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Geboren 1400 zu Florenz, gestorben 1482 daselbst
Der Bildhauer Luca della Robbia wurde im Jahre 1400 zu Florenz im Hause seiner Vorfahren geboren, das unterhalb der Kirche San Barnaba gelegen ist. Er wurde dort in guten Sitten erzogen, bis er lesen und schreiben und, wie es bei den meisten Florentinern üblich war, soviel rechnen konnte, als ihm not tat. Hierauf gab ihn sein Vater, damit er die Goldschmiedekunst erlerne, zu Leonardo di Ser Giovanni in die Lehre, der damals für den besten Meister dieser Kunst in Florenz gehalten wurde. Nachdem Luca es bei diesem so weit gebracht hatte, daß er zeichnen und in Wachs arbeiten konnte, wuchs ihm der Mut, und er begann einiges in Marmor und Erz zu verfertigen, das ihm gut gelang und Veranlassung wurde, das Gewerbe eines Goldschmieds aufzugeben und sich der Bildhauerkunst zu widmen. Unausgesetzt arbeitete er bei Tage mit dem Meißel und zeichnete bei Nacht. Ja, er übte dies mit solchem Eifer, daß er, wenn ihm nachts die Füße steif wurden, sie oft, um nicht von der Arbeit zu gehen, zur Erwärmung in einen Korb mit Sägespänen steckte. Darüber wundere ich mich gar nicht, da nie ein Mensch in irgend etwas vollkommen geworden ist, der nicht sehr jung schon angefangen hätte, Hitze und Frost, Hunger, Durst und andere Mühseligkeiten zu ertragen. Die sind fürwahr im Irrtum, die glauben, ohne Anstrengung und mit aller Bequemlichkeit der Welt könne man zu einem ehrenvollen Berufe gelangen. Nicht schlafend, sondern wachend, bei unausgesetztem Studium lernt und erwirbt man.
Luca war kaum fünfzehn Jahre alt, als er mit noch mehreren jungen Bildhauern nach Rimini berufen wurde, um daselbst einige Marmorverzierungen und Figuren für Sigismondo di Pandolfo Malatesta, den Gebieter jener Stadt, zu verfertigen, der damals in der Kirche San Francesco eine Kapelle errichten und für seine verstorbene Gemahlin ein Grabmal erbauen ließ.Nicht von Luca, sondern von Adolfino de' Antonio di Duccio (1418 bis 1481), einem Nachahmer Donatellos. Bei diesem Werk gab er durch einige Basreliefs einen ausgezeichneten Beweis seiner Geschicklichkeit. Hierauf wurde er von den Werkmeistern von Santa Maria del Fiore nach Florenz zurückberufen und verfertigte daselbst für den Glockenturm jener Kirche fünf Bildwerke von Marmor, die auf der Seite angebracht wurden, die nach der Kirche zu liegt. In dem ersten Relief, das Luca arbeitete, sieht man Donatus, der die Grammatik lehrt, im zweiten Plato und Aristoteles als Philosophen, im dritten eine Gestalt, welche Laute spielt, als Musik, im vierten Ptolemäus als Astrologen, im fünften Euklid als Geometer. Diese Bildwerke übertrafen an Zeichnung, Anmut der Erfindung und sauberer Ausführung weit die beiden, in denen Giotto die Malerei unter dem Bild des malenden Apelles und die Skulptur unter der Gestalt des mit dem Meißel arbeitenden Phidias dargestellt hatte. Die Werkmeister von Santa Maria del Fiore, die an diesen Arbeiten die Begabung unseres Luca erkannten, folgten dem Rat des Herrn Vieri de Medici, eines damals sehr beliebten Mitbürgers, der den Luca sehr schätzte. Sie gaben dem Künstler den Auftrag, die Marmorverzierung für die Orgel zu verfertigen, die der Kirchenvorstand sehr groß ausführen ließ, um sie über der Tür der Sakristei anzubringen. Luca stellte auf dem Sockel in einigen Bildern die Musikchöre dar, die auf verschiedene Weise singen, und wandte dazu viel Studium auf. Auch gelang ihm diese Arbeit sehr wohl, denn obgleich sie sechzehn Ellen vom Boden entfernt ist, unterscheidet man das Schwellen des Halses bei den Singenden und erkennt, wie der, der die Musik leitet, auf den Schultern der Kleineren den Takt schlägt. Kurz, man sieht allerlei Klang und Saitenspiel, Gesänge, Tänze und andere Ergötzlichkeiten abgebildet, die durch das Vergnügen der Musik angeregt werden. Auf dem Hauptgesims brachte Luca zwei vergoldete Metallfiguren an, zwei nackte Engel, die sehr fein ausgeführt sind, wie überhaupt das Ganze für eine besondere Sache galt, obgleich Donato bei Verzierung der anderen Orgel dieser gegenüber weit mehr Übung und Urteil zeigte als Luca. Denn dieser arbeitete das Werk fast nur aus dem Rohen und meißelte es nicht fein aus, damit es sich von fern