Ludwig Tieck
Hexensabbat
Ludwig Tieck

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Der Graf lachte und sagte: Ich verstehe Euch, Beaufort, und Ihr denkt natürlich ebenso, und ich darf es Euch ebenfalls nicht verargen. So seid Ihr nun, Ihr zu treuherziger Ritter, dem ich wahrlich Dank schuldig bin; Ihr denkt so arg von uns, und noch mehr Eure Bürgersleute und Zunftmeister. Freilich kann das Darlehn oft nicht zurückgegeben werden. Ist es darum verloren? Kann ich Euch nicht Gunst gewähren, Privilegien? Euch dahin weisen und stellen, wo Ihr vierfach das von andern gewinnt, was Ihr vielleicht an mir verlieren müßt? Ich spreche so aufrichtig, weil ich Euch kenne und achte.

Hoher Graf, sprach Beaufort etwas verlegen, Ihr habt es selbst schon gesagt, daß für uns dergleichen nicht paßt. In welche weite und ungewisse Distrikte wurde uns ein solches Treibjagen führen! Wieviel Freundschaften müßten wir erwerben, um nur sicher zu werden, wie viele heimliche Feindschaften würden uns zu untergraben suchen.

Ich wäre nicht in dieser Verlegenheit, sagte der Graf, wenn die Vermählung meiner Schwester mich nicht ganz ausgeplündert hätte. Bare Summen, die ich zahlen, prächtige Feste, die ich geben mußte, und durch welche tausend sich reich gemacht haben. Was helfen mir für den Augenblick meine großen, unermeßlichen Güter und Schlösser? Diejenigen, die für vorgeschossene Summen sich auf zwei Jahr meiner Einkünfte bemächtiget haben, darf ich, meiner eignen Ehre wegen, nicht verdrängen, sie genießen ebenfalls des höchsten Schutzes. So verwickelt eins das andre, und Ihr, die Ihr uns vielleicht aus der Ferne beneidet, wißt nicht, wieviel Drangsal und Verdruß aller Art uns zur Last fällt. Auch kann ich die Gnade des Herzogs nicht immer in Anspruch nehmen, zu welchem schon alle Augen gierig hingerichtet sind.

Freilich hat jeder Stand seine Beschwerde, sagte Beaufort; aber einem erlauchten Fürsten muß es immer leichter fallen, als einem gewöhnlichen Privatmanne, diese Hindernisse zu besiegen. Ich sehe also wohl, Gnädigster, ich muß auch in diesem Jahr die schrecklichen Wucherzinsen für Euch zahlen, die mir schwerfallen werden, da Ihr, nach Euren Äußerungen, meine Bürgschaft jetzt noch nicht auslösen könnt.

Guter Beaufort, sagte der Graf, es ist das wenigste, was Ihr für mich tun könnt, da Ihr mir jene größere Summe nicht schafft, auf die ich gerechnet hatte. Gehabt Euch wohl, Freund, und speiset morgen mit mir; ich werde auch einige andere von eurem Adel einladen lassen.

Beaufort entfernte sich, froh, daß er nicht einen härtern Stand, den er gefürchtet, gehabt hatte. Er begab sich noch zu der Gesellschaft der Bürger, die sich beim reichen Josset, im großen Hause, versammelt hatte, nachdem sie der Graf Etampes beurlaubt hatte. Man stritt eben mit dem heftigen Carrieux, der mit der Rede und Verheißung des Grafen sehr unzufrieden war, weil er sie zu unbedeutend fand. So machen es diese Herren, rief er jetzt, sie wollen es mit niemand verderben, und wer dieser Weise folgt, muß immer den Besseren schädlich werden. Er wird sich nun so hin und her winden, daß er gar nichts tut, und bei dieser scheinbaren Klugheit und Unparteilichkeit müssen die listigen Pfaffen gewinnen. Und Schakepeh! – hat er sich wohl im Zuge sehen lassen? – Ist er wohl hergekommen, wie wir ihn doch luden? – Wenn die Bürger selbst so gleichgültig gegen die Verletzung ihrer Rechte sind, so arbeiten sie ja ihren Feinden in die Hände, und wir dürfen uns nicht verwundern, wenn der Adel uns ganz fallen läßt.

