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Geboren 1477 zu Piere di Cadore, gestorben am 27. August 1576 zu Venedig
Tizian wurde im Jahre 1477 zu Cadore, einem kleinen Kastell an der Piave, fünf Meilen von der Klause der Alpen, geboren. Er stammte aus der Familie der Vecelli, einem der vornehmsten Häuser der Gegend. Im zehnten Jahre kam er, ausgerüstet mit glänzendem Geist und Geschick, nach Venedig zu seinem Oheim, einem angesehenen Bürger. Dieser erkannte des Knaben Lust zur Malerei und gab ihn bei Gian Bellino, einem damals in der Kunst sehr berühmten Meister, in die Lehre. Unter seiner Aufsicht übte sich Tizian im Zeichnen und lieferte bald den Beweis, daß die Natur ihn mit allen Gaben des Geistes und Verstandes ausgerüstet habe, deren die Kunst der Malerei bedarf. Gian Bellino und die anderen Maler jenes Landes, denen das Studium der Antike fehlte, pflegten alles, was sie darstellten, fast ausschließlich nach dem Leben zu zeichnen, doch in trockener, harter, steifer Manier, und auch Tizian erlernte zunächst jene Weise. Als aber um das Jahr 1507 Giorgione da Castelfranco nach Venedig kam, begann er, da ihn das bezeichnete Verfahren nicht befriedigte, seine Werke mit mehr Rundung und Weichheit in schönerer Manier auszuführen, ohne jedoch das Studium von Leben und Natur zu vernachlässigen. Ja, er suchte sie so gut als möglich in Farben nachzuahmen, durch kalte und warme Tinten zu schattieren, wie man es in der Wirklichkeit sieht, ohne eine Zeichnung zu machen, weil er der festen Überzeugung war, das richtige und beste Verfahren sei, wenn man nur mit Farben arbeite, ohne weitere Zeichenstudien auf dem Papier vorzunehmen. Dabei vergaß er, daß niemand seine Kompositionen wohl verteilen und ordnen kann, ohne sie erst in verschiedener Weise auf ein Blatt zu entwerfen, um zu sehen, wie alles zusammenstimmt.
Als Tizian die Art Giorgiones kennenlernte, suchte er sich von der des Gian Bellino frei zu machen, obwohl er sich lange Zeit daran gewöhnt hatte, und näherte sich der ersten. Er ahmte die Arbeiten Giorgiones in kurzer Zeit so gut nach, daß seine Bilder bisweilen irrig für Werke jenes Meisters gehalten wurden. Reifer an Jahren, Übung und Einsicht, führte Tizian eine Menge Bilder in Fresko aus, die man nicht der Reihe nach aufzählen kann, weil sie an verschiedenen Orten verstreut sind. Es genügt, daß viele verständige Leute urteilten, es werde ihm in der Kunst der Malerei Herrliches gelingen, wie es ja dann später auch wirklich geschehen ist.
Im Anfang, als er dem Stil Giorgiones zu folgen begann und erst achtzehn Jahre alt war, malte er das Bildnis eines Edelmannes aus der Familie Barbarigo, seines Freundes, das für sehr schön galt. Denn die Treue der Hautfarbe war eigenartig und natürlich, jedes einzelne Haar war so fein gemalt, daß man sie hätte zählen können, und dasselbe gilt von den Stichen an einer silbernen Atlasjacke auf diesem Bild. Kurz, es war so gut und sorgfältig ausgeführt, daß man es für eine Arbeit Giorgiones gehalten hätte, wenn nicht Tizian seinen Namen auf den dunklen Grund gesetzt haben würde. – Unterdes, als Giorgione die Vorderwand vom Kaufhaus der Deutschen gemalt hatte, übertrug man Tizian auf Verwendung Barbarigos an dieser einige Bilder oberhalb der Merceria.