hervorheben möchte. Dadurch hat es denn auch ein weit besseres Ansehen als das von Luca, der zwar nach guter Zeichnung und mit Fleiß gearbeitet hat, doch wird sein Werk bei all seiner zarten Vollendung in der Ferne dem Auge undeutlich und läßt sich nicht so gut unterscheiden wie jenes von Donato. Hierauf müssen die Künstler sehr achten. Denn die Erfahrung lehrt, daß alle Dinge, die von ferne gesehen werden, seien es nun Maler- oder Bildhauerwerke oder andere ähnliche Sachen, mehr Eindruck machen, wenn sie einem schönen Entwurf gleichen, als wenn sie fein ausgeführt sind. Abgesehen davon, daß die Entfernung jene Wirkung tut, scheint es auch, als ob bei Entwürfen, die durch plötzliche Eingebung entstehen, mit wenigen Strichen der Gedanke besser ausgedrückt wird, als Mühe und allzu große Sorgfalt es vermögen. Darum bringen jene, die nie fertig werden können, sich oftmals um allen Erfolg und alle Wirkung. Die Zeichenkunst, um nicht nur die Malerei zu nennen, ist der Poesie zu vergleichen, und wie Dichterwerke, die der Augenblick eingibt, die wahren und guten sind und vorzüglicher als die mühselig erarbeiteten, so gelingen auch die trefflichen Werke der Zeichenkunst besser, wenn sie durch plötzliche Eingebung hervorgebracht werden, als wenn sie durch Hin- und Hersinnen nach und nach mit Anstrengung entstehen. Wer, wie es sein muß, das, was er vollführen will, von Anfang an in der Idee erfaßt hat, schreitet immer leicht und sicher der Vollendung entgegen. Da indessen nicht alle Geister gleich sind, gibt es freilich auch einige wenige, die nur langsam Gutes zustande bringen. So sagt man zum Beispiel – der Maler gar nicht zu gedenken –, der sehr ehrenwerte und gelehrte Dichter Bembo habe bisweilen viele Monate, ja vielleicht Jahre gebraucht, ehe er ein Sonett beendete. Demnach ist es nichts allzu Wunderbares, wenn solches auch den Meistern unserer Kunst begegnet. Indessen gilt auch meist das Gegenteil von der Regel.
Doch wir wollen zu Luca zurückkehren. Nachdem er das genannte Werk beendet hatte, das sehr gut gefiel, erhielt er den Auftrag, die Bronzetür für die Sakristei zu arbeiten, die man über jener Marmorverzierung sieht.Die Bronzetür zu der Sakristei ist eins seiner spätesten Werke (1476 vollendet), sie war ursprünglich dem Donatello übertragen. Vasaris Folgerung ist daher falsch. Als er indes nach Vollendung dieser Arbeit berechnete, was er gewonnen und welche Zeit er aufgewandt hatte, erkannte er, daß ihm wenig blieb und seine Mühe groß gewesen war. Deshalb beschloß er, keine Marmor- und Bronzewerke mehr zu verfertigen, sondern danach zu trachten, ob er nicht auf anderem Wege reichlicheren Lohn ernten könne. Er sah, daß in Erde zu arbeiten sehr leicht war und keine Anstrengung forderte, daß nur ein Mittel zu finden not tat, welches dieser Art von Arbeit Dauer geben würde. Er sann daher unermüdlich nach, wie man sie gegen die Zerstörung der Zeit schützen könne, bis er durch viele mühevolle Versuche entdeckte, ein glasierter Überzug von Zinn, Email, Antimon und anderen Mineralien und Mischungen, in einem dazu geeigneten Schmelzofen zubereitet, erfülle diesen Zweck vollkommen und gebe den Tonarbeiten eine fast ewige Dauer. Dieses Verfahren, für das er als Erfinder großes Lob erntete, gab ihm ein Recht auf den Dank aller kommenden Zeiten. Als Luca hierin seine Absicht erreicht sah, sollte nach seinem Willen sein erstes Werk dieser Art die Verzierung des Bogens über der Bronzetür sein, die er unter der Orgel in Santa Maria del Fiore für die Sakristei verfertigte. Deshalb stellte er dort eine Auferstehung Christi dar, für jene Zeit so schön, daß sie als etwas ganz Seltenes von jedermann bewundert wurde. Die Kirchenvorsteher, die dies sahen, wünschten, der Bogen über der Tür der anderen Sakristei, wo Donatello die Verzierungen um die Orgel gearbeitet hatte, möge durch Luca in derselben Weise mit ähnlichen Figuren und Zieraten von gebrannter Erde ausgefüllt werden, und dieser arbeitete dort sehr schön die Himmelfahrt Christi.Die Auferstehung ist 1443, die Himmelfahrt 1446 vollendet. Tonbilderei wurde in Toskana schon vor Luca betrieben, aber durchaus handwerksmäßig. Lucas Verdienst ist, sie zu einer Kunst erhoben und die Erfindung für ihre Dauerhaftigkeit gemacht zu haben.
