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Geboren 1449 zu Florenz gestorben 21 Januar 1494 daselbst
Domenico di Tommaso del Ghirlandaio, den man wegen der Vorzüge, Trefflichkeit und Menge seiner Werke einen der ersten und besten Meister seiner Zeit nennen kann, war von der Natur zum Maler bestimmt, obgleich die, unter deren Obhut er stand, anderes mit ihm vorhatten. Solch ein entgegengesetztes Streben hindert oft das fruchtbare Gedeihen vorzüglicher Geister; man beschäftigt sie mit Dingen, für die sie kein Geschick haben und lenkt sie von denen ab, die ihnen naturgemäß sind. Domenico ließ sich jedoch nicht abhalten, der Neigung seines Herzens zu folgen, erwarb dadurch sich und den Seinen viel Ehre, brachte der Kunst großen Gewinn und war die Freude seines Zeitalters.
Sein Vater bestimmte ihn für seine eigene, nämlich die Goldschmiedekunst, in der er ein mehr als vorzüglicher Meister war. Er hat den größten Teil der silbernen Exvotos im Schrank der Nunziata zu Florenz und die silbernen Lampen in der Kapelle gearbeitet, die im Jahre 1529 bei Bestürmung der Stadt eingeschmolzen worden sind. Tommaso hat ferner den Kopfputz der florentinischen Mädchen erfunden, den man »ghirlande« nennt, und erhielt deshalb den Namen Ghirlandaio nicht nur als Erfinder, sondern weil er davon eine unendliche Menge von so großer Schönheit verfertigt hatte, daß es schien, als wollten nur solche gefallen, die aus seiner Werkstatt kamen. Domenico, der in der Werkstatt arbeiten mußte, hatte aber keine Freude an der Goldschmiedekunst und beschäftigte sich daher dauernd mit Zeichnen. Die Natur hatte ihm einen klaren Verstand geschenkt, viel Geschmack und Urteil für die Malerei. Daher erwarb er sich bald eine große Fertigkeit, Schnelle und Leichtigkeit und brachte es, wie man sagt, schon in frühester Jugend, als er noch Goldarbeiter war, so weit, daß er die Leute, die an seiner Werkstatt vorübergingen, sehr ähnlich nachzeichnete. Von dieser Fähigkeit geben noch jetzt in seinen Werken viele wohlgetroffene Bilder Zeugnis.
Seine ersten Malereien verfertigte er in der Kapelle der Vespucci in Ognissanti. Dort stellte er einen toten Christus mit mehreren Heiligen dar und über einem Bogen eine Beweinung Christi, bei der er das Bildnis von Amerigo Vespucci anbrachte, der gerade seine Fahrt nach Indien antrat.Die Beweinung Christi in der Kirche Ognissanti. Im Refektorium jenes Klosters sieht man auch von ihm ein Abendmahl in Fresko gemalt und in Santa Croce rechts vom Eingang die Geschichte des heiligen Paulinus. Hierdurch gewann er einen großen Namen und Ruf und erhielt Auftrag, für Francesco Sassetti eine Kapelle in Santa Trinità mit Begebenheiten aus dem Leben des heiligen Franziskus zu verzieren, ein Werk, daß er bewundernswert mit viel Anmut, Zartheit und Liebe ausführte. Für die Brüderschaft der Ingesuati malte er eine Tafel für den Haupteingang mit einigen Heiligen in kniender Stellung.In den Uffizien. Wegen dieses Werkes verdient er besonders gerühmt zu werden, denn er war der erste, der anfing, goldene Einfassungen und Verzierungen durch Farben nachzuahmen, was bis dahin noch nicht gebräuchlich war. Und er verwandte zum großen Teil jene Schnörkeleien, die man mit Gold auf Beize aufsetzte, ein Verfahren, das sich besser für Wandbehänge als für Bilder guter Meister eignet. In der Kirche di Cestello malte er eine Tafel, die David und Benedetto, seine Brüder, vollendeten, eine Heimsuchung Maria mit einigen sehr anmutigen weiblichen Köpfen.Jetzt im Louvre in Paris. Für die Kirche der Innocenti arbeitete er in Tempera eine Tafel mit der Anbetung der Könige, ein sehr gerühmtes Werk, in dem sich viele jüngere und ältere Gesichter von mannigfaltiger Schönheit des Ausdrucks und der Mienen finden.
