denk mir, so werd ich sagen und es ihm auseinanderlegen – –«

Und während Ehmayr den andern Meistern auseinandersetzte, was er dem Landeshauptmann, dem Grafen Weißenwolff, sagen und klarlegen wolle, hatten auch die Gesellen in der andern Hofecke ihr Gespräch miteinander. Sie unterhielten sich mit gedämpfter Stimme über all das Neue, das die letzten Wochen gebracht hatten. Und dessen war genug und übergenug!

Meister Rolins Altgesell wußte am meisten zu berichten. Das kam daher, weil sein Bruder Diener war im Gefolge des Grafen Weißenwolff. Und in den Vorzimmern hoher Herren hört man immer ein wenig mehr, als das Volk auf den Gassen …

»Man hat schon im März etwas munkeln gehört –« sagte der Altgesell leise. »Daß es Krieg geben wird zwischen unserer Königin und dem Bayern. Und das wißt ihr ja alle, daß der Graf Palffy geschickt worden ist, daß er unser Landl verteidigen soll …«

Einer fiel ihm ins Wort. »Schon seit der Erntezeit soll der Kurfürst zwischen Passau und Schärding lagern – weiß nit, obs wahr ist – und auf die Franzosen warten, die mit ihm gehen wollen – –«

»Wenns nicht nur ein Gered ist –« wollte einer von des Malers Leuten einwenden. Aber da kam er bei dem Altgesellen schlecht an.

»Hast ganz vergessen, wie es ausgerufen worden ist, das Landesaufgebot?« fragte er zurück. »Hast ein kurzes Gedächtnis – ist ja wohl erst vier Wochen her, daß es auf dem Pfarrplatz verkündet ist worden … Und der Kurfürst – der braucht nimmer warten auf seine Franzosen – seit dem Frauentag sind sie zu ihm gestoßen – ich weiß es ganz sicher, mein Bruder hat es vom Grafen selber gehört. Und die Ennser –«

»Ja, der Franzl hat recht –« mischte sich jetzt ein anderer Geselle ein. »Ich bin ja aus Enns – und der Bote hat es mir geschrieben, wie sie zuerst unser Aufgebot in Spielberg aufgestellt gehabt haben – aber mir scheint, sie werden nit bleiben – –«

»Leider Gotts!« sagte der Altgesell. »Der Graf Palffy hat über die Enns hinüber müssen ins Unterösterreich und der Herr Wiellinger von der Au, dem das Kommando übers Aufgebot gegeben worden ist – der hat sich auch nimmer halten können bei den Schanzen, die sie so schön bei Spielberg aufgeworfen gehabt haben … Ist ein gar tapferer Herr, der Wiellinger – er soll aber von einem stammen, der vor hundert und mehr Jahren gar ein schlimmer Rebell gewesen ist – damals, wie der Steffl Fadinger die Bauern gegen unsere Linzer Stadt geführt hat … Aber davon redet man nit gern – –«

»Was ihr alles wißt!« sagte bewundernd ein kleiner Lehrbub, der einen Pack mit Schlosserwerkzeug neben sich gestellt hatte und zu der Gruppe der plaudernden Gesellen getreten war. »Soll ich jetzt hinablaufen mit dem Werkzeug oder braucht ihr noch was?«

Der Altgesell gab dem Buben einen wohlwollenden Klaps auf die Schulter. Das Lob seiner Kenntnisse freute ihn. Wenn der Meister nicht da war, führte er in der Werkstatt das große Wort …

»Wart derweil noch«, sagte er. »Ich dächt, wir wären fertig. Kein Nagel ist mehr in dem alten Kasten –« und er wies auf das Schloß. »Muß aber erst den Meister fragen.« Er sah zu den Männern hinüber, die noch immer in ihre Beratung vertieft waren.

»Erzähl weiter!« bat jetzt ein anderer von den Burschen. Der Altgesell zuckte die Achseln.

»Es gibt nimmer viel zu erzählen –« meinte er. »Daß das Zeughaus geräumt ist worden, das wißt ihr ja selber. Drum räumen wir ja auch jetzt das gute Schloß aus – schad um die gute Arbeit, die da herumkutschieren muß! Aber recht hat er, der Graf, daß ers den Bayern nicht gönnt … Gestern war ohnehin schon ein Trompeter von ihnen da, mit einer großmächtigen Schrift ist er zu den Ständen hinauf ins Landhaus: mein Bruder hat ihm selber die Tür aufmachen müssen …«

»Was ist denn in dieser Schrift drin gestanden?« fragte ein Bursche, dessen rundes Gesicht vor Neugier ganz starr aussah. Der Altgesell lachte. »Das haben die Herren meinem Bruder nicht auf die Nase gebunden –« sagte er. »Aber wenn ihrs durchaus wissen wollt – fragt doch den Herrn Landeshauptmann: da kommt, er eben!«