Im Jahre 1507, als Kaiser Maximilian mit den Venezianern Krieg führte, malte Tizian in der Kirche von San Marziale den Engel Raffael, Tobias und einen Hund, in der Ferne eine Landschaft mit einem Gebüsch, in dem Johannes der Täufer kniet, der betend zum Himmel emporschaut und von einem Glanz aus der Höhe erleuchtet wird,Das Bild befindet sich heute noch in San Marziale in Venedig. Man glaubt, daß dieses Bild von ihm ausgeführt worden sei, ehe er die Wand beim Kaufhaus der Deutschen begann. Mehrere Edelleute, die nicht wußten, daß Giorgione nicht mehr an jenem Platz arbeitete und daß Tizian, der schon einen Teil seines Werkes aufgedeckt hatte, daselbst beschäftigt sei, begegneten Giorgione und wünschten ihm als Freunde Glück, indem sie sagten, er habe sich bei der Wand nach der Merceria zu besser als bei der über dem Canal grande gezeigt. Darüber empfand Giorgione solchen Verdruß, daß er sich, bis Tizian seine Arbeit ganz vollendet hatte und als deren Maler bekannt war, nicht viel sehen ließ und von da ab nicht mehr wollte, daß dieser ihn besuche oder sein Freund wäre.
Im Jahre 1508 gab Tizian einen Holzschnitt, den Triumph des Glaubens, mit einer unendlichen Menge von Figuren heraus: Adam und Eva, die Patriarchen, Propheten und Sibyllen, die unschuldigen Kindlein, die Märtyrer, die Apostel und Jesus Christus, den die vier Evangelisten und die vier Kirchenlehrer im Triumph tragen, hinter ihm die heiligen Glaubensbekenner. Bei diesem Werk zeigte Tizian Kühnheit, schönen Stil und fortschreitende Geschicklichkeit. Ich entsinne mich, daß Fra Sebastiano del Piombo mir hierüber einstmals sagte, wenn Tizian damals in Rom gewesen wäre, die Arbeiten Michelangelos und Raffaels, die antiken Statuen gesehen und die Zeichenkunst studiert hätte, so würde er das Erstaunlichste geleistet haben.Der Holzschnitt »Der Triumph des Glaubens« besteht aus fünf Blättern.
1514 hatte Herzog Alfonso von Ferrara ein kleines Zimmer herrichten und in einigen Feldern von dem ferraresischen Maler DossoGiovanni de Lutero, genannt Dosso Dossi (etwa 1474 bis 1542). Bilder von Äneas, Mars und Venus, in einer Grotte Vulkan mit zwei Schmieden an dem Schmiedefeuer malen lassen. Er wollte weiterhin, daß hier Gemälde von der Hand des Gian Bellino wären. Dieser malte auf einer anderen Wand eine Kufe mit rotem Wein, ringsum einige Bacchanten, Musikanten, Satyrn und andere berauschte Männer und Frauen, unter ihnen einen sehr schönen, ganz nackten Silen, der auf einem Esel reitet, um ihn her Gestalten mit Früchten und Trauben in den Händen. Es ist wirklich ein mit gutem Fleiß ausgeführtes Bild, schön im Kolorit, eins der schönsten, die Gian Bellino je gemalt hat.Das Bacchanal von Giovanni Bellini, zuletzt in der Sammlung Widemer in Philadelphia. Aber dieser Künstler hatte seines Alters wegen das Werk nicht ganz vollenden können, und man sandte nach Tizian als dem hervorragendsten seiner Schüler, damit er es beende. Voll Verlangen nach Erwerb und um bekannt zu werden, malte dieser zwei Bilder, die in jenem kleinen Zimmer noch fehlten. Das erste zeigt einen Strom von rotem Wein, umher Sänger und Musikanten, alle, Männer wie Frauen, fast berauscht. Eine schlafende nackte Frau ist so schön, daß sie zu leben scheint. In dem zweiten malte er viele Liebesgötter und schöne Putten in verschiedenen Stellungen, die gleich dem ersten Bilde jenem Fürsten sehr gut gefielen.Wahrscheinlich meint Vasari das Venusfest und die Andrier, beide bisher im Prado in Madrid, Bacchus und Ariadne in der National Gallery in London. – Auf einer Schranktür an demselben Ort malte Tizian das