Weil ihm indessen diese seltene und nützliche Erfindung nicht genügte, die sich besonders für solche Orte eignet, wo Wasser ist oder um Feuchtigkeit und anderer Dinge willen Malereien nicht angebracht werden können, bemühte er sich, weiterzugehen; und anstatt die genannten Tonwerke nur einfach weiß zu verfertigen, fand er Mittel, ihnen Farbe zu geben – zum großen Erstaunen und Vergnügen eines jeden. Der erste, der ihm Auftrag erteilte, etwas in buntem Ton zu arbeiten, war der glorreiche Piero di Cosimo de' Medici, der in einem Schreibzimmer des Palastes, den sein Vater Cosimo erbaut hatte, die ganze Wölbung im Halbkreis und auch den Fußboden mit allerlei Phantasien verzieren ließ, eine ungewöhnliche und zur Sommerzeit sehr angenehme Sache. Es erscheint fast wie ein Wunder, daß, obgleich dies Verfahren damals sehr schwierig war und viele Kenntnisse dazu gehörten, die Erden zu brennen, Luca dennoch jene Arbeiten in solcher Vollkommenheit ausführte, daß Wölbung und Fußboden nicht aus vielen, sondern aus einem einzigen Stück zu bestehen scheinen.
Der Ruf seiner Werke verbreitete sich bald durch Italien, ja durch ganz Europa. Und es war ein solches Verlangen danach, daß die florentinischen Kaufleute, sehr zu seinem Vorteil, ihm immer neue Bestellungen gaben und diese Arbeiten überall in der Welt umhersandten. – Luca, der allein nicht alles liefern konnte, veranlaßte seine beiden Brüder Ottaviano und Agostino, nicht mehr Bildhauerwerke, sondern Tonarbeiten anzufertigen, wobei sie alle mehr gewannen, als sie bis dahin mit dem Meißel verdient hatten.
Außer zahlreichen Arbeiten, die von ihnen nach Frankreich und Spanien geschickt wurden, schufen sie noch viele Dinge in Toskana und besonders für Piero de' Medici in der Kirche San Miniato al Monte das Gewölbe der Marmorkapelle, die auf vier Säulen in der Mitte der Kirche errichtet ist, eine sehr schöne Zusammenstellung von Achtecken. Doch das Hauptwerk dieser Art, das aus ihren Händen hervorgegangen ist, ist in der gleichen Kirche das Gewölbe der Sankt-Jakobs-Kapelle, in der der Kardinal von Portugal begraben liegt. Obgleich sie ohne Kanten ist, schufen sie vier runde Eckbilder mit den vier Evangelisten und in der Mitte der Wölbung ein Rundbild mit dem Heiligen Geist. Den übrigen freien Raum füllten sie mit einer schuppenartigen Dekoration, die sich der Wölbung entsprechend nach der Mitte zu allmählich verjüngt. In dieser Art kann man nichts Vortrefflicheres finden, weder dem Aufbau nach, noch in der Sorgfalt der Zusammensetzung.
Wäre diesem Künstler ein längeres Leben beschieden gewesen, so hätte man noch weit größere Dinge aus seinen Händen hervorgehen sehen. Denn kurz bevor er starb, fing er an, Bilder zu malen, eine Arbeit, die ihm meiner Ansicht nach leicht gelungen wäre, wenn nicht der Tod, der meist die vorzüglichsten Menschen in dem Augenblick dahinrafft, wo sie der Welt am meisten Nutzen schaffen wollen, ihn allzu früh des Daseins beraubte.
Luca ging von einer Art der Beschäftigung zur anderen über, vom Marmor zur Bronze, von der Bronze zur Erde. Dies geschah aber nicht aus Trägheit noch aus einem unbeständigen, grillenhaften, mit seiner Kunst nicht zufriedenen Sinn, wie ihn wohl manche haben, sondern seine Natur drängte ihn zu neuen Erfindungen. Dadurch wurde die Welt und die Kunst durch eine neue, nützliche und schöne Sache bereichert, und er gelangte zu dauerndem Ruhm und unsterblichem Lob.