Papst Sixtus IV. berief Domenico nach Rom, um in Gesellschaft anderer Meister seine Kapelle auszuschmücken. Dort stellte er den Heiland dar, der den Petrus und Andreas von den Fischernetzen abruft, und die Auferstehung des Herrn.Die Fresken für die Sixtinische Kapelle begann Ghirlandaio 1481. Als Domenico in Rom war, lebte dort ein geehrter und reicher Kaufmann und vertrauter Freund Domenicos, Francesco Tornabuoni. Diesem war seine Frau im Wochenbett gestorben, und er hatte ihrem edlen Stande gemäß zu ihrem ruhmvollen Gedächtnis ein Grabmal in der Minerva setzen lassen. Die Wand, an der dieses Denkmal stand, sollte Domenico verzieren und außerdem noch ein kleines Temperabild malen. Er stellte auf jener Fläche vielerlei Begebenheiten dar, zwei von Johannes dem Täufer und zwei von der Madonna, die damals sehr gerühmt wurden. Auch fand Francesco ein großes Gefallen daran; als der Künstler voll Ehren und mit viel Geld nach Florenz zurückkehrte, empfahl er ihn brieflich seinem Verwandten Giovanni.
Dieser faßte den Gedanken, Ghirlandaio bei irgendeinem großartigen Werk zu beschäftigen, zu seines eigenen Namens ehrenvollem Gedächtnis und zu Domenicos Ruhm und Gewinn. Um das Vorhaben zu begünstigen, wollte es der Zufall, daß die Hauptkapelle in Santa Maria Novella, die früher von Andrea Orcagna ausgemalt worden war, sehr durch Nässe gelitten hatte, weil das Dach der Wölbung schlecht gedeckt gewesen war. Viele Bürger erboten sich, die Kapelle ausbessern oder vielmehr neu machen zu lassen. Sie gehörte jedoch der Familie Ricci, und diese wollte es nicht zugeben. Sie selbst konnte nicht soviel Kosten aufbringen, aber ebensowenig sich entschließen, ihre Ausschmückung einem anderen zu überlassen, weil sie fürchtete, sie möchte des Patronatsrechtes und ihres Wappens daselbst verlustig gehen, das noch von ihren Voreltern herstammte. Giovanni, der großes Verlangen trug, Domenico möchte ihm dort ein Gedenken schaffen, suchte jenen Handel auf verschiedenen Wegen auszugleichen und versprach schließlich der Familie Ricci, er wolle allein alle Kosten tragen, sie auf irgendeine Weise entschädigen und ihr Wappen am ausgezeichnetsten und ehrenvollsten Platz in jener Kapelle anbringen lassen. So kamen sie überein; nachdem ein feierlicher Kontrakt abgeschlossen war, übertrug Giovanni dieses Werk dem Meister Domenico. Dieser sollte dieselben Gegenstände malen, die Orcagna dargestellt hatte. Hierfür versprach er dem Künstler zwölfhundert Dukaten in Gold zu zahlen und, falls dieses Werk ihm gut gefiele, zweihundert hinzuzufügen. Domenico begann und ließ nicht nach, bis er es im Verlauf von vier Jahren vollendet hatte. Dies geschah im Jahre 1485 zur größten Befriedigung Giovannis, der sich für sehr gut bedient erklärte und freimütig gestand, Domenico habe die zweihundert Dukaten über den gedungenen Preis verdient. Lieb jedoch würde es ihm sein, wenn er sich mit dem ersten Preis begnügen wolle. Domenico, der Ruhm und Ehre viel höher als Reichtümer achtete, erließ ihm sogleich alles übrige und versicherte, ihm gelte es weit mehr, seinem Wunsche genügt zu haben, als jene Bezahlung zu verlangen. Diese Kapelle galt für etwas außerordentlich Schönes, Großartiges und Reizendes wegen der frischen Lebendigkeit der Farben und weil die Malerei, bei der Domenico nur wenig trocken nachbesserte, mit Übung und Sauberkeit auf der Mauer ausgeführt ist. Erfindungen und Zusammenstellungen sind aufs beste gelungen, und Domenico verdient sicherlich wegen dieses Werkes in jeder Hinsicht das größte Lob, am meisten jedoch wegen der Lebendigkeit der Köpfe, die nach der Natur gezeichnet sind und viele Florentiner Persönlichkeiten in lebenswahren Bildern zeigen.