wunderbare und herrliche Brustbild von Christus, dem ein böser Jude die Münze des Kaisers zeigt.Der Zinsgroschen, bisher in der Galerie in Dresden. Diesen Kopf samt den anderen in jenem Zimmerchen ausgeführten Bildern rühmen unsere besten Künstler als die vorzüglichsten, die Tizian je gemalt hat. Wieder in Venedig, malte Tizian auf Leinwand in Öl für den Schwiegervater des Giovanni da Castel Bolognese einen nackten Hirten und ein Landmädchen, das ihm Flöten hinreicht, damit er spiele, mit einer sehr schönen Landschaft.Die sogenannten drei Lebensalter, im Bridgewater House in London. In der Kirche der Minoriten übernahm er dann das Gemälde für den Hochaltar: eine Himmelfahrt der Madonna, unten die zwölf Apostel, die ihr nachblicken, wie sie auffährt.Die Himmelfahrt der Maria (Assunta), in der Kirche Santa Maria de' Frari in Venedig. In der Kapelle der Familie aus Ca Pesaro in derselben Kirche stellte er auf einer Tafel die Madonna mit dem Sohn auf dem Arm, Sankt Petrus und Sankt Georg dar. An den Seiten knien die Patrone der Kapelle, nach dem Leben porträtiert.Der sogenannte Pesaroaltar, in der gleichen Kirche. Für die Kirche von San Rocco malte er nach Beendigung dieser Arbeiten einen Christus mit dem Kreuz auf der Schulter und einem Strick um den Hals, an dem er von einem Juden gezogen wird.Noch in San Rocco in Venedig. Diese Gestalt, die viele für eine Arbeit Giorgiones hielten, wird heutigen Tages in Venedig sehr heilig gehalten und hat mehr Skudi als Opfergabe empfangen, als Tizian und Giorgione während ihres ganzen Lebens zusammen verdienen konnten.
Bembo, dessen Bildnis Tizian schon früher gemalt hatte,Der Humanist Pietro Bembo (1470 bis 1547). Sein Bildnis zuletzt in New York in Privatbesitz. war damals Sekretär von Papst Leo X. und berief ihn zu sich, damit er Rom, Raffael und andere kennenlerne. Tizian verschob jedoch die Sache von heute auf morgen, bis endlich Leo und im Jahre 1520 auch Raffael starb und er nicht hinkam. Er malte für die Kirche Santa Maria Maggiore einen Sankt Johannes in der Wüste, um ihn einige Felsen, ihm zur Seite einen Engel, der wie lebend erscheint, in der Ferne ein kleines Stück Landschaft mit einigen sehr zierlichen Bäumen am Ufer eines Flusses.Jetzt in der Akademie in Venedig.
Vor der Plünderung Roms war Pietro Aretino, ein sehr berühmter Schriftsteller unserer Zeit, nach Venedig gekommen und mit Tizian und Sansovino nahe befreundet worden. Dies verschaffte Tizian viel Ehre und Gewinn, denn er wurde überall dadurch bekannt, soweit die Feder jenes Mannes reichte, besonders bei bedeutenden Fürsten.
Unterdes malte er die Tafel für den Petrus-Martyr-Altar in der Kirche von San Giovanni e Paolo. Er stellte darauf in einem Wald von mächtigen Bäumen jenen heiligen Märtyrer überlebensgroß dar. Zur Erde gestürzt, wird er von einem Soldaten wild bedroht, der ihn am Kopf dermaßen verwundet hat, daß er halbtot scheint und man in seinem Angesicht die Todesschauer erkennt. Es ist das reichste, gefeiertste, größte, bestersonnene und bestausgeführte von allen Werken, die Tizian bis zu diesem Augenblick vollendet hat.Das Bild ist 1867 verbrannt, in Santi Giovanni e Paolo jetzt eine Kopie. Für einen Edelmann aus dem Hause Contarini malte er ein Bild, einen überaus schönen Christus, der mit Kleophas und Lucas zu Tisch sitzt.Das sogenannte Emmausbild im Louvre in Paris. Fast gleichzeitig malte er für die Scuola di Santa Maria della Carità die Madonna, die die Stufen des Tempels hinansteigt, eine Darstellung mit Köpfen jeder Art, nach dem Leben gezeichnet.Der Tempelgang der Maria in der Akademie zu Venedig.
