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Die Muse, die von Recht und Freiheit singet,
Sie wandelt einsam, ferne den Palästen;
Wenn Lustgesang und Reigen dort erklinget,
Sie hat nicht Anteil an des Hofes Festen.
Doch, nun der laute Schmerz die Flügel schwinget,
Da kommt auch sie mit andern Trauergästen,
Und hat sie nicht die Lebenden erhoben,
Die Toten, die nicht hören, darf sie loben.
Die Stadt erdröhnt vom Schall der Totenglocken,
Die Menge brüstet sich im schwarzen Kleide,
Kein Antlitz lächelt, und kein Aug' ist trocken,
Ein Wettkampf ist im ungemess'nen Leide.
Doch all dies kann die Muse nicht verlocken,
Daß sie das Falsche nicht vom Echten scheide;
Die Glocke tönet, wenn man sie geschwungen,
Und Thränen giebt es, die nicht tief entsprungen.
Der reiche Sarg, von Künstlerhand gezimmert,
Mit einer Fürstin purpurnem Gewande,
Mit einer Krone, die von Steinen flimmert,
Bedeutet er nicht großes Weh dem Lande?
Doch, wie der Purpur, wie die Krone schimmert,
Die Muse huldigt nimmermehr dem Tande;
Der ird'sche Glanz, kann er die Augen blenden,
Die sich zum Licht der ew'gen Sterne wenden?
Sie blickt zum Himmel, blickt zur Erde wieder,
Sie schaut in alle Zeiten der Geschichte:
Da steigen Königinnen auf und nieder,
Und viele schwinden hin wie Traumgesichte
Und sind verschollen in dem Mund der Lieder
Und sind erloschen in des Ruhmes Lichte,
Indes in frischem, unverblühtem Leben
Die Namen edler Bürgerinnen schweben.
Drum darf die Muse wohl, die ernste, fragen:
»Hat dieser goldne Schmuck ein Haupt umfangen,
Das würdig und erleuchtet ihn getragen?
Hat unter dieses Purpurmantels Prangen
Ein hohes, königliches Herz geschlagen,
Ein Herz, erfüllt von heiligem Verlangen,
Von reger Kraft, in weitesten Bezirken
Belebend, hilfreich, menschlich groß zu wirken?«
So fragt die Muse, doch im innern Geiste
Ward ihr voraus der rechten Antwort Kunde;
Da spricht sie manches Schmerzliche, das meiste
Verschließt sie bitter in des Busens Grunde;
Und daß auch sie ihr Totenopfer leiste,
Ihr Zeichen stifte dieser Trauerstunde,
Legt sie zur Krone hin, der goldesschweren,
Bedeutsam einen vollen Kranz von Ähren:
»Nimm hin, Verklärte, die du früh entschwunden!
Nicht Gold noch Kleinod ist dazu verwendet,
Auch nicht aus Blumen ist der Kranz gebunden
(In rauher Zeit hast du die Bahn vollendet),
Aus Feldesfrüchten hab' ich ihn gewunden,
Wie du in Hungertagen sie gespendet;
Ja, gleich der Ceres Kranze flocht ich diesen.
Volksmutter, Nährerin, sei mir gepriesen!«
Sie spricht's, und aufwärts deutet sie, da weichen
Der Halle Bogen, die Gewölke fliehen,
Ein Blick ist offen nach des Himmels Reichen,
Und droben sieht man Katharinen knieen;
Sie trägt nicht mehr der ird'schen Würde Zeichen,
Sie ließ der Welt, was ihr die Welt geliehen,
Doch auf die Stirne fällt, die reine, helle,
Ein Lichtstrahl aus des Lichtes höchstem Quelle. |