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Die verlorene Kirche

                Man höret oft im fernen Wald
Von obenher ein dumpfes Läuten,
Doch niemand weiß, von wann es hallt,
Und kaum die Sage kann es deuten.
Von der verlornen Kirche soll
Der Klang ertönen mit den Winden;
Einst war der Pfad von Wallern voll,
Nun weiß ihn keiner mehr zu finden.

Jüngst ging ich in dem Walde weit,
Wo kein betretner Steig sich dehnet;
Aus der Verderbnis dieser Zeit
Hatt' ich zu Gott mich hingesehnet.
Wo in der Wildnis alles schwieg,
Vernahm ich das Geläute wieder;
Je höher meine Sehnsucht stieg,
Je näher, voller klang es nieder.

Mein Geist war so in sich gekehrt,
Mein Sinn vom Klange hingenommen,
Daß mir es immer unerklärt,
Wie ich so hoch hinauf gekommen.
Mir schien es mehr, denn hundert Jahr',
Daß ich so hingeträumet hätte,
Als über Nebeln sonnenklar
Sich öffnet' eine freie Stätte.

Der Himmel war so dunkelblau,
Die Sonne war so voll und glühend,
Und eines Münsters stolzer Bau
Stand in dem goldnen Lichte blühend.
Mir dünkten helle Wolken ihn
Gleich Fittichen emporzuheben,
Und seines Turmes Spitze schien
Im sel'gen Himmel zu verschweben.

Der Glocke wonnevoller Klang
Ertönte schütternd in dem Turme;
Doch zog nicht Menschenhand den Strang,
Sie ward bewegt von heil'gem Sturme.
Mir war's, derselbe Sturm und Strom
Hätt' an mein klopfend Herz geschlagen;
So trat ich in den hohen Dom
Mit schwankem Schritt und freud'gem Zagen.

Wie mir in jenen Hallen war,
Das kann ich nicht mit Worten schildern.
Die Fenster glühten dunkelklar
Mit aller Märtrer frommen Bildern;
Dann sah ich, wundersam erhellt,
Das Bild zum Leben sich erweitern,
Ich sah hinaus in eine Welt
Von heil'gen Frauen, Gottesstreitern.

Ich kniete nieder am Altar,
Von Lieb' und Andacht ganz durchstrahlet.
Hoch oben an der Decke war
Des Himmels Glorie gemalet;
Doch als ich wieder sah empor,
Da war gesprengt der Kuppel Bogen,
Geöffnet war des Himmels Thor
Und jede Hülle weggezogen.

Was ich für Herrlichkeit geschaut
Mit still anbetendem Erstaunen,
Was ich gehört für sel'gen Laut,
Als Orgel mehr und als Posaunen.
Das steht nicht in der Worte Macht;
Doch wer danach sich treulich sehnet,
Der nehme des Geläutes acht,
Das in dem Walde dumpf ertönet!


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