Als Kaiser Karl V. 1530 in Bologna war, wurde Tizian durch Vermittlung des Pietro Aretino von dem Kardinal Hyppolit von Medici in jene Stadt berufen und fertigte ein schönes Bild von Seiner Majestät ganz im Waffenschmuck. Es gefiel dem Kaiser so gut, daß er ihm tausend Skudi zahlen ließ; die Hälfte davon mußte er jedoch dem lombardischen Bildhauer Alfonso geben, der ein kleines Modell gearbeitet hatte, um eine Marmorbüste des Kaisers danach zu fertigen. Nicht lange danach, als Kaiser Karl mit dem Heere aus Ungarn zurückgekehrt war und noch einmal nach Bologna kam, um sich mit Papst Clemens zu besprechen, wollte er wieder von Tizian gemalt sein.Karl V. mit Hund, bisher im Prado in Madrid. Dieser hatte vor seiner Abreise nach Bologna auch den Kardinal Hippolyt von Medici in ungarischer Tracht und zum zweitenmal in einem kleineren Bild ganz in Waffen dargestellt.Hippolyt von Medici in ungarischer Tracht im Palazzo Pitti in Florenz. Gleichzeitig fertigte er das Bildnis des Marchese del Vasto Alfonso DavolosBisher in Privatbesitz in Paris. und des Pietro Aretino, der ihn damals bei Federigo Gonzaga, dem Herzog von Mantua, in Dienst und Gunst brachte. Er begleitete diesen Fürsten in seine Staaten und malte sein Bildnis so treu, daß er wie lebend erscheint. In seiner Vaterstadt Cadore befindet sich eine Tafel von Tizians Hand, worin er die Madonna, den Bischof Sankt Tizian und sich selbst kniend abbildete.In der Pfarrkirche zu Cadore. In dem Jahr, als Paul III. nach Bologna und von da nach Ferrara ging, malte Tizian, der an den Hof kam, das Bildnis des Papstes, ein sehr schönes Werk, und nach diesem ein zweites für den Kardinal Santa Fiore. Beide Bilder wurden ihm vom Papst reichlich bezahlt.Paul III. allein, bisher in der Eremitage Leningrad, und mit seinen Nepoten, bisher im Museo Nazionale in Neapel. Fast gleichzeitig porträtierte er Francesco Maria, den Herzog von Urbino, ein wunderbares Werk, so daß es Pietro Aretino durch ein Sonett feierte.In den Uffizien in Florenz. In der Garderobe desselben Herzogs sieht man zwei sehr reizende weibliche Köpfe von der Hand TiziansWahrscheinlich die sogenannte Bella in den Uffizien und die Herzogin Eleonora im Palazzo Pitti. und eine jugendliche Venus mit Blumen und einigen sehr zarten, wohlausgeführten Tüchern,Die sogenannte Venus von Urbino in den Uffizien. obendrein das Brustbild einer heiligen Maria Magdalena mit aufgelösten Haaren, ein seltenes Werk.Jetzt im Palazzo Pitti in Florenz.
Im Jahre 1541 fertigte er das Bildnis von Don Diego von Mendozza, dem damaligen Gesandten Karls V. in Venedig, stehend in ganzer Figur, eine sehr schöne Gestalt. Von da an begann Tizian einige Bildnisse in ganzer Figur zu malen, wie das später mehrfach in Brauch gekommen ist. Er fertigte in derselben Weise das Bildnis des Kardinals von Trient in seiner JugendIm Metropolitan Museum in New York. und für Francesco Marcoloni das von Messer Pietro Aretino. Es gelang ihm jedoch nicht so gut wie ein früheres, das Messer Pietro selbst dem Herzog Cosimo de' Medici geschenkt hatte.Im Palazzo Pitti in Florenz. In demselben Jahr hielt sich Vasari dreizehn Monate in Venedig auf, um die Deckenverzierung für Messer Giovanni Cornaro und einiges andere für die Brüderschaft della Calza zu malen, und Sansovino, der den Bau von Santo Spirito leitete, ließ ihn die Zeichnungen zu den drei großen Ölbildern für die Decke fertigen, die er in Farben ausführen sollte. Als Vasari jedoch abgereist war, übertrug man jene drei Bilder dem Tizian, der sie sehr schön malte, indem er mit vieler Einsicht beachtete, die Figuren von unten auf zu verkürzen. Auf dem einen erblickt man Abraham, der Isaak opfert, auf dem anderen David, der dem Goliath den Kopf abschlägt und auf dem dritten Abel, den sein Bruder Kain erschlagen.In der Sakristei von Santa Maria della Salute in Venedig.