Schakepeh, sagte der Gastwirt Josset, muß etwas Großes im Schilde führen. Er hat soviel Geld in der Eile einkassiert, als er nur immer konnte; er hat einigen Schuldnern ein Dritteil ganz erlassen, um nur das Übrige zu bekommen. Mir hat er sogar sein großes schönes Haus angeboten, und zwar, wenn ich ihn bar bezahlen wolle, um einen ganz schwachen Preis; ich gewänne die Hälfte, wenn ich es brauchen könnte, oder die Summe bar hätte. In allen diesen Dingen verfährt der Mann, der sonst die Ordnung selbst ist, so hastig, daß ich fürchten muß, er macht bankrott und will nur eilig, mit großen Verlusten, Geld zusammentreiben, um noch etwas zu retten.

Das kann unmöglich sein, sagte Beaufort ruhig, denn er hat mir nur heut, lange vor dem Termine, eine bedeutende Summe gezahlt, die ihm, wenn er in Gefahr stände, zu wichtig sein muß. Ich vermute, er will Arras ganz verlassen, um anderswo, vielleicht in einem fremden Lande, sich mit seinen Reichtümern niederzulassen.

Carrieux schrie laut auf. Das wäre entsetzlich! sagte er dann; wäre es wirklich schon so weit gekommen, daß der Bürger hier im Lande keine Sicherheit mehr fände?

Melchior hatte sich indessen auf die Bitte des jungen Köstein zum Grafen begeben, den er mit dem Ritter Conrad beim Schachspiel fand. Er sagte dem Grafen in aller Demut, daß der bedrängte Köstein, von allen verlassen, seinen Schutz und sein Wohlwollen anriefe, das er ihm so oft bewiesen habe; er erinnerte an jenes gnädige, fast freundschaftliche Vertrauen, mit dem er dem Verfolgten so oft entgegengekommen, ja er ließ von den Diensten, die Köstein dem hohen Grafen beim Herzoge geleistet, auf kluge und bescheidene Weise einiges einfließen, um seinen Bitten mehr Gewicht zu geben. Der Graf sagte aber kalt: Lieber geistlicher Herr, in dieser Sache kann ich durchaus gar nichts tun, da ich zu ganz andern Untersuchungen, wie Ihr es selbst wohl wißt, hieher gesendet bin. Kann sich der junge Köstein gegen die schwere Anklage rechtfertigen, so wird er meine Freundschaft wie sonst genießen; kann er es nicht, so wäre es wohl ungeziemend, dem Herzoge und Thronerben hier mit Herrschsucht oder unziemender Protektion entgegentreten zu wollen.

Der Gefangene, sagte Melchior, wünscht nur, daß Ihr ihm ein unschuldiges Zeichen Eurer bestehenden Gunst zukommen laßt, damit seine Feinde nicht zu frech gegen ihn auf treten, und die Richter, wenn sie ihn völlig ohne Schutz sehn, sich parteiisch auf die Seite seiner Gegner wenden.

So müßte ich ihn wohl gar, entgegnete der Graf schneidend, indem er aufstand, in seinem Gefängnis besuchen? Herr Kanonikus, es handelt sich hier um die Beschuldigung des Hochverrates. Eine so hochwichtige Anklage, die bewiesen werden muß, oder schwer auf das Haupt des Klägers zurückfällt, kann man nicht mit Protektion, mit Gunstbezeugung oder Einschüchtrung zum Schweigen bringen. ihm wird ein unparteiisches Gericht werden, dessen kann er versichert sein.

Melchior entfernte sich, und der Graf setzte sich zum Spiel wieder nieder. Da ihn der Herzog, mein Vetter, hat fallen lassen, sagte er, der wie kindisch in den Laffen verliebt war, so muß unser Graf Charolais schon Beweise seiner Anklage vorgelegt haben. Was der Kindische sich dabei denkt, zu mir zu schicken. Als wenn ich mich selbst verdächtig machen würde, um diesen Glückspilz, dem zornigen Thronerben gegenüber, zu retten. Mag er es haben und nun sehn, wohin Frechheit und Übermut führen. Er, der mit uns in der Pracht wetteiferte, der sein Weib so herausstaffierte, daß am Hofe meines Vetters sich meine Gemahlin einmal schämen mußte, weniger und nicht so kostbaren Schmuck an sich zu sehn, als in welchem das sonst so arme Fräulein glänzte. Der Fall dieses Aufschößlings mag eine Lehre und Warnung für alle ähnlichen Glücksritter werden.

