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Der Rosenkranz

                    In des Maies holden Tagen,
In der Aue Blumenglanz
Edle Knappen fechten, jagen
Um den werten Rosenkranz;
Wollen nicht mit leichtem Finger
Blumen pflücken auf dem Plan,
Wollen sie als wackre Ringer
Aus der Jungfrau Hand empfahn.

In der Laube sitzt die Stille,
Die mit Staunen jeder sieht,
Die in solcher Jugendfülle
Heut zum erstenmale blüht;
Volle Rosenzweig' umwanken
Als ein Schattenhut ihr Haupt,
Reben mit den Blütenranken
Halten ihren Leib umlaubt.

Sieh! im Eisenkleid ein Reiter
Zieht auf krankem Roß daher,
Senkt die Lanz' als müder Streiter,
Neigt das Haupt, wie schlummerschwer;
Dürre Wangen, graue Locken.
Seiner Hand entfiel der Zaum,
Plötzlich fährt er auf erschrocken,
Wie erwacht aus bangem Traum:

»Seid gegrüßt auf diesen Auen,
Schönste Jungfrau, edle Herrn.
Dürfet nicht ob mir ergrauen,
Eure Spiele schau' ich gern.
Gerne möcht' ich für mein Leben
Mit euch brechen einen Speer,
Aber meine Arme beben,
Meine Kniee wanken sehr.

»Kenne solche Zeitvertreibe,
Bin bei Lanz' und Schwert ergraut;
Panzer liegt mir noch am Leibe,
Wie dem Drachen seine Haut.
Auf dem Lande Kampf und Wunden,
Auf dem Meere Wog' und Sturm;
Ruhe hab' ich nie gefunden,
Als ein Jahr im finstern Turm.

»Weh, verlorne Tag' und Nächte!
Minne hat mich nie beglückt;
Nie hat dich, du rauhe Rechte,
Weiche Frauenhand gedrückt;
Denn noch war dem Erdenthale
Jene Blumenjungfrau fern,
Die mir heut zum erstenmale
Aufgeht als ein neuer Stern.

»Wehe, könnt' ich mich verjüngen!
Lernen wollt' ich Saitenkunst,
Minnelieder wollt' ich singen,
Werbend um der Süßen Gunst;
In des Maies holden Tagen,
In der Aue Blumenglanz
Wollt' ich freudig fechten, jagen
Um den werten Rosenkranz.

»Weh, zu früh bin ich geboren!
Erst beginnt die goldne Zeit;
Zorn und Neid hat sich verloren,
Frühling ewig sich erneut.
Sie, in ihrer Rosenlaube,
Wird des Reiches Herrin sein.
Ich muß hin zu Nacht und Staube,
Auf mich fällt der Leichenstein.«

Als der Alte dies gesprochen,
Er die bleichen Lippen schloß.
Seine Augen sind gebrochen,
Sinken will er von dem Roß;
Doch die edeln Knappen eilen,
Legen ihn ins Grüne hin.
Ach, kein Balsam kann ihn heilen,
Keine Stimme wecket ihn.

Und die Jungfrau niedersteiget
Aus der Blumenlaube Glanz,
Traurig sich zum Greise neiget,
Setzt ihm auf den Rosenkranz:
»Sei des Maienfestes König
(Keiner hat, was du, gethan),
Ob es gleich dir frommet wenig,
Blumenkranz dem toten Mann!«


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