Iwan Turgenjew
Visionen und andere phantastische Erzählungen
Iwan Turgenjew

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XXI.

Starke, helle, trillernde Schreie erklangen plötzlich über uns und wiederholten sich gleich darauf etwas weiter vor uns.

»Es sind verspätete Kraniche, die zu euch nach dem Norden ziehen,« sagte Ellis, »wollen wir uns ihnen anschließen?«

»Ja, ja! Trage mich zu ihnen hinauf.«

Wir schossen in die Höhe und befanden uns im nächsten Augenblick neben dem Kranichzuge.

Große, schöne Vögel (dreizehn an der Zahl) zogen in einem Dreieck, stark und nur selten die gewölbten Flügel schwingend. Kopf und Beine straff ausgestreckt, die Brust gewölbt, flogen sie unaufhaltsam und so rasch, daß die Luft rund herum pfiff. Es war so seltsam, in einer solchen Höhe, in einer solchen Entfernung von jedem anderen Leben dieses starke, glühende Leben, diesen unbeugsamen Willen zu sehen. Unaufhörlich den Raum besiegend und zerteilend, wechselten die Kraniche ab und zu kurze Schreie mit ihrem Gefährten an der Spitze des Zuges, und es lag etwas Stolzes und Wichtiges, etwas unerschütterlich Selbstbewußtes in diesen lauten Schreien, in dieser luftigen Unterredung. »Wir werden unser Ziel erreichen, und wenn es auch nicht so leicht ist,« riefen sie sich, gleichsam einander aufmunternd, zu. Und da fiel mir ein, daß es in Rußland – ach, was sage ich Rußland! –, in der ganzen Welt nur wenige Menschen gibt, die man mit diesen Vögeln vergleichen könnte.

»Nun fliegen wir nach Rußland,« sagte Ellis. Ich habe schon früher die Bemerkung gemacht, daß sie fast immer meine Gedanken erriet. »Willst du umkehren?«

»Umkehren? . . . oder nein? Ich bin schon in Paris gewesen, nun trage mich nach Petersburg.«

»Jetzt gleich?«

»Sofort . . . Bedecke mir aber den Kopf mit deinem Ärmel, sonst wird mir übel.«

Ellis hob den Arm . . . Doch bevor mich noch der Nebel umfing, spürte ich auf meinen Lippen die schnelle Berührung jenes weichen, stumpfen Stachels . . .


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