Dieser Künstler hatte eine solche Freude an der Arbeit und erwies jedermann gern Gefälligkeiten, so daß er seinen Lehrjungen befahl, jede Arbeit anzunehmen, die in seiner Werkstatt bestellt werde, wenn es auch Ringe zu Damenkörbchen wären. Wenn sie solche nicht malen wollten, so wolle er es tun, damit keiner unzufrieden aus seiner Werkstatt gehe.
Wenn dagegen häusliche Geschäfte zu erledigen waren, beschwerte er sich sehr und übertrug deshalb seinem Bruder David die Besorgungen, indem er sagte: »Überlasse mir die Arbeit und kaufe du ein; jetzt, da ich anfange, mit Art und Wesen meiner Kunst bekannt zu werden, tut es mir leid, daß man mir nicht aufträgt, den ganzen Umkreis der Stadtmauer von Florenz mit Geschichten zu bemalen.«
Man sagt, Domenico habe solche Sicherheit in der Zeichnung gehabt, daß, als er die Altertümer in Rom nachzeichnete – Triumphbogen, Thermenanlagen, Säulen, Obelisken, Amphitheater und Wasserleitungen –, er weder Lineal noch Zirkel und Vermessungen zu Hilfe nahm, sondern nur nach dem Augenmaß arbeitete, und wenn er später die Gebäude maß, war alles so richtig, als ob er es vorher vermessen hätte. Das Colosseum zu Rom zeichnete er in dieser Weise nach Augenmaß und brachte unten eine stehende Figur an, nach der man das Verhältnis des ganzen Gebäudes messen kann. Hierüber stellten nach seinem Tode einige Meister Proben an und fanden, daß alles völlig zutreffe, ober einer Tür des Kirchhofs von Santa Maria Nuova sieht man in Fresko von ihm gemalt einen heiligen Michael in schönem Waffenschmuck mit dem Widerschein auf dem Harnisch, wie vor ihm wenig üblich gewesen war.
Für die Abtei von Passignano, die den Mönchen von Vallombrosa gehört, arbeitete er einiges in Gemeinschaft mit seinem Bruder und mit Bastiano von San Gimignano. Diese beiden wurden, ehe Domenico kam, in jenem Kloster sehr schlecht behandelt und beschwerten sich deshalb beim Abt, den sie baten, ihnen bessere Kost geben zu lassen; es sei nicht anständig, daß er sie wie Handlanger halte. Der Abt versprach, dem nachzukommen und entschuldigte sich; es geschehe mehr aus Unwissenheit des Gastmeisters als aus üblem Willen. Domenico kam, es blieb jedoch beim alten, und David, der den Abt zum zweiten Male traf, sagte, er führe nicht um seinetwillen Beschwerde, sondern wegen der Verdienste und Vorzüge seines Bruders. Der Abt, ein unwissender Mönch, gab dieselbe Antwort wie das erstemal. Sie setzten sich am Abend zum Essen, und wie gewöhnlich kam der Gastmeister mit einem Brett, auf dem Suppe und die abscheulichsten Pastetchen standen. Voll heftigen Zornes stieß David dem Mönch die Suppe um, warf das Brot vom Tisch nach ihm und behandelte ihn so schlimm, daß er halb tot in seine Zelle gebracht wurde. Dadurch entstand, wie sich denken läßt, ein arger Lärm. Der Abt, der schon zu Bett lag, glaubte, das Kloster stürze ein, sprang auf und fand den Mönch sehr übel zugerichtet. Er fing an, mit David zu zanken, doch jener geriet in Wut. »Gehe mir aus den Augen, Domenicos Geschicklichkeit ist mehr wert als alle Schweine von Äbten deiner Art, die je in diesem Kloster gewesen sind!« – Der Abt fühlte sich getroffen und bemühte sich von nun an, sie als ehrenvolle Männer zu behandeln, wie sie es ja auch waren. Nach Vollendung dieses Werkes kehrte Domenico nach Florenz zurück. Dort malte er eine Tafel für Herrn Carpi, und eine andere schickte er nach Rimini an Carlo Malatesta, der sie in seiner Kapelle in San Domenico aufstellen ließ.