Damals fertigte Tizian sein eigenes Bildnis an, um es seinen Kindern als Andenken zu hinterlassen. 1546 wurde er vom Kardinal Farnese nach Rom berufen und fand dort Vasari, der von Neapel zurückgekehrt war, um im Auftrag jenes Herrn den Saal der Cancelleria zu verzieren. Der Kardinal empfahl Tizian an Vasari, und dieser leistete ihm mit großer Freude Gesellschaft und zeigte ihm die Merkwürdigkeiten Roms. Nach einigen Tagen der Ruhe gab man Tizian Wohnung im Belvedere und beauftragte ihn, noch einmal ein Bildnis in ganzer Figur von Papst Paul, eins von Farnese und eins von Herzog Ottavio zu malen, die alle trefflich und sehr zur Zufriedenheit jener Herren von ihm ausgeführt wurden.Im Museo Nazionale in Neapel. Auf ihr Zureden malte er als Geschenk für Seine Heiligkeit einen Christus in halber Figur, ein Ecce-Homo. Sei es indes, daß die Arbeiten Michelangelos, Raffaels, Polidoros und anderer ihm Schaden brachten oder sonst ein Grund vorlag, es schien den Malern, obwohl an sich gut, doch nicht von gleicher Trefflichkeit wie andere seiner Arbeiten, besonders seine Bildnisse.
Eines Tages, als Michelangelo und Vasari ins Belvedere gingen, um Tizian zu besuchen, sahen sie dort ein damals von ihm gemaltes Bild: eine unbekleidete weibliche Gestalt, eine Danae, in deren Schoß Jupiter als Goldregen niederfällt. Sie rühmten – wie man es macht, wenn der Künstler anwesend ist – sein Werk sehr.Im Museo Nazionale in Neapel. Beim Nachhausegehen redeten sie über seine Arbeitsweise, und Buonarroti lobte sie und sagte: Tizians Farbgebung und Stil gefalle ihm sehr gut, es sei nur schade, daß man in Venedig nicht von Anfang an gut zeichnen lerne und daß jene Maler nicht die Möglichkeit eines besseren Studiums hätten. »Wenn diesem Mann«, sagte er weiter, »Kunst und Zeichnung Hilfe leisteten wie die Natur, besonders bei Darstellungen des Lebens, so könnte nicht mehr und Besseres geleistet werden, da sein Geist herrlich und sein Stil reizend und feurig ist.«
Endlich verließ Tizian Rom, wo er von den genannten Herren viele Geschenke, besonders aber für seinen Sohn Pomponio ein Amt mit gutem Einkommen erhalten hatte, und machte sich wieder auf den Weg nach Venedig. In Florenz wunderte er sich nicht weniger als in Rom über die seltenen Kunstwerke jener Stadt. Er besuchte Herzog Cosimo in Poggio a Caiano und erbot sich, sein Bildnis zu fertigen. Seine Exzellenz legte jedoch keinen Wert darauf, vielleicht um den vielen edlen Künstlern seiner Stadt und seines Gebietes nicht Unrecht zu tun.
Nach seiner Rückkehr nach Venedig vollendete Tizian ein Gemälde für den Marchese del Vasto, eine Allokution – so nannten sie es –, die dieser Herr an seine Soldaten hält.Bisher im Prado zu Madrid. Dann malte er ihnen die Bildnisse von Kaiser Karl V., von dem katholischen König und vielen anderen Personen.
Er porträtierte mehrere Male Kaiser Karl V., wurde deshalb endlich an dessen Hof berufen und malte ihn, wie er damals in seinen fast letzten Lebensjahren aussah. Und diesem immer siegreichen Kaiser gefiel die Art Tizians so sehr, daß er von der Zeit an, da er ihn kennenlernte, von keinem anderen Maler porträtiert werden wollte.Die bedeutendsten unter den Porträts Karls V. sind: das Reiterbildnis des Kaisers in der Schlacht bei Mühlberg, bisher im Prado zu Madrid, und das des Kaisers im Lehnstuhl, bisher in der Älteren Pinakothek in München. Sooft er dessen Bild ausführte, erhielt er tausend Goldskudi zum Geschenk, und Seine Majestät ernannte ihn auch zum Ritter mit einem Gehalt von zweihundert Skudi, das auf die Kammer von Neapel angewiesen wurde.