Melchior kam ohne Trost zu seinem bekümmerten Vetter, dem er in milden Ausdrücken erzählte, wie er so gar nichts beim Grafen, auf welchen Köstein sehr gerechnet, hatte ausrichten können. Der ratlose Jüngling warf sich verzweifelnd in den Sessel und weinte und schluchzte laut. So sind sie, sagte er dann, diese Großen! Wie oft hat er mich gebraucht, ihm bei meinem Herzoge dieses und jenes auszumachen, so manches durchzusetzen, was gegen alles Recht war. Er wußte, daß der alte Herr mehr auf meine Scherze hörte, und ihm meine Freundlichkeit mehr gefiel, als wenn der Graf oder andre Verwandte etwas durchtreiben wollten. Nun zittern sie alle vor diesem Thronerben, und alle hassen ihn, und wünschen, daß er unterginge. Aber sie werden auch einst ihre Strafe finden. Ich dachte so sicher zu stehn, daß ich mich bloß zu den Feinden des Prinzen Carl gesellte; es schien, als wenn alle die von der andern Partei mich gar nicht entbehren könnten, solch ein unbedingtes Vertrauen bewiesen sie mir alle. Allen habe ich geholfen, und keiner dankt es mir. Noch jetzt, ganz neulich gab ich diesem Etampes einen klugen Rat, wie er zu großen Summen gelangen könne, die er einzunehmen wünscht. Seine Hoffart, und die noch größere seiner Schwester, hat ihn das Unermeßliche gekostet. – Komme ich nur aus dieser Lage, sollen sie aber auch sehn, was sie an mir verloren haben.

Melchior verließ den Jüngling, tief betrübt, daß sein Unglück ihm den Verstand, den er noch kürzlich bewundern müssen, so völlig geraubt hatte.

Mit einigen seiner Edelleute begab sich der Graf Etampes in die Wohnung des Bischofes. Dieser war von Priestern umgeben, unter denen sich der Dechant und der Kanonikus Melchior befanden. Der Graf setzte sich dem Sitze des Bischofes gegenüber, und erklärte ihm die Absicht, aus welcher der Regent des Landes ihn nach Arras gesendet habe. Daß der gnädige Fürst wünsche, daß nicht ohne die äußerste Not etwas Grausames und Hartscheinendes geschehen möge; wie sehr es der Graf bedaure, daß schon der angesehenste Teil des Bürgerstandes sich in der Verhaftung seines Schöffen gekränkt fühle, und wie er nicht zugeben könne, daß das Gericht der Klerisei sich in die Gerichtsbarkeit des Magistrats und der Schöffen und Vorstände des Bürgerwesens dränge.

Der Bischof antwortete: Von dem allen, geehrter Fürst und Herr, ist von unsrer Seite nichts geschehen. Die Herren des Adelstandes und des Bürgerwesens kennen nur zu wenig, wie weit die geistlichen Rechte sich erstrecken, und haben die sehr ausgedehnte Gerichtsbarkeit der Inquisition vergessen, weil seit lange kein Verbrechen sich zutrug, welches sie zu richten, oder vielmehr, weil sie in ihrer christlichen Aufmerksamkeit nachgelassen hatte. Daß ich selbst, aus eigner Vollmacht, den Schöffen Taket verhaftete, getraue ich mir vor jedem geistlichen und vernünftigen weltlichen Gerichte zu verantworten, denn mehr als ein Zeuge seines Verbrechens ist gegen ihn aufgetreten. Ich kann es aber, als Präsident des Gerichtes der Inquisition, als stellvertretender Bischof und geistliches Oberhaupt dieser Stadt, niemals zugeben, daß sich weltliche Richter oder Männer vom Adel meine Rechte und die Rechte der Kirche anmaßen, und so kann Eure Sendung von unserm gnädigsten Herzog unmöglich gemeint sein, da es weltbekannt ist, wie hoch er die Heiligen verehrt; sondern seine edle Absicht ist gewiß, daß er einen allgemein verehrten Fürsten seines Hauses sendet, um Pöbel wie Bürger, Adel wie Geistlichkeit durch die Autorität dahin zu vermögen, daß alles auf dem Wege des Rechtes, der Sitte und der Billigkeit geschehe; und so treten wir von der Geistlichkeit Euch mit demselben herzlichen Vertrauen entgegen, welches Euch der edle Bürgerstand schon bewiesen hat.

So ist es allerdings gemeint, antwortete der Graf, und Ihr habt die Absichten unsers gnädigsten Landesherrn ganz richtig ausgedeutet.

Nehmt gütig, erwiderte der Bischof, diese Akten, die die Anklagen, Zeugenverhöre und Beweise enthalten, alles, was wir bis jetzt auf dem freundlichen Wege haben entdecken können. Der Herzog hat uns auch einige Doktoren der Rechte wie der Theologie von Löwen gesendet, und, soviel ich weiß, sind alle mit meinem Verfahren, das ich bis jetzt beobachtet habe, einverstanden.


 << zurück weiter >>