»Der Franzl ist halt ein Schlankl!« lachte der neugierige Bursch auf. Aber er wurde gleich still: aus dem Dunkel der Türe, die ins Innere des Schlosses führte, kam eine hohe Männergestalt herausgeschritten. Goldstickerei blitzte am Ärmel seines Samtrockes, wie er jetzt die Hand hob und beschattend über die Augen legte, um besser zu sehen. Graf Weißenwolff hatte ein wenig schwache Augen vom vielen Lesen und Schreiben …

Jetzt schritt er rasch auf die Meister zu, vorbei an den sich neigenden Gesellen, deren ehrfürchtigen Gruß er mit einem flüchtigen Nicken erwiderte. Auch die Meister grüßten, wie es sich geziemte; aber der Ausdruck ihrer Mienen war nicht so friedsam-ergeben, wie sonst.

»Nun, Meister – was solls?« fragte der Graf, mit einem prüfenden Blick nochmals den ganzen Hof überfliegend. »Seid ihr fertig? Ist das Schloß geräumt? Ich sehs …« antwortete er sich selbst, »Ihr könnt also gehen. Oder was solls noch?«

Eine kurze Pause – dann trat Michel Ehmayr, der dürre Tischler, vor. Er versuchte seinen Brummbaß höfisch zu dämpfen, als er nun sagte: »Das wollten wir ganz ergebenst Euer Gnaden gefragt haben.«

Weißenwolff sah die Meister an. Ein wenig ungeduldig war der Klang seiner Stimme, als er nun sagte: »Ich hab keine Zeit … Sagt kurz, was ihr wollt – – ohne viel Hin und Her …«

Da trat der Michel noch einen Schritt vor. »Unsern Lohn!« Jetzt bemühte er sich nicht mehr, die Stimme zu dämpfen.

»Was geht mich euer Lohn an?« Der Graf nestelte ungeduldig an den Spitzen seiner Ärmel. »Bin ich der Ständische Zahlmeister? Geht zu dem …«

»Was wir fürs Abtragen und Wegräumen zu kriegen haben – ich und die andern Meister da – das mögen wir wohl von dort einfordern –« sagte jetzt Ehmayr, »ob wirs bekommen, wird ein ander Stück sein …« Er sah unverzagt dem Grafen ins Gesicht. »Aber von euch, Herr Graf, haben wir zu fordern und zu verlangen: gerechten Lohn für ehrliche Arbeit! – Was wir im Frühjahr in euren Gemächern hergestellt haben – seht hin –« und er wies auf den Berg von Türflügeln, Öfen, Vertäfelungen, der einen Teil des Hofes füllte – »da stehts nun – es ist ein Jammer. Was damit werden soll, das steht Euer Gnaden zu. Aber unsere Arbeit steckt drin und drum unser Lohn: und den fordern und verlangen wir von euer Gerechtigkeit!«

Der Graf nagte an der Unterlippe. Unnötiger Aufenthalt, dachte er. Ihm war darum zu tun, aus der Stadt wegzukommen, auf sein prächtiges Schloß Steyregg, das hochragende, wo er alles hatte, was sein Herz begehrte … Und so hatte es ja auch die Königin gewollt! Hatte sie nicht den Ständen gebieten lassen, auf ihre Besitzungen sich zurückzuziehen, damit niemand da sei, der dem Kurfürsten Huldigung leisten könne? Man wußte es nur zu gut: jede Verteidigung des Landes war unnütz und unmöglich. Von den Prälaten, den Herren, den Rittern und den Ständen je einer sollte in Linz bleiben: so war es ausgemacht worden, damit die laufenden Geschäfte erledigt werden könnten … Die paar Truppen? – Der Graf zählte sie sich im Geiste her: zwei Regimenter Dragoner, die Khevenhiller und die Prinz Eugen – eine Eskadron Grüne Husaren, ein Regiment Warasdiner Grenzer – Palffy hatte recht, daß er sie zurückgezogen hatte, sie aufsparend für das Weitere, das ja doch einmal kommen mußte … Fürs erste gab es freilich nichts, als abwarten, wie sich das Kriegsglück wenden würde … Seit gestern wußte es der Graf, daß die bayrisch-französische Armee gar bald da sein werde …

Ferdinand Bonaventura von Weißenwolff war seiner Königin aufrichtig ergeben. Gut – mögen die Feinde kommen – er wird auf sein Schloß gehen, wie es Maria Theresia ihm und den andern Herren geboten. Die andern Herren? – Er sah sie noch vor sich, seine Kollegen, wie sie die 50 Seiten starke Denkschrift übernommen hatten, die der bayrische Trompeter gebracht hatte. Da waren die Erbansprüche Karl Albrechts dargelegt, sein Recht auf die Erbfolge in den österreichischen Landen, seit im vorigen Oktober Kaiser Karl mit Tod abgegangen war. Er werde bald kommen, um die Huldigung der Stände entgegenzunehmen, hatte er den Herren sagen lassen, einstweilen sollten sie für den Unterhalt seiner Armee sorgen.

Der Vorsitzende des Ständischen Kollegiums, der alte kluge Graf Christoph Wilhelm Thürheim, hatte diese Botschaften entgegengenommen. Dann war die Beratung gefolgt … Ihr Ergebnis war, daß die Stände bleiben wollten. Die Proklamation Karl Albrechts schickten sie nach Preßburg, wo die junge Königin weilte – und ein langes Schreiben voll Ergebenheit und schlecht verhehlter Angst dazu, mit der Bitte um rasche Hilfe. Sie wollten allezeit der Königin treu und ergeben zu Willen sein … Aber sie blieben in Linz.

Nein – das wollte Weißenwolff nicht tun. Er fürchtete sich nicht, wie die andern und war nicht so diplomatisch-schlau, wie Thürheim … Wenn man auch nicht wissen konnte, wie es weiter kam … Ach was, er reitet jetzt nach Steyregg! Ganz heimlich und geschwinde … Beim hinteren Tor, wo es zum Martiniberg hinabgeht – da steht schon sein Stallknecht und wartet …

Ja – aber da sind diese widerspenstigen Meister, die ihn aufhalten, Geld wollen – und eigentlich im Recht sind? – Nur ist jetzt nicht die Zeit dazu, Rechte zu fordern. Diese paar Minuten, während derer er so gedacht hat, sind schon zu viel Zeitverschwendung.

Der Graf gab sich einen Ruck. »Rechnet mir vor!« sagte er kurz. Aber er merkte nur halb auf, als sie jetzt anfingen, Rolin und Puppenlaub, Ehmayr und Dürrenschwamm – und mit etwas verzagter Stimme, denn er fürchtete sich, auch der Maurer Meischinger – was sie zu fordern hätten an Arbeitslohn für gelieferte Schlosser- und Tischlerarbeit, für das Bemalen der zierlichen Lambris und Vertäfelungen, für die neumodischen weißen Kachelöfen mit dem krausen Geschnörkel und die Maurerarbeit daran. Und es kam eine ganz stattliche Summe in Talern, Gulden und Silbergroschen heraus …

Das hatte wieder ein paar Minuten gedauert. Aber jetzt wurde es Weißenwolff zu bunt. Er hat das Seine getan – das wertvolle Mobiliar ist nun wohl schon glücklich in Wien angelangt – der Feind wird ein leeres, ausgeplündertes Schloß vorfinden – kein Nagel steckt mehr drin – diese Arbeit hat man ihm nicht überlassen, hat sie selber gemacht … Nur da im Hof noch – das Gerümpel, das einmal sinnvoller Schmuck prächtiger Räume war – und die Leute, die Spießbürger, die sichtlich immer unwilliger werden, weil er noch immer nichts sagt und nicht den Beutel auftut.

Da – jetzt hat ers! Jetzt kommt ihm ein Gedanke: so kommt er am besten los! – Er hebt die Hand – alle schauen ihn erwartungsvoll an:

»Macht euch mit dem Zeug da bezahlt –« sagt lässig der Graf. »Ihr werdet es schon irgendwie anbringen und verwerten können … Die Öfen kann man ja immer brauchen – die Türen auch. Und das Übrige – ist alles gute Arbeit und sein Geld wert –« schließt er. Es hätte kein Spott sein sollen: aber die Meister fassen es so auf. Und nun, während der Graf sich rasch wendet und den Hof durchschreitet, an den verdutzten Gesellen vorbei und im dunklen Flur verschwindet – da gellt es ihm nach: Unwille, Ärger, Geschimpf und Gefluch. Die sonst so ehrbar-gelassenen Meister sind ehrlich entrüstet und sparen nicht mit dem Ausdruck ihres Zorns.

*

Der Graf hört sie hinter sich noch schreien, als er schon die hintere Pforte des Schlosses erreicht hat. Es ist ihm aber gänzlich einerlei. Da ist sein Pferd – rasch hinauf und dahin gehts! –

Wie er über die Brücke sprengt, schauen ihm ein paar verängstigte Männer und Weiber nach. Die ganze Stadt weiß es schon: es wird Ernst, der Feind naht und jetzt reitet auch der Herr Landeshauptmann dahin …

In der Vorstadt draußen wissen sie es auch schon: der Landeskommandant Graf Palffy hat, ehe er ins Unterösterreich abgezogen ist, noch die Brücke über die Traun abbrennen lassen, damit ihm der Feind nicht gar so leicht nach kann. »Nach Ebersberg kannst nimmer rüber –« erzählt gerade ein Bauer einer Frau, die ängstlich ihm zuhört. Überall bilden sich Gruppen, Angst und Sorge ist auf allen Gesichtern zu lesen.

*

Droben im Schloßhof stehen sie noch beisammen, die Gesellen ein ganz verdutztes, die Meister ein noch immer zornig-erregtes Häuflein. Und schauen sich den angeräumten Hof an. Endlich bricht Meister Dürrenschwamm das Schweigen und fragt: »Und was sollen wir jetzt mit dem Glumpert machen?«

Diese Rede macht ihn zum Gegenstand allgemeinen Unwillens. »Glumpert – unsere ehrliche schöne Arbeit nennt der ein Glumpert!« murren sie durcheinander. Und Rolin legt ihm seine breite Schlossertatze auf die Schulter – nicht gerade besonders sanft …

»Red doch nit so dumm daher –« verweist er ihn. »Schaut dir vielleicht deine eigene Malerei nach nichts gleich – han?« Und zu den Gesellen gewendet: »Flink – rührt euch! Rasch die Wagen herbei – wir müssen mit den Sachen da in die Stadt hinab – und jeder mit dem Seinen in die Werkstatt. Anders geht es nicht …«

»Müßt man sich ja fast einen Schupfen bauen lassen für diese Türen – einen eigenen –« murrt der Tischler Ehmayr, der so tapfer das Wort geführt hat. Aber Rolin hat nachgedacht und beruhigt ihn.

»Eigentlich – wenn ichs so recht betracht –« sagt er und kratzt sich unter der Wollmütze ein wenig, wie er immer tut, wenn er zu einem Schluß gekommen ist, »eigentlich hat der Graf gar nit so Unrecht. Geld hätten wir freilich lieber im Beutel gehabt – aber, weils nun einmal so sein soll: schauts Meister, Öfen braucht ein jedes Quartier und Türen auch … Die Sachen werden zum Anbringen sein – –«

»Ja – mit Schaden!« sagt drauf Ehmayr in seinem brummigsten Baß. Er ist noch immer nicht beruhigt. Aber Rolin tröstet ihn. »Da geht es mir viel weniger gut: Schlösser – und gar solche Prachtstücke – die muß man erst wieder umarbeiten und sie passen auch nicht überall hin … Aber heb dir die schönen Türen nur gut auf, Michel – wer weiß, in was für anders Schloß die noch kommen werden! Auch die bayrischen Herren haben was Sauberes gern …«

Die Wagen sind inzwischen gekommen, die Gesellen fangen das Aufladen an, jeder sucht die Sachen sorgfältig unterzubringen, die ihm sein Meister weist. Besonders sorgfältig müssen die Öfen behandelt werden – und Meister Puppenlaub kann seinem verärgerten Gemüt mit ein paar kräftigen Flüchen weiter Luft machen … Und Michel, der dürre Tischler, brüllt seinen kleinen Lehrbuben ein paarmal tüchtig an – auch wegen der Herzerleichterung.

Rolin tritt auf Dürrenschwamm, den Maler, zu, der gerade neben seinem Wagen, auf dem die neumodischen Lambris aufgepackt sind, den Schloßhof verlassen will. »Nichts für ungut, Schwager!« sagt er heimlich zu ihm und diesmal ist der Druck seiner gewaltigen Hand freundlich und fest. »Aber weißt, so schöne Arbeit ein Glumpert nennen – das kann ich halt einmal nit anhörn, verstehst?«

Der Maler lacht ihm zu; er hat seine gute Laune wiedergefunden. Hinter ihnen, ein paar Schritte weg, will sich gerade der Maurermeister Thomas wegschleichen. Rolin und Dürrenschwamm schauen sich mit einem Blick des Einverständnisses an.

»Dich triffts am schwersten –« sagt jetzt Rolin, und hält mit freundlichem Griff den Meischinger zurück. »Mußt nit verzagt sein, Thomerl! Hättest halt blutsnotwendig dein sauer verdientes Geld gebraucht … Ich weiß … Aber wird schon wieder recht werden! Es mögen jetzt wohl harte Zeiten kommen – aber vergiß nie, daß ich und der da –« und er deutet auf Dürrenschwamm, »die Göden deiner Buben sind … Verstehst?« –

Der kleine magere Maurermeister schaut sie dankbar an. Dann gehen sie alle drei – über den Schloßberg hinab in die Altstadt – und begleiten den Meischinger noch bis zu seinem Häusl in der Weigerhofgasse.

Leer und ausgeraubt bleibt der Schloßhof zurück. Die grelle Mittagsonne bescheint seine Verlassenheit. Die Steine, die schon so vieles geschaut haben, schweigen … Und nur ein kecker Spatz, der vor dem Frühherbstwind in den Schloßgarten zurückflattert, pfeift sich ein kleines Lied …


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