Als er König Philipp von Spanien, den Sohn Karls, gemalt hatte,Bildnis Philipps II. bisher im Prado in Madrid. erhielt er auch von dort zweihundert Skudi laufendes Gehalt. Rechnet man zu diesen vierhundert die dreihundert, die ihm auf das Kaufhaus der Deutschen von den venezianischen Senioren gezahlt wurden, so hatte er, ohne sich zu bemühen, jedes Jahr siebenhundert Skudi feste Einnahmen.
Er malte Ferdinand, den römischen König, den späteren Kaiser und dessen Kinder, Maximilian, den jetzt regierenden Kaiser und dessen Bruder, malte die Königin Maria und im Auftrag von Kaiser Karl den Herzog von Sachsen in der Zeit seiner Gefangenschaft.Das Bildnis des Kurfürsten Friedrich des Weisen bisher im Kunsthistorischen Museum in Wien. Die anderen sind verloren. Doch welche Zeitverschwendung ist dies? Es gab fast keinen Herrn von hohem Rang, weder einen Fürsten noch eine vornehme Dame, deren Bildnisse Tizian nicht malte, der auf diesem Gebiet fürwahr ein überaus trefflicher Maler war.
Tizian malte für die Königin Maria einen Prometheus, der, an den Kaukasus geschmiedet, von dem Adler Jupiters zerfleischt wird, einen Sisyphus in der Hölle, der einen Stein trägt,Beide Bilder bisher im Prado in Madrid. und Tityus, den der Geier zerreißt. Diese, mit Ausnahme des Prometheus, erhielt ihre Majestät und zugleich einen Tantalus in derselben Größe, das heißt lebensgroß auf Leinwand in Öl gemalt. In einem bewundernswürdigen Bild stellte er Venus und Adonis dar; Venus ist ohnmächtig, und der Jüngling will eben von ihr gehen; ihm folgen einige sehr treu nach der Natur gemalte Hunde.Bisher im Prado in Madrid. Auf einer gleich großen Tafel malte er Andromeda, die, an den Felsen gekettet, durch Perseus von dem Meerungeheuer erlöst wird.Bisher in der Wallace Collection in London. Kein anderes Gemälde kann reizvoller sein als dieses. Ähnliches gilt von einer Diana, die mit ihren Nymphen im Quell badet und Aktäon in einen Hirsch verwandelt.Bridgewater House in London. Außerdem malte er eine Europa, die auf dem Stier durchs Meer reitet.Der Raub der Europa, bisher in Privatbesitz in Boston. Alle diese Bilder aber werden von Seiner katholischen Majestät sehr wert geachtet, da Tizian durch den Reiz der Farben den Figuren fast wirkliches Leben verliehen hat.
Es ist freilich wahr, daß bei alledem seine Arbeitsweise in den letzten Lebensjahren von der seiner Jugend sehr verschieden war. Während er seine ersten Arbeiten mit einer gewissen Feinheit und mit unglaublicher Sorgfalt ausführte, so daß man sie nah wie fern betrachten kann, sind die seines späteren Alters im Fluge grob und fleckig gemalt und dürfen in der Nähe nicht gesehen werden, machen aber von fern eine vollkommene Wirkung. Diese Arbeitsweise war Ursache, daß von vielen, die ihn hierin nachahmen und Übung zeigen wollten, häßliche Malereien angefertigt worden sind. Es kommt dies daher, weil es den Anschein hat, als wären jene Bilder ohne Mühe vollendet. Aber dies ist keineswegs der Fall, und die es glauben, befinden sich im Irrtum. Denn man erkennt, Tizian überarbeitete sie und ging mit den Farben so oft darüber, daß die dabei aufgewendete Sorgfalt sich wohl bemerkbar macht. Eine höchst einsichtsvolle, schöne und staunenswürdige Manier, wodurch die Bilder sehr lebendig erscheinen und mit großer Kunst ausgeführt sind, während ihre Mühen verborgen bleiben.