Durch Vermittlung von Lorenzo de' Medici, der bei der Dombauverwaltung von Siena mit einer Bürgschaft von zwanzigtausend Dukaten eingetragen war, wurde Domenico dorthin berufen und fing an, an der Fassade des Domes in Mosaik zu arbeiten. Er begann das Unternehmen mit gutem Mut und nach besserer Methode, als früher üblich gewesen. Jedoch mußte er es, vom Tode überrascht, unvollendet lassen. Ebenso blieb durch das Hinscheiden des Lorenzo de' Medici die Kapelle des heiligen Zenobius zu Florenz unvollendet, die Domenico und der Miniaturmaler Gherardo angefangen hatten, in Mosaik zu verzieren, über der Seitentür von Santa Maria del Fiore sieht man eine Verkündigung von Domenico so schön in Mosaik gearbeitet, daß von neueren Meistern nichts Besseres in dieser Art gemacht worden ist. Dieser Künstler pflegte zu sagen: Malerei sei Zeichnung, Mosaik aber die wahre Malerei für die Ewigkeit.
Mit ihm trat, um die Kunst zu erlernen, Bastiano Mainardi von San Gimignano in Gemeinschaft und wurde ein sehr geübter Freskomaler. Beide Meister gingen zusammen nach Gimignano und malten dort die Kapelle der heiligen Fina, ein wohlgelungenes Werk.In der Collegiata zu San Gimignano mit Darstellungen des Todes und Begräbnisses der heiligen Fina. Domenico, durch die Hilfeleistungen und das freundliche Betragen Bastianos zufriedengestellt und erfreut, schätzte ihn so hoch, daß er ihm eine seiner Schwestern zur Frau gab. So belohnte ein liebender Lehrer freigebig die Vorzüge seines Schülers, die mit Fleiß und Anstrengung in der Kunst errungen waren, und Freundschaft verwandelte sich in Verwandtschaft.
Aber eben, als sie in Pisa und Siena mehrere große Werke beginnen wollten, erkrankte Domenico an einem schweren pestartigen Fieber, das ihn nach fünf Tagen des Lebens beraubte. Domenico lebte vierundvierzig Jahre und wurde mit vielen Tränen und kummervollem Herzen von seinen Brüdern David und Benedetto und seinem Sohn Ridolfo unter feierlichem Leichengepränge in Santa Maria Novella beigesetzt. Sein Verlust bereitete allen seinen Freunden großen Schmerz, und viele treffliche ausländische Meister schrieben an seine Hinterbliebenen, um seinen frühzeitigen Tod zu beklagen. Domenico bereicherte die neue Kunst der Mosaikmalerei mehr als irgendein anderer Toskaner von unzähligen, die sich darum bemüht haben. Dies beweisen seine Arbeiten, so wenige es auch sein mögen. Daher gebührt ihm wegen seiner Vielseitigkeit und der zahlreichen hinterlassenen Kunstwerke Dank und Ehre, und darum soll auch nach seinem Tode sein außerordentliches Lob verkündet werden.