Für den katholischen König malte er eine heilige Magdalena in halber Figur. Ihre Haare sind aufgelöst und fallen ihr über Schultern, Hals und Brust, während sie Haupt und Blicke unverwandt dem Himmel zukehrt und mit ihren roten Augen Reue, mit ihren Tränen Schmerz über ihre begangenen Sünden kundgibt. Jeder, der dies Bild sieht, fühlt sich dadurch aufs tiefste bewegt – und, was mehr ist, trotz seiner übergroßen Schönheit regt es doch nicht zu frecher Sinnlichkeit, sondern zum Mitleid an.Tizian hat mehrere Magdalenenbilder gemalt, eins im Palazzo Pitti zu Florenz, eins in der Eremitage in Leningrad und eins im Museo Nazionale in Neapel. Endlich sandte dieser herrliche Maler dem katholischen König ein Abendmahl Christi mit seinen Jüngern, ein sieben Ellen langes Bild von außergewöhnlicher Schönheit.Im Escorial.
Diese und viele andere Werke, die wir nicht anführen, um nicht zu ermüden, hat er bis jetzt gearbeitet, wo er etwa sechsundsiebzig Jahre alt ist. – Tizian war stets gesund und so glücklich, wie nur je ein anderer seinesgleichen gewesen ist. Der Himmel schenkte ihm nur Glück und Segen. In seinem Haus in Venedig sah man alle Fürsten und Gelehrten und bedeutende Personen, die zu seiner Zeit in jene Stadt kamen oder dort lebten. Denn er ist nicht nur trefflich in der Kunst, sondern auch sehr liebenswürdig, vorzüglich in seinen Sitten und seiner Unterhaltungsgabe und versteht es, sich den Personen von Rang angenehm zu machen. Er hatte in Venedig einige Nebenbuhler, doch nur von geringer Bedeutung, so daß er sie leicht übertreffen konnte – in der Kunst sowohl als in der Gabe, sich angesehenen Persönlichkeiten angenehm zu machen. Der Gewinn, den er aus seinen Arbeiten zog, war groß, da sie ihm sehr gut bezahlt wurden. Richtiger wäre es indes gewesen, wenn er in seinen letzten Jahren nur zum Zeitvertreib gemalt hätte, um nicht durch weniger vorzügliche Werke den Ruf besserer Jahre zu schmälern, wo er noch nicht durch Abnahme der Kräfte Unvollkommenes leistete. Als Vasari, der Verfasser dieser Geschichten, 1566 nach Venedig kam, besuchte er Tizian als seinen lieben Freund. Er fand ihn, obwohl hoch an Jahren, die Pinsel in der Hand, mit Malen beschäftigt und hatte große Freude, seine Werke zu sehen und sich mit ihm zu unterhalten.
Tizian, der die Stadt Venedig, ja ganz Italien und andere Teile der Erde durch treffliche Malereien geschmückt hat, verdient, von den Künstlern geliebt und geachtet und in vielen Dingen bewundert und nachgeahmt zu werden, als ein Mann, der Werke ausgeführt hat oder noch ausführt, die eines unendlichen Lobes würdig sind und dauern werden, so lange das Andenken berühmter Menschen bestehen kann. Zwar haben sich viele bei ihm in die Lehre begeben, doch ist jetzt die Zahl derer, die man wirklich seine Schüler nennen kann, nicht groß, denn er hat nicht viel Anweisung gegeben, jeder aber hat mehr oder weniger gelernt, je nachdem er es verstand, die Werke des Meisters zu nutzen.Die Biographie Tizians von Vasari endet mit dem Jahre 1566. Tizian starb am 27. August 1576 in Venedig an der Pest. Sein Grab befindet sich in Santa Maria Gloriosa de' Frari.
Die Kunst der Mosaikmalerei, die fast überall in Vergessenheit geraten war, wurde auf Tizians Anregung in Venedig neu belebt. Er sorgte dafür, daß allen, die sich damit beschäftigten, reichlicher Lohn gegeben wurde. Sämtliche Werke dieser Art sind in Venedig nach Zeichnungen Tizians und anderer trefflicher Maler ausgeführt worden. Sie machten Entwürfe und farbige Kartons, um jenen Arbeiten .die Vollkommenheit zu geben, wie es bei denen in der Vorhalle von San Marco